Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 20.11.2008

LArbG Mainz: urlaub, arbeitsgericht, freiwillige leistung, kündigung, abmahnung, absicht, datum, dienstplan, sanktion, berufungskläger

LAG
Mainz
20.11.2008
2 Sa 403/08
Rechtsmittelbegründung
Aktenzeichen:
2 Sa 403/08
2 Ca 1865/07
ArbG Trier
Urteil vom 20.11.2008
Tenor:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 05.06.2008 - 2 Ca 1865/07 -
wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vom Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochenen
Kündigung. Seit 10.05.2007 war die Klägerin im Betrieb des Rechtsvorgängers des Beklagten als
Ladenhilfe zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt von 1.380,00 EUR tätig.
Die Klägerin war vom 02.11. bis 17.11.207 arbeitsunfähig erkrankt. Der Beklagte kündigte mit Schreiben
vom 27.11.2007 das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, spätestens
zum 31.12.2007 mit der Begründung, die Klägerin sei seit dem 19.11.2007 unentschuldigt der Arbeit
ferngeblieben.
Im Betrieb des Beklagten werden regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Klägerin hat mit
ihrer am 19.12.2007 erhobenen Kündigungsschutzklage die Unwirksamkeit der außerordentlichen bzw.
hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung geltend gemacht.
Hierzu hat sie vorgetragen, lange vor Betriebsübernahme sei ihr Urlaub jedenfalls für die Zeit vom 19.11.
bis 29.11.2007 bewilligt worden, der auch - was unstreitig ist im Dienstplan eingetragen gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des
Beklagten vom 27.11.2007 weder fristlos, noch zum nächstmöglichen Termin, spätestens zum 31.12.2007
aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, nach dem Arbeitsvertrag stünden der Klägerin 31 Kalendertage Urlaub zu, für das
Jahr 2007 also anteilig 21 Urlaubstage. Ausgehend von einer monatlichen Arbeitszeit von 180 Stunden
seien Fehlstunden angefallen, die als Urlaubstage gewertet würden. Danach habe die Klägerin von Juni
bis Oktober 2007 bereits 25,75 Urlaubstage genommen, gleichwohl habe sie sie in Absprache mit dem
bisherigen Arbeitgeber für November 2007 weitere Urlaubstage in den Dienstplan eintragen lassen. Die
Klägerin habe vortäuschen wollen, dass ihr noch Urlaub für 2007 zustünde. Dies könne nur in der Absicht
erfolgt sein, sich rechtswidrig einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 05.06.2008 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, ein Fehlverhalten der
Klägerin läge nicht vor. Sie habe nicht unentschuldigt gefehlt, sondern sei infolge von Urlaubsbewilligung
von der Arbeitspflicht befreit gewesen. Der Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die Klägerin sich
nicht im genehmigten Urlaub befand.
Schon sein Ausgangspunkt sei falsch. Die Klägerin habe 31 Werktage/Arbeitstage Urlaub, nicht
Kalendertage. Eine Quotelung des Urlaubs fände nicht statt, da das Arbeitsverhältnis bereits in 2007
länger als 6 Monate bestanden habe. Selbst wenn die Klägerin entsprechend der Behauptung des
Beklagten bereits 25,75 Urlaubstage genommen habe, hätte ihr noch ein restlicher Urlaubsanspruch von
5,25 Urlaubstagen zugestanden.
Es könne auch nicht angenommen werden, dass die Klägerin bereits 25,75 Urlaubstage genommen
habe. Der Beklagte habe nicht behauptet, dass die Klägerin insoweit Urlaub beantragt und bewilligt
bekommen hatte. Unabhängig davon, dass auch der Ansatz, sie müsse monatlich 180 Stunden arbeiten,
unzutreffend ist, da sie nur 165 Stunden monatlich zu arbeiten hätte, könnten auch etwaige Fehlzeiten
nicht einseitig vom Arbeitgeber als Urlaub gewertet werden. Es sei ferner nicht ersichtlich, dass mögliche
Urlaubsstunden vergütet wurden.
Schließlich sei ein Arbeitgeber auch nicht gehindert, einem Arbeitnehmer weiteren Urlaub zu bewilligen,
wenn der ihm zustehende Urlaubsanspruch bereits verbraucht ist, etwa als freiwillige Leistung oder als
Vorschuss für das Folgejahr. Für die vermutete Absicht, der Betriebsübernehmer habe durch eine
Urlaubsbewilligung geschädigt werden sollen, bestehe kein Anhaltspunkt.
Zudem hätte der Kündigung eine Abmahnung vorausgehen müssen. Von einer Entbehrlichkeit der
Abmahnung könne nicht ausgegangen werden. Der Beklagte habe angesichts des Fernbleibens der
Klägerin ab 19.11.2007 nicht einmal versucht, mit dieser in Kontakt zu treten. Die Klägerin durfte
berechtigterweise davon ausgehen, sich im genehmigten Urlaub zu befinden. Für einen Betrugsversuch
bestehe daher kein Anhaltspunkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 20.06.2008 zugestellt.
Hiergegen hat er am Montag, 21.07.2008 Berufung eingelegt und die Berufung am 03.09.2008 begründet,
nachdem die Frist zur Begründung bis zu diesem Datum verlängert worden war.
Der Beklagte greift das Urteil des Arbeitsgerichts mit der Begründung an, das Arbeitsgericht habe bei der
Abwägung nicht berücksichtigt, dass die Klägerin die Lebensgefährtin des Sohnes des ehemaligen
Betriebsinhabers, dessen Betrieb der Beklagte übernommen habe, sei. Ebenso sei nicht berücksichtigt,
dass die Klägerin nicht vorgetragen habe, der Beklagte habe ihr den Urlaub gewährt, so dass letztlich im
Umkehrschluss der Vortrag des Beklagten als zugestanden anzusehen sei. Der Beklagte habe zu den
Fehlzeiten detailliert unter Beweisantritt vorgetragen. Diesem detaillierten Vortrag sei die Klägerin nicht
substantiiert entgegengetreten. Auch die Annahme der Vorinstanz, die Fehlzeiten der Klägerin seien vor
dem Betriebsübergang nicht vergütet worden, stellten einen Denkfehler dar, da in dem Vortrag, es sei
Urlaub genommen, der Vortrag der Bezahlung für diesen Zeitraum immanent sei. Die Klägerin hätte sich
entgegen der Ansicht der Vorinstanz unverzüglich nach Betriebsübernahme hinsichtlich des Urlaubs mit
dem Beklagten abstimmen müssen.
Die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung lägen vor, nachdem die Klägerin die jüngste
Mitarbeiterin des Beklagten mit kürzester Betriebszugehörigkeit sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 03.09.2008
verwiesen.
Die Kammer hat den Beklagten bereits auf die Bedenken hinsichtlich einer ordnungsgemäßen
Begründung hingewiesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem der Beklagte ordnungsgemäß geladen wurde, ist für ihn
niemand erschienen. Die Klägerin hat den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Entscheidung über die Verwerfung der Berufung als unzulässig, konnte die Kammer auch durch End-
Urteil erlassen, obwohl der die Berufung führende Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung
säumig war. Die Prozessvoraussetzungen einer zulässigen Berufung sind vor einer
Versäumnisentscheidung zu prüfen.
Nach § 520 S. 3 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung enthalten die Bezeichnung der Umstände, aus
denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Der
Berufungsführer muss im Einzelnen angeben, in welchen Beziehungen und aus welchen Gründen er die
rechtliche oder tatsächliche Würdigung des angefochtenen Urteils für unrichtig hält (vgl. BGH AP Nr. 46 zu
§ 519 ZPO).
Diese Vorschrift soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet
wird, in dem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu
überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene
Urteil für unrichtig gehalten wird. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen
entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs in Berufungsverfahren erreicht werden.
Demnach muss die Berufungsbegründung jeweils auf den Streitfall zugeschnitten sein und im einzelnen
erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der
Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält.
Zwar kann eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung nicht verlangt werden, doch muss die
Berufungsschrift sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils
befassen, wenn es diese bekämpfen will.
Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Beklagten nicht.
Das erstinstanzliche Urteil hat sich auf verschiedene selbständig tragende Gesichtspunkte gestützt.
Zunächst hat es ausgeführt, ein Fehlverhalten der Klägerin, welches zu einer arbeitsvertraglichen
Sanktion führen könnte, läge nicht vor. Der Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die Klägerin sich im
nicht genehmigten Urlaub befand.
Hierzu hat es im einzelnen ausgeführt, dass einerseits der Ausgangspunkt des Beklagten unrichtig ist,
weil die Klägerin zumindest noch einen restlichen Urlaubsanspruch von 5,25 Urlaubstagen hatte, darüber
hinaus hat das Arbeitsgericht ins einzelne gehend begründet, dass der Beklagte nicht behauptet hat, die
Klägerin habe früher Urlaub beantragt und bewilligt bekommen, weil Fehlzeiten nicht einseitig vom
Arbeitgeber als Urlaub gewertet werden.
Der vom Arbeitsgericht aufgenommene Hinweis, es sei nicht ersichtlich, dass mögliche Urlaubsstunden
vergütet werden, ist für die Entscheidung nicht tragend, weil das Arbeitsgericht eine Urlaubsbewilligung
für die von dem Beklagten errechneten Fehlzeiten nicht festgestellt hat.
Mit den vom Arbeitsgericht aufgeworfenen tatsächlichen und rechtlichen Fragen einer Urlaubsbewilligung
durch nachträgliche einseitige Verrechnung von behaupteten Fehlzeiten setzt sich die
Berufungsbegründung überhaupt nicht auseinander.
Die Berufungsbegründung setzt sich auch nicht darüber auseinander, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich
nicht gehindert ist, freiwillig weitere Freizeiten als Urlaub zu bewilligen, so dass eine Rechtswidrigkeit des
Fernbleibens ausscheidet.
Eine Auseinandersetzung mit der Begründung, eine Abmahnung fehle, liegt zwar im Ansatz vor, das
Arbeitsgericht hat aber auch ausgeführt, dass Ausnahmetatbestände, weswegen eine Abmahnung
entbehrlich ist, nicht vorliegen. Hier hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Beklagte
nicht einmal versucht hat, mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen und daher die Klägerin
berechtigterweise zumindest davon ausgehen durfte, sich im genehmigten Urlaub zu befinden. Die
Ausführungen des Beklagten hierzu erschöpfen sich in der bloßen Behauptung, die Klägerin hätte sich
nach Betriebsübernahme hinsichtlich des Urlaubs mit dem Beklagten abstimmen müssen. Woher diese
Auffassung kommt und weswegen die im Arbeitsgericht gegenteilige Meinung unzutreffend sein soll, legt
die Berufungsbegründung nicht dar.
Die des weiteren in der Berufungsbegründung aufgeworfenen Fragen der Hinweispflicht des Gerichts
über Vortrag zu einer ordentlichen Kündigung und Hinweise, Beweis für die Fehlzeiten anzutreten, sind,
da sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts mit anderen Fragen befasst, für die Entscheidung des
Rechtsstreits nicht erheblich. Sie stellen keine auf den Streitfall zugeschnittene konkrete
Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils dar.
Stützt das Arbeitsgericht nämlich seine Entscheidung auf verschiedene tragende Gesichtspunkte, muss
sich die Berufungsbegründung mit sämtlichen die Entscheidung tragenden Gesichtspunkten
auseinandersetzen, ansonsten liegt eine hinreichende Auseinandersetzung nicht vor (vgl. Schwab/Weth,
ArbGG, 2. Aufl., § 64, RdNr. 158 m.w.N.).
Nach allem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu
verwerfen.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.