Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 27.07.2006
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LAG
Mainz
27.07.2006
11 Sa 229/06
Einguppierung Kraftfahrer des Bundes.
Aktenzeichen:
11 Sa 229/06
7 Ca 621/05
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuznach -
Entscheidung vom 27.07.2006
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad
Kreuznach, vom 15.11.2005 - 7 Ca 621/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Von einer erneuten Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen
Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des
Arbeitsgerichts Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, vom 15.11.2005 (dort Seite 2 bis 10 = Blatt
115 bis 123 der Akten) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem 01.02.2004 und solange die
Durchschnittspauschale im W
Idar-Oberstein 3,0 oder höher ist, anstelle der gewährten Lohngruppe 5 a Pauschalgruppe I für die
Kraftfahrer des Bundes, die Lohngruppe 5 a Pauschalgruppe III des Tarifvertrages zu gewähren und den
Differenzbetrag zwischen den Pauschalgruppen, soweit der Differenzbetrag nachgezahlt wird, ab der
jeweiligen Fälligkeit mit 5 % über dem Basiszinssatz der EZB zu verzinsen;
2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem 01.02.2004 und
solange die Durchschnittspauschale im W Idar-Oberstein 3,0 oder höher ist, anstatt der gewährten
Lohngruppe 5 a Pauschalgruppe I für die Kraftfahrer des Bundes die Lohngruppe 4 a Pauschalgruppe III
des Tarifvertrags zu gewähren und den Differenzbetrag zwischen den Pauschalgruppen, soweit der
Differenzbetrag nachgezahlt wird, ab der jeweiligen Fälligkeit mit 5 % über dem Basiszinssatz der EZP zu
verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Mainz, Auswärtige Kammern Bad Kreuznach, hat die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe es
nicht vermocht darzulegen, dass er ohne Freistellung als Personalratsmitglied ab dem 01.02.2004 nach
der Lohngruppe 5 a Pauschalgruppe III des Tarifvertrages für die Kraftfahrer des Bundes noch nach der
Lohngruppe 4 a Pauschalgruppe III dieses Tarifvertrages vergütet worden wäre. Der Kläger sei
insbesondere nicht mit sämtlichen Kraftfahrern des W Idar-Oberstein zu vergleichen sondern lediglich mit
denjenigen Arbeitnehmern, die früher bei der Standortsverwaltung Idar-Oberstein als LKW-Fahrer
eingesetzt wurden. Auch eine Vergleichbarkeit des Klägers mit so genannten KOM-Fahrern scheide
deswegen aus, weil der Kläger nicht in Besitz der hierzu erforderlichen Personenbeförderungsscheine
sei. Im Übrigen seien solche KOM-Fahrer bei der früheren Standortverwaltung Idar-Oberstein nicht
beschäftigt gewesen. Fahrer, die früher direkt bei der Standortverwaltung Idar-Oberstein beschäftigt
gewesen waren, seien weder vor noch nach der Beistellung zum W Idar-Oberstein zum KOM-Fahrer
ausgebildet worden.
Da alle ehemaligen Fahrer der Standortverwaltung Idar-Oberstein nach der Beistellung zum W Idar-
Oberstein wieder an die Standortverwaltung ausgeliehen worden seien, sei davon auszugehen, dass
auch der Kläger, wäre er nicht freigestelltes Personalratsmitglied, dort wieder eingesetzt worden wäre.
Insofern sei auf eine fiktive Nachzeichnung abzustellen.
Schließlich sei der Kläger auch nicht mit dem Tankwagenfahrer V vergleichbar, da dieser im Gegensatz
zum Kläger über eine fachliche Ausbildung zum Tankwagenfahrer verfüge und außerdem vor der
Beistellung zum W Idar-Oberstein nicht bei der Standortverwaltung Idar-Oberstein eingesetzt gewesen
sei.
Die mit dem Kläger somit vergleichbaren Arbeitnehmer der ehemaligen Standortverwaltung Idar-
Oberstein, die auch jetzt wieder dort tatsächlich arbeiten würden, seien allerdings alle in der
Pauschalgruppe I eingruppiert unabhängig davon, ob sie der Lohngruppe 5 a oder 4 a angehörten.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf die Seiten 11 ff.
des Urteils vom 15.11.2005 (Blatt 124 ff. der Akten) Bezug genommen.
Dem Klägerbevollmächtigten ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 22.02.2006 zugestellt worden.
Er hat am 13.03.2006 Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und das
Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 24.04.2006, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 24.04.2006
eingegangen, begründet.
Der Kläger trägt vor,
das Arbeitsgericht habe fehlerhaft in seinen Entscheidungsgründen lediglich auf die "Fahrer der
Standortverwaltung Idar-Oberstein" abgestellt. Rechtlich könnte das W Idar-Oberstein die Arbeitnehmer
auch anderweitig einsetzen. Zeitweise habe so auch der LKW-Fahrer Grüner bereits für das W einen
General fahren müssen, ungeachtet der Anforderungen durch die Standortverwaltung Idar-Oberstein.
Insbesondere auch deswegen, weil bei der Standortverwaltung Idar-Oberstein nur noch ein LKW-Fahrer
zum Einsatz komme, sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger, sofern er nicht freigestelltes
Personalratsmitglied wäre, tatsächlich auch weiterhin bei der Standortverwaltung Idar-Oberstein zum
Einsatz kommen würde. Dem W Idar-Oberstein würde deswegen oblegen, ihm einen anderweitigen
Einsatz zuzuweisen. Schließlich sei auch eine Vergleichbarkeit mit den KOM-Fahrern Idar-Oberstein
gegeben. Auch noch nach der Beistellung zum W Idar-Oberstein seien LKW und Pkw-Fahrer zu KOM-
Fahrern ausgebildet worden, so z. B. drei Personen, die vor der Beistellung bei der Artillerieschule Idar-
Oberstein beschäftigt waren.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 15.11.2005 - 7 Ta
621/05 - abzuändern und
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn rückwirkend ab dem 01.02.2004 und, solange die
Durchschnittspauschale im W Idar-Oberstein 3,0 oder höher ist, anstelle der gewährten Lohngruppe 5 a
Pauschalgruppe I für die Kraftfahrer des Bundes die Lohngruppe 5 a Pauschalgruppe III des
Tarifvertrages zu gewähren und den Differenzbetrag zwischen den Pauschalgruppen, soweit der
Differenzbetrag nachgezahlt wird, ab der jeweiligen Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz zu verzinsen;
2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem 01.02.2004 und,
solange die Durchschnittspauschale im W Idar-Oberstein 3,0 oder höher ist, anstelle der gewährten
Lohngruppe 5 a Pauschalgruppe I für die Kraftfahrer des Bundes die Lohngruppe 4 a Pauschalgruppe III
des Tarifvertrages zu gewähren und den Differenzbetrag zwischen den Pauschalgruppen, soweit der
Differenzbetrag nachgezahlt wird, ab der jeweiligen Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie trägt vor,
das Arbeitsgericht habe zu Recht die Klage abgewiesen. Insbesondere sei der Kläger nicht mit anderen
Fahrern zu vergleichen, als jenen, die zuvor bei der Standortverwaltung Idar-Oberstein beschäftigt waren.
Außerdem gäbe es keine betriebliche Übung nach feststehenden Maßstäben, die es erfordert hätten, dem
Kläger zum KOM-Fahrer auszubilden. Ein Einsatz des Klägers als KOM-Fahrer, selbst wenn er einen
entsprechenden Personenbeförderungsschein hätte, wäre mangels Bedarf keinesfalls in Betracht
gekommen.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten
Schriftsätze und das Protokoll vom 12.01.2005 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I.
Die Berufung ist im vorliegenden Verfahren statthaft, § 64 Abs. 1 und 2 Buchstabe b) ArbGG und auch
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520
ZPO).
II.
Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet.
Der darlegungs- und beweispflichtige Kläger konnte nicht darlegen, dass er ohne Freistellung als
Personalratsmitglied ab dem 01.02.2004 nach der Lohngruppe 5 a Pauschalgruppe III des Tarifvertrages
für die Kraftfahrer des Bundes oder nach der Lohngruppe 4 a Pauschalgruppe III dieses Tarifvertrages
vergütet worden wäre. Zunächst wird insoweit vollumfänglich auf die zutreffenden und gut begründeten
Ausführungen des Arbeitsgerichts nach § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung wird ergänzend auf Folgendes hingewiesen:
1.
Eine Verletzung der Benachteiligungsverbote der §§ 8, 46 Abs. 3 Bundespersonalvertretungsgesetz
begründet nicht einen Schadensersatzanspruch, sondern einen unmittelbaren Anspruch des
Personalratsmitglieds, hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung so gestellt zu werden, wie sie ohne sein
Personalratsamt verlaufen wäre. Hierzu bedarf es einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung, wobei von der
beruflichen Entwicklung vergleichbarer Kollegen auszugehen ist (vgl. BAG, 06.09.1990, 7 AZR 208/89;
27.06.2001, 7 AZR 496/99).
Unter fiktiver Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs ist zu verstehen, dass das Personalratsmitglied
so zu behandeln ist, wie ein vergleichbarer Kollege ohne Personalratsamt. Dabei ist auch darauf zu
achten, dass das freigestellte Personalratsmitglied im Verhältnis zu den übrigen Beschäftigten nicht
bevorzugt wird (BAG 27.06.2001, a.a.O., BII1a der Gründe).
Ein Anspruch eines freigestellten Personalratsmitglieds auf eine Höhergruppierung kann sich dabei auch
daraus ergeben, dass ein öffentlicher Arbeitgeber Angestellten mit bestimmten Laufbahnvoraussetzungen
nach feststehenden Maßstäben und/oder Zeitablauf auf freiwerdende oder neu geschaffene Stellen einer
höheren Vergütungsgruppe befördert und Personalratsmitglieder wegen ihrer Freistellung hiervon
ausnimmt. Dabei ist wie bei § 37 Abs. 4 Betriebsverfahrensgesetz auf die betriebsübliche berufliche
Entwicklung nicht freigestellter Kollegen abzustellen. Nicht ausreichend für die Betriebsüblichkeit ist, dass
einige andere Arbeitnehmer einen entsprechenden beruflichen Aufstieg genommen haben. Der
Geschehensablauf muss vielmehr so typisch sein, dass aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und
Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich, d. h. wenigstens in der überwiegenden Mehrheit der vergleichbaren
Fälle, damit gerechnet werden kann (vgl. BAG, 27.06.2001, BII1bcc der Gründe;
Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht 5. Auflage I, Randziffer 596).
Vergleichbar sind Arbeitnehmer des Betriebes, die zum Zeitpunkt der Übernahme des Personalratsamts
eine im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeit wie das Personalratsmitglied ausgeübt haben und auch
hinsichtlich Persönlichkeit, Qualifikation und Leistung vergleichbar sind (vgl. DLW a.a.O. I Randziffer 593).
2.
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist festzustellen, dass das Arbeitsgericht völlig zutreffend
den Kläger mit denjenigen Arbeitnehmern verglichen hat, die mit ihm im Zeitpunkt der Freistellung als
Personalratsmitglied im Jahre 1996 bei der Standortverwaltung Idar-Oberstein beschäftigt waren und
vergleichbare Tätigkeiten wie er ausgeführt hatten. Deren berufliche Entwicklung ist nachzuzeichnen und
fiktiv auf den Kläger zu übertragen.
Hierbei ist festzustellen, dass unstreitig die damals beschäftigten Arbeitnehmer auch nach der Beistellung
zum W Idar-Oberstein weiterhin in der Standortverwaltung Idar-Oberstein beschäftigt werden, zumindest
weit überwiegend. Alle diese Arbeitnehmer, seien sie nun als Pkw- oder LKW-Fahrer eingesetzt, sind in
der Lohngruppe 4 oder 5 eingruppiert, allerdings jeweils lediglich in der Pauschalgruppe I. Dies hat der
Kläger auf ausdrückliche Nachfrage im Kammertermin beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
nochmals bestätigt.
Einzige Ausnahme ist der Tankwagenfahrer Herr V. Dieser wird derzeit als Pkw-Fahrer in der
Pauschalgruppe III vergütet. Der Kläger ist insofern der Ansicht, dass dieser ebenfalls in die
Vergleichsgruppe einzubeziehen sei, da er bis kurz vor der Beistellung zum W Idar-Oberstein bei der
Standortverwaltung Idar-Oberstein beschäftigt war. Erst kurz bevor diese dem W zugeordnet wurde,
wurde Herr V zur Luftwaffenunterstützungskompanie Birkenfeld versetzt, jedoch gleich darauf wieder zum
W beigestellt und der Standortverwaltung Idar-Oberstein wieder zugewiesen.
Die Beklagte hat diesen Vortrag bestritten.
Selbst zugunsten des Klägers unterstellt, Herr V sei insofern mit bei der fiktiven Laufbahnnachstellung
einzubeziehen, ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Herr V wäre dann nämlich der einzige von dann
10 ehemaligen Kraftfahrern der Standortverwaltung Idar-Oberstein, der derzeit nicht nach der
Pauschalgruppe I sondern nach der Pauschalgruppe III vergütet würde.
Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ausgerechnet der Kläger, sofern er nicht
freigestelltes Personalratsmitglied wäre, ebenso wie dieser einzige ehemalige Kraftfahrer nunmehr
ebenfalls so eingesetzt werden würde, wie Herr V und deswegen nach der Pauschalgruppe III zu vergüten
wäre.
Allein der Umstand, dass einer von elf Arbeitnehmern der ehemaligen Standortverwaltung Idar-Oberstein
nunmehr in der Pauschalgruppe III ist, lässt nicht auf eine betriebsübliche berufliche Entwicklung nicht
freigestellter Kollegen des Klägers schließen. Nicht ausreichend für die Betriebsüblichkeit ist es nämlich,
dass einige andere Arbeitnehmer einen entsprechenden beruflichen Aufstieg genommen haben. Der
Geschehensablauf muss vielmehr so typisch sein, dass aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und
Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich, d. h. wenigstens in der überwiegenden Mehrheit der vergleichbaren
Fälle mit einem solchen Aufstieg gerechnet werden kann (BAG 27.06.2001, a.a.O.).
II.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die
Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.
Die Nichtzulassung der Revision kann von dem Kläger nach Maßgabe des § 72 a ArbGG beim
Bundesarbeitsgericht überprüft werden.