Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.12.2009
LArbG Mainz: leistungsprämie, kündigung, arbeitsbedingungen, stadt, betriebsrat, rechtsgeschäft, formvorschrift, arbeitsgericht, zulage, bestimmbarkeit
LAG
Mainz
10.12.2009
2 Sa 427/09
Änderungskündigung - Bestimmtheit des Änderungsangebots
Aktenzeichen:
2 Sa 427/09
4 Ca 1606/08
ArbG Trier
Urteil vom 10.12.2009
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.05.2009 - 4 Ca 1606/08 -
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die soziale Rechtfertigung einer Änderungskündigung. Der Kläger ist 48 Jahre
alt, verheiratet und bei der Beklagten seit dem 01.08.1978 beschäftigt. Eingesetzt ist er im Werk A-Stadt,
gegenwärtig als V.-Radladerfahrer und zwar zur Sortierung und zum Transport von Rundholz. Die
Beklagte betreibt in A-Stadt und S. Sägewerke, ein Spanplattenwerk in A-Stadt und ein Naturholz- und
Wabenplattenwerk in K.. Sie beschäftigt zusammen rund 233 Mitarbeiter.
Die Vergütung des Klägers setzte sich zusammen aus einem Bruttostundenlohn von insgesamt 12,45
EUR, davon ein Grundlohn von 10,80 EUR und eine Festzulage von 1,65 EUR.
Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 27.11.2008 eine Änderungskündigung
aus, die folgenden Wortlaut hat:
"Hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.06.2009. Gleichzeitig bieten wir
Ihnen die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses über diesen Termin hinaus zu den nachstehend
aufgeführten geänderten Bedingungen an:
Der Grundlohn bleibt weiter bei 10,80 EUR (zuzüglich evtl. anfallender Erhöhungen) bestehen.
Anstatt der bisherigen Festzulage kommt eine Leistungsprämie (für den Bereich des Sägewerks A-Stadt)
zur Auszahlung. Darüber hinaus erhalten Sie eine Maschinenführer-Zulage in Höhe von 0,36 EUR/Std.
An den übrigen Vertragsbestimmungen ändert sich nichts."
Der Kläger nahm die Änderung mit Schreiben vom 05.12.2008 unter Vorbehalt an und erhob gleichzeitig
Kündigungsschutzklage. Unter anderem hat er geltend gemacht, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß
angehört, es bestehe keine betriebsbedingte Notwendigkeit, seine Festzulage in eine variable Prämie
umzuwandeln, es sei außerdem nicht ersichtlich, wie sich die Prämie künftig zusammensetzen werde.
Eine ab 01.01.2009 gültige Betriebsvereinbarung für die Prämienentlohnung der Mitarbeiter des
Sägewerkes wurde am 09. Januar 2009 mit dem Betriebsrat der Beklagten abgeschlossen. Danach setzt
sich die Prämie aus Leistungsprämie und Ausbeuteprämie zusammen. Die Einzelheiten ergeben sich aus
der bei der Akte verbliebenen Kopie der einschlägigen Betriebsvereinbarung.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Änderungskündigung vom 27.11.2008 zum 30.06.2009 sozial ungerechtfertigt
ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses ab dem
30.06.2009 tatsächlich weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Sie sei gezwungen die Ausbeute ihres Holzes zu steigern, dies
mache eine Umstellung des Lohnes auch für den Kläger erforderlich. Hierzu hat sie ins Einzelne gehend
vorgetragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den umfangreichen
Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 06.05.2009 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dringende betriebliche
Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 S. 1 3. Alt. KSchG zur sozialen Rechtfertigung der Änderungen seien nicht
erkennbar. Es gelte für die betriebsbedingte Veränderung des Entgeltgefüges ein strenger Maßstab. Die
Beklagte habe die hierfür erforderlichen Tatsachen nicht vorgetragen. Die Änderung sei als
Entgeltsenkung aufzufassen, für die ein dringendes Sanierungsbedürfnis nicht vorgetragen sei. Die
Kündigung genüge einfachen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht. Die zukünftige Höhe der
variablen Zulage sei im Änderungsangebot offen geblieben und habe die Änderungskündigung nicht
hinsichtlich der Angemessenheit überprüfbar erscheinen lassen.
Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen oder erkennen lassen, dass sie zur verbesserten Rentabilität
sämtliche milderen Maßnahmen nachvollziehbar erwogen, geprüft und vorab ausgeschöpft hatte. Sowohl
hinsichtlich der Personalkostensenkung als auch hinsichtlich der Produktionsverbesserung wären
alternative Einsparmöglichkeiten oder zusätzlich ausgelobte Anreizsysteme nicht von vornherein
undenkbar erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung
verwiesen.
Das Urteil wurde der Beklagten am 26.06.2009 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 16.07.2009
eingelegte Berufung, welche mit Schriftsatz, eingegangen am 28.09.2009, begründet wurde, nachdem die
Frist bis zum 28.09.2009 verlängert worden war.
Die Beklagte greift das Urteil des Arbeitsgerichts Trier im Wesentlichen mit Rechtsgründen an. Das
Arbeitsgericht habe verkannt, dass es sich nicht um eine Lohnkostenreduzierung handelte, sondern
Grund für den Ausspruch der Änderungskündigung ausschließlich die Tatsache gewesen sei, dass die
Beklagte gezwungen war, die getätigten Investitionen zu rechtfertigen um am Markt bestehen zu können.
Hierfür sei es zwingend erforderlich, dass sie die Produktionskosten so gering wie möglich halte,
gleichzeitig niedrigere Einkaufspreise für die von ihr benötigten Materialien und Rohstoffe zahle und ihre
Produkte selbst so teuer wie möglich verkaufe. Es sei daher dringend notwendig, Produktionsleistung und
Ausbeute auf einem bestimmten Niveau zu halten bzw. zu steigern, um damit am Markt bestehen und den
Erhalt ihres Unternehmens sichern zu können und auch gleichzeitig die Vergütung ihrer Mitarbeiter
sichern bzw. noch erhöhen zu können. Ins Einzelne gehend führt sie aus, dass die Ausbeute und
Produktionsleistung durch die Leistungen der im Sägewerk beschäftigten Mitarbeiter beeinflusst werde.
Werde Rundholz an der Kappanlage beispielsweise schlecht entrindet, aber dennoch zum Sägewerk
transportiert und dort eingeschnitten, komme es zu Produktionsverzögerungen und zu einer schlechteren
Ausbeute und einer geringeren Produktionsleistung. Der Einfluss der Mitarbeiter auf die Höhe der
Ausbeute und Produktionsleistung sei überproportional, d. h. die Mitarbeiter könnten die Höhe der
Ausbeute und Produktionsleistung maßgeblich beeinflussen. Deswegen sei es gerechtfertigt, die
Festzulage in eine Prämienzulage umzuwandeln.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.05.2009 - 4 Ca 1606/08 - abzuändern und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und hebt insbesondere nochmals hervor, dass ihm aus dem Inhalt
des Kündigungsschreibens nicht die Modalitäten der künftigen Lohnfindung ersichtlich gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 10.12.2009.
Entscheidungsgründe:
I.
(§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).
Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
II.
Feststellung, dass dringende betriebliche Erfordernisse, welche die Änderungskündigung sozial
rechtfertigen, nicht vorliegen, kann für die Entscheidung dahinstehen.
Die Änderungskündigung ist schon deswegen nicht wirksam und hat keine Änderung der
Arbeitsbedingungen herbeigeführt, weil es dem Änderungsangebot an der erforderlichen Bestimmbarkeit
fehlt.
Eine Änderungskündigung ist nach der Legaldefinition aus § 2 S. 1 KSchG ein aus zwei
Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites
Element ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen
hinzukommen. Dieses (Änderungs)angebot muss wie jedes Angebot im Sinne von § 145 BGB eindeutig
bestimmt bzw. bestimmbar sein (vgl. BAG 2 AZR 460/00 = EZA § 620 BGB Kündigung Nr. 3). Das
angestrebte Rechtsgeschäft muss vom Empfängerhorizont aus beurteilt in sich verständlich und
geschlossen sein. Es muss ersichtlich sein, welche wesentlichen Arbeitsbedingungen künftig gelten
sollen und welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis zukünftig haben soll. Nur so kann der Arbeitnehmer seine
Entscheidung über das Angebot in Kenntnis aller wesentlichen Vertragsbedingungen bzw.
Vertragsänderungen treffen. Dabei genügt eine sog. Bestimmbarkeit des Angebots. Der Inhalt der Offerte
ist nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu interpretieren und zu bestimmen. Ist danach das
Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar, führt dies zur Unwirksamkeit der
Änderungskündigung.
Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich dabei nicht nur auf das Element der Kündigung
selbst, sondern auch auf das Änderungsangebot. Dieses ist Bestandteil der Kündigung. Eine Trennung
von Kündigung und Angebot mit der Folge, dass der Arbeitgeber das Angebot auch mündlich abgeben
kann, verkennt, dass Kündigung und Angebot eine Einheit bilden, es sich also um ein einheitliches
Rechtsgeschäft handelt.
Es ist aber ausreichend, wenn der Inhalt des Änderungsangebotes im Kündigungsschreiben
hinreichenden Anklang gefunden hat. Die Formvorschrift des § 623 BGB dient vor allem dem Schutz vor
Übereilung (Warnfunktion) und der Rechtssicherheit (Klarstellungs- und Beweisfunktion). Durch die
Beachtung der Formvorschrift soll die Beweisführung für die Existenz der Kündigungserklärung sowie den
Inhalt des Änderungsangebotes gesichert werden. Hinsichtlich des Inhaltes eines Änderungsangebotes
ist aber der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Deshalb können und müssen auch außerhalb
des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung des Angebotsinhaltes geeignete Umstände
herangezogen und mit berücksichtigt werden können. Außerhalb einer schriftlichen Urkunde liegenden
Umstände dürfen berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des
Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen, wenn auch nur unvollkommenen oder
andeutungsweisen, Ausdruck gefunden hat.
Unter Beachtung vorbezeichneter Grundsätze erweist sich im vorliegenden Rechtsstreit der Hinweis der
Beklagten auf eine Leistungsprämie (für den Bereich des Sägewerkes A-Stadt) statt der bisherigen
Festzulage nicht als hinreichend bestimmbar. Zwar kommt in der Kündigungserklärung zum Ausdruck,
dass die Beklagte künftig eine Prämie zahlen will, die sich an der Leistung des Arbeitnehmers orientiert.
Welchen genauen Inhalt diese Leistungsprämie hat, lässt sich aus der Erklärung auch nicht
andeutungsweise ermitteln. Die Beklagte kann auch nicht darauf sich zurückziehen, sie habe den
Arbeitnehmern die Leistungsprämie in einer vorangegangenen Präsentation erläutert. Hierauf kann sie
sich insbesondere deswegen schon nicht berufen, weil die Einführung von Leistungsprämien der
Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegt und im Zeitpunkt der Kündigungserklärung vom 27.11.2008
eine Betriebsvereinbarung oder eine sonstige Absprache mit dem Betriebsrat über die endgültige
Festlegung der Modalitäten der Leistungsprämie noch gar nicht abschließend verhandelt worden war. Die
Betriebsvereinbarung wurde erst am 09.01.2009 abgeschlossen, so dass schon unter diesem
Gesichtspunkt das Änderungsangebot der Beklagten an den Kläger, künftig statt Festzulage eine
Leistungsprämie und eine Maschinenführerzulage in Höhe von 0,36 EUR pro Stunde zu erhalten, völlig
unbestimmt war und auch für den Kläger nach dessen objektivem Empfängerhorizont gar nicht
bestimmbar war. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei lediglich um eine
marginale Position handelte. Der einzige Zweck der Änderungskündigung war, die Festzulage zum Teil in
eine künftig von Leistung abhängige Prämie umzuwandeln.
Von einer hinreichenden Bestimmtheit könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Beklagte
auf eine Betriebsvereinbarung verwiesen hätte oder wenigstens andeutungsweise Bezug genommen
hätte auf etwaige dem Kläger persönlich vermittelte Inhalte einer Präsentation innerhalb des Betriebes,
die die wesentlichen Elemente der noch abzuschließende Betriebsvereinbarung enthalten hätten. Eine
Verweisung auf die Informationsveranstaltung bzw. auf eine noch abzuschließende Betriebsvereinbarung
findet sich im Kündigungsschreiben nicht. Vorgetragene mündliche Informationen genügen dem
Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht.
Erweist sich damit die Änderungskündigung schon aus diesem Grunde als unwirksam, weil dem Kläger
der genaue Inhalt der angebotenen geänderten Arbeitsbedingungen weder hinreichend bestimmt
bekannt gemacht wurde noch für ihn als hinreichend bestimmbar hätten erkannt werden müssen, ist die
arbeitsgerichtliche Entscheidung auf Feststellung der Unwirksamkeit der Änderungskündigung zutreffend.
III.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.