Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.12.2003

LArbG Mainz: begründung der kündigung, ordentliche kündigung, arbeitsgericht, entstehung, volumen, disposition, quelle, kündigungsfrist, terminologie, unternehmen

LAG
Mainz
10.12.2003
10 Sa 1087/03
Aktenzeichen:
10 Sa 1087/03
11 Ca 266/03 NR
ArbG Koblenz
- AK Neuwied -
Verkündet am: 10.12.2003
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern
Neuwied - vom 14.05.2003, AZ: 11 Ca 266/03, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 15.11.1999 als Autokran -/Kraftfahrer beschäftigt. Die Beklagte
beschäftigt in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.
Mit Schreiben vom 14.01.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28.02.2003.
Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 24.01.2003 beim Arbeitsgericht eingereichte
Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt;
dringende betriebliche Erfordernisse, die den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigen könnten, seien
nicht gegeben. Darüber hinaus sei die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl zu beanstanden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungserklärung der Beklagten
vom 14.01.2003 nicht aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, sie habe sich aufgrund der geringen
Auftragslage gezwungen gesehen, den Mitarbeiterstamm zu reduzieren. Als mittelständiges Unternehmen
beziehe sie circa 95 % ihrer Aufträge aus dem Bereich der Baubranche. Wie allgemein bekannt sei, habe
diese Branche in letzter Zeit erhebliche konjunkturelle Schwierigkeiten. Aus unternehmerischer Sicht sei
es ihr nicht möglich, den kompletten Fahrerstamm zu halten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 14.05.2003 stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen
Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 10 dieses Urteils (= Bl. 27 bis 32 d. A.) verwiesen. Gegen
das ihr am 24.07.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.08.2003 Berufung beim
Landesarbeitsgericht Rheinland - Pfalz eingelegt und diese am 15.09.2003 begründet.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung unberücksichtigt
gelassen, dass der Kläger nur als Kranfahrer und lediglich in seltenen Fällen als Lkw - Fahrer eingesetzt
worden sei. Daher könne bei Beurteilung der aus betrieblichen Gründen ausgesprochenen Kündigung
lediglich auf die Auftragslage im Unternehmensbereich Kranfahrer abgestellt werden. In diesem
Unternehmenszweig beziehe sie - die Beklagte - 95 % ihrer Aufträge aus der Baubranche. Seit Herbst
2002 seien die Aufträge in diesem Bereich so drastisch zurückgegangen, dass bis zum
Kündigungszeitpunkt lediglich noch täglich 10 % der Aufträge für eine volle Auslastung des
Personalbestandes vorhanden gewesen seien. Die Tendenz sei rückläufig. Weitere Aufträge seien nicht
in Sicht. Infolge des Auftragsmangels sei der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Eine Möglichkeit, den
Kläger anderweitig einzusetzen, bestehe nicht. Die hinsichtlich der Kündigung erforderliche
Sozialauswahl sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 14.05.2003, AZ: 11 Ca
266/03, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das mit der Berufung angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, einen
"Unternehmensbereich Kranfahrer", auf dessen vermeintlich unzureichende Auftragslage die Kündigung
gestützt werden solle, existiere bei der Beklagten nicht. Die Beklagte habe nicht ansatzweise dargetan,
wie sich die behauptete rückläufige Auftragslage auf seinen Arbeitsplatz auswirke. Selbstverständlich sei
er in der Vergangenheit auch regelmäßig, wie im Arbeitsvertrag vorgesehen, als Kraftfahrer eingesetzt
worden.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die von den
Parteien im Berufungsverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der
Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung festgestellt,
dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst
worden ist. Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten
Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.
Von der Darstellung eigener Entscheidungsgründe kann daher abgesehen werden. Im Hinblick auf das
Berufungsvorbringen erscheinen lediglich folgende ergänzende Klarstellungen angezeigt:
Die streitgegenständliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, da sie nicht durch
Gründe der in § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bezeichneten Art bedingt ist. Der Beklagten ist es auch im
Berufungsverfahren nicht gelungen, die vom Gesetz verlangten "dringenden betrieblichen Erfordernisse"
hinreichend darzulegen.
Soweit sich ein Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess - wie vorliegend die Beklagte - auf einen
Auftragsrückgang beruft, handelt es sich dabei um außerbetriebliche Umstände im Sinne der
Terminologie der Kündigungs - Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts. Ein derartiger
außerbetrieblicher Grund ist (nur) dann als Kündigungsgrund geeignet, wenn durch ihn ein Überhang an
Arbeitkräften herbeigeführt wird, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis zur
Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Nicht erforderlich ist, dass der Wegfall
eines ganz bestimmten Arbeitsplatzes dargetan wird; genügend - aber auch erforderlich - ist die
Darlegung eines kausalen Zusammenhanges zwischen dem behaupteten außerbetrieblichen Umstand
und einem Überhang an Arbeitskräften. Von Auftragsmangel kann dann gesprochen werden, wenn die für
den jeweiligen Betrieb vorhandenen Aufträge auch bei sinnvoller innerbetrieblicher Disposition nicht
ausreichen, um die vorhandene sächliche und personelle Kapazität des Betriebes auszulasten. Um einen
Auftragsmangel feststellen zu können, muss man also einen Größenvergleich zwischen der gegebenen
Arbeitskapazität des Betriebes und dem Volumen des Auftragsbestandes vornehmen. Zwar ist dem
Arbeitgeber ohne weiteres ein gewisser personalpolitischer Entscheidungsspielraum bei der Reaktion auf
einen Auftragsmangel/Umsatzrückgang zuzubilligen; (auch) bei dem Kündigungsgrund
"Auftragsmangel/Umsatzrückgang" ist jedoch die Darlegung der Entstehung eines
Arbeitskräfteüberhanges notwendig. Der Umfang der erforderlichen Darlegungen ändert sich nicht
wesentlich, wenn man im Streitfall zu Gunsten der Beklagten annimmt, sie habe aufgrund der behaupteten
rückläufigen Auftragslage die Unternehmerentscheidung (i. S. eines innerbetrieblichen
Kündigungsgrundes) getroffen, Personal abzubauen. Soweit die Beklagte eine derartige Entscheidung
getroffen hat, ist sie jedenfalls eine Selbstbindung dahingehend eingegangen, das Personal nur soweit
abzubauen, wie es der Auftragsrückgang erfordert. Diese Selbstbindung der Beklagten kommt sowohl in
den im Kündigungsschreiben enthaltenen Formulierungen als auch in ihrem schriftsätzlichen Vortrag zum
Ausdruck, wonach "infolge des Auftragsmangels" es nicht mehr möglich sei, den kompletten Fahrerstamm
zu halten und der Arbeitsplatz des Klägers "weggefallen" sei.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass nicht hinreichend dargetan ist,
dass zur Zeit des Kündigungsausspruchs bzw. bei Ablauf der Kündigungsfrist (28.02.2003) bereits ein
Arbeitskräfteüberhang bestand oder doch jedenfalls ernsthaft zu besorgen war. Insoweit wirkt sich zum
Nachteil der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten aus, dass sie zur Begründung der Kündigung -
wie im Berufungsverfahren ausdrücklich vorgetragen - ausschließlich auf die Auftragslage im
"Unternehmensbereich Kranfahrer" abstellt. Wie von ihr jedoch in der mündlichen Verhandlung am
10.12.2003 eingeräumt, war der Kläger - wie auch im Arbeitsvertrag vereinbart - nicht lediglich als
Kranfahrer sondern auch als Kraftfahrer eingesetzt. Ob tatsächlich ein Auftragsrückgang und somit ein die
Kündigung rechtfertigender Arbeitskräfteüberhang zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorhanden
war, ließe sich somit nur unter Zugrundelegung der Auftragslage für den gesamten Unternehmensbereich
der Beklagten feststellen. Eine (rückläufige) Auftragssituation hat die Beklagte indessen ausschließlich für
den "Unternehmensbereich Kranfahrer" dargetan. Es ist somit nicht erkennbar, ob im Tätigkeitsbereich
des Klägers (Lkw - Fahrer und Kran - Fahrer) ein Arbeitskräfteüberhang entstanden ist.
Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge
zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand in Ansehung der in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine
Veranlassung.