Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 20.03.2008
LArbG Mainz: ordentliche kündigung, trauma, fristlose kündigung, krankheit, alkoholsucht, arbeitsgericht, betriebsrat, abhängigkeit, interessenabwägung, behandlung
LAG
Mainz
20.03.2008
2 Sa 612/07
Krankheitsbedingte Kündigung Alkoholsucht
Aktenzeichen:
2 Sa 612/07
3 Ca 1741/06
ArbG Trier
Urteil vom 20.03.2008
Tenor:
1. Die Berufung des beklagten Landkreises gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14.08.2007 - 3
Ca 1741/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer gegenüber der Klägerin ausgesprochenen
ordentlichen Kündigung. Die Klägerin ist am 24.12.1961 geboren und bei dem beklagten Landkreis seit
dem 01.01.1999 als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Zuletzt war sie eingesetzt im Bereich des
Gesundheitsamtes. Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Diese
Feststellung resultiert aus Depressionen, Sterilität, Bulimie und Alkoholismus.
In den letzten fünf Jahren fehlte die Klägerin krankheitsbedingt im Jahr 2002 an 93 Arbeitstagen, in 2003
an 25 Arbeitstagen, im Jahre 2004 an 49 Arbeitstagen, im Jahre 2005 an 82 Arbeitstagen und im Jahre
2006 an 63 Arbeitstagen.
Sie nahm seit 1995 wegen ihrer Alkoholprobleme an vier stationären Entwöhnungsbehandlungen teil,
zuletzt an einer stationären Maßnahme vom 20.10. bis 22.12.2005.
Unter dem Datum 05.11.2003 erhielt die Klägerin eine Abmahnung, weil sie am 27. und 29.10.2003 an
ihrem Arbeitsplatz Alkohol getrunken und dann die Arbeit unentschuldigt verlassen habe.
Nach der letzten Therapiemaßnahme vom 20.10. bis 22.12.2005 wurde die Klägerin in der Zeit vom 17.07.
bis 07.08.2006 mehrfach alkoholisiert an ihrem Arbeitsplatz angetroffen. Sie gab auf Anfrage zu, im Dienst
Alkohol getrunken zu haben. In ihrem Büro wurden Sektflaschen und Bierdosen gefunden.
Deswegen wurde die Klägerin mit Schreiben vom 14.08.2006 erneut abgemahnt. Bei einem Hausbesuch
traf der Leiter des Gesundheitsamtes die Klägerin am 30.03.2006 in alkoholisiertem Zustand an.
Der Beklagte hat zunächst mit Schreiben vom 08.08.2006 an den das Integrationsamt unter Darlegung der
Ausfallzeiten, der Alkoholprobleme und getroffenen Maßnahmen gebeten, den berufsbegleitenden
Integrationsfachdienst einzuschalten da nach der Abmahnung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
nicht mehr zumutbar erschien. Nachdem der Leiter des Gesundheitsamtes V. den Aktenvermerk über die
Vorfälle zwischen dem 28.08. und 30.08.2006 der Personalverwaltung zur Kenntnis gebracht hat, schrieb
der beklagte Landkreis unter dem 31.08.2006 an das Integrationsamt im Amt für soziale Angelegenheiten
und teilte die Absicht mit, sich von der Klägerin durch außerordentliche Kündigung zu trennen, da die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten sei. In diesem Schreiben legte der beklagte
Landkreis dar, die Klägerin habe nach der letzten Alkoholerkrankung mit Entgiftungsbehandlung am
Montag dem 21.08.2006 die Arbeit wieder aufgenommen, eine Woche später am 28.08.2006 mitgeteilt,
sie sei arbeitsunfähig und auch noch für diesen Tag ein ärztliches Attest vorgelegt. Da sie am Mittwoch
den 30.08.2006 nicht zum Dienst erschienen sei, sei sie von V. in der Wohnung aufgesucht worden.
Mit Schreiben vom 12.09.2006 an das Integrationsamt nahm der beklagte Landkreis den
Zustimmungsantrag zur außerordentlichen Kündigung vom 31.08.2006 zurück und beantragte die
Zustimmung zur ordentlichen Kündigung und hat zur Begründung auf die Schreiben vom 08.08. und
31.08.2006 Bezug genommen. Mit Bescheid vom 09.10.2006, der noch nicht rechtskräftig ist, stimmte das
Integrationsamt der beabsichtigten ordentlichen Kündigung zu. Mit Schreiben vom 11.10.2006 informierte
der Landrat den Personalrat über die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, teilte mit, dass
beabsichtigt sei, das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter Beachtung der geltenden Kündigungsfrist zum
31.03.2007 ordentlich zu kündigen, das Integrationsamt habe die Zustimmung erteilt, dem Anschreiben
war der Zustimmungsbescheid beigefügt. Der Landrat bat den Personalrat um Mitteilung, ob er
Einwendungen gegen die beabsichtigte ordentliche Kündigung erhebe. Mit Schreiben vom 19.10.2006
teilte der Personalrat mit, der Klägerin sei eine allerletzte Chance einzuräumen, um sich von der Krankheit
zu befreien. Ihr solle die Möglichkeit eingeräumt werden, zunächst eine Therapie zu absolvieren und sich
anschließend zu bewähren. Desweiteren solle ihr geraten und ermöglicht werden, eine vorübergehende
Erwerbsunfähigkeitsrente zu beantragen. Abschließend schreibt der Personalrat, er sehe sich nicht in der
Lage der beabsichtigten ordentlichen Kündigung zuzustimmen. Der beklagte Landkreis kündigte mit
Schreiben vom 23.10.2006, zugegangen am 26.10.2006 das Arbeitsverhältnis ordentlich. Die Klägerin hat
hiergegen mit am 13.11.2006 eingegangenem Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.
Mit Rentenbescheid vom 15.02.2007 wurde der Klägerin für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.10.2008 eine
befristete Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt. Der Arbeitsplatz der Klägerin ist zur Zeit mit einer befristet
eingestellten Arbeitskraft besetzt.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr Problem sei nicht alleine der Alkoholkonsum sondern in erster Linie die
hierzu führenden Ursachen, nämlich die Depressionen und die daraus resultierenden Angstzustände.
Hierzu führt sie im Einzelnen unter Bezugnahme auf ihre unstreitig stattgefundenen Kindheitserlebnisse
aus. Die ständigen seelischen Niederlagen hätten dazu geführt, dass sie auch nach Durchführung
entsprechender Suchtbehandlungen immer wieder rückfällig werde. Sie sei in der Vergangenheit mit den
durchgeführten Suchttherapien nicht richtig therapiert worden, weil sie eine Trauma-Therapie durchführen
müsse, um ihre negativen Erlebnisse aufzuarbeiten, ihr Selbstwertgefühl wieder herzustellen und generell
ihre Ängste zu verlieren. Die Trauma-Therapie werde dann zu einer Heilung ihrer Alkoholerkrankung
führen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 31.10.2006,
zugegangen am 26.10.2006 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der beklagte Landkreis hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, er gehe davon aus, dass auch nach den erfolglosen Entziehungskuren eine Trauma-
Therapie nicht zum Erfolg führen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 14.08.2007 verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die beabsichtigte Trauma-
Therapie werde nicht zu einer Heilung der Alkoholerkrankung der Klägerin führen durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens. Wegen des Inhalts dieses Gutachtens und die im Einverständnis mit den
Parteien erfolgte testpsychologische Zusatzbegutachtung wird auf Blatt 119 bis 148 der Gerichtsakten
verwiesen.
Das Arbeitsgericht im Urteil vom 14.08.2007 der Klage entsprochen und im Wesentlichen ausgeführt, es
gelten die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung. Diese sei nur gerechtfertigt, wenn eine
negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers
vorliege, wenn die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung
betrieblichen Interessen führten, wenn die betrieblichen Beeinträchtigungen so groß seien, dass der
Arbeitgeber die betrieblichen oder wirtschaftlichen Belastungen billigerweise nicht mehr hinnehmen
müsse. Im gegebenen Falle fehle es an einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen
aufgrund der entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten. Ebenfalls habe der Beklagte, der für die
Kündigungsgründe darlegungs- und beweispflichtig sei, nicht dazu vorgetragen, dass eine derartige
betriebliche Beeinträchtigung durch die Fehlzeiten der Klägerin vorliege. Er habe vielmehr eingeräumt,
dass auf dem Arbeitsplatz der Klägerin eine befristete Kraft beschäftigt sei und dass es keine Probleme
gebe. Die Prüfung einer erheblichen Beeinträchtigung sei nicht erforderlich, wenn die Klägerin auf Dauer
oder für einen nicht absehbaren Zeitraum nicht mehr in der Lage sei, die von ihr geschuldete Arbeit zu
erbringen. In diesem Falle könne auch die Interessenabwägung nur in sehr seltenen Ausnahmefällen zu
Gunsten des Arbeitnehmers ausfallen. Deshalb sei zu prüfen, ob die Alkoholerkrankung trotz mehrfacher
Therapien überhaupt noch geheilt werden könne. Der Beklagte habe insofern vorgetragen, dass die
beabsichtigte Trauma-Therapie nicht zu einer Heilung der Alkoholerkrankung führen werde. Diese
Behauptung habe das eingeholte Sachverständigengutachten nicht bestätigt. Zwar habe der Gutachter
ausgeführt, dass eine traumatologische Behandlung nicht automatisch zu einer hinlänglichen Behandlung
der Suchterkrankung führe, also zu dauerhafter Abstinenz. Er habe aber andererseits festgestellt, dass die
Betreuung innerhalb einer spezifizierten Klinik für die Klägerin eine wesentliche Möglichkeit eröffne,
anschließend adäquat Abstinenz zu realisieren, wenn gleichzeitig eine engmaschige ambulante
suchttherapeutische Betreuung fortgesetzt werde. Der Gutachter beurteile die Heilungschancen durchaus
positiv. Die Prognose für die Klägerin sei überwiegend günstig, so dass nicht feststehe, dass die Klägerin
in Zukunft auf Dauer oder für einen nicht absehbaren Zeitraum krank sein werde. Im übrigen gingen
Zweifel über die Prognose zu Lasten des für die Kündigungsgründe beweispflichtigen Beklagten.
Das Urteil wurde dem beklagten Landkreis am 05.09.2007 zugestellt.
Der beklagte Landkreis hat hiergegen am 12.09.2007 Berufung eingelegt und seine Berufung, nachdem
die Frist zur Begründung bis 05.12.2007 verlängert worden war, mit am 04.12.2007 eingegangenem
Schriftsatz begründet. Der beklagte Landkreis vertritt unter wiederholter Darstellung des
Tatsachenvortrages über die krankheitsbedingten Ausfälle der Klägerin und die durchgeführten Therapie-
und Entgiftungsmaßnahmen aus, dass zwar zutreffend einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer
grundsätzlich kein Schuldvorwurf an den aufgrund der Abhängigkeit erfolgten Pflichtverletzungen
gemacht werden könne. Anders sei dies jedoch dann zu sehen, wenn der Arbeitnehmer mehrfach an
Entziehungsbehandlungen teilgenommen habe über die Gefahren und die Folgen des Alkoholkonsums
aufgeklärt worden, eine gewisse Zeit Abstinenz gewesen und dann wieder rückfällig geworden sei. Die
Klägerin habe die Alkoholabhängigkeit schuldhaft herbeigeführt. Dies gelte insbesondere deshalb, weil
sie von ihrem Vorgesetzten wiederholt ermahnt und auf die Folgen des Alkoholkonsums hingewiesen
worden sei.
Die Kündigung sei auch nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung gerechtfertigt. Es
liege eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes vor. Die Klägerin
hatte in den vergangenen Jahren immer aufgrund ihrer Alkoholsucht krankheitsbedingt in erheblichem
Umfang an ihrem Arbeitsplatz gefehlt. Zuletzt läge seit August 2006 eine andauernde Erkrankung vor. Sie
hatte mehrere Entgiftungen und Entziehungskuren absolviert, ohne dass dies zum Erfolg und zur
Abstinenz geführt hätte. Die Klägerin sei auch wegen ihres psychischen Grundleidens über Monate
hinweg behandelt worden. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung seien mehrere
Entzugsbehandlungen und Therapiemaßnahmen fehlgeschlagen und die Klägerin sei erneut in massiver
Weise rückfällig geworden. Daher sei auch weiterhin mit wiederholten Rückfällen zu rechnen. Dass die
Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung therapiebereit sei, ändere nicht an der Negativprognose, da sich
während der gesamten Beschäftigungszeit die Klägerin gezeigt habe, dass jede durchgeführte
Maßnahme letztendlich erfolglos gewesen sei. Die Klägerin sei vielmehr aufgrund ihrer Alkoholsucht nicht
in der Lage dauerhaft die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Beklagten zu erbringen.
Weiterer betrieblicher Beeinträchtigungen aufgrund der Fehlzeiten bedürfe es nicht. Das Arbeitsgericht
habe die Beweislast verkannt. Nicht der Beklagte sei bei Vorliegen einer negativen Prognose zur
Darlegung und zum Beweis verpflichtet, dass eine weitere Therapie nicht zu einer Heilung führen könne.
Die Klägerin sei vielmehr beweispflichtig, dass sie trotz der fehlgeschlagenen mehrfachen
Entzugstherapien noch von ihrer Alkoholerkrankung geheilt werden könne. Hinzu komme, dass im
Zeitpunkt der Kündigung von einer Trauma-Therapie nicht die Rede gewesen sei. Diese Therapie sei
vielmehr erst im Laufe des Kündigungsschutzprozesses in das Verfahren eingeführt worden. Die Klägerin
habe auch unzutreffend behauptet, ihr sei nach der Alkoholentziehungskur in Daun im Jahre 2005
angeraten worden, eine Trauma-Therapie zu machen. Dies sei nicht zutreffend. Lediglich auf der letzten
Seite des Entlassungsberichts werde festgehalten, dass die Klägerin beabsichtigte, sich einer Trauma-
Therapie zu stellen. Von einer Empfehlung sei dort nicht die Rede. Die Klägerin sei beweispflichtig dafür
dass sie trotz mehrerer Rückfälle von ihrer Alkoholsucht geheilt werden könne. Diesen Beweis habe die
Klägerin nicht erbracht.
Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die häufigen und immer wieder kehrenden Fehlzeiten in den
vergangenen Jahren zu erheblichen Betriebsablaufstörungen geführt haben. In der Verwaltung des
Gesundheitsamtes gebe es fünf Stellen, davon seien drei in Vollzeit und zwei in Teilzeit besetzt. Die
Ausfallzeiten der Klägerin führten zu erheblichen Mehrbelastung der anderen Mitarbeiter, die die Arbeit
der Klägerin mitübernehmen mussten. Die geleisteten Mehrarbeitsstunden aufgrund der Fehlzeiten
könnten wegen der Arbeitsbelastung nicht immer durch Zeitausgleich abgegolten werden. Die Einstellung
einer Ersatzkraft beziehe sich auf die aktuelle Ausfallzeit der Klägerin seit August 2006. In der
Vergangenheit konnten keine befristeten Kräfte für die Klägerin eingestellt werden, da ihre Fehlzeiten und
ihre alkoholbedingten Rückfälle nicht vorhersehbar und auch nicht zeitlich kalkuliert waren.
Der beklagte Landkreis nimmt auch Bezug auf die im Einzelnen aufgeführten Entgeltfortzahlungskosten
aus den Jahren 2000 bis 2006 in Höhe von insgesamt 22.692,55 €.
Schließlich führe auch die Interessenabwägung zu einem vorrangigen Interesse des Beklagten an der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Klägerin an dessen Fortbestand. Der
Beklagte habe die Klägerin bei Kenntnis ihrer Alkoholkrankheit eingestellt und sich nach ihrem Rückfall
intensiv um Mithilfe bei ihrer Heilung bemüht. Diese Bemühungen seien allerdings leider erfolglos
geblieben.
Der beklagte Landkreis beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 14.08.2007 - 3 Ca 1741/06 -
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14.08.2007 - 3 Ca 1741/06 - zurückzuweisen.
die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14.08.2007 - 3 Ca 1741/06 - zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, weist darauf hin, dass sie zwischenzeitlich eine Therapie in der
psychosomatischen Fachklinik U-Stadt absolviert habe, die therapeutischen Angebote der Klinik genutzt
und in allen Bereichen kooperiert habe. Mit therapeutischer Unterstützung sei es gelungen, ihre Probleme
zu definieren und diese zu bewältigen. Die Abstinenzmodifikation sei hinreichend stabilisiert,
rückfallrelevante Risikosituationen identifiziert und Rückfallprophylaxe- Strategien bearbeitet worden. Die
sozialkommunikativen Kompetenzen seien verbessert worden. Im Bezug auf die Bearbeitung der
posttraumatischen Belastungsstörungen seien Fortschritte erzielt worden. Die durchgeführte Therapie
bestätige, dass es dringend erforderlich war und auch noch sei, dass die von der Klägerin vorgetragene
Traumatisierung behandelt werden müsse. Es sei davon auszugehen, dass bei einer weiteren
Bearbeitung der Problematik im Rahmen der ambulanten Psychotherapie nach Ablauf der gewährten
Erwerbsunfähigkeitsrente erneut eine vollschichtige Leistungsfähigkeit erreicht werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird
auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 20.03.2008.
Entscheidungsgründe:
I.
eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).
Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch k e i n e n Erfolg.
II.
Sachverständigengutachtens habe der beklagte Landkreis den Beweis für die negative Prognose nicht
liefern können, zutreffend ist, ob der beklagte Landkreis hierfür überhaupt die Beweislast trägt, wie von der
Berufung in Zweifel gezogen wird, bedarf letztendlich keiner Entscheidung.
Die Rechtswirksamkeit der Kündigung scheitert schon daran, dass die Voraussetzungen für eine
krankheitsbedingte Kündigung im Streitfall nicht vorliegen bzw. der beklagte Landkreis nicht die
Möglichkeit hat, eventuelle die krankheitsbedingte Kündigung tragende Tatsachen im Prozess
einzuführen.
Die vorliegende Kündigung ist unter Berücksichtigung der Grundsätze zur personenbedingten,
insbesondere krankheitsbedingten Kündigung zu prüfen. Mit der Rechtssprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen (vgl. BAG Urteil vom 09.04.1987 - 2 AZR 210/86 in AP Nr. 18
zu § 1 KSchG 1969 "Krankheit"), dass die Kündigung wegen Alkoholsucht nach den Grundsätzen für die
krankheitsbedingte Kündigung zu beurteilen ist. Hierbei kann sich allerdings aus der Besonderheiten der
Trunksucht unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabenstellung des Arbeitnehmers die Notwenigkeit
ergeben, an die Prognose geringere Anforderungen zu stellen.
Alkoholabhängigkeit ist Krankheit im medizinischen Sinne. Sie liegt vor, wenn der gewohnheitsmäßige
übermäßige Alkoholgenuss trotz besserer Einsicht nicht aufgegeben oder reduziert werden kann.
Wesentliches Merkmal dieser Erkrankung ist die physische oder psychische Abhängigkeit vom Alkohol.
Sie äußert sich vor allem im Verlust der Selbstkontrolle. Ein Alkoholiker kann, wenn er zu trinken beginnt,
den Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren, mit dem Trinken nicht mehr aufhören. Dazu kommt die
Unfähigkeit zur Abstinenz. Der Alkoholiker kann auf Alkohol nicht verzichten. Auch das
Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Alkoholabhängigkeit als Krankheit angesehen
(vgl. BSGE 28, 114, 46,41).
Wenn Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist, folgt hieraus zwingend in Bezug auf eine Kündigung, die im
Zusammenhang mit dieser Alkoholsucht des Arbeitnehmers steht, die Grundsätze der
krankheitsbedingten Kündigung anzuwenden. Hierfür spricht auch, dass dem alkoholabhängigen
Arbeitnehmer, der infolge seiner Alkoholabhängigkeit gegen seine Arbeitsvertragspflichten verstößt und z.
B. während der Arbeit Alkohol zu sich nimmt, infolge der Abhängigkeit zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung
kein Schuldvorwurf zu machen ist. Eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Pflichtverletzung, die auf
Alkoholabhängigkeit beruhen, werde daher in der Regel mangels Verschuldens des Arbeitnehmers
sozialwidrig. Eine verhaltensbedingte Kündigung kann allenfalls darauf gestützt werden, der
Arbeitnehmer habe schuldhaft seine sich negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkende
Alkoholabhängigkeit herbeigeführt.
Hierfür bietet der Sachvortrag des beklagten Landes keinerlei Anhalspunkte, insbesondere kann aus dem
bislang fehlgeschlagenen Therapien und den jeweiligen Rückfällen der Klägerin nicht der Schluss
gezogen werden, die Klägerin habe diese, durch ihre Krankheit verursachten Rückfälle stets verschuldet.
Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat in drei Stufen zu erfolgen. Danach setzt eine
sozial gerechtfertigte Kündigung zunächst eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen
weiteren Gesundheitszustandes voraus. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu
einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der
Interessenabwägung ist zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu
einer Belastung führt, die der Arbeitgeber nicht mehr hinnehmen muss.
Ob und inwieweit nachträgliche nach der Kündigung aufgetretene Umstände eine Bestätigung oder
Korrektur der Prognose rechtfertigen, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
An dieser Stelle ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die von der Beklagten vorgetragene Behauptung,
die Klägerin sei nicht therapiebereit, insbesondere nicht zu einer Trauma-Therapie bereit, bereits
deswegen widerlegt ist, weil die Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts aus der Suchtklinik T-Stadt
im Jahre 2005 schon die Bereitschaft erklärt hat, eine Trauma-Therapie durchzuführen.
Soweit das Arbeitsgericht in seinem Urteil andeute, es könnten die Grundsätze Anwendung finden, die bei
feststehender dauerndem Unvermögen, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen,
anzuwenden sind und daher betriebliche Beeinträchtigungen vernachlässigbar seien, wird dies von der
Berufungskammer nicht geteilt. Die Klägerin hat auch während ihre bereits früher bestehenden
Erkrankung zwischen den einzelnen Phasen der Rückfälle ihrer vertraglich geschuldete Arbeitsleistung
erbracht. Die von der Beklagten vorgetragenen Fehlzeiten lassen nicht den Schluss zu, dass die Klägerin
auf Dauer außerstande gewesen sein sollte, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Es
liegt auch kein Fall vor, dass der feststehenden dauernden Unmöglichkeit der Arbeitsleistung gleich
gesetzt werden kann, die Ungewissheit, die Klägerin werde auf unabsehbare Zeit nicht mehr zur
Verfügung stehen. Ausweislich des Akteninhalts war der Klägerin eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente
bewilligt worden, diese war allerdings auf zwei Jahre angelegt, sodass nicht davon ausgegangen werden
kann, die Klägerin werde auf unabsehbare Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen, jedenfalls stand dies im
Zeitpunkt der ausgesprochenen und hier zu beurteilenden Kündigung nicht fest. Somit sind die
Grundsätze heranzuziehen, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung
einer krankheitsbedingten Kündigung aufgrund häufiger Erkrankungen gestellt hat. Die entstandenen und
prognostizierten Fehlzeiten müssen zu erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen
führen. Der beklagte Landkreis hat im Berufungsverfahren angedeutet, dass die Ausfallzeiten der Klägerin
zu einer Belastung betrieblicher Interessen geführt haben. Dies ist an sich selbstverständlich, weil jeder
Ausfall eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz nicht überflüssig ist, zu betrieblichen Belastungen führt.
Der Vortrag des beklagten Landkreises, die Arbeiten der Klägerin hätten durch Ersatzkräfte aufgefangen
werden müssen, die dann infolge der häufigen Fehlzeiten nicht mehr durch Freizeit der Mitarbeiter
ausgeglichen werden konnte, mag zwar ansatzweise die Darstellung erheblicher betrieblicher
Belastungen seinen, sie führt jedoch nicht dazu, dass die Kündigung als sozial gerechtfertigt angesehen
werden kann.
Gleiches verhält sich mit dem beklagten Landkreis erstmals im Berufungsverfahren angesprochenem
Umfang der für die Klägerin aufgewendete Lohnfortzahlungskosten. Auf die die Lohnfortzahlungskosten,
soweit die im Kalenderjahr sechs Wochen jeweils übersteigen, können nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts erhebliche betriebliche Belastungen begründen.
Der beklagte Landkreis im Berufungsverfahren kann sich auf erhebliche betriebliche Belastungen, die die
Kündigung bedienen nicht beziehen. Die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist Teil des
Kündigungsgrundes. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bestehenden Betriebsvertretungen, so dem
Betriebsrat nach § 102 BetrVG bzw. dem Personalrat nach einschlägigen Bestimmungen des
Personalvertretungsgesetzes die seiner Ansicht nach maßgeblichen Gründe für die beabsichtigte
Kündigung mitzuteilen (vgl. BAG AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972). Somit sind auch die Tatsachen, aus
denen sich eine derartige erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ergibt, den Betriebsrat zu
unterbreiten (vgl. BAG AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972).
Enthält der Arbeitgeber dem Betriebsrat zum Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens bekannte
substantielle Tatsachen vor, weil er auf sie die Kündigung nicht stützen will oder weil er sie zunächst für
unerheblich hält, so ist zwar die Anhörung wirksam, aber er kann die Tatsachen im
Kündigungsschutzprozess nicht nachschieben. Reichen dann die ursprünglich dem Betriebsrat
mitgeteilten Tatsachen zur Rechtfertigung der Kündigung nicht aus, so berührt dies nicht die
Ordnungsmäßigkeit der Anhörung, sondern führt zur Sozialwidrigkeit der Kündigung (vgl. BAGE 34, 309
und BAG AP Nr. 23 zu § 102 BetrVG 1972).
So verhält es sich hier im Streitfall. Ausweislich der im Tatbestand zitierten Schreiben hat der beklagte
Landkreis die wesentliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen weder dem Integrationsamt bei der
Einleitung des Zustimmungsverfahrens für die schwerbehinderte Klägerin noch dem Personalrat
mitgeteilt, welche erhebliche betriebliche Belastungen durch die krankheitsbedingten Ausfälle der
Klägerin in der Vergangenheit entstanden sind und zukünftig zu erwarten seien werden.
Ob dieses Unterlassen darauf zurückzuführen ist, dass der beklagte Landkreis zunächst die Auffassung
vertreten hat, es müsse der Klägerin ein Verschuldensvorwurf gemacht werden, die letzten Möglichkeiten
einer Therapie der Klägerin seien erschöpft und sogar eine fristlose Kündigung in Betracht gezogen hat,
kann letztlich dahin gestellt bleiben. Jedenfalls ist eine allein auf die Tatsache einer Alkoholabhängigkeit
gestützten Kündigung nicht ausreichend, diese sozial zu rechtfertigen, soweit erhebliche betriebliche
Beeinträchtigungen nicht vorliegen. Die Alkoholabhängigkeit als solche ist kein Kündigungsgrund, wenn
und soweit betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt werden. Zwar mag dem beklagten Landkreis
zuzugeben sein, dass diese vorliegen, er kann jedoch wie dargestellt im hiesigen
Kündigungsschutzprozess diese Tatsachen nicht zur Begründung der krankheitsbedingten Kündigung
verwenden.
III.
Umstandes als zutreffend, dass das Arbeitsgericht auch die Beweislastfrage zutreffend entschieden hat,
als es dem beklagten Landkreis aufgegeben hat, den Nachweis zu führen, dass die von der Klägerin im
Kündigungszeitpunkt bereits angesprochene Trauma-Therapie, der sie sich letztlich sich niemals
widersetzt hat und die möglicherweise auch zu einem nachhaltigen Erfolg führen konnte, keine Heilung
ihres Leidens bringen könnte. Die Feststellungen des eingeholten Gutachters lassen durchaus die
Möglichkeit offen, dass eine derartige Therapie, die nach den Feststellungen des Gutachters bislang nicht
durchgeführt wurde zu einer nachhaltigen Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin führen
kann.
IV.
bei der Bewältigung ihrer Probleme Hilfestellung zu leisten, gegenteilige Anwürfe der Klägerin im
Anwaltsschriftsatz im Berufungsverfahren entbehren jeglicher Grundlage. Überlegungen, die Kündigung
als "heilsamen Schock" und dazu als Therapie-Maßnahme anzusehen, können diese ebenfalls nicht
sozial rechtfertigen.
V.
der Zurückweisung unterliegen.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.