Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 21.04.2005

LArbG Mainz: arbeitsgericht, aufwand, auskunftserteilung, leiter, unternehmen, geheimhaltung, quelle, beschwerdekammer, unterliegen, konkurrenz

LAG
Mainz
21.04.2005
4 Sa 79/05
Beschwer
Aktenzeichen:
4 Sa 79/05
3 Ca 1412/04
ArbG Trier
Entscheidung vom 21.04.2005
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 14.12.2004 - 3 Ca 1412/04 -
wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zur Vorbereitung einer Zahlungsklage verlangt der Kläger von der Beklagten Auskunft über Umsätze in
Reha-Bereich im Haupthaus T und in den Filialen B und Sch, so weit für das Berufungsverfahren von
Bedeutung, in der Zeit zwischen 01. Januar 2002 bis 31.12.2002. Die Beklagte ist ein Unternehmen für
medizinische Produkte. Bei ihr war der Kläger vom 01.12.2001 als Leiter Reha-Bereich beschäftigt. Das
Arbeitsverhältnis ist seit 2004 beendet.
Durch Teil-Urteil vom 14.12.2004 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Auskunft über die erzielten
Reha-Umsätze im Jahre 2002 nicht nur für das Haupthaus sondern auch für die Filialen B und Sch
verurteilt. Hierzu hat es im Wesentlichen auf den Arbeitsvertrag abgestellt, der eine Einschränkung der
Umsatzprovision von 10 Prozent vom Monats-Reha-Umsatz lediglich auf das Haupthaus seinem Wortlaut
nach nicht enthält. Das Arbeitsgericht hat den vorläufigen Streitwert auf 4.000,-- € festgesetzt.
Gegen das ihr am 07.01.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.01.2005 eingelegte Berufung
welche gleichzeitig begründet wurde. Nach Hinweis des Landesarbeitsgerichts wegen der Zulässigkeit
der Berufung hat sich die Beklagte auf ein besonderes Geheimhaltungsinteresse berufen. Das
Geheimhaltungsinteresse einer Gesellschaft für innerbetriebliche Vorgänge werde vermutet. Umsätze
seien innerbetriebliche Vorgänge, insbesondere Geschäftsgeheimnisse, mit deren Kenntnis
konkurrierende Unternehmen zum Nachteil der Beklagten planen könnten. Nach seinem Ausscheiden sei
der Kläger in der Branche geblieben und bei Konkurrenzunternehmen der Beklagten beschäftigt. Vor
Einlegung der Berufung hat die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25.01.2005 die Umsätze des
Unternehmens in der Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2002 mitgeteilt. Auf das bei den Gerichtsakten
befindliche Schreiben wird verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier 3 Ca 1412/04 die Klage abzuweisen oder unter
Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Arbeitsgericht Trier zurückzuverweisen und dem
Berufungsbeklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für nicht zulässig und verteidigt im Übrigen das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren
verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 21.04.2005.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nicht zulässig. Nach § 64 Abs. 2 ArbGG kann die Berufung nur eingelegt
werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,-- € übersteigt, wenn die Berufung im Urteil
des Arbeitsgerichts zugelassen ist, im hier nicht interessierenden Fall eines Versäumnis-Urteils oder in
Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen oder die Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte hat als Berufungsklägerin nicht die erforderliche Beschwer von mehr als 600,-- € glaubhaft
gemacht (§ 64 Abs. 2 und 5 ArbGG).
Die Beschwer der Beklagten ergibt sich nicht aus der Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Urteil.
Die Ermittlung in welchem Umfang eine Partei durch eine gerichtliche Entscheidung beschwert ist, kann
allein nach Maßgabe ihrer eigenen Verhältnisse erfolgen. In der Regel entspricht die
Rechtsmittelbeschwer der unterliegenden Partei wertmäßig der Höhe des gegnerischen Obsiegens. Dies
ist ausnahmsweise bei der Auskunftsklage im Stufenverfahren nicht der Fall.
Die Wertbemessung in der Rechtsmittelinstanz richtet sich nach dem Interesse des jeweiligen
Rechtsmittelführers. Im Falle einer Berufung des zur Auskunftserteilung verurteilten Beklagten richtet sich
der Wert des Beschwerdegegenstandes nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen.
Dabei ist in erster Linie auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Auskunftserteilung
voraussichtlich erfordern wird (vgl. BAG AP Nr. 17 zu § 64 ArbGG 1979 m.w.N). Mit der Beklagten geht
auch die Beschwerdekammer davon aus, dass im Einzelfall ein Geheimhaltungsinteresse der zur
Auskunft verurteilten Partei für die Bemessung des Rechtsmittelinteresses erheblich sein kann (vgl. BGH
NJW 1999 3049 m.w.N.). Allerdings muss auch dem Berufungsgericht substantiiert dargelegt und
erforderlichenfalls glaubhaft werden, dass der verurteilten Partei durch die Erteilung der Auskunft ein
konkreter Nachteil droht.
Angaben zu dem Aufwand, die mit Schreiben vom 25.01.2005 erteilte Auskunft zu erteilen, hat die
Beklagte nicht gemacht. Sie wird auch angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten in der
Größenordnung von maximal 50,-- € einzuschätzen sein. Ein besonderes Geheimhaltungsinteresse hat
die Beklagte entgegen ihrer Auffassung nicht dargelegt. Dabei mag es zwar grundsätzlich richtig sein,
dass Umsatzzahlen Betriebsgeheimnisse darstellen, und abhängig von der jeweiligen Fallgestaltung, ein
besonderes Geheimhaltungsinteresse begründen können.
Es fehlt konkreter Vortag dazu, welche Art von Geheimnissen die Beklagte für derart gewichtig erachtet,
dass das Interesse des auskunftsberechtigten Klägers an der Auskunft hinter dem Interesse der
auskunftspflichtigen Beklagten an der Geheimhaltung zurückstehen muss. Der Beklagte war als Leiter des
Reha-Bereichs beschäftigt. Er hatte auf Grund seiner Tätigkeit Einsicht in die Geschäftsvorgänge der
Beklagten, zumindest was das Haupthaus T anbetraf. Für Aufträge aus B und Sch war der Kläger
ebenfalls jedenfalls insoweit in den Betriebsablauf integriert, dass er für alle drei Geschäfte Beratungen
durchführte und Kunden aus allen drei Geschäften betreut hat. Einen mengenmäßigen Einblick in die
Umsätze hatte der Kläger aus seiner Tätigkeit ohnehin.
Im Übrigen erschließe sich der Kammer nicht, aus welchen Gründen ein besonderes
Geheimhaltungsinteresse für Umsatzzahlen aus dem Jahr 2002, selbst unter der Berücksichtigung des
Umstandes, dass der Kläger im Jahre 2004 für die Konkurrenz tätig geworden ist, sich für die Beklagte
ergeben könnte.
Es ist nicht ersichtlich welche Erkenntnisse, die für den Kläger bzw. etwaiger Konkurrenzunternehmen, für
die er jetzt tätig ist nützlich sind und sich aus Umsatzzahlen des Haupthauses, die dem Kläger ohnehin
bekannt waren, und der Filialen Sch und B im Jahr 2002 herleiten lassen.
Konkrete Anhaltspunkte für ein besonderes Geheimhaltungsinteresse, welches zusammen mit dem
Kostenaufwand den Beschwerdewert von 600,-- € übersteigt, sind daher nicht ersichtlich.
Die Berufung der Beklagten musste nach allem mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig
der Zurückweisung unterliegen.
Die Berufungskammer konnte keine Aussage dahingehend treffen, ob die Entscheidung des
Arbeitsgerichts im Übrigen materiell rechtlich richtig ist. Der Beklagten werden auch letztendlich keine
Berufungsmöglichkeiten genommen, sie kann gegen ein eventuelles berufungsfähiges Zahlungsurteil auf
jeden Fall Rechtsmittel einlegen lassen und in diesem Verfahren wird dann zu prüfen sein, ob die
Vertragsinterpretation des Klägers und des Arbeitsgerichts zutreffend ist oder nicht.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen angesichts der Kriterien des §