Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2007

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LAG
Mainz
16.10.2007
10 Ta 221/07
Prozesskostenhilfe - Änderung der Zahlungsbestimmung
Aktenzeichen:
10 Ta 221/07
10 Ca 1364/06
ArbG Koblenz
Entscheidung vom 16.10.2007
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom
16.08.2007 - 10 Ca 1364/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat der Klägerin (geb. 09.07.1947) in einem Kündigungsrechtsstreit mit
Beschluss vom 27.07.2006 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt. In dem
Rechtsstreit fielen € 7,20 Gerichtskosten und € 957,00 Rechtsanwaltskosten an.
Anfang Juni 2007 überprüfte das Arbeitsgericht gemäß § 120 Abs. 4 ZPO, ob sich die
Vermögensverhältnisse der Klägerin wesentlich geändert haben. Die Klägerin legte deshalb am
14.06.2007 eine neue Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen
vor.
Danach verfügt die Klägerin über ein Vermögen in Höhe von insgesamt € 35.000,00. Die Klägerin hat am
05.03.2007 bei der Sparkasse Koblenz einen Sparkassenbrief über € 25.000,00 gekauft. Das Kapital ist
am 05.03.2008 zur Auszahlung fällig. Darüber hinaus hat sie am 06.03.2007 beim Deka-Investmentfonds
Fondsanteile zum Preis von € 10.000,00 erworben.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat daraufhin mit Beschluss vom 16.08.2007 die im ursprünglichen Beschluss
getroffene Zahlungsbestimmung dahingehend abgeändert, dass die Klägerin am 15.03.2008 einen
einmaligen Betrag von € 964,20 an die Landeskasse zu zahlen hat. Zur Begründung dieser Entscheidung
hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Einsatz ihres Vermögens sei der Klägerin
zumutbar.
Die Klägerin hat gegen diesen Beschluss, der ihr am 20.08.2007 zugestellt worden ist, mit am 13.09.2007
beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenem Schriftsatz
sofortige Beschwerde
Sie ist der Ansicht, die Verwertung des Vermögens sei ihr nicht zumutbar, weil die Geldanlage ihrer
Altersvorsorge diene. Der Sparkassenbrief solle nach Ablauf der einjährigen Laufzeit dergestalt
umgewandelt werden, dass sie eine monatliche Zahlung erhalte. Unter demselben Gesichtpunkt habe sie
den Investmentfonds angelegt. Er ende im Dezember 2008 und solle ebenfalls dazu beitragen, die
entstehende Versorgungslücke zu schließen. Ihre wirtschaftliche Situation habe sich nicht verbessert. Sie
habe bei Beantragung der Prozesskostenhilfe im Juni 2006 im Vordruck angegeben, dass sie monatlich
€ 181,29 in eine Lebensversicherung einzahle. Das ausgezahlte Kapital aus dieser Lebensversicherung
habe sie unmittelbar in der jetzt bestehenden Form (Sparkassenbrief/ Investmentfonds) angelegt.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 13.09.2007 nicht abgeholfen und die
Sache dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom
12.09.2007 und vom 08.10.2007 nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt
worden (§ 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO).
In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht ist mit zutreffender Begründung
zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zur Begleichung der im Jahr 2006 entstandenen
Prozesskosten verpflichtet ist, den Betrag von € 964,20 an die Landeskasse zurückzuzahlen.
1.
Nach § 11 a Abs. 3 ArbGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe in Verfahren vor
den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend. Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen
einzusetzen, soweit dies zumutbar ist, wobei auf § 90 SGB XII verwiesen wird, der entsprechende
Anwendung findet.
Sowohl die Fondsanteile am Deka-Investmentfonds über die Summe von € 10.000,00 als auch das
Kapital von € 25.000,00, das die Klägerin in einem Sparkassenbrief angelegt hat, gehören zu ihrem
verwertbaren Vermögen. Es handelt sich ersichtlich nicht um einen „kleineren sonstigen Geldwert“ im
Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Auch nach Abzug der Prozesskosten bleibt der Klägerin weit mehr
als das Schonvermögen von € 2.600,00 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 b der Durchführungsverordnung zu § 90
Abs. 2 Nr. 9 SGB XII.
Aus § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift muss zwar Kapital, das der
zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10 a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes
dient, nicht eingesetzt werden, wenn seine Ansammlung staatlich gefördert wurde („Riester-Rente“). Die
Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII sind vorliegend jedoch nicht erfüllt, weil die Klägerin keine
gesetzlich geförderten Altersvorsorgeverträge abgeschlossen hat. Unerheblich ist, dass sie das angelegte
Kapital von € 35.000,00 nach ihrer Darstellung später zur Aufstockung ihrer gesetzlichen Rente
verwenden will.
Das Kapital der Klägerin ist schließlich auch nicht als Schonvermögen im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII
von der Verwertung auszunehmen. Nach § 90 Abs. 3 SGB XII ist eine Partei nicht zum Einsatz ihres
Vermögens verpflichtet, wenn dies eine „Härte“ bedeuten würde, insbesondere wenn dadurch die
Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung erschwert würde.
Die Verwertung stellt nicht bereits deswegen eine Härte dar, weil das Kapital von € 35.000,00 nach dem
Vorbringen der Klägerin zur Altersvorsorge bestimmt ist. Es steht ihr nach Ablauf der Vertragsdauer ohne
jede Zweckbindung frei zur Verfügung. Die bloße Absicht, das freiwerdende Kapital zur Altersversorgung
zu verwenden, rechtfertigt es nicht, dieses Kapital aus dem verwertbaren Vermögen herauszunehmen (so
auch: BVerwG Urteil vom 13.04.2004 - 5 C 3/03 - NJW 2004, 3647). Ein Härtefall ist auch deshalb nicht
ersichtlich, weil der Klägerin ein beträchtliches Kapital von ca. € 34.000,00 verbleibt, wenn sie den Betrag
von € 964,20 aufwenden muss, um die gewährte Prozesskostenhilfe an die Landeskasse zurückzuzahlen.
Ihre angemessene Alterssicherung wird dadurch nicht ernsthaft in Frage gestellt. Ausweislich der
vorgelegten Rentenauskunft kann die Klägerin beim Erreichen der Regelaltersgrenze am 08.08.2012 mit
einer gesetzlichen Rente in Höhe von € 974,85 monatlich rechnen.
2.
Das Argument der Klägerin, ihre Vermögensverhältnisse hätten sich nach Bewilligung der
Prozesskostenhilfe am 27.07.2006 nicht verbessert, weil sie bereits damals über eine
Lebensversicherung im Wert von ca. € 35.000,00 verfügt habe, verfängt nicht.
Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen
ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe „maßgebenden“ persönlichen oder wirtschaftlichen
Verhältnisse wesentlich geändert haben. "Maßgebend" in diesem Sinne können nur diejenigen
Verhältnisse sein, zu denen sich die Partei auch erklärt hat. Die Klägerin hat in ihrem ursprünglichen
Antrag vom 02.06.2006 weder den Wert der Lebensversicherung angegeben noch erklärt, dass ihr das
Kapital im März 2007 ausgezahlt wird. Deshalb konnten die dem Arbeitsgericht bis dahin unbekannten
und somit geänderten Verhältnisse erst ab dem Zeitpunkt der zweiten Erklärung der Klägerin vom
14.06.2007 im Nachprüfungsverfahren berücksichtigt werden.
3.
Nach alledem ist die sofortige Beschwerde der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es unter Berücksichtigung von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2
ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass. Dieser Beschluss ist daher nicht anfechtbar.