Urteil des LAG Köln vom 23.06.2004

LArbG Köln: arbeitsgericht, firma, abhängigkeit, promotion, eigentum, verfügung, verkehrsunfall, eingliederung, handbuch, gestaltung

Landesarbeitsgericht Köln, 5 Ta 187/04
Datum:
23.06.2004
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 Ta 187/04
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 2 Ca 1272/04
Schlagworte:
Promoter; Arbeitnehmer; sic - non - Full; Freistellung
Normen:
§ 17 a GVG; § 5 Abs. 1 ArbGG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Macht ein Kläger gegenüber dem anderen Vertragspartner einen
Anspruch auf Freistellung von Schäden geltend, die er im Rahmen der
Vertragsbeziehung bei einem Dritten verursacht hat, so handelt es sich
um einen Anspruch, der nur Erfolg haben kann, wenn der Kläger
Arbeitnehmer ist ("sic - non - Fall)
2. Werden studentische Hilfskräfte nach kurzer Schulung im Rahmen
einer vorgegebenen Einsatz- und Tourenplanung als "Promoter" für eine
bestimmte Produktgruppe in Warenhäuser eingesetzt, so sind sie als
Arbeitnehmer anzusehen.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Köln vom 16.04.2004 - 2 Ca 1272/04 - aufgehoben. Der
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
G r ü n d e
1
I.
aus einem Verkehrsunfall, den sie im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beklagte mit dem
von dieser zur Verfügung gestellten Pkw verursacht hat.
2
Die Klägerin ist Studentin und war für die Beklagte im Februar und März 2003 nach
einer zweitägigen Schulung als Promoterin im Rahmen einer Aktion für die "D H
Promotion" tätig. Die Beklagte stellte ihr für die Tätigkeit ein im Eigentum der Firma E
stehendes Kfz zur Verfügung. Auf dem Weg zum geplanten Einsatzort in Regensburg
verursachte die Klägerin am 05.02.2003 einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug
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beschädigt wurde.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten und verlangt
von ihr Freistellung von Schadensersatzansprüchen, welche die Firma E gegenüber der
Klägerin geltend macht. Sie hat vorgetragen, sie sei weisungsgebunden und in den
Betrieb der Beklagten integriert gewesen. Sowohl die Einsatzorte und -zeiten als auch
Art und Weise des Vorgehens seien von der Beklagten vorgeschrieben worden. Auch
hinsichtlich der Nutzung des Aktionsfahrzeuges habe die Beklagte ihr Anweisungen
erteilt. Die Werbemittel seien vorgegeben worden, die Klägerin habe über jeden Tag
ihrer Tätigkeit Einsatzberichte erstatten müssen.
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Das Arbeitsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Rechtsweg zu den
Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das
zuständige Amtsgericht Köln verwiesen. Es vertritt die Auffassung, die Klägerin habe für
das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht hinreichend konkret vorgetragen.
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Gegen den der Klägerin am 28.04.2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am
12.05.2004 die sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt,
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den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 16.04.2004 aufzuheben und
den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig zu erklären.
7
Die Beklagte beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
9
II.
zulässig.
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Sie ist auch begründet. Die Klägerin ist als Arbeitnehmerin im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz
1 ArbGG anzusehen, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist daher
zulässig.
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1) Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist vorliegend schon deshalb gegeben, weil die
Klägerin die Auffassung vertritt, sie sei Arbeitnehmerin, denn ihre Klage kann nur dann
Erfolg haben, wenn sie tatsächlich Arbeitnehmerin ist. Nach ständiger Rechtsprechung
des BAG genügt in diesem "sic-non-Fall" für die Frage der Zuständigkeit die bloße
Darstellung der Rechtsansicht, dass die klagende Partei Arbeitnehmer oder
arbeitnehmerähnliche Person ist ( BAG v. 04.04.1996, EzA Nr. 31 zu § 2ArbGG; LAG
Köln LAGE § 2 ArbGG Nr.21; Germelmann/Matthes /Prütting/Müller-Glöge, Komm. zum
ArbGG, 4.Aufl. § 48 Rdn.33). Die Klägerin macht einen Anspruch auf Freistellung
gegenüber der Beklagten in Bezug auf solche Schäden geltend, die sie selbst an
Eigentum von Dritten verursacht hat. Ein derartiger Freistellungsanspruch kommt nach
den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung nur
dann in Betracht, wenn die Klägerin Arbeitnehmerin ist (BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB
Gefährdungshaftung des Arbeitgebers BAG AP Nr. 94 zu § 611 BGB Haftung des
Arbeitnehmers;; ErfK - Preis, 4.Aufl. § 619a BGB, Rdn 26f).
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2) Die Beschwerde ist aber darüber hinaus auch deshalb begründet, weil die Klägerin
tatsächlich Arbeitnehmerin ist.
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Für die Frage, ob die Klägerin als Arbeitnehmerin für die Beklagte tätig war, kommt es
darauf an, ob sie eine fremdbestimmte, unselbstständige Tätigkeit verrichtet hat. Hierfür
ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgebend, in
welchem Maße die Klägerin nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen und der
tatsächlichen Gestaltung der Vertragsbeziehungen persönlich abhängig gewesen ist.
Die persönliche Abhängigkeit ergibt sich aus der Eingliederung in eine fremdbestimmte
Arbeitsorganisation und dem Umfang der Weisungsgebundenheit. Nach § 84 Abs. 1
Satz 2 HGB, der eine allgemeine gesetzgeberische Wertung enthält, sind die Mitarbeiter
selbstständig, die im Wesentlichen frei ihre Tätigkeit gestalten und ihre Arbeitszeit
bestimmen können; unselbstständig und damit Arbeitnehmer sind dagegen die
Mitarbeiter, denen dies nicht möglich ist. Die Arbeitnehmer unterscheiden sich von
freien Mitarbeitern durch ihre Weisungsgebundenheit (vgl. BAG vom 30.10.1991 - 7
ABR 19/91 - AP Nr. 59 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 20.10.1993 - 7 AZR
657/92 - RzK I 9 a Nr. 81). Das Arbeitsgericht hat zwar diese Grundsätze in seiner
Entscheidung zitiert, sie jedoch auf den im Wesentlichen unstreitigen Sachverhalt nicht
zutreffend angewandt.
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Das Arbeitsgericht hat insbesondere verkannt, dass die Klägerin sowohl hinsichtlich des
Ortes ihrer Einsätze als auch hinsichtlich der Einsatzzeit ihre Tätigkeit keineswegs im
Wesentlichen frei gestalten konnte, sondern vielmehr unstreitig die von der Beklagten
vorgegebene Tourenplanung berücksichtigen musste, in der die Einsatzorte,
Einsatztage und Einsatzzeiten verbindlich festgelegt wurden. Aus der von der Klägerin
überreichten Anlage K 8 ergeben sich beispielsweise die seitens der Beklagten für den
Zeitraum vom 14.02. bis 08.03.2003 in der Tourenplanung vorgegebenen Einsatztage
und genauen Einsatzzeiten an verschiedenen Verbrauchermärkten in Regensburg,
Plattling und anderen in B gelegenen Einsatzorten. Es kommt hinzu, dass die Klägerin
auch hinsichtlich der von ihr zu bewerbenden Artikel detaillierten Vorgaben hinsichtlich
der Produkte der Firma D entsprechend dem von der Klägerin vorgelegten Handbuch "D
Promotion 2003" unterlag. Darin sind insbesondere auch genaue und verbindliche
Unterweisungen über den Umgang mit dem Werbematerial und dem von der Beklagten
überlassenen Standmaterial enthalten. Unstreitig ist auch, dass die Klägerin über ihre
Einsätze jeweils Einsatzberichte zu erstatten hatte und ein Fahrtenbuch führen musste.
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Sprechen hiernach gewichtige Umstände des unstreitigen Sachverhalts, insbesondere
die enge zeitliche und örtliche Bindung an die von der Beklagten vorgegebene
Tourenplanung, und ebenso die relativ einfache Art der Tätigkeit, auf die die Klägerin im
Rahmen einer zweitätigen Schulungsveranstaltung am 04. und 05.02.2003 vorbereitet
wurde, für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, so stehen dem die von der
Beklagten für eine selbstständige Tätigkeit angeführten Umstände nicht entgegen. Die
Beklagte räumt selbst - mit Schriftsatz vom 06.04.2004 - ein, dass die Klägerin
"hinsichtlich der Aktionen im Rahmen des Auftrags selbstverständlich
weisungsgebunden" gewesen ist, meint jedoch, die Klägerin sei "als selbstständige
Promotionsassistentin" eingesetzt worden, weil auch die Beklagte ihrerseits hinsichtlich
der Promotionsveranstaltungen vertraglich gebunden gewesen sei, was den Einsatzort,
die Einsatzzeit und das Verteilen von Werbematerialien angehe. Die von der Beklagten
insoweit angesprochene "vertragliche Bindung" beruht indessen auf den jeweiligen
Absprachen mit Vertragspartnern der Beklagten, sie ist daher mit der einseitigen
Festsetzung von Einsatzorten und Einsatzzeiten, wie sie die Beklagte gegenüber der
Klägerin vorgenommen hat, nicht vergleichbar.
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Die von der Beklagten weiterhin für eine selbständige Tätigkleit angeführten Umstände,
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etwa dass für die Klägerin weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge seitens
der Beklagten abgeführt wurden, sind für die Frage, ob eine Arbeitnehmertätigkeit
vorgelegen hat, nicht aussagekräftig. Es kommt nicht darauf an, wie die Parteien ihre
Vertragsbeziehungen zueinander bewertet haben, sondern wie diese nach ihrer
tatsächlichen Durchführung rechtlich zu bewerten sind. Durch Parteivereinbarung kann
die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der
Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechtes nicht eingeschränkt werden (vgl. LAG
Köln vom 30.06.1995 - 4 Sa 63/95 - LAGE § 256 ZPO Nr. 10).
Die Klägerin ist nach alle dem - ebenso wie Propagandistinnen und Propagandisten,
die von einer Herstellerfirma zur Bewerbung ihrer Produkte und zum Verkauf der
Produkte in Warenhäuser eingesetzt sind (vgl. insoweit LAG Hamburg vom 10.02.1999 -
5 Sa 95/96 -) - Arbeitnehmerin der Herstellerfirma und keine selbstständig
Gewerbetreibende.
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde gemäß §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG besteht keine Veranlassung,
da nicht ersichtlich ist, dass die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist.
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(Rietschel)
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