Urteil des LAG Köln vom 29.12.2004

LArbG Köln: abfindung, ordentliche kündigung, vermögensrechtliche streitigkeit, fristlose kündigung, auflösung, arbeitsgericht, feststellungsklage, arbeitsrecht, datum, hinzurechnung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 9 Ta 410/04
29.12.2004
Landesarbeitsgericht Köln
9. Kammer
Beschluss
9 Ta 410/04
Arbeitsgericht Köln, 14 Ca 6362/04
§ 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG
Arbeitsrecht
Ein Auflösungsantrag nach § 9 KSchG ist bei der Bemessung des
Gebührenstreitwerts nicht gesondert neben dem
Kündigungsschutzantrag zu berücksichtigen (gegen LAG Berlin,
Beschluss vom 30.12.1999 - 7 Ta 6121/99 - ).
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den
Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21. Oktober 2004 – 14 Ca
6362/04 – wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I. Das Arbeitsgericht Köln hat am 21. Oktober 2004 in dem vorliegenden Rechtsstreit - 14
Ca 6362/04 - den Gebührenstreitwert für eine gegen eine ordentliche Kündigung vom 11.
Juni 2004 gerichtete Feststellungsklage und eine vom Kläger beantragte Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung mit EUR 7.950,00 auf 3
Bruttomonatsvergütungen des Klägers festgesetzt.
In einem weiteren Rechtsstreit der Parteien - 14/7 Ca 7690/04 - hat das Arbeitsgericht Köln
am 21. Oktober 2004 den Gebührenstreitwert für eine gegen eine fristlose Kündigung vom
9. Juli 2004 gerichtete weitere Feststellungsklage und eine vom Kläger auch in diesem
Verfahren beantragte Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung
mit EUR 7.950,00 gleichfalls auf 3 Bruttomonatsvergütungen des Klägers festgesetzt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 29. Oktober 2004 gegen beide
Beschlüsse Beschwerde eingelegt. Er beanstandet die Wertfestsetzung und meint, der
Streitwert für den Auflösungsantrag habe jeweils gesondert mit einem Monatsgehalt
bewertet werden müssen, so dass er in beiden Verfahren jeweils auf insgesamt EUR
10.600,00 festzusetzen sei. Er hat sich dabei auf die Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts Berlin vom 30. Dezember 1999 – 7 Ta 6121/99 – bezogen.
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Das Arbeitsgericht hat in den Nichtabhilfebeschlüssen vom 29. Oktober 2004 seine Ansicht
wiederholt, der Auflösungsantrag sei nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
II. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die im vorliegenden
Verfahren gemäß § 60 RVG nach altem Recht erfolgte Streitwertfestsetzung ist zulässig.
1. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 10 Abs. 3 S. 3 BRAGO). Die
Beschwerde ist auch statthaft (§ 10 Abs. 3 S. 1 BRAGO), da der Beschwerdegegenstand
EUR 50,00 übersteigt.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Der Auflösungsantrag ist bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts nicht gesondert
neben dem Feststellungsantrag zu bewerten.
Nach § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG ist für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten über das
Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens
der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts maßgebend;
eine Abfindung wird nicht hinzugerechnet.
Danach ist der Feststellungsantrag mit höchstens 3 Bruttomonatsvergütungen zu
bemessen, also EUR 7.950,00.
Nach langjähriger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum wird der Auflösungsantrag
nach § 9 KSchG nicht besonders bewertet und wirkt sich auch nicht streitwerterhöhend aus
(vgl. BAG, Beschluss vom 20.1.60 – 2 AZR 519/57 – AP Nr. 7 zu § 12 ArbGG 1953; KR-
Spilger, 6. Aufl., § 9 KSchG Rdn. 93, 94; GK-ArbGG/ Wenzel, § 12 Rdn. 118 i. V. m. Rdn
103).
Eine zusätzliche Bewertung des Auflösungsantrages widerspricht sowohl Wortlaut als auch
Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in § 12 Abs. 7 S. 1 Halbsatz 2 ArbGG, wonach
eine Abfindung nicht hinzugerechnet wird (so zutreffend LAG München, Beschluss vom 14.
September 2001 – 4 Ta 200/01 -; LAG Hamburg, Beschluss vom 3. September 2003 – 4 Ta
11/03 -; LAG Köln vom 29.12.2000 – 8 Ta 230/00 -; KR-Spilger, 6. Aufl., § 9 KSchG Rdn.
94; Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, § 12 Rdn. 190 f.; a. A. LAG Berlin, Beschluss vom 30.
Dezember 1999 – 7 Ta 6121/99 -; Germelmann-Matthes-Prütting-Müller-Glöge, ArbGG, 5.
Aufl., § 12 Rdn. 115; Meier, Streitwerte im Arbeitsrecht, "Auflösungsantrag" Rdn. 101 ff.).
Zwar ist der Auflösungsantrag nicht lediglich ein unselbständiger Teil der
Kündigungsschutzklage, sondern bildet einen davon abgrenzbaren Streitgegenstand (vgl.
BAG, Urteil vom 6. März 1979 – 6 AZR 397/77 – AP Nr. 31 zu § 72 ArbGG 1953
Streitwertrevision). Da die gerichtliche Auflösung aber stets nur gegen Zahlung einer
angemessenen Abfindung erfolgen darf (vgl. KR-Spilger, a. a. O., § 9 KSchG Rdn. 10), und
umgekehrt eine Verurteilung zu einer Abfindung bei einer sozial ungerechtfertigten
Kündigung nach § 9 Abs. 1 KSchG nur bei einer gleichzeitigen Auflösung des
Arbeitsverhältnisses erfolgen kann, umfasst das Verbot der streitwerterhöhenden
Hinzurechnung einer Abfindung auch den zugrunde liegenden Auflösungsantrag (so
zutreffend LAG München, Beschluss vom 14. September 2001 – 4 Ta 200/01 und LAG
Hamburg, Beschluss vom 3. September 2003 – 4 Ta 11/03 -). Die Abfindung als finanzieller
Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes müsste die für eine Streitwertbemessung
relevante Größe bei diesem Antrag darstellen, der Auflösung und Abfindung miteinander
untrennbar verknüpft, zumal der Streit um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses auch bei
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Fehlen eines Auflösungsantrages generell als vermögensrechtliche Streitigkeit
einzuordnen ist (vgl. BAG vom 24.3.80 AP Nr. 1 zu § 64 ArbGG 1979, Germelmann-
Matthes-Prütting-Müller-Glöge, a.a.O, § 12 Rdn. 92).
Die gesonderte Bewertung des Auflösungsantrages neben dem Feststellungsantrag würde
auch dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG nicht gerecht. Die gesetzliche
Regelung will erreichen, dass der für die Existenz des Arbeitnehmers besonders
bedeutsame Kündigungsschutzprozess aus sozialen Gründen nicht mit einem zu hohen
Kostenrisiko verbunden ist. Damit ist es nicht vereinbar, wenn die Höhe einer gemäß § 9
KSchG gegebenenfalls festzusetzenden Abfindung beim für die Gebühren maßgeblichen
Streitwert berücksichtigt würde (so zutreffend: LAG München, Beschluss vom 14.
September 2001 – 4 Ta 200/01 und LAG Hamburg, Beschluss vom 3. September 2003 – 4
Ta 11/03 -, Schwab/Weth/Vollstädt, a.a.O., § 12 Rdn. 190 f.).
Es kann nicht die Ansicht geteilt werden, der Auflösungsantrag sei bei der
Streitwertfestsetzung ähnlich zu behandeln wie der Antrag auf vorläufige
Weiterbeschäftigung (so Germelmann-Matthes-Prütting-Müller-Glöge, a.a.O.,
§ 12 Rdn. 115). Während der Auflösungsantrag ausschließlich den Bestand des
Arbeitsverhältnisses betrifft, geht es bei dem Weiterbeschäftigungsanspruch
- zusätzlich - darum, ob bei umstrittenem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der
Arbeitnehmer Beschäftigung verlangen kann.
Nach alledem ist die Beschwerde nicht begründet.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
(Schwartz)