Urteil des LAG Köln vom 05.10.2010

LArbG Köln (kündigung, unwirksamkeit der kündigung, gaststätte, kündigungsfrist, arbeitnehmer, betriebsübergang, bag, zeitpunkt, tatsächliche vermutung, wirtschaftliche einheit)

Landesarbeitsgericht Köln, 12 Sa 874/10
Datum:
05.10.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
12.Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Sa 874/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 1380/09
Schlagworte:
Kündigung; Betriebsstillegung; Widereinstellungsanspruch;
Betriebsübergang
Normen:
§ 1 KSchG; § 613 a BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Führt der Arbeitgeber eine Unternehmerentscheidung tatsächlich
durch, kann der Arbeitnehmer deren Ernsthaftigkeit nicht mit Erfolg durch
einfaches Bestreiten in Zweifel ziehen.
2. Greifbare Formen für eine Betriebsstilllegung können bereits dadurch
gegeben sein, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Absicht,
den Betrieb kurzfristig zu schließen mitteilt und allen Arbeitnehmern
kündigt.
3. Ein innerhalb des Insolvenzverfahrens Monate nach Ablauf der
Kündigungsfrist stattfindender Betriebsübergang vermag keinen
Wiedereinstellungsanspruch des wirksam gekündigten Arbeitnehmers
zu begründen.
Tenor:
1. Die Berufung die Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 18.02.2010 (Az. 8 Ca 1380/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Beklagten
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zu 1), den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) im Wege des
Betriebsübergangs sowie den hilfsweise geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf
Wiedereinstellung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen.
Die am 24.04.1955 geborene Klägerin, verheiratete und seit dem 01.10.1994 als
Küchenhilfe/Kaltmamsell bei Frau D (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin), der
Inhaberin der Gaststätte "E G K " in K -N , beschäftigt. Zuletzt erzielte sie ein Entgelt von
1.550,00 € brutto pro Monat. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert hier nicht. Am
01.09.2008 wurde beim Amtsgericht Köln das Insolvenzverfahren über das Vermögen
der Insolvenzschuldnerin eröffnet (Az.: 72 IN 367/08). Der Beklagte zu 1) wurde zum
Insolvenzverwalter bestellt. Am 26.11.2008 beschloss die Gläubigerversammlung die
vorläufige Fortführung der Gaststätte, wobei der Beklagte zu 1) diese jedoch bis zum
30.06.2009 nach seinem Ermessen stilllegen sollte, wenn zu große Verluste
erwirtschaftet würden. In den Monaten September bis Dezember 2008 erzielte die
Gaststätte ein vorläufiges negatives Ergebnis in Höhe von 17.193,55 €. Nach
Verhandlungen über die Veräußerung der Gaststätte wurde ein auf den 30.01.2009
anberaumter Notartermin von dem Interessenten kurzfristig abgesagt. Der Beklagte zu 1)
kündigte daraufhin mit Schreiben vom 30.01.2009 allen in der Gaststätte beschäftigten
17 Arbeitnehmern unter Hinweis auf die vollständige Einstellung der Geschäftstätigkeit
zum 31.01.2009 zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen spätestens jedoch zum
30.04.2009 und stellte die Arbeitnehmer gleichzeitig von der Verpflichtung zur
Arbeitsleistung frei. Die Klägerin erhielt am 30.01.2009 die Kündigung zum 30.04.2009.
Die Gaststätte blieb nach dem 31.01.2009 geschlossen. Am 11.02.2009 erhob die
Klägerin Kündigungsschutzklage. Am 18.02.2009 zeigte der Beklagte zu 1)
Massenunzulänglichkeit an. In den Monaten Februar und März 2009 erklärte der
Beklagte zu 1) zudem den Nichteintritt in bestehende betriebsbezogene Verträge und
meldete den Betrieb bei der GEZ ab. Er erwirkte die Auflösung der Betriebs- und
Berufshaftpflichtversicherung zum 31.01.2009, während eine
Betriebsvielschutzversicherung bereits am 11.10.2008 aufgehoben worden war. Auch
der Getränkelieferungs- und Darlehensvertrag mit der B B -GmbH war von dieser schon
unter dem 11.12.2008 wegen Zahlungsrückständen fristlos aufgekündigt worden.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten zu 1) vom
25.06.2009 (Bl. 27 ff. d. A.) Bezug genommen. Im Juni 2009 veräußerte der Beklagte zu
1) die der Insolvenzschuldnerin gehörende Immobilie, in welcher sich die Gaststätte
befand, an die Firma I L GbR. Im Anschluss hieran wurden umfangreiche
Renovierungsarbeiten an dem Objekt und der Gaststätte durchgeführt. So wurden die
Wohnräume der Insolvenzschuldnerin zur Gaststätte hinzugenommen und eine Küche
an anderer Stelle als bisher neu geschaffen. Die Beklagte zu 2) eröffnete am 05.11.2009
die Gaststätte wieder, wobei sie jedoch "Früh-Kölsch" anstatt wie bisher "Mühlen-
Kölsch" im Ausschank hatte. Als Personal setzte die Beklagte zu 2), die noch
gleichartige Betriebe wie etwa das "F a D sowie das "F e V unterhält, bereits
vorhandene Mitarbeiter ein, welche keine objektbezogenen Arbeitsverträge haben.
Nachdem die Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 18.08.2009 vorgetragen hatte, die
Gaststätte sei an die Brauerei F veräußert worden, die dort Renovierungsarbeiten
durchführe und beabsichtige, die Gaststätte Anfang Oktober 2009 wieder zu eröffnen,
erweiterte sie ihre Klage mit am 27.11.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz
gegen die Beklagte zu 2).
3
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf einen Pressbericht vom 03.02.2009, in dem es
hieß, ob es eine Zukunft für das Lokal geben werde, sei noch unklar, sowie einen
anderen Pressebericht vom 10.02.2009, ausweislich dessen ein Mitinhaber der G
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Brauerei angegeben habe, in dieser Woche einen Termin mit dem Eigentümer des "Em
Golde Kappes" zu haben, bestritten, dass ein endgültiger Stilllegungsbeschluss im
Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen habe. Sie hat behauptet, noch nach der Kündigung
habe es Verhandlungen mit möglichen Übernehmern wie der G -Brauerei gegeben.
Diese hätten auch zum Erfolg geführt, da die Beklagte zu 2) die Gaststätte übernommen
habe. Diese habe die wirtschaftliche Einheit bewahrt, da sie ein stadtbekanntes
Traditionshaus mit identischem Grundkonzept unter Beibehaltung des Namens und des
Ambientes weiterführe. Da es sich um eine Traditionsgaststätte handele, müssten auch
die Kunden nicht neu gewonnen werden.
Die Klägerin hat beantragt,
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1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 30.01.2009
beendet worden ist;
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2. festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten zu 2) seit dem 05.11.2009 ein
Arbeitsverhältnis besteht;
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hilfsweise,
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die Beklagte zu 2) zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss
eines Arbeitsvertrages ab dem 05.11.2009 nach Maßgabe des
Arbeitsvertrages vom 15.05.1991 als Küchenhilfe unter Wahrung des
Besitzstandes aus diesem Arbeitsvertrag anzunehmen;
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3. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 2) sowie für den Fall, dass die
Beklagte zu 2) nicht die Weiterbeschäftigung ihrer Person im Falle des
obsiegenden Urteils zu Protokoll erklärt, die Beklagte zu 2) zu verurteilen, sie bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu
unveränderten vertraglichen Bedingungen als Küchenhilfe zu beschäftigen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Sie haben behauptet, nach der Kündigung des Bierliefervertrages sei eine
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Aufrechterhaltung nur bis zum Verbrauch der Restbestände möglich gewesen. Andere
Bierbezugsquellen hätten nicht existiert. Der Beklagte zu 1) habe am 30.01.2009 die
endgültige Stilllegung des Betriebs zum 31.01.2009 beschlossen, nachdem von
September 2008 bis Januar 2009 mit dem Ziel der Veräußerung geführte Gespräche
gescheitert gewesen seien. Dieser Beschluss sei durch die Kündigung der Mitarbeiter
und deren Freistellung umgesetzt worden. Ein Betriebsübergang liege schon wegen der
bis zur Neueröffnung liegenden Zeitspanne nicht vor. Die Beklagte zu 2) hat darüber
hinaus behauptet, Verhandlungen zum Verkauf des Objektes seien erst im Juni 2009
aufgenommen worden. Wobei sie selbst diese Verhandlungen nicht geführt habe. Sie
führe das Lokal nach veränderter Ausgestaltung und erheblicher Erweiterung mit völlig
anderen Abläufen sowie einem anderen Angebot unter Eingliederung in die vorhandene
Organisation. Auch habe das Lokal einen veränderten Kundenstamm.
Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 18.02.2010 (8 Ca 1380/09) die Klage
vollumfänglich abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet,
dass die Kündigung des Beklagten zu 1) aufgrund der beschlossenen
Betriebsstilllegung gerechtfertigt sei. Dieser habe im Zeitpunkt der Kündigung
prognostizieren können, dass zum Kündigungstermin der Klägerin der Betrieb
eingestellt sein und es dort keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr geben werde. Die
endgültige Aufgabe des betrieblichen Zusammenwirkens habe am Tag der Kündigung
bereits greifbare Formen angenommen gehabt und sei anschließend tatsächlich
umgesetzt worden. Dem Klägervortrag lasse sich nichts zu einer Fortführung des
Betriebes entnehmen. Auch habe die Klägerin keine Umstände in substantiierter Form
dargelegt, aus denen zu schließen sei, der Beklagte zu 1) habe im Kündigungszeitpunkt
die dauerhafte Stilllegung noch nicht beschlossen. Wann ein Mitglied der
Geschäftsführung der G -Brauerei mit der Beklagten zu 1) verhandelt haben solle, lasse
der Vortrag der Klägerin offen. Im Rahmen der abgestuften Darlegungslast sei der
Vortrag daher nicht geeignet, eine Widerlegungslast des Beklagten zu 1) auszulösen.
Die Führung der Gaststätte durch die Beklagte zu 2) belege noch nicht, dass dies das
Ergebnis von Übernahmeverhandlungen zwischen den Parteien in der Zeit zwischen
Kündigung und Kündigungstermin gewesen sei. Selbst wenn hierin ein
Betriebsübergang zu sehen sei, führe dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, da
es auf die Stilllegungsprognose im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ankomme.
Auch die Interessenabwägung führe nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung.
Ebenso wenig greife das Kündigungsverbot des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB, da mangels
Voraussehbarkeit der weiteren Entwicklung im Januar 2009 nicht ersichtlich sei, dass
ein Betriebsübergang Motiv für die Kündigung gewesen sei. Aufgrund der Wirksamkeit
der Kündigung sei auch kein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) zustande
gekommen. Der Hilfsantrag sei zulässig aber unbegründet. Ein
Wiedereinstellungsanspruch komme nur in Betracht, wenn sich noch vor Ablauf der
Kündigungsfrist wider Erwarten ergebe, dass die Beschäftigungsmöglichkeit doch nicht
zum Kündigungstermin wegfalle. Der Beklagte zu 1) habe jedoch den Betrieb
vollständig stillgelegt und erst danach die zugehörige Immobilie veräußert. Die
Rekonstruktion des Betriebes ohne Mitwirkung des Beklagten zu 1) führe nicht zu einem
Betriebsübergang oder Wiedereinstellungsanspruch. Zudem ergebe sich weder aus
nationalem noch aus entgegenstehendem Europarecht ein
Wiedereinstellungsanspruch, wenn es im laufenden Insolvenzverfahren nach einer
wirksamen Kündigung doch noch zu einem Betriebsübergang komme. Mangels eines
fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bzw. eines dem Bestandsbegehren stattgebenden
Urteils habe die Klägerin auch keinen Weiterbeschäftigungsanspruch.
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Gegen dieses, ihr am 04.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.04.2010
Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum
04.06.2010 mit am 31.05.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Sie vertritt die Ansicht, hinsichtlich des Stilllegungsbeschlusses genüge einfaches
Bestreiten. Auch habe die Betriebsstilllegung im Zeitpunkt der Kündigung noch keine
greifbaren Formen angenommen, da die Kündigung der betriebsbezogenen Verträge
erst nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt sei. Sie behauptet, im Februar
2009 habe Frau T , welche Mitarbeiterin des Beklagten zu 1) sei, ihren Kollegen, Herrn
K angerufen und ihn darauf angesprochen, ob er nicht selbst die Gaststätte für eine
Übergangszeit übernehmen wolle, da dies die Verhandlungen zur Veräußerung
erleichtere. Er möge sich deshalb an Herrn D wenden und diesen fragen, ob er das
Lokal nicht gegen eine geringe Miete zur Verfügung stellen wolle. Die Klägerin meint,
da Frau T Mitarbeiterin des Beklagten zu 1) sei, sei diese Frage im Namen des
Beklagten zu 1) erfolgt. Selbst wenn ihr Arbeitsverhältnis durch die
streitgegenständliche Kündigung beendet worden sei, sei die Kündigung gegenüber der
Beklagten zu 2) relativ unwirksam. Schließlich behauptet sie, seinen
Wiedereinstellungsanspruch unmittelbar ihr gegenüber mit Schreiben vom 25.11.2009
geltend gemacht zu haben.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 18.02.2010 (Az.: 8 Ca
1380/09)
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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die
Kündigung vom 30.01.2009 beendet worden ist;
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2. festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten zu 2) seit dem
05.11.2009 ein Arbeitsverhältnis besteht;
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hilfsweise,
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die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines
Arbeitsvertrages ab dem 05.11.2009 nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom
15.05.1991 als Küchenhilfe unter Wahrung des Besitzstandes aus diesem
Arbeitsvertrag anzunehmen;
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3. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 2) sowie für den Fall, dass
die Beklagte zu 2) nicht die Weiterbeschäftigung ihrer Person im Falle eines
obsiegenden Urteils zu Protokoll erklärt, die Beklagte zu verurteilen, sie bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu
unveränderten vertraglichen Bedingungen als Küchenhilfe zu beschäftigen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte zu 1) behauptet, nach der Kündigung seien zunächst keinerlei Gespräche
über eine Veräußerung des Grundstücks oder von Betriebsmitteln geführt worden. Das
von der Klägerin geschilderte Gespräch der Frau T habe es nicht gegeben und könne
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allenfalls als Scherzerklärung verstanden werden, da ein bis dahin als Küchenhilfe
tätige Mitarbeiterin nicht als Kaufinteressent eines Millionenobjektes präsentiert werden
könne. Zudem sei Frau T nicht seine Angestellte, sondern tätig für die Kanzlei C H S
und als solche mit der buchhalterischen Abwicklung betraut gewesen. Die Beklagte zu
2) vertritt die Ansicht, an einem Betriebsübergang fehle es, da eine Gaststätte als
betriebsmittelarm anzusehen sei, so dass die nicht von ihr übernommene
Hauptbelegschaft im Mittelpunkt stehe. Sie behauptet, heute Kunden aus ganz K zu
haben, während die Gaststätte früher überwiegend von Gästen aus der unmittelbaren
Umgebung besucht worden sei, welche nunmehr häufig ausblieben, da die alten
Köbese nicht mehr dort arbeiteten. Zudem sei der Wiedereinstellungsanspruch verwirkt,
da die Monatsfrist nicht gewahrt worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Akteninhalt Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingereichte und
begründete Berufung der Klägerin (§§ 64 Abs. 1, 2 Buchstaben b) und c), 66 Abs. 1 Satz
1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO) ist unbegründet.
32
A. Die Berufung ist zulässig. Der Zulässigkeit der Berufung steht insbesondere nicht
entgegen, dass die Klägerin weder in der Berufungsschrift noch in der
Berufungsbegründung konkrete Anträge angekündigt hat. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr.
1 ZPO, welcher über § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren
Anwendung findet, muss die Berufungsbegründung zwar die Erklärung enthalten,
inwieweit das erstinstanzliche Urteil angefochten wird und welche Abänderungen
beantragt werden. Diese Erklärung muss jedoch nicht notwendig in einem bestimmt
gefassten Antrag niedergelegt werden. Die Vorschrift verlangt lediglich, dass die
Berufungsbegründungsschrift ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erkennen lässt, in
welchem Umfang das Urteil der ersten Instanz angefochten werden soll (BGH,
Beschluss vom 15.12.2009 – XI ZB 36/09 –, juris Rn. 9). Vorliegend ergibt sich aber aus
der Berufungsbegründungsschrift mit hinreichender Sicherheit, dass das Urteil
insgesamt angegriffen werden soll. Die Berufungsbegründungsschrift setzt sich ihrem
Inhalt nach mit der Unwirksamkeit der Kündigung, dem Übergang des
Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) sowie dem Wiedereinstellungsanspruch
auseinander. Lediglich der Weiterbeschäftigungsantrag wird nicht ausdrücklich
angesprochen. Insoweit nimmt die Berufungsbegründung jedoch Bezug auf die gegen
die Beklagte zu 2) gerichteten Anträge (unter III., erster Absatz) ohne zwischen den
einzelnen Anträgen zu differenzieren. Damit ist klargestellt, dass alle gegen die
Beklagten zu 2) gerichteten Anträge weiter verfolgt werden.
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B. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die
Kündigung des Beklagten zu 1) vom 30.01.2009 beendet worden und konnte schon
deshalb nicht auf die Beklagte zu 2) übergehen. Auch hat die Klägerin weder einen
Anspruch auf Wiedereinstellung gegen die Beklagte zu 2) noch einen Anspruch auf
Weiterbeschäftigung.
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I. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die Kündigung des Beklagten zu 1)
beendet worden, da Umstände, aus denen die Unwirksamkeit der Kündigung abgeleitet
werden könnte, nicht ersichtlich sind.
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1. Die Kündigung ist insbesondere nicht unwirksam gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Satz 1
KSchG. Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial
ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist sie gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn
sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers
liegen oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung
des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Zu den dringenden
betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs durch den
Arbeitgeber. Die bloße Einstellung der Produktion bedeutet allerdings noch keine
Betriebsstilllegung. Unter Betriebsstilllegung ist vielmehr die Auflösung der zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu
verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin
findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen
Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine
ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter
zu verfolgen. Abgeschlossen ist die Stilllegung dann, wenn die Arbeitsverhältnisse der
Arbeitnehmer beendet sind (BAG, Urteil vom 22.10.2009 – 8 AZR 766/08 –, juris Rn.
32). Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen.
Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine
Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige
Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er
verfügen kann, veräußert oder zurückgibt und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt
(BAG, Urteil vom 26.04.2007 – 8 AZR 695/05 –, juris Rn. 33). Betriebsveräußerung und
Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Die Veräußerung des Betriebs
allein stellt keine Stilllegung dar, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und
lediglich ein Inhaberwechsel stattfindet (BAG, Urteil vom 22.10.2009 – 8 AZR 766/08 –,
juris Rn. 32). Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer
Kündigung ist der des Kündigungszugangs. Grundsätzlich muss zu diesem Zeitpunkt
der Kündigungsgrund, nämlich der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, vorliegen.
Das Gestaltungsrecht der Kündigung kann nur bei Vorliegen eines im Zeitpunkt der
Kündigungserklärung vorhandenen Kündigungsgrundes rechtswirksam ausgeübt
werden (BAG, Urteil vom 13.02.2008 – 2 AZR 543/06 –, juris Rn. 20). D. h. in den
Fällen, in denen zwar bei Zugang der Kündigung noch eine Möglichkeit der
Beschäftigung besteht, aber die für den künftigen Wegfall des
Beschäftigungsbedürfnisses maßgeblichen Entscheidungen bereits gefallen sind,
kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich
entbehrt werden kann (BAG, Urteil vom 13.02.2008, a. a. O., Rn. 21). Davon ist
auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen
gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, dass zum
Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich
machenden betrieblichen Grundes vorliegen wird. Dabei muss die der entsprechenden
Prognose zugrunde liegende Entscheidung bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig
getroffen worden sein und die Schließung des Betriebs oder der Betriebsabteilung aus
Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und
greifbare Formen angenommen haben. Ist dies nicht der Fall, kann eine zum Wegfall
des Arbeitsplatzes und zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit führende
Prognose vor dem Ablauf der Kündigungsfrist nicht erfolgreich gestellt werden. Vielmehr
entfällt die Grundlage für die Kündigung (BAG, Urteil vom 13.02.2008, a. a. O., Rn. 22).
Deswegen ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht sozial gerechtfertigt,
solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen, aber noch nicht
endgültig erfasst hat. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt noch
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in ernsthaften Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebs oder der
Betriebsabteilung steht oder sich um neue Aufträge bemüht. Dann liegt keine
unbedingte und endgültige Stilllegungsabsicht vor (BAG, Urteil vom 13.02.2008, a. a. O.,
Rn. 23). Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die
Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber
aber eine Betriebsveräußerung für den Fall vor, dass sich eine Chance bietet, und
gelingt dann später doch noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen
Rechtfertigung der Kündigung (BAG, Urteil vom 29.09.2005 – 8 AZR 647/04 –, juris Rn.
24).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass die
Kündigung des Beklagten zu 1) wegen einer beabsichtigten Betriebsstilllegung
ausgesprochen wurde.
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a) Der Beklagte zu 1) hatte zum Zeitpunkt der Kündigung den ernstlichen Entschluss
gefasst, die Betriebsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzuheben.
Entgegen der Ansicht der Klägerin bedurfte es zur Feststellung dieser Absicht keiner
Beweiserhebung. Zwar hat grundsätzlich der Arbeitgeber das Vorliegen dringender
betrieblicher Erfordernisse zu beweisen (BAG, Urteil vom 29.09.2005 – 8 AZR 647/04 –,
juris Rn. 27), die vorliegend eine Stilllegungsentscheidung des Arbeitgebers
voraussetzen. Da der Entschluss des Beklagten zu 1) als solcher jedoch nicht nach
außen sichtbar in Erscheinung tritt, können zur Feststellung eines solchen lediglich die
Tatsachen herangezogen werden, anhand derer die Beschlussfassung nach außen
erkennbar wird. Hier ist sie dadurch in Erscheinung getreten, dass der Beklagte zu 1) in
allen Kündigungsschreiben darauf hingewiesen hat, die Geschäftstätigkeit werde zum
31.01.2009 vollständig eingestellt. Dass dieser Entschluss nicht nur vorgeschoben war,
sondern ernsthaft bestand, zeigt sich wiederum an der Umsetzung am Folgetag, an dem
die Gaststätte geschlossen wurde, was sie bis zur Veräußerung des Gebäudes im Juni
2009 auch blieb. Die Ernsthaftigkeit der Stilllegungsentscheidung folgt desweiteren
daraus, dass der Beklagte zu 1) in den Folgemonaten zahlreiche auf den Betrieb
bezogene Verträge aufgelöst bzw. deren Nichterfüllung gewählt hat. Nicht zuletzt ergibt
sie sich aus der Kündigung aller Arbeitnehmer, ohne die die Gaststätte nicht
weiterbetrieben werden konnte. Mit Beendigung aller Arbeitsverhältnisse aber ist eine
Betriebsstilllegung nach den geschilderten Grundsätzen abgeschlossen. Hat der
Beklagte zu 1) mithin unstreitige Tatsachen dargelegt, die für die Umsetzung der
unternehmerischen Entscheidung sprechen, konnte die Klägerin letztere nicht mehr
durch einfaches Bestreiten in Frage stellen. Wird ein Betrieb stillgelegt, spricht eine
tatsächliche Vermutung dafür, dass dies aufgrund einer Entscheidung des
Betriebsinhabers erfolgt. Die Klägerin hätte daher Tatsachen vortragen müssen, die
gegen einen ernsthaften Betriebsstilllegungsentschluss sprechen.
38
b) Der Stilllegungsbeschluss war auch endgültig. Gegenteiliges vermochte die Klägerin
nicht darzutun. Von einem endgültigen Stilllegungsbeschluss wäre nicht auszugehen,
wenn der Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Kündigung noch in ernsthaften
Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes gestanden hätte. Hierfür gibt es
jedoch keine Anhaltspunkte.
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aa) Solche ergeben sich nicht aus den von ihr vorgelegten Presseberichten. Soweit dort
am 03.02.2009 (Bl. 43 d. A.) berichtet wurde, dass unklar sei, ob es eine Zukunft für das
Lokal gebe, spricht dies nicht gegen einen endgültigen Stilllegungsbeschluss des
Beklagten zu 1). Dem Artikel lässt sich nicht entnehmen, dass der Verfasser
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Rücksprache mit dem Beklagten zu 1) gehalten hat. Subjektiv mag dem Verfasser daher
tatsächlich nicht klar gewesen sein, ob es für das Lokal eine Zukunft gibt. Ein Indiz
gegen eine endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten zu 1) lässt sich aus dem
Artikel hingegen nicht ableiten.
Gleiches gilt für den vorgelegten Artikel vom 10.02.2009 (Bl. 44 d. A.). Auch hierin ist
keine Äußerung des Beklagten zu 1) wiedergegeben. Zwar hat ausweislich dieses
Artikels ein Mitinhaber der Firma G geäußert, er habe mit dem Eigentümer in dieser
Woche einen Termin. Eigentümer des Grundstücks war jedoch nicht der Beklagte zu 1).
Auf kurz nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung stattgefundene
Verhandlungen des Beklagten zu 1) lässt der Artikel deshalb nicht schließen. Hinzu
kommt, dass der Artikel letztlich offen lässt, worum es in dem Termin, mag er nun
stattgefunden haben oder nicht, gehen sollte. Ein Indiz gegen eine endgültige
Stilllegungsentscheidung stellt er nicht dar.
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bb) Ein Indiz ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin behaupteten Telefonat,
welches Frau T geführt haben soll. Aus ihm lässt sich keine Veräußerungsabsicht des
Beklagten zu 1) ableiten, da keine Beauftragung der Frau Terner seitens des Beklagten
zu 1) zu diesem Telefonat erkennbar ist. Die Klägerin hat nicht behauptet, Frau T habe
auf einen entsprechenden Auftrag hingewiesen. Vielmehr hat sie deren Handeln im
Namen des Beklagten zu 1) lediglich aus dem von ihr vermuteten
Beschäftigungsverhältnis zum Beklagten zu 1) abgeleitet. Abgesehen davon, dass nach
der Darstellung des Beklagten zu 1) ein solches Beschäftigungsverhältnis gar nicht
besteht, spricht gegen einen entsprechenden Auftrag des Beklagten zu 1) auch der
behauptete Inhalt des Telefonats. Frau T soll nämlich dazu geraten haben, Herrn D A
um die Überlassung der Gaststätte zu einer geringen Miete bzw. Pacht zu bitten. Weder
Herr D noch die Insolvenzschuldnerin waren jedoch zu diesem Zeitpunkt befugt, über
die weitere Verwendung des Geschäftslokals zu entscheiden. Da dies dem Beklagten
zu 1) bekannt war, kann nicht davon ausgegangen werden, er habe Frau T dennoch
anders instruiert. Im Falle der Beauftragung wäre der Beklagte zu 1) zudem bereits zu
einer Überlassung der Gaststätte gegen eine geringe Pacht bereit gewesen, so dass
sich die angeratene Nachfrage erübrigen würde.
42
cc) Schließlich lässt sich auch aus der Wiedereröffnung der Gaststätte Anfang
November 2009 nichts gegen einen ernsthaften und endgültigen Stilllegungsentschluss
des Beklagten zu 1) im Kündigungszeitpunkt herleiten. Zwar spricht bei alsbaldiger
Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte
Stilllegungsabsicht (BAG Urteil vom 21.06.2001 – 2 AZR 137/00 –, juris Rn. 31); von
einer alsbaldigen Wiedereröffnung kann vorliegend jedoch nicht die Rede sein,
nachdem das Lokal über neun Monate geschlossen war. Die Wiedereröffnung erfolgte
zudem über vier Monate nach Veräußerung der Immobilie durch den Beklagten zu 1) an
die Firma I L GbR durch die Beklagte zu 2) und nicht durch die Käuferin. Eine auf
Wiedereröffnung der Gaststätte gerichtete Willensentscheidung der Beklagten zu 2),
mag sie auch bereits Mitte des Jahres 2009 vorgelegen haben, vermag jedoch nicht die
Endgültigkeit der Willensentscheidung des Beklagten zu 1) im Januar 2009 in Frage zu
stellen. Zu einer Verwertung der Immobilie war der Beklagte zu 1) nach § 159 InsO auch
im Falle der Stilllegung des Betriebes verpflichtet.
43
c) Der Stilllegungsbeschluss hatte im Kündigungszeitpunkt auch bereits greifbare
Formen angenommen. Diese können noch nicht daraus abgeleitet werden, dass im
Januar 2009 für die Gaststätte kein Bierliefervertrag mehr bestand, auch wenn für eine
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Gaststätte die Versorgung mit Getränken elementare Bedeutung hat. Die Beendigung
des Getränkeliefervertrages erfolgte jedoch nicht durch den Beklagten zu 1) und zudem
zu einem Zeitpunkt, in welchem der Stilllegungsbeschluss noch nicht gefasst war. Der
Beklagte zu 1) hat aber am 30.01.2009 alle Arbeitnehmer der Gaststätte gekündigt, in
den Kündigungsschreiben seinen Stilllegungsbeschluss bekanntgegeben und die
Arbeitnehmer im Hinblick auf die zum 31.01.2009 beabsichtigte Schließung des Lokals
freigestellt. Hierdurch hat der Kündigungsentschluss zugleich greifbare Formen
angenommen. Die Kündigung aller Arbeitnehmer ist nämlich in der Regel ein sicheres
Anzeichen dafür, dass der Betrieb stillgelegt wird (BAG, Urteil vom 21.06.2001 – 2 AZR
137/00 –, juris Rn. 37). Die Kündigung und Freistellung aller Arbeitnehmer in
Verbindung mit der nach außen kundgetanen Absicht, das Geschäftslokal am Folgetag
zu schließen, stellen somit greifbare Anhaltspunkte dafür dar, dass mit der Schließung
des Lokals, jedenfalls aber mit Ablauf der Kündigungsfrist, kein Beschäftigungsbedarf
mehr für die Klägerin bestehen werde. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nicht
stets schon aus dem Ausspruch der Kündigung auf das Vorliegen greifbarer Formen
geschlossen werden kann, da diese Voraussetzung ansonsten entwertet würde. Sie darf
aber auch nicht eine kurzfristige Betriebsstilllegung unmöglich machen. Es kann in
einem solchen Fall nicht stets zu fordern sein, dass der Arbeitgeber vor der Kündigung
der Arbeitnehmer zunächst andere Maßnahmen trifft, hier etwa einige andere Verträge
kündigt. Ein solcher Vorrang ist nicht zu rechtfertigen. Mit dem Merkmal der "greifbaren
Formen" kann bei einige Zeit vor Durchführung der Organisationsentscheidung
ausgesprochenen Kündigungen mit langer Kündigungsfrist Vorratskündigungen
vorgebeugt und der Kündigungsentschluss objektiviert werden. Bei der Kündigung aller
Arbeitnehmer besteht aber jedenfalls im Fall einer kurzfristigen Betriebsstilllegung nicht
die Gefahr, dass der Arbeitgeber kündigt, ohne dass etwa während des gesamten
Kündigungsschutzprozesses klar wird, ob es zu der Umsetzung kommt. Gerade die
vorliegende Konstellation macht deutlich, dass es bei der Kündigung aller Arbeitnehmer
nicht etwa auf die vorherige Auflösung anderer Verträge ankommen kann. Diese waren
nämlich, wie auch die Klägerin einräumt, für den Betrieb der Gaststätte nicht existenziell.
Aus der Tatsache ihrer Auflösung oder ihres Fortbestands kann daher für den Wegfall
der Beschäftigungsmöglichkeit nichts gefolgert werden, wenn auch eine Nichtauflösung
gegen eine ernsthafte Stilllegungsentscheidung sprechen kann. Diese ist jedoch
gesondert festzustellen. Hingegen stellt die Kündigung aller Arbeitnehmer viel eher eine
greifbare Form des Stilllegungsbeschlusses dar, da ohne diese ein Weiterbetrieb der
Gaststätte nicht möglich ist. Schließlich leuchtet auch nicht recht ein, weshalb eine
Kündigung am 30.01.2009 unwirksam sein sollte, eine mit der Verlängerung der
Arbeitsverhältnisse um einen Monat verbundene, zwei Tage später ausgesprochene
Kündigung hingegen nicht, weil jedenfalls die Schließung des Lokals dem Entschluss
die nötigen ‚greifbaren Formen‘ verleihen würde.
d) Da mit der Stilllegung des Betriebes auch jegliche Möglichkeit entfiel, die Klägerin in
irgendeiner Weise im Betrieb weiter zu beschäftigen, vermag auch die im Rahmen des
§§ 1 Abs. 2 KSchG grundsätzlich durchzuführende Interessenabwägung nicht zu dem
Ergebnis führen, dass die Kündigung ungerechtfertigt ist. Dem Beklagten zu 1) war
unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufrechtzuerhalten, ohne
Verwendungsmöglichkeit für deren Arbeitskraft zu haben. Die Klägerin hat keinerlei
Umstände vorgetragen, die angesichts dessen darauf schließen ließen, dass ihre
Interessen das Beendigungsinteresse des Beklagten zu 1) überwiegen.
45
2. Die Kündigung ist mithin gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Da eine
Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG im Hinblick auf die Kündigung aller
46
Arbeitnehmer entbehrlich war, ist die Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt und
unwirksam gemäß § 1 Abs. 1 KSchG.
3. Die Kündigung ist desweiteren nicht unwirksam gemäß § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB,
weil sie nicht wegen eines Betriebsübergangs erfolgt ist; etwas anderes behauptet auch
die Klägerin nicht, so dass auf die zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen des
Arbeitsgerichts verwiesen werden kann.
47
4. Da auch andere Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich sind, war die gegen die
soweit klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts gerichtete Berufung
zurückzuweisen.
48
II. Die Berufung ist auch unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung des die
Beklagte zu 2) betreffenden Antrags auf Feststellung eines seit dem 05.11.2009
bestehenden Arbeitsverhältnisses richtet.
49
1. Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung vom 30.01.2009 zum
30.04.2009 beendet worden ist, konnte unabhängig davon, ob ein Betriebsübergang
vorliegt, kein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) zustande
kommen. Gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und
Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.
Ein im Zeitpunkt des Übergangs bereits beendetes Arbeitsverhältnis wird von dieser
Vorschrift nicht erfasst.
50
2. Im Falle eines Betriebsübergangs nach Ablauf der Kündigungsfrist ergibt sich auch
aus europarechtlichen Vorschriften keine (relative) Unwirksamkeit der Kündigung. Auch
Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG sieht lediglich den Übergang der Rechte aus
zur Zeit des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen vor. Etwas anderes kann
auch aus der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.02.2009 (12
Sa 1544/08) nicht gefolgert werden. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) vom 12.03.1998 (C 319/94), auf das diese sich bezieht, können vom Veräußerer
kurz vor dem Übergang des Unternehmens rechtswidrig gekündigte und vom Erwerber
nicht übernommene Arbeitnehmer sich gegenüber dem Erwerber auf die
Rechtswidrigkeit der Kündigung berufen. Hieraus leitet das LAG Düsseldorf die relative
Unwirksamkeit der Kündigung des Veräußerers ab. Daraus folgt aber nichts für den
vorliegenden Fall. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es zu einem
Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) gekommen ist, wurde die Klägerin nicht, wie in
der EuGH-Entscheidung vorausgesetzt, kurz vor Übergang des Betriebes rechtswidrig
gekündigt. Eine rechtswidrige Kündigung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH liegt
vor, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Übergang unter Verstoß gegen Artikel 4 Abs. 1
der Richtlinie 77/187/EWG beendet worden ist (EuGH, Urteil vom 12.03.1998 – C
319/93, juris Rn. 39 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 15.06.1988 – C 101/87 –, juris
Rn. 18). Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG, der im Wesentlichen dem heute
geltenden Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG entspricht, regelt jedoch lediglich,
dass der Übergang als solches kein Kündigungsgrund sein darf. Vorliegend wurde
jedoch bereits festgestellt, dass die Kündigung von Januar 2009 nicht wegen eines zu
dieser Zeit noch überhaupt nicht absehbaren Übergangs des Betriebes auf die Beklagte
zu 2) erfolgt ist. Es fehlt mithin auch an einer rechtswidrigen Kündigung im Sinne der
EuGH-Rechtsprechung.
51
III. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Wiedereinstellung gegenüber der
52
Beklagten zu 2).
1. Ein Wiedereinstellungsanspruch kommt in Betracht, wenn sich die der
betriebsbedingten Kündigung zugrundeliegende Vorstellung des Arbeitgebers über die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dazu muss
sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist
unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergeben. Entsteht die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, kommt nur
ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht (BAG, Urteil vom
25.10.2007 – 8 AZR 989/06 –, juris Rn. 19; Urteil vom 21.08.2008 - 8 AZR 201/07 –,
juris Rn. 57; Urteil vom 25.09.2008 – 8 AZR 607/07 –, juris Rn. 33). Die zur
betriebsbedingten Kündigung entwickelte Rechtsprechung stellt auf den Zeitpunkt des
Kündigungsausspruchs ab. Die hinreichend begründete Prognose zum Wegfall der
Beschäftigungsmöglichkeit genügt für die Wirksamkeit der Kündigung und die spätere
tatsächliche Entwicklung bleibt grundsätzlich unberücksichtigt. Diese "Vorverlagerung"
des Prüfungszeitpunkts vom Ende des Arbeitsverhältnisses auf den oft viele Monate
später liegenden und nicht nur von der Dauer der Kündigungsfrist, sondern auch vom
Willensentschluss des Arbeitsgebers abhängigen Zeitpunkt des Ausspruchs der
Kündigung, verlangt in den Fällen nach einem Korrektiv, in denen sich die
maßgeblichen Umstände entgegen der ursprünglichen Prognose nachträglich ändern.
In solchen Fällen ist die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers durch einen
Kontrahierungszwang eingeschränkt. Die vertragliche Nebenpflicht zum erneuten
Abschluss eines Arbeitsvertrags (§ 242 BGB) konkretisiert die Pflicht, auf die
berechtigen Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen (BAG, Urteil vom
25.10.2007 – 8 AZR 989/06 –, juris Rn. 21). Einen Wiedereinstellungsanspruch bei
einer Änderung der Verhältnisse nach Ablauf der Kündigungsfrist hat das
Bundesarbeitsgericht angenommen, wenn der Betriebsübergang zwar erst nach Ablauf
der Kündigungsfrist stattgefunden hat, die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit jedoch
schon während des Laufs der Kündigungsfrist entstanden und die ursprünglich bei
Ausspruch der Kündigung anzustellende Prognose dadurch während des Laufs des
Kündigungsfrist unzutreffend geworden war (BAG, Urteil vom 25.10.2007 – 8 AZR
989/06 –, juris Rn. 24; Urteil vom 13.11.1997 – 8 AZR 295/95 –, juris Rn. 23). Dieser
Ausnahmefall betraf einen Betriebsübergang, der nicht auf der Übernahme materieller
und/oder immaterieller Betriebsmittel, sondern der willentlichen Übernahme der
Hauptbelegschaft beruhte.
53
2. Es liegen jedoch keine Umstände vor, die die Annahme eines
Wiedereinstellungsanspruchs trotz Änderung der im Kündigungszeitpunkt
prognostizierten Situation erst nach Ablauf der Kündigungsfrist rechtfertigen würden. Bei
einem Betriebsübergang, der durch die Übernahme der Hauptbelegschaft eintritt, ist
eine solche Ausnahme gerechtfertigt, da in diesen Fällen, etwa bei der
Auftragsnachfolge, erst nach Ablauf der Kündigungsfrist die für einen Betriebsübergang
maßgeblichen Tatsachen entstehen bzw. entstehen können. Auch mag es gerechtfertigt
sein, einen Wiedereinstellungsanspruch zu bejahen, wenn sich innerhalb der
Kündigungsfrist die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bereits abzeichnet. Vergleichbare
Umstände sind im Falle der Klägerin jedoch nicht gegeben. Nach Ablauf der
Kündigungsfrist trat zunächst weder eine Fortführung des Betriebes ein, noch war eine
solche absehbar. Vielmehr blieb die Gaststätte noch über fünf Monate geschlossen. Erst
am 05.11.2009 erfolgte die Wiedereröffnung durch die Beklagte zu 2), ohne dass dabei
die Hauptbelegschaft weiter beschäftigt worden wäre. Dass dies bei Ablauf der
Kündigungsfrist der Klägerin bereits absehbar war, ist nicht dargetan. Warum dann aber
54
die Beklagte zu 2) eine vertragliche Nebenpflicht auf Wiedereinstellung treffen soll, ist
schlechterdings nicht darstellbar.
3. Zudem scheidet ein Wiedereinstellungsanspruch auch deshalb aus, weil nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Betriebsübergang nach Ablauf der
Kündigungsfrist anlässlich einer insolvenzbedingten Kündigung keinen
Wiedereinstellungsanspruch begründet (BAG, Urteil vom 28.10.2004 – 8 AZR 199/04 –,
juris Rn. 28; BAG, Urteil vom 13.05.2004 – 8 AZR 198/03). Der 8. Senat des
Bundesarbeitsgerichts hat insoweit entschieden, dass sich aus der Richtlinie
2001/23/EG vom 12.03.2001 nichts anderes ergebe. Aus Artikel 3 und 4 dieser
Richtlinie ließe sich kein über die Kündigungsfrist hinausgehender
Wiedereinstellungsanspruch ableiten (BAG, Urteil vom 28.10.2004 – 8 AZR 199/04 –,
juris Rn. 30). Dem folgt die erkennende Kammer uneingeschränkt. Artikel 3 und 4 der
Richtlinie sehen keinen Wiedereinstellungsanspruch vor. Zudem gelten diese
Vorschriften nach Artikel 5 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht für Betriebsübergänge im
Rahmen eines Konkursverfahrens oder einem entsprechenden Verfahren mit dem Ziel
der Auflösung des Vermögens des Veräußerers. Die Veräußerung der Immobilie mit
den Räumlichkeiten der Gaststätte erfolgte jedoch gerade im Rahmen eines
Insolvenzverfahrens. Auch hat der Beklagte zu 1) mit ihr letztlich keine Sanierung
vorgenommen.
55
4. Schließlich liegt nach Ansicht der erkennenden Kammer auch kein Betriebsübergang
vor.
56
a) Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB setzt die Wahrung der Identität einer
auf gewisse Dauer angelegten, hinreichend strukturierten und selbstständigen
wirtschaftlichen Einheit voraus. Die Wahrung der Identität kann sich aus dem Übergang
sachlicher und immaterieller Betriebsmittel, aber auch aus dem Übergang von Personal,
Führungskräften, der Übernahme von Arbeitsorganisation und Betriebsmethoden
herleiten. Dabei kommt es auf die Gesamtwürdigung aller Umstände an. Es muss eine
im Wesentlichen unveränderte Fortführung der bisher in dieser abgrenzbaren Einheit
geleisteten Tätigkeit möglich sein. Die bloße Möglichkeit allein, den Betrieb selbst
unverändert fortzuführen, reicht nicht für die Annahme eines Betriebsübergangs.
Vielmehr muss der Betrieb auch tatsächlich weitergeführt werden. Keine unveränderte
Fortführung liegt vor, wenn der neue Betreiber eine andere Leistung erbringt, den
Betriebszweck ändert oder ein anderes Konzept verfolgt. Ebenso reicht eine bloße
Funktionsnachfolge nicht aus, bei der ohne Übernahme der Betriebsmittel oder der
Belegschaft nur die Tätigkeit ausgeübt oder die Funktion am Markt übernommen wird.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Gesamtabwägung
vorzunehmen, bei der je nach Einzelfall folgende relevante Umstände in Betracht zu
ziehen sind: Die Art des Betriebes oder Unternehmens; der Übergang der materiellen
Betriebsmittel wie Gebäude, Maschinen und bewegliche Güter sowie deren Wert und
Bedeutung; der Wert der übernommenen immateriellen Betriebsmittel und der
vorhanden Organisation; die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft durch die
neuen Inhaber, also eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals;
der etwaige Übergang der Kundschaft und der Lieferantenbeziehungen; der Grad der
Ähnlichkeit zwischen den vor- und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten; die
Dauer der eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Grundsätzlich gehört die
Organisation zu den Kriterien für die Bestimmung der Identität einer wirtschaftlichen
Einheit. Nach Artikel 1 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/23/EG wird die Identität
der wirtschaftlichen Einheit einerseits über das Merkmal der Organisation der
57
übertragenen Einheit, andererseits über das Merkmal der Verfolgung ihrer
wirtschaftlichen Tätigkeit definiert. Für einen Betriebsübergang ist nicht erforderlich,
dass der Übernehmer die konkrete Organisation der verschiedenen übertragenen
Produktionsfaktoren beibehält, sondern dass die funktionelle Verknüpfung der
Wechselbeziehung und der gegenseitigen Ergänzung der Produktionsfaktoren
beibehalten wird. Dies nämlich erlaubt bereits dem Erwerber, die Produktionsfaktoren in
ihrer Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zu nutzen, selbst wenn sie nach
der Übertragung in eine neue, andere Organisationsstruktur eingegliedert werden, um
derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (zum
Ganzen: BAG, Urteil vom 17.12.2009 – 8 AZR 1019/08 –, juris Rn. 20 f.).
b) Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist ein Betriebsübergang vorliegend nicht
anzunehmen. Übernommen hat die Beklagte lediglich die Räumlichkeiten der Gaststätte
sowie eines Teils des Inventars, wobei der Vortrag der Klägerin keine näheren Angaben
dazu enthält, welches Inventar übernommen wurde. Vielmehr stellt er maßgeblich
darauf ab, dass die Räumlichkeiten, der Name sowie das Ambiente der Räumlichkeiten
beibehalten wurden. Da es sich um eine Traditionsgaststätte handele, müssten zudem
auch keine Kundenbeziehungen neu aufgebaut werden. Dies allein reicht jedoch nicht
für die Annahme eines Betriebsüberganges aus. Hieraus kann nicht bereits die
Übernahme einer wirtschaftlichen Einheit abgeleitet werden. Arbeitnehmer wurden von
der Beklagten zu 2) nicht übernommen. Inwieweit trotz der Nichtübernahme der
Arbeitnehmer eine vorhandene Organisation fortgeführt wird, ergibt sich aus dem
Vortrag der Klägerin nicht. Zwar behauptet die Klägerin, die Beklagte zu 2) verfolge ein
identisches Grundkonzept; was dies aber im Einzelnen bedeutet, ergibt sich aus ihrem
Vorbringen nicht. Ähnlichkeit der Tätigkeit des Betriebes allein beinhaltet noch nicht,
dass sie von einer identischen wirtschaftlichen Einheit ausgeübt wird. Zum Übergang
der Kundschaft und der Lieferantenbeziehungen schweigt sich die Klägerin ebenfalls
weitgehend aus. Sie verweist zwar darauf, dass bei einer bekannten
Traditionsgaststätte die Kunden nicht neu gewonnen werden müssten, konkreter
Tatsachenvortrag hierzu fehlt jedoch. Dieser wäre jedoch aufgrund des Bestreitens der
Beklagten zu 2) im Hinblick auf die neunmonatige Unterbrechung der Tätigkeit
erforderlich gewesen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 11.09.1997 (8
AZR 555/95, juris Rn. 22) ausgeführt, dass bereits eine sechsmonatige Betriebsruhe bei
einer Gaststätte wirtschaftlich nicht unerheblich zu bewerten sei, gerade wenn die
Besucher in einem von zahlreichen weiteren Gaststätten geprägten Stadtteil einer
Großstadt auf andere Lokale hätten ausweichen können. Auch die Gaststätte der
Beklagten zu 2) liegt in einer Großstadt. Ein Ausweichen auf andere Gaststätten ist ohne
weiteres möglich. Der Charakter einer Traditionsgaststätte garantiert nicht die
Beibehaltung der Kundschaft, zumal sich auch die im Ausschank befindliche Biersorte
geändert hat. Gerade für die Rückgewinnung der früheren Stammkundschaft können
deren Präferenzen für eine bestimmte Biersorte jedoch von ausschlaggebender
Bedeutung sein. Hinzu kommt, dass durch die lange Schließung auch die Verknüpfung
der übrigen, eine wirtschaftliche Einheit ausmachenden Faktoren derart aufgelöst war,
dass diese durch die Beklagte zu 2) nicht mehr übernommen wurde.
58
5. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob ein Wiedereinstellungsanspruch zudem
verwirkt wäre, wofür sprechen mag, dass die Klägerin offenbar bereits im August 2009
Kenntnis von der geplanten Wiedereröffnung hatte.
59
IV. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Das
beendete Arbeitsverhältnis kann hierfür keine Anspruchsgrundlage bilden. Mangels
60
eines obsiegenden Urteils in einem Bestandsschutzstreit kann dieser Anspruch auch
nicht aus den Grundsätzen, die der große Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner
Entscheidung vom 27.02.1985 aufgestellt hat (GS 1/84), abgeleitet werden. Insoweit
kann auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen werden.
V. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.
61
VI. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Im Hinblick auf die
grundsätzliche Frage, ob nach ein mit Ausspruch der Kündigung nach außen erkennbar
werdender Stilllegungsbeschluss allein durch die Kündigung aller Arbeitnehmer
greifbare Formen annehmen kann.
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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
63
Gegen dieses Urteil kann von
64
R E V I S I O N
65
eingelegt werden.
66
Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
67
Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
68
Bundesarbeitsgericht
69
Hugo-Preuß-Platz 1
70
99084 Erfurt
71
Fax: 0361 2636 2000
72
eingelegt werden.
73
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
74
Die Revisionsschrift
muss
Bevollmächtigte
75
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische
Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser
Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse
76
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung
durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
77
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
78
Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
79
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
80
Dr. Rech Elsen Dederichs
81