Urteil des LAG Köln vom 18.10.2005

LArbG Köln: ordentliche kündigung, au pair, befristung, arbeitsgericht, dienstverhältnis, wahrscheinlichkeit, arbeitsrecht, umkehrschluss, ausnahme, begriff

Landesarbeitsgericht Köln, 4 Ta 335/05
Datum:
18.10.2005
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 Ta 335/05
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Köln, 22 Ca 6819/05
Schlagworte:
Kündigung im befristeten Au-Pair-Verhältnis
Normen:
§ 114 ZPO, §§ 14, 15, 16 TzBfG, § 620 BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Zum Begriff der Erfolgsaussicht nach § 114 ZPO.
2. Zu den Unterschieden in der Kündigungsmöglichkeit bei einem
befristeten Arbeitsverhältnis einerseits und einem befristeten
arbeitnehmerähnlichen Verhältnis andererseits.
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des
Arbeitsgerichts Köln vom 15.08.2005 – 22 Ca 6819/05 – dahingehend
abgeändert, dass der Klägerin für den Antrag aus dem Schriftsatz vom
10.08.2005 in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt wird.
G r ü n d e :
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Die hinreichende Erfolgsaussicht konnte nicht verneint werden.
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1. Bei der Entscheidung nach § 114 ZPO ist das verfassungsrechtliche Gebot der
Rechtsschutzgleichheit zu beachten, so dass die Anforderungen an die Erfolgsaussicht
nicht überspannt werden dürfen (vgl. z. B. BVerfG 14.10.2003 – 1 BvR 901/03 – NVwZ
2004, 334). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die
Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern
und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das
Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz
erfordert, nicht selbst bieten, sondern nur zugänglich machen. Dem genügt § 114 ZPO,
indem er die Gewährung von Prozesskostenhilfe bereits dann vorsieht, wenn nur
hinreichend Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung besteht, ohne dass
der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (BVerfG 24.07.2002, NJW 2003, 576).
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Dementsprechend reicht es aus, wenn bei einer allein erlaubten vorläufigen Prüfung der
Parteivortrag als vertretbar bezeichnet werden kann, wobei die Anforderungen an die
tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nicht überspannt werden dürfen. Es
genügt, wenn der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, keineswegs ist
eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich (LAG Düsseldorf, 29.11.1999, LAGE
§ 114 ZPO Nr. 36).
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Dabei gilt grundsätzlich das Verbot der Beweisantizipation auch im PKH-
Prüfungsverfahren. Es darf grundsätzlich das Ergebnis einer Beweisaufnahme nicht
vorweggenommen werden (vgl. Zöller/Philippi § 114 Rn. 36).
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2. Nach diesen Maßstäben war hinreichende Erfolgsaussicht für den Antrag aus dem
Schriftsatz vom 10. 8. 2005 zu bejahen.
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Die Klägerin hat in der Beschwerdeschrift auf ihre eidesstattliche Versicherung Bezug
genommen, wonach die zwischen ihr und der Beklagten getroffene Vereinbarung für
einen Zeitraum von einem Jahr geschlossen worden sein soll. Eine solche
Vereinbarung enthält – das sieht die Klägerin zu Recht – eine Befristung.
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Eine solche Befristung würde in einem Arbeitsverhältnis grundsätzlich eine ordentliche
Kündigung ausschließen, wenn einzelvertraglich nichts anderes vereinbart wäre – wofür
es keinen Sachvortrag gibt (§ 15 Abs. 3 TzBfG). Allerdings trägt die Klägerin gleichzeitig
vor, dass die Vereinbarung nur mündlich getroffen wurde. Gemäß § 16 S. 2 TzBfG aber
gilt: Ist die Befristung nur wegen des Mangels der Schriftform unwirksam, kann der
Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden. Da die
Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG nach bisherigem Akteninhalt eines Sachgrundes
nicht bedurft hätte, läge ein Fall des § 16 S. 2 TzBfG vor. Eine ordentliche Kündigung
wäre nicht ausgeschlossen, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Soweit das
Arbeitsgericht daher in Bezug auf den in der Klageschrift enthaltenen Antrag
(Feststellung des Fortbestandes eines Arbeitsverhältnisses) Prozesskostenhilfe nur bis
zum 31.08.2005 bewilligt hat, wäre dieses bei isolierter Betrachtung des in der
Klageschrift enthaltenen Antrages zutreffend.
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Mit Schriftsatz vom 10.08.2005 hat die Klägerin jedoch den Antrag angekündigt,
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"festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
arbeitnehmerähnliche Verhältnis auch durch die Kündigungen vom
30.08.2005 nicht aufgelöst wurde, sondern bis zum 30.03.2006 fortbesteht."
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Sofern in diesem Antrag nicht mehr von einem Arbeitsverhältnis, sondern von einem
arbeitnehmerähnlichen Verhältnis ausgegangen wird, so ist dieses als Korrektur des
ursprünglichen Klageantrags anzusehen. Bereits in der Klageschrift hatte die Klägerin
vorgetragen, sie sei als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Soweit das
Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe für die Feststellung des "Fortbestands des
Arbeitsverhältnisses" bewilligt hat, entspricht dieses nicht dem Antrag.
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Für arbeitnehmerähnliche Verhältnisse indes gilt das TzBfG nicht. Für solche
Dienstverhältnisse gilt § 620 BGB. Dieser schließt – soweit nichts anderes vereinbart ist
– eine ordentliche Kündigung während der Dauer des befristeten Dienstverhältnisses
aus (vgl. BAG 19.06.1980 AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 25 – zur
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Altfassung des § 620 BGB, die sowohl für Arbeitsverhältnisse als auch für sonstige
Dienstverhältnisse galt). Dieses ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift.
Danach (Abs. 1) endigt das Dienstverhältnis mit dem Ablauf der Zeit, für die es
eingegangen ist. Absatz 2 bestimmt: "Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder
bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste zu entnehmen, so
kann jeder Teil das Dienstverhältnisses nach Maßgabe der §§ 621 bis 623 kündigen."
Im Umkehrschluss bedeutet dieses, dass dann, wenn die Dauer des
Dienstverhältnisses bestimmt ist (d. h., das Dienstverhältnis befristet ist), mangels einer
gegenteiligen Vereinbarung das Dienstverhältnis nicht ordentlich gekündigt werden
kann. Eine dem § 16 S. 2 TzBfG entsprechende Ausnahme kennt § 620 BGB nicht, da
auch die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG für andere Dienstverhältnisse als
Arbeitsverhältnisse nicht gilt.
In der bisherigen arbeitsrechtlichen Rechtsprechung wurde das Au-pair-Verhältnis je
nach Umständen des Einzelfalles teilweise als arbeitnehmerähnliches Verhältnis (vgl. z.
B. ArbG Hanau, 08.02.1996 – 2 Ca 772/95 – DB 1996, 2446) teilweise als
Arbeitsverhältnis (vgl. z. B. ArbG Bamberg, 27.10.2003 – 1 Ca 1162/03 – AR-Blattei ES
160.5.2.110) angesehen.
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Es muss nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Frage der Erfolgsaussicht dem
Hauptverfahren die Prüfung vorbehalten bleiben, ob im vorliegenden Fall ein
Arbeitsverhältnis oder ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorliegt.
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Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Köln, den
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Der Vorsitzende der 4. Kammer
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(Dr. Backhaus)
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Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht
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