Urteil des LAG Köln vom 30.01.2008
LArbG Köln: tarifvertrag, unternehmen, gewerkschaft, einzelnes mitglied, satzung, arbeitsgericht, konzern, schiedsverfahren, schlichtungsverfahren, arbeitsrecht
Landesarbeitsgericht Köln, 8 TaBV 78/06
Datum:
30.01.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 TaBV 78/06
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Bonn, 3 BV 77/06
Schlagworte:
Tarifvertrag, Geltendmachung Unwirksamkeit, Konsensualprinzip,
Antragsbefugnis
Normen:
§§ 3, 81 BetrVG, Art. 9 Abs. 3 GG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1. Die Antragsbefugnis ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die
Geltendmachung von Ansprüchen im Beschlussverfahren. Sie ist in
jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen und für jeden Antrag
gesondert zu prüfen.
2. Antragsbefugnis kann nur dann angenommen werden, wenn die
antragstellende Beteiligte eigene Rechte geltend macht oder nach der in
angesprochenen verletzten Rechtsnorm im Gesetz ausdrücklich als
antragsbefugt bezeichnet wird wie beispielsweise in § 19 Abs. 2 BetrVG
oder § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG (vgl. HWK-Bepler, ArbGG, § 81 Rn. 9 m. w.
N.).
3. Eine tarifzuständige Gewerkschaft, die geltend macht, bei Abschluss
von Tarifverträgen nach § 3 BetrVG komme nur eine einheitliche
Regelung mit allen in den Unternehmen vertretenen tarifzuständigen
Gewerkschaft in Betracht, ein Tarifvertrag, der gegen dieses
Konsensualprinzip verstoße, erweise sich als unwirksam, ist zur Klärung
dieser Frage antragsbefugt.
4. Eine gesetzliche Begrenzung dahingehend, dass bei mehreren
tarifzuständigen Gewerkschaften im Unternehmen der Tarifvertrag nur
mit den Gewerkschaften einheitlich geschlossen werden könnte, ist § 3
BetrVG selbst nicht zu entnehmen. Diese von der Beteiligten zu 10.
vertretene Auffassung, die auch in der Literatur vertreten wird (Däubler
TVG § 3 Rz. 76, GK-Kraft/Franzen BetrVG 8. Auflage, Rz. 34, ähnlich
Teusch NZA 2007, 129; jedenfalls für den Fall einer tarifzuständigen
DGB-Gewerkschaft und einer nicht vom DGB angehörigen
Gewerkschaft, FESTL Betriebsverfassungsgesetz, § 3, Rz. 16) ist
abzulehnen. Eine Zwangstarifgemeinschaft lässt sich mit Art. 9 Abs. 3
GG nicht vereinbaren.
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1, 3 und 10 gegen den Beschluss
des Arbeitsgerichts Bonn vom 16.11.2006
- 3 BV 77/06 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 10 und
Beschwerdeführerin zugelassen.
Für die sonstigen Beteiligten ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
G r ü n d e :
1
I.
2
Zwischen der D AG Sitz B und den Konzerngesellschaften T GmbH, T GmbH, D GmbH,
T GmbH und der v wurde am 18.08.2005 ein Tarifvertrag über die Bildung eines
Konzernbetriebsrats für das Geschäftsfeld Großkunden sowie sonstige
betriebsverfassungsrechtliche Fragen für den Geschäftsbereich Enterprise Services des
Geschäftsfeldes Geschäftskunden abgeschlossen.
3
Die Beteiligten zu 1., 3. und 10. machen die Unwirksamkeit des vorgenannten
Tarifvertrages geltend.
4
Der Beteiligte zu 1. ist ein lokaler Betriebsrat der Beteiligten zu 6. Der Beteiligte zu 3. ist
Mitglied des Beteiligten zu 1. sowie Mitglied des bisherigen Gesamtbetriebsrats bei der
Beteiligten zu 6.
5
Die Beteiligten zu 1., 3. und 10. machen geltend, die Bildung eines eigenen
Konzernbetriebsrats für den Geschäftsbereich Geschäftskunden sowie sonstige
betriebsverfassungsrechtliche Fragen für den Geschäftsbereich Enterprise Services des
Geschäftsfeldes Großkunden vom 18.08.2005 sei unwirksam.
6
Die Unwirksamkeit leite jedenfalls daraus ab, dass am Tarifabschluss die Beteiligte zu
10. nicht beteiligt gewesen sei. Dies sei allerdings als Wirksamkeitsvoraussetzung für
den Abschluss des vorgenannten Tarifvertrages anzusehen, da hierfür das
"Konsensualprinzip" gelte.
7
Die Beteiligten zu 1., 3. und 10. haben erstinstanzlich beantragt,
8
festzustellen, dass der Tarifvertrag über die Bildung eines Konzernbetriebsrats
für das Geschäftsfeld Großkunden sowie sonstige
betriebsverfassungsrechtliche Fragen für den Geschäftsbereich Enterprise
Services des Geschäftsfeldes Geschäftskunden vom 18.08.2005 unwirksam ist.
9
Die übrigen Beteiligten haben erstinstanzlich beantragt,
10
den Antrag zurückzuweisen.
11
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 16.11.2006 den Antrag zurückgewiesen
und dabei die Frage der Antragsbefugnis der Beteiligten zu 1., 3. und 10. offen
gelassen.
12
Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
13
Das von den Beteiligten zu 1., 3. und 10. geltend gemachte "Konsensualprinzip"
bestehe nicht: Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 BetrVG selbst enthalte keine Aussage,
welche (im Unternehmen vertretenen) Gewerkschaften auf Gewerkschaftsseite am
Abschluss des Tarifvertrages beteiligt werden müssten.
14
Die entscheidende Frage, ob für einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG das
"Konsensualprinzip" maßgeblich sei, sei mit dem Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom
25.05.2005 – 7 ABR 10/04 -) zu verneinen.
15
Ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG zur Schaffung vom Gesetz abweichender
Strukturen der Betriebsvertretungen sei ein Tarifvertrag eigener Art.
16
Ob ein derartiger spezifischer Tarifvertrag von einer im Betrieb vertretenen
Minderheitsgewerkschaft wirksam abgeschlossen werden könne oder ob bei einer
derartigen Konstruktion das Konsensualprinzip gelten würde, könne im Streitfall
dahinstehen, denn der in Rede stehende Tarifvertrag sei unumstritten von der
Beteiligten zu 9. als Mehrheitsgesellschaft im Unternehmen geschlossen worden.
17
Dies reiche für die Wirksamkeit des Zustandekommens des Tarifvertrages aus.
18
Dieses Ergebnis gelte im Übrigen um so mehr, als hinsichtlich des in Rede stehenden
Tarifvertrages die Beteiligte zu 10. weder ihre Tarifzuständigkeit oder Mitzuständigkeit
gegenüber der Arbeitgeberin reklamiert noch im Verhältnis zur Tarifzuständigkeit der
Beteiligten zu 9. das Schlichtungsverfahren gemäß § 16 der DGB-Satzung angerufen
habe.
19
Der Wirksamkeit des in Rede stehenden Tarifvertrages stehe auch nicht entgegen, dass
für diesen in Gänze oder in Teilen das Fehlen der materiellen Voraussetzungen des § 3
BetrVG anzunehmen sei.
20
Voraussetzung für die Schaffung eines Spartentarifvertrages wie des in Streit stehenden
Tarifvertrages sei, dass die abweichend von den gesetzlichen Regelungen geschaffene
Struktur einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer
diene. Dies bestritten zwar der Beteiligte zu 1. und 3. ohne jedoch hierfür materielle
Ausführungen zur Ausfüllung ihrer Ansicht zu machen.
21
Im Übrigen sei den Tarifvertragsparteien hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen
eine Einschätzungprärogative zuzubilligen, zumal der betroffene Konzernbetriebsrat,
der Beteiligte zu 11., die neue Struktur ausdrücklich gewünscht und begrüßt habe.
22
Ergänzend wird auf den erstinstanzlichen Beschluss (Bl. 138 bis 148 d. A.) Bezug
genommen.
23
Gegen den den Beteiligten zu 1. und 3. am 19.12.2006 zugestellten Beschluss erster
24
Instanz haben die Beteiligten zu 1. und 3. am 16.01.2007 Beschwerde eingelegt und
diese Beschwerde am 16.02.2007 begründet. Die Beteiligte zu 10. hat gegen den ihr am
18.12.2006 zugestellten Beschluss erster Instanz unter dem 27.12.2006 Beschwerde
eingelegt und diese am 08.02.2007 begründet.
Die Beteiligte zu 10. macht geltend, dass die vom Arbeitsgericht für die Entscheidung
erster Instanz herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2005
(7 ABR 10/07) nicht heranzuziehen sei, da diese Entscheidung lediglich verwertbare
Ausführungen zu § 47 BetrVG und nicht zu § 3 BetrVG mache.
25
Unstreitig habe die alleinbeteiligte Gewerkschaft ver.di mit den beteiligten Unternehmen
den streitgegenständlichen Zuordnungstarifvertrag ohne Beteiligung der in den
Unternehmen vertretenen Beteiligten zu 10. abgeschlossen.
26
Unstreitig sei auch kein Verfahren nach § 16 der DGB-Satzung zur Klärung der
Tarifzuständigkeit durchgeführt worden.
27
Die arbeitsgerichtliche Entscheidung lasse eine Auseinandersetzung mit den
Besonderheiten von Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 BetrVG vermissen. Ein Hinweis
darauf, dass bis zum wirksamen Abschluss eines Tarifvertrages darauf ankomme, ob
ein Mehrheitsgesellschaft den fraglichen Tarifvertrag abgeschlossen habe, finde sich im
Gesetz nicht.
28
Daher lägen diese Überlegungen des Arbeitsgerichts neben der Sache. Die
Regelungskompetenz für die gesetzlichen Ausnahmevorschriften sei den
Tarifvertragsparteien zugewiesen. Dem Wortlaut des § 3 BetrVG sei kein Hinweis zu
entnehmen, ob bei den Gewerkschaften die tarifzuständigen Gewerkschaften oder die
im Betrieb vertretenen Gewerkschaften gemeint seien.
29
Hervorzuheben sei insbesondere, dass in der Vorschrift des § 3 BetrVG die Frage der
Tarifkonkurrenz nicht erwähnt sei.
30
Dies aber wäre notwendig, wenn es auf die Tarifzuständigkeit ankäme, der jedenfalls
bei unternehmensübergreifenden Tarifverträgen die Wahrscheinlichkeit divergierender
Zuständigkeiten sehr hoch sei.
31
Maßgeblich dürfte allein sein, dass es sich jeweils um eine im Betrieb bzw.
Unternehmen vertretene Gewerkschaft handele, um ihr die Regelungskompetenz
zuzuweisen. Auf die Anzahl der von ihr vertretenen Arbeitnehmer könne es dabei nicht
ankommen. Zutreffend sei daher, dass zur Veränderung der
betriebsverfassungsrechtlichen Struktur eines gemeinsamen Betriebes oder eines
unternehmensüberschreitenden Tarifvertrag nur mit allen betroffenen Unternehmen
dieser Tarifvertrag abgeschlossen werden könne. Da der Konzern als solcher nicht
tariffähig sei, müssten alle betroffenen Unternehmen beteiligt werden.
32
Komme es auf die Tarifzuständigkeit der einzelnen Gewerkschaft, die sich nach der
Satzung der Gewerkschaft richtet, nicht an, sei auch kein in der DGB-Satzung
vorgesehenes Schlichtungsverfahren bei satzungsmäßiger Überschneidung der
Zuständigkeiten von DGB-Gewerkschaften erforderlich. Der Gesetzgeber bediene sich
mit der Vorschrift des § 3 BetrVG zum Zwecke der effektiven Gestaltung der
Betriebsverfassung im Interesse der Gesamtbelegschaft der Sachkompetenz der
33
Tarifvertragsparteien.
Hieraus ergebe sich denknotwendig ein für den in Rede stehenden Tarifvertrag zu
erzielendes Konsensualprinzip.
34
Dies bedeute, dass ohne Beteiligung und Zustimmung aller im Betrieb bzw.
Unternehmen vertretenen Gewerkschaften kein vom Gesetz abweichendes
Interessenvertretungssystem eingeführt werden könne.
35
Die vom Bundesarbeitsgericht zur Vorschrift des § 47 BetrVG entwickelten
Überlegungen seien auf die Sonderschrift des § 3 BetrVG nicht zu übertragen.
36
Die Beteiligten zu 1. und 3. betonen ebenfalls die Besonderheit von Tarifverträgen nach
§ 3 BetrVG.
37
Ein solcher Tarifvertrag betreffe nicht nur die Innenstruktur des Betriebsrats wie im
Rahmen des § 47 BetrVG, sondern die gesamte betriebsverfassungsrechtliche
Zuordnung und damit die demokratische Basis für das Repräsentationsprinzip des
Betriebsverfassungsrechts.
38
Anders als § 47 BetrVG gelte ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG nicht nur sozusagen für
die einzelnen Betriebsratsmitglieder, sondern für alle Arbeitnehmer, Voraussetzung sei
lediglich, dass ein einzelner Arbeitnehmer organisiert ist.
39
In Fällen der vorliegenden Art, in denen zwei große Gewerkschaften im Unternehmen
und Konzern durch eine Vielzahl von Mitarbeitern vertreten sei, sei es nicht hinnehmbar,
dass der Arbeitgeber insoweit eine freie Auswahl treffen könne, mit wem er verhandele.
Vielmehr gelte in diesen Fällen die Verpflichtung des Arbeitgebers mit allen im
Unternehmen vertretenen Gewerkschaften Gespräche aufzunehmen bzw. Verträge
abzuschließen.
40
Umgekehrt könne keine Gewerkschaft alleine als berechtigt angesehen werden, sich an
anderen vertretenen Gewerkschaften vorbei sozusagen nach vorne zu drängeln.
41
Im Übrigen schließen sich die Beteiligten zu 1. und 3. der Begründung der Beteiligten zu
10. ausdrücklich an.
42
Die Beteiligten zu 1., 3. und 10. beantragen,
43
den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 16.11.2006 – 3 BV 77/06 –
abzuändern und festzustellen, dass der Tarifvertrag über die Bildung eines
Konzernbetriebsrats für das Geschäftsfeld Geschäftskunden sowie sonstige
betriebsverfassungsrechtliche Frage für den Geschäftsbereich E des
Geschäftsfeldes Geschäftskunden vom 18.08.2005 rechtsunwirksam sind.
44
Die sonstigen Beteiligten beantragen,
45
die Beschwerde zurückzuweisen.
46
Die Beteiligten machen geltend, dass der gestellte Antrag bereits unzulässig sei. Den
Beteiligten zu 1., 3. und 10. fehle bereits die Antragsbefugnis für das Begehren des
47
Rechtsstreits.
Die Beteiligte zu 9. sei die für den Abschluss des Zuordnungstarifvertrages
tarifzuständige Gewerkschaft. Die Tarifzuständigkeit ergebe sich zunächst grundsätzlich
aus der Satzung der jeweiligen Gewerkschaft.
48
Allein für den Fall, dass neben einer DGB-Gewerkschaft auch eine nicht dem DGB
angehörende Gewerkschaft für den Tarifabschluss zuständig sei und zusätzlich beide
im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ihre Zuständigkeit auch tatsächlich
beanspruchen, könne der Tarifvertrag nur mit beiden Gewerkschaften abgeschlossen
werden.
49
Im Wesentlichen argumentierten die Beteiligten zu 1., 3. und 10. mit der These der
Verletzung eines "Konsensualprinzips".
50
Diese Auffassung finde weder im Tarifvertragsgesetz noch im
Betriebsverfassungsgesetz eine Stütze. Ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG sei ein
Tarifvertrag über betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Nach § 3 Abs. 2 TVG genüge
es für den Abschluss eines derartigen Tarifvertrages, dass nur der Arbeitgeber
tarifgebunden ist.
51
Damit sei der streitige Tarifvertrag ordnungsgemäß zu Stande gekommen und wirksam.
52
Das Landesarbeitsgericht hat im Beschwerdeverfahren die Beteiligten zu 12. bis 15.
zusätzlich beteiligt, die sich der Auffassung der Beteiligten zu 4. bis 9. und 11.
angeschlossen haben.
53
Die Beteiligte zu 2 erster Instanz hat Ihre Anträge nicht weiter verfolgt und war im
Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligt.
54
Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
Akten sowie die gewechselten Schriftsätze beider Instanzen Bezug genommen.
55
II.
56
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 3. und des Beteiligten zu 10. sind zulässig.
57
Die Beteiligten zu 1. und 3. einerseits sowie die Beteiligte zu 10. andererseits haben
gegen den Beschluss erster Instanz fristwahrend Beschwerde eingelegt und die
Beschwerde sodann fristwahrend begründet.
58
Die Beschwerdebegründungen setzen sich im Einzelnen mit dem Beschluss erster
Instanz auseinander und erweisen sich damit als ein ordnungsgemäß eingelegtes
Rechtsmittel.
59
III.
60
Den Beschwerden der Beteiligten zu 1. und 3. war bereits mangels Antragsbefugnis der
Beteiligten zu 1. und 3. für die geltend gemachten Ansprüche der Erfolg zu versagen;
die Beschwerde der Beteiligten zu 10. erweist sich als nicht begründet.
61
1. Die Beteiligten zu 1. und 3. sind nicht antragsbefugt.
62
Die Frage, ob einem Beteiligten für die geltend gemachten Ansprüche die
Antragsbefugnis fehlt, ist von Amts wegen zu prüfen.
63
Die Antragsbefugnis ist Zulässigkeitsvoraussetzung und dient entsprechend der
Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren dazu, Popularklagen auszuschließen. Sie
ist in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen und für jeden Antrag gesondert zu
prüfen. Sie liegt nur vor, wenn die antragende Beteiligte vorträgt, Träger des
streitbefangenen Rechts zu sein.
64
Bezogen auf die Streitfragen des Rechtsstreits müsste damit von den Beteiligten zu 1.
und 3. geltend gemacht werden können, durch den Tarifvertrag über die Bildung eines
Konzernbetriebsrats für das Geschäftsfeld Geschäftskunden sowie sonstige
betriebsverfassungsrechtliche Fragen für den Geschäftsbereich Enterprise Services des
Geschäftsfeldes Geschäftskunden in eigenen betriebsverfassungsrechtlichen
Rechtspositionen betroffen zu sein. Dies kann allerdings nur dann angenommen
werden, wenn die antragstellende Beteiligte eigene Rechte geltend macht oder nach
der in angesprochenen verletzten Rechtsnorm im Gesetz ausdrücklich als antragsbefugt
bezeichnet wird wie beispielsweise in § 19 Abs. 2 BetrVG oder § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG
(vgl. HWK-Bepler, ArbGG, § 81 Rn. 9 m. w. N.).
65
§ 3 BetrVG, dessen Verletzung die Beteiligten zu 1. und 3. in Anspruch nehmen, weist
einen örtlichen Betriebsrat sowie ein Mitglied eines örtlichen Betriebsrats und
gleichzeitig Mitglied eines Gesamtbetriebsrats nicht als antragsberechtigt aus.
66
Mit den geltend gemachten Anträgen begehren die Beteiligten zu 1. und 3. auch nicht in
den ihren betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen betroffen zu sein.
67
Dies gilt bezüglich des Beteiligten zu 3. bereits deshalb, weil dieser lediglich Rechte als
ein betroffenes Betriebsratsmitglied bzw. Mitglied eines Gesamtbetriebsrats geltend
machen kann, während mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des
streitbefangenen Tarifvertrages allenfalls Rechte nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 BetrVG
denkbar erscheinen, deren Träger nicht ein einzelnes Mitglied eines Betriebsrats bzw.
Gesamtbetriebsrats sondern nur das Gremium als Ganzes sein kann.
68
Dasselbe – eine fehlende Antragsbefugnis – ergibt sich allerdings auch für den
Beteiligten zu 1. Auch für den Beteiligten zu 1. ist nämlich auszuschließen, dass dieser
in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann.
69
Eine eigene Betroffenheit leitet entgegen der Annahme der Beteiligten zu 1.
insbesondere nicht – die Unwirksamkeit des streitbefangenen Tarifvertrages unterstellt –
aus Regelungszuständigkeiten nach § 3 Abs. 2 BetrVG ab.
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Die sonstigen Beteiligten zu 4. bis 9. und 11. bis 15. weisen hierzu nämlich zutreffend
auf den Tarifvorbehalt in § 3 Abs. 2 BetrVG hin. Eine Regelung durch
Betriebsvereinbarungen in den gesetzlich gezogenen Grenzen kann danach nur
getroffen werden, wenn keine tarifliche Regelung besteht und auch "kein anderer
Tarifvertrag" gilt, § 3 Abs. 2 BetrVG.
71
Der Tarifvorbehalt greift also nicht nur ein, soweit die Fälle des § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4
72
oder 5 BetrVG durch Tarifvertrag geregelt sind, sondern es genügt bereits die Geltung
eines anderen Tarifvertrages, also eines Tarifvertrages der für die Vereinbarungslösung
überhaupt keine Regelungen trifft. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu §
3 Abs. 2 BetrVG soll damit erreicht werden, dass für einen Arbeitgeber, in dessen
Unternehmen Tarifverträge über Entgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen gelten,
auch die Vereinbarungen über betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen
nur durch Tarifvertrag geregelt das maßgebliche Regelungsinstrument darstellen (BT-
Drucks. 14/5741 S. 34).
Dies allerdings ist für die Unternehmen, die mit der Beteiligten zu 9., die den
streitbefangenen Tarifvertrag abgeschlossen haben, gegeben.
73
Damit ist eine Auffangzuständigkeit nach § 3 Abs. 2 BetrVG auszuschließen.
74
Dies wiederum bedingt, dass auch die Beteiligte zu 1. nicht in ihren
betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen betroffen ist.
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Eine Antragsbefugnis für das Antragsbegehren des Vertrages ist somit auch bezüglich
des Beteiligten zu 1. auszuschließen.
76
Damit erweisen sich die von dem Beteiligten zu 1. und dem Beteiligten zu 3. im
Verfahren verfolgten Anträge bereits als unzulässig.
77
Schon aus diesem Grund war deshalb der Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 3. der
Erfolg zu versagen.
78
2. Die Beteiligte zu 10. ist antragsbefugt.
79
Die Beteiligte zu 10. ist eine in den den Tarifvertrag abschließenden Unternehmen
tarifzuständige Gewerkschaft für den Abschluss von Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1
BetrVG.
80
§ 3 BetrVG berücksichtigt nach seinen inhaltlichen Festlegungen jedenfalls dem
Wortlaut nach gerade nicht, dass verschiedene Gewerkschaften tarifzuständig sein
können. Die Möglichkeit, dass Tarifverträge mit unterschiedlichem Regelungsinhalt für
eine vom Gesetz abgeweichende Betriebsratsstruktur und/oder zusätzliche
Interessenvertretungen bestehen, ist somit nach Maßgabe der Regelungen in § 3
BetrVG – worauf die Beteiligte zu 10. zutreffend hinweist – grundsätzlich gegeben.
81
Gerade dies wiederum bedingt die Fragestellung des Rechtsstreits, ob sich dies
gestattet oder ob nicht immanent für Regelungen nach § 3 Abs. 1 BetrVG als Gebot gilt,
dass bei Abschluss derartiger Tarifverträge nur eine einheitliche Regelung mit allen in
den Unternehmen vertretenen tarifzuständigen Gewerkschaften erforderlich ist und
daher ein Tarifvertrag, der gegen ein solches Gebot verstößt, sich als unwirksam
erweist.
82
Insoweit macht die Beteiligte zu 10. zu Recht geltend, durch den streitbefangenen
Tarifvertrag in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen sein zu
können und ist zur Klärung dieser Fragestellung daher als antragsbefugt anzusehen.
83
3. Der Antrag der Beteiligten zu 10. ist nicht begründet.
84
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der geltend gemachte Rechtsanspruch
der Beteiligten zu 10. nicht zusteht.
85
Das Arbeitsgericht hat damit zu Recht den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit
des streitbefangenen Tarifvertrag zurückgewiesen.
86
Auszugehen für die Fragestellung der Wirksamkeit des streitbefangenen Tarifvertrages
ist zunächst davon, dass es bei diesem Tarifvertrag um Vereinbarungen
betriebsverfassungsrechtlicher Fragen geht, für die gemäß § 3 Abs. 2 TVG die
Tarifgebundenheit des Arbeitgebers genügt (Richardi Betriebsverfassungsgesetz § 3
Rn. 57; Büsing, ZIP 2003, 663, 698; Annuß NZA 2002, 290, 293).
87
Unstreitig ist jedenfalls auch die Beteiligte zu 9. tarifzuständige Gewerkschaft, mit der
grundsätzlich der streitbefangene Tarifvertrag abgeschlossen werden konnte. Eine
gesetzliche Begrenzung dahingehend, dass bei mehreren tarifzuständigen
Gewerkschaften im Unternehmen der Tarifvertrag nur mit den Gewerkschaften
einheitlich geschlossen werden könnte, ist § 3 BetrVG selbst nicht zu entnehmen.
88
Diese von der Beteiligten zu 10. vertretene Auffassung, die auch in der Literatur
vertreten wird (Däubler TVG § 3 Rz. 76, GK-Kraft/Franzen BetrVG 8. Auflage, Rz. 34,
ähnlich Teusch NZA 2007, 129; jedenfalls für den Fall einer tarifzuständigen DGB-
Gewerkschaft und einer nicht dem DGB angehörigen Gewerkschaft, FESTL
Betriebsverfassungsgesetz, § 3, Rz. 16) ist abzulehnen.
89
Eine Zwangstarifgemeinschaft lässt sich mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbaren, da die
Tarifvertragsfreiheit auch die Willensfreiheit der Gewerkschaften einschließt, sich in
einer Tarifgemeinschaft zusammen zu schließen (ebenso: Plander, Festschrift zum 25.-
jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein
2006, S. 669, 977).
90
Die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften lässt derartige Zwangsgemeinschaften nicht
zu.
91
In vielen Fällen würde es zudem wegen Dissens in den Sachfragen nicht zum
Abschluss von Strukturtarifverträgen kommen können. Der Gesetzgeber hat jedoch die
Möglichkeit von Strukturtarifverträgen nach § 3 BetrVG nicht dazu geschaffen, dass die
weitreichenden und flexiblen tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. die
Gesetzesbegründung in: BT-Drucks. 14/5741, S. 33) im Streit der im Betrieb vertretenen
Gewerkschaft verpuffen (ebenso: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom
09.08.2007 – 9 TaBV 23/07 -, Rechtsbeschwerde eingelegt, BAG – 7 ABR 70/07 -).
92
Der streitbefangene Tarifvertrag konnte daher mit der Beteiligten zu 9. allein
rechtswirksam abgeschlossen werden. Der Tarifvertrag regelt
betriebsverfassungsrechtliche Fragen und gilt daher gemäß § 3 Abs. 2 TVG für alle
Betriebe der Arbeitgeberin. Für die Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen
kommt es nach § 3 Abs. 2 TVG nur auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an,
während die der Arbeitnehmer ohne Bedeutung ist.
93
Es bestehen auch keine durchschlagenden Bedenken dagegen, dass es hierdurch zu
Tarifverträgen mit unterschiedlichen Regelungsinhalten kommen könnte, soweit die
94
Beteiligte zu 10. als ebenfalls tarifzuständige Gewerkschaft ebenfalls einen Tarifvertrag
zur selben Regelungsmaterie anstrebte. Da insoweit keine Tarifpluralität geben kann,
weil § 3 Abs. 3 TVG immer alle Arbeitnehmer erfasst, müsste für diesen Fall die
Tarifkonkurrenz auf der Grundlage des Spezialitätsgrundsatzes aufgelöst werden.
Hinzu kommt, dass die Beteiligten zu 9. und 10. das nach § 16 DGB-Satzung
vorgesehene Schiedsverfahren nicht eingeleitet haben. Streitigkeiten zwischen den im
Deutschen Gewerkschaftsbund vereinigten Gewerkschaften, die trotz Vermittlung des
Bundesvorstandes nicht geschlichtet werden können, sind danach durch ein
Schiedsverfahren zu entscheiden. Der Spruch dieser Schiedsstelle hat dann
verbindliche Wirkung zwischen den DGB-Gewerkschaften und klärt damit auch die
Tarifzuständigkeit für die tarifliche Arbeitgeberseite (BAG, Beschluss vom 25.09.1996 –
1 ABR 4/96 – NZA 1997, 613 bis 619).
95
Die danach nötige Klärung wäre auch der Beteiligten zu 10. möglich gewesen, da nicht
angenommen werden kann, dass der Beteiligten zu 10. die Tarifverhandlungen
zwischen den Unternehmen des Konzerns und der Beteiligten zu 9. zum Abschluss des
streitbefangenen Tarifvertrages verborgen geblieben sind, da davon auszugehen ist,
dass Mitglieder der Beteiligten zu 10 in den Betriebsräten, sowie Gesamtbetriebsräten
und Konzernbetriebsräten vertreten sind. Dies oder die Geltendmachung eigener
Tarifzuständigkeit gegenüber den den Tarifvertrag abschließenden Unternehmen hat
allerdings die Beteiligte zu 10. unterlassen. Unter diesen Voraussetzungen ist es
sodann nicht zu beanstanden, dass sich die den Tarifvertrag abschließenden
Unternehmen allein an die Beteiligte zu 9. für den Abschluss des Tarifvertrages
gewandt haben, da ihr gegenüber die nunmehr geltend gemachte Konkurrenzsituation
jedenfalls durch die Beteiligte zu 10. nicht offen gelegt worden ist (zur
Alleinzuständigkeit derjenigen Gewerkschaften, die vor Entstehen einer
Konkurrenzsituation als zuständig angesehen worden ist vgl. BAG, Beschluss vom
12.11.1996 – 1 ABR 33/96 – NZA 1997, 609 bis 613).
96
Nach alledem ist der streitbefangene Tarifvertrag als rechtswirksam anzusehen, so dass
die Beschwerde der Beteiligten zu 10. nicht zu einer Abänderung des Beschlusses des
Arbeitsgerichts führt.
97
IV.
98
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.
99
V.
100
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde für die Beteiligte zu 10 ist nach §§ 92 Abs. 1 S. 2,
72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG veranlasst, da die entscheidungserheblichen Fragestellungen
wie die einer Tarifkonkurrenz im Rahmen des § 3 Abs. 1 BetrVG von allgemeinem
Interesse und klärungsbedürftig sind.
101
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g :
102
Gegen diesen Beschluss kann von der Beteiligten zu 10.
103
R E C H T S B E S C H W E R D E
104
eingelegt werden.
105
Für die weiteren Beteiligten ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
106
Die Rechtsbeschwerde muss
107
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
108
nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses schriftlich beim
109
Bundesarbeitsgericht
110
Hugo-Preuß-Platz 1
111
99084 Erfurt
112
Fax: (0361) 2636 - 2000
113
eingelegt werden.
114
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
115
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
116
Jüngst Seifert Göbel
117