Urteil des LAG Hessen vom 19.05.2006

LAG Frankfurt: durchbruch, gemeinsame einrichtung, zeugnis, firma, betriebsleiter, arbeitsgericht, gesellschaftsvertrag, allgemeinverbindlicherklärung, glaubwürdigkeit, baustelle

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 1695/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 TVG
(Abbruch- und Durchbrucharbeiten als baugewerbliche
Tätigkeiten - Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge
des Baugewerbes - Ausforschungsbeweis - schlüssige
Darlegung)
Leitsatz
Nach durchgeführter Beweisaufnahme erfolgreiche Klage der ZVK aus dem Bereich
Durchbruch / Abbruch;
Aufgabe der Rechtsprechung der Kammer 10 zur Beweisbarkeit von Durchbruch-
/Abbrucharbeiten
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom
01.09.2003 - 4 Ca 3923/02 - abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner
verurteilt, an den Kläger 2.219,34 EUR (in Worten:
Zweitausendzweihundertneunzehn und 34/100 Euro) zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten verpflichtet sind, an den Kläger für
den Zeitraum vom 01. Januar 1998 bis zum 08. Februar 1998 Beiträge nach den
Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu zahlen.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge
zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Er nimmt auf der Grundlage des
allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im
Baugewerbe (VTV) die Beklagten auf Beitragszahlung in Anspruch. Die Höhe der
Klageforderung basiert hinsichtlich des Monats Januar 1998 auf einer Berechnung
des Klägers anhand des durchschnittlichen in der Baubranche nach den Angaben
des statistischen Bundesamts erzielten Entgelts unter Zugrundelegung des
Beitragssatzes für diesen Zeitraum für 4 gewerbliche Arbeitnehmer. Für den
Zeitraum vom 01. bis zum 08. Februar 1998 beruht die Zahlungsforderung auf
selbst gemeldeten Beiträgen der Beklagten.
Der Kläger nimmt die Beklagten nach den Grundsätzen der Haftung einer
Vorgründungsgesellschaft in Anspruch. Nachdem die Beklagten ihre
Geschäftstätigkeit jedenfalls ab dem 01. Januar 1998 aufgenommen hatten,
schlossen sie am 09. Februar 1998 einen Gesellschaftsvertrag zur Errichtung der
Firma F; wegen des Inhalts dieses Gesellschaftsvertrages wird auf Bl. 53 - 59 d.A.
Bezug genommen. Gegenstand des Unternehmens dieser Gesellschaft ist die
Durchführung von Betonarbeiten, Betonsägearbeiten und Betonabbrucharbeiten.
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Durchführung von Betonarbeiten, Betonsägearbeiten und Betonabbrucharbeiten.
Darüber hinaus kann die Gesellschaft Diamantwerkzeuge herstellen und auch mit
Wirtschaftsgütern jeder Art handeln und Dienstleistungen aller Art erbringen. Am
14. Juni 1999 führte ein Prüfbeauftragter des Arbeitsamts Karlsruhe bei der Firma F
eine Betriebsprüfung durch und notierte als Tätigkeit des Betriebs Folgendes:
„Bohren und Sägen von Mauerdurchbrüchen, Öffnungen u. a. und die dadurch
anfallenden Abbrucharbeiten (z.B. nachträglich anfallende Tür- oder
Fensteröffnungen, Schlitze für Versorgungsleitungen u. Ä.)“
Des Weiteren heißt es in diesem Prüfbericht:
„Bei dieser Fa. handelt es sich um die Nachfolgefirma der Fa. G … Diese Fa.
wurde von Amts wegen am 06.08.1997 aufgelöst …“
Wegen des gesamten Inhalts dieses Prüfberichts wird auf Bl. 68 - 71 d.A. Bezug
genommen.
Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass im Betrieb der Beklagten
arbeitszeitlich überwiegend Bohr- und Sägearbeiten verrichtet werden.
Mit Einwurfeinschreiben und Telefax vom 06. Dezember 2002 machte der Kläger
gegenüber den Beklagten Beiträge für die Monate Januar und Februar 1998 in
Höhe von € 2.682,00 geltend.
Mit am 17. Dezember 2002 bei Gericht eingegangener Klageschrift hat der Kläger
die von ihm geltend gemachte Forderung weiterverfolgt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten schuldeten die
tarifvertraglichen Beiträge. Er hat behauptet, im Betrieb der Beklagten seien im
Kalenderjahr 1998 arbeitszeitlich gesehen überwiegend, d.h. zu mehr als 50% der
persönlichen Gesamtarbeitszeit der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, die
zusammengerechnet auch mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit
ausmache, folgende Arbeiten erbracht worden:
- Bohren und Sägen von Öffnungen in Bauwerke zum Zweck der späteren
Verlegung von Versorgungsleitungen und Kabeln oder zum Zweck des späteren
Einbaus von Türen, Fenstern, Lichtkuppeln, Treppen, Aufzügen und Schächten;
- mit den vorbezeichneten Tätigkeiten im Zusammenhang stehende Vor- und
Nachbereitungsarbeiten einschließlich der Beförderung der Arbeitnehmer zu den
Baustellen, des Be- und Entladens der Fahrzeuge und des Abtransports des
Bauschutts.
Den Arbeitnehmern sei der Zweck der von ihnen ausgeführten Bohr- und
Sägearbeiten bekannt gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger €
2.219,34 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass ihr Betrieb im Klagezeitraum nicht
dem Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterfallen
sei. Sie haben behauptet, in ihrem Betrieb seien im Klagezeitraum zwischen 75%
und 80% der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit (Teil-)Abbrucharbeiten mit
Substanzverlust unter Funktionsbeseitigung ohne Zusammenhangsarbeiten
durchgeführt worden. Ihre Arbeitnehmer hätten mittels Hydraulikzylindern und
hydraulisch angetriebenen Pressen und Keilen und unter Anwendung der
Abbruchmethode des Quelldrückens komplette Bauteile entfernt und zerkleinert.
Weiterhin seien mit Wandsägen und selbst fahrenden Fugenschneidern
(Bodensägen), deren Sägescheiben mit Diamantsegmenten bestückt seien,
Wände und Böden komplett entfernt und in zum Abtransport geeignete Teile
zerteilt worden. Außerdem seien mit Seilsägen, deren Stahlseile ebenfalls mit
Diamantsegmenten besetzt seien, komplette Bauteile aus Naturstein, Mauerwerk
und Stahlbeton herausgeschnitten worden. Mit Diamantkernbohrsägen seien die
zur Vermeidung von Überschnitten erforderlichen Hilfsbohrungen und die zum
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zur Vermeidung von Überschnitten erforderlichen Hilfsbohrungen und die zum
Ansatz von Hubwagen und Kränen erforderlichen Transportbohrungen gesetzt
worden. Durchbrucharbeiten seien allenfalls zu 20% bis 25% der
gesamtbetrieblichen Arbeitszeit angefallen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 01. September 2003 - 4 Ca
3923/02 - die Klage abgewiesen. Es hat u. a. ausgeführt, dass der Betrieb der
Beklagten im Klagezeitraum sowohl nach dem Vortrag des Klägers, wie auch nach
dem Vorbringen der Beklagten dem betrieblichen Geltungsbereich des
Verfahrenstarifvertrages unterfalle, weil in ihm arbeitszeitlich überwiegend
Tätigkeiten wie Beton- und Stahlbetonarbeiten, Bohrarbeiten und Abbrucharbeiten
durchgeführt worden seien, welche bauliche Leistungen im Sinn von § 1 Abs. 2
Abschnitt V Nr. 5, 6, 29 bzw. im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt II und III VTV
darstellten. Da die Beklagten jedoch nicht als Mitglied in einem der
tarifvertragschließenden Verbände des Baugewerbes organisiert seien, könnten
die Beklagten vom tariflichen Geltungsbereich nur kraft
Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden. Insoweit enthalte allerdings die
Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV in der für den Klagezeitraum
maßgeblichen Fassung die Einschränkung, dass Spreng-, Abbruch- und
Enttrümmerungsarbeiten ausführende Betriebe und selbständige
Betriebsabteilungen nur dann von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfasst
würden, wenn ihre Leistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit
anderen in den Betrieben oder in den selbständigen Betriebsabteilungen in
erheblichem Umfang anfallenden baulichen Leistungen stünden. Der Kläger sei mit
seiner Behauptung, dass im Klagezeitraum im Betrieb der Beklagten
arbeitszeitlich gesehen überwiegend andere bauliche Leistungen als
Abbrucharbeiten durchgeführt worden seien, beweisfällig geblieben. Soweit sich
der Kläger auf das Zeugnis des Prüfbeauftragten des Arbeitsamts Karlsruhe
beziehe, sei unklar, aufgrund welcher Tatsachen der Prüfer zu dem im Prüfbericht
angegebenen Ergebnis gekommen sei. Auch soweit der Kläger sich auf das
Zeugnis der bei den Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer beziehe, läge kein
hinreichender Beweisantritt vor, da die auf den Zweck der Bohr- und Sägearbeiten
und der hergestellten Öffnungen und Durchbrüche bezogenen Behauptungen des
Klägers einer Beweisaufnahme nicht zugänglich seien. Der verfolgte Zweck sei
eine innere Tatsache, die nur durch äußere Hilfstatsachen im Streitfall bewiesen
werden könne. Erst mit der Herstellung des angestrebten Arbeitsergebnisses sei
die zunächst innere Tatsache verdinglicht und zeige sich sodann verkörpert im
endgültigen Arbeitsergebnis. Von daher sei es in einem Mischbetrieb, in welchem
sowohl Abbruch- und Durchbrucharbeiten verrichtet würden, erforderlich, die Art
der jeweiligen Baustellen und den arbeitszeitlichen Umfang der Tätigkeit der
einzelnen Arbeitnehmer an jeder einzelnen Baustelle klägerseits vorzutragen, um
unzulässige Ausforschung zu vermeiden. An einem entsprechenden Vortrag des
Klägers fehle es. Soweit der Kläger behaupte, den Arbeitnehmern sei aufgrund der
von ihnen auszuführenden Tätigkeit bekannt, welchem Zweck ihre Tätigkeit diene,
stelle auch das keinen ausreichenden Tatsachenvortrag dar, da nicht erkennbar
sei, welche Arten von Bohrungen, in welchem Umfang, mit welchem Format, mit
welchen Materialien, in welchen Materialen den zwingenden Schluss zuließen, ob
Abbruch- oder Durchbrucharbeiten durchgeführt würden.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 26. September 2003 zugestellt worden. Die
Berufung ist am 23. Oktober 2003 und die Berufungsbegründung nach
rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20. Januar
2004 am selben Tag bei Gericht eingegangen.
Der Kläger ist unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vortrags weiterhin
der Ansicht, dass die Beklagten beitragspflichtig seien. Er behauptet, die von den
Beklagten auf den einzelnen Baustellen eingesetzten Arbeitnehmer könnten
erkennen, ob sie Abbruch- oder Durchbrucharbeiten ausführten. Die Beklagten
hätten sie entsprechend informiert.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten unter Abänderung des am 01. September 2003 verkündeten
Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden, Az.: 4 Ca 3923/02, als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an den Kläger € 2.219,34 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagten sind der
Ansicht, dass der Kläger, da die Durchführung von Bohr- und Sägearbeiten im
Betrieb der Beklagten unstreitig sei, zum Zweck dieser Tätigkeiten auf den
einzelnen Baustellen konkret hätte vortragen müssen. Die Arbeitnehmer wüssten
den Zweck ihrer Bohr- und Sägearbeiten nicht, da diese sowohl dem Abbruch wie
dem Durchbruch dienen könnten. Sie würden auch über den Sinn der jeweiligen
Bohrungen nicht informiert. Auch der zweitinstanzliche Vortrag des Klägers sei
unzureichend, da der Kläger keine konkreten Kenntnisse der Tätigkeiten vor Ort
habe. Soweit der Kläger sich auf das Zeugnis des Arbeitnehmers H berufe, könne
dieser jedenfalls zu den Tätigkeiten anderer Arbeitnehmer nichts sagen; im
Übrigen sei ihm wegen Trunkenheit gekündigt worden.
Das Berufungsgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 09. Mai 2005
Beweis erhoben durch Vernehmung sämtlicher bei den Beklagten beschäftigten
Arbeitnehmer, nämlich der Zeugen H, I, J und K im Wege der Rechtshilfe (vgl. Bl.
219 - 220 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschriften (Bl. 250 - 254, 271 - 272 sowie 316 - 317 d.A.) Bezug
genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den
vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze sowie auf die
Sitzungsniederschriften vom 09. Mai 2005 und vom 19. Mai 2006 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist gem.
§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Der Kläger hat sie auch form- und
fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO.
Die Berufung des Klägers hat in der Sache auch Erfolg. Die Beklagten schulden
dem Kläger als Gesamtschuldner die eingeklagten Beiträge gem. §§ 24 Abs. 1, 29
Abs. 1 VTV vom 12. November 1986. Danach hat der Arbeitgeber zur Aufbringung
der Mittel für die tarifvertraglich festgelegten Leistungen einen bestimmten
Prozentsatz der Summe der Bruttolöhne aller von diesem Tarifvertrag erfassten
Arbeitnehmer des Betriebs an den Kläger als Einzugsstelle abzuführen, und zwar
bis spätestens zum 15. des folgenden Monats.
Der Beitragsanspruch des Klägers setzt voraus, dass der Betrieb der Beklagten im
streitgegenständlichen Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV fiel.
Streitgegenständlich ist allein das „Rumpfjahr“ vom 01. Januar 1998 bis zum 08.
Februar 1998. Der Kläger nimmt die Beklagten nämlich nach den Grundsätzen der
Haftung einer Vorgründungsgesellschaft in Anspruch. Danach haften die
Beteiligten für die Schulden einer Vorgründungsgesellschaft unbeschränkt, wenn
bereits vor notariell beurkundetem Abschluss des Gesellschaftsvertrages für diese
Gesellschaft gehandelt wird. Die Rechte und Pflichten dieser
Vorgründungsgesellschaften gehen nicht auf die spätere GmbH über (BAG 16.
Oktober 1984 - 3 AZR 388/82 - Juris; BAG 21. August 1990 - 3 AZR 429/89 - NZA
1991, 311). Bis zum 08. Februar 1998 befand sich die spätere Firma F im
Vorgründungsstadium.
Der Beitragsanspruch des Klägers setzt weiter voraus, dass der Betrieb der
Beklagten im Rumpfjahr unter den Geltungsbereich des VTV fiel. Gemäß § 1 Abs. 2
VTV fallen Betriebe des Baugewerbes unter den betrieblichen Geltungsbereich des
Tarifvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind
das Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV
genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber Leistungen im Sinn der
Bestimmungen der Abschnitte I - IV erbracht werden (BAG 18. Januar 1984 - 4 AZR
140/83 - AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die entsprechenden
baulichen Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die
überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche
Tätigkeiten entfällt. Nicht maßgeblich sind demgegenüber wirtschaftliche
Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder handels- oder gewerberechtliche
Kriterien (BAG 19. Juli 2000 - 10 AZR 918/98 - AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge:
Bau). Ob die überwiegende Arbeitszeit auf bauliche oder nicht bauliche Leistungen
entfällt, ist nach der Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahres zu beurteilen,
soweit sich die Tätigkeit des Betriebs über ein Kalenderjahr erstreckt (BAG 12.
Dezember 1988 - 4 AZR 613/88 - AP Nr. 106 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die
Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb der Beklagten im
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Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb der Beklagten im
streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten
verrichtet wurden, obliegt dem Kläger (BAG 28. Juli 2004 - 10 AZR 580/03 - AP Nr.
268 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass sowohl nach dem
Vortrag des Klägers, wie auch nach dem Vortrag der Beklagten davon auszugehen
ist, dass der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum dem Geltungsbereich des
VTV unterfiel. Sowohl die vom Kläger als arbeitszeitlich überwiegend erbracht
behaupteten Durchbrucharbeiten, wie auch die von den Beklagten mit einem
Arbeitszeitanteil von 75% bis 80% behaupteten (Teil-)Abbrucharbeiten sind
baugewerbliche Tätigkeiten im Sinn des VTV.
Das Arbeitsgericht ist des Weiteren zutreffend davon ausgegangen, dass mangels
Tarifgebundenheit der Beklagten gem. § 3 Abs. 1 TVG die Beklagten vom
tariflichen Geltungsbereich des VTV nur kraft dessen
Allgemeinverbindlichkeitserklärung gem. § 5 Abs. 4 TVG erfasst werden können. In
der im Klagezeitraum zugrunde zu legenden AVE-Bekanntmachung ist unter II. u.
a. festgelegt, dass Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausführende
Betriebe von der Allgemeinverbindlicherklärung nur erfasst werden, wenn ihre
Leistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit anderen in den Betrieben
oder in den selbständigen Betriebsabteilungen in erheblichem Umfang anfallenden
baulichen Leistungen stehen. Von daher kommt es darauf an, ob im Betrieb der
Beklagten arbeitszeitlich überwiegend die vom Kläger behaupteten
Durchbrucharbeiten oder die von den Beklagten behaupteten Abbrucharbeiten
durchgeführt wurden.
Soweit sich der Kläger für seine Behauptung auf das Zeugnis sämtlicher bei den
Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer bezieht, ist dieser Beweisantritt nicht zu
beanstanden. Weder wird die ursprünglich schlüssige Klage dadurch unschlüssig,
dass die Beklagten etwas anderes behaupten, noch läuft der angebotene
Zeugenbeweis auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Zutreffend ist zwar die
Feststellung des Arbeitsgerichts, dass der Kläger hinsichtlich der von ihm
behaupteten Durchbrucharbeiten keine konkreten, vor Ort erbrachten Tätigkeiten
aufgelistet hat. Das ist allerdings als Voraussetzung für einen schlüssigen
Klagevortrag auch nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts dürfen die Anforderungen an eine schlüssige Darlegung und
einen darauf beruhenden Beweisantritt nicht in der Weise überspannt werden, dass
in allen Fällen, in denen eine Partei keine sichere Kenntnis über einzelne
Geschehensabläufe oder Tatsachen hat, deren Darlegung und Verwertung im
Prozess gänzlich unmöglich würde. Eine Partei, die keine näheren Einblicke in dem
Gegner bekannte Geschehensabläufe hat, darf auch von ihr nur vermutete
Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Mit dem Bundesarbeitsgericht ist
davon auszugehen, dass ein derartiges prozessuales Vorgehen erst dann
unzulässig ist, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen
eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder
„ins Blaue hinein“ aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhält. Das
kann in der Regel jedoch nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte
angenommen werden oder dann, wenn die Partei selbst nicht an die Richtigkeit
ihrer Behauptungen glaubt (BAG 28.04.2004 - 10 AZR 370/03 - AP Nr. 264 zu § 1
TVG Tarifverträge: Bau). Vorliegend ist zwischen den Parteien allein streitig, in
welchem Umfang im Betrieb der Beklagten Durchbrucharbeiten ausgeführt
wurden. Während der Kläger für derartige Tätigkeiten mehr als 50% an der
Gesamtarbeitszeit veranschlagt, legen die Beklagten einen zeitlichen Anteil von
20% bis maximal 25% fest. Es kann also keinesfalls davon ausgegangen werden,
dass der Kläger „ins Blaue hinein“ Behauptungen aufstellt. Im Übrigen wird als
weitere Indizien für die Behauptung des Klägers auf den Gesellschaftsvertrag vom
09. Februar 1998 und die dort beschriebene Tätigkeit der Firma F, deren
Vorgründungsgesellschafter die Beklagten waren, sowie auf den Prüfbericht des
Arbeitsamts Karlsruhe vom 16. Juni 1999 Bezug genommen, aus dem sich
ebenfalls ergibt, dass Durchbrucharbeiten in der nachfolgend gegründeten GmbH
ausgeführt wurden.
Der Zeugenbeweis ist auch kein ungeeigneter Beweis. Der Ansicht des
Arbeitsgerichts, es müsse vor Durchführung des Beweises vom Kläger näher
dargelegt werden, welche Arten von Bohrungen, in welchem Umfang, mit welchem
Format etc. durchgeführt worden seien, folgt das Gericht nicht. Der Kläger als nicht
wissende Partei könnte derartige Angaben nur dann machen, wenn auf den
Baustellen während ihrer gesamten Dauer ein Betriebsprüfer anwesend wäre. Das
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Baustellen während ihrer gesamten Dauer ein Betriebsprüfer anwesend wäre. Das
Gericht gibt die frühere Rechtsprechung der Kammer 10 auf, wonach es sich bei
dem Zweck von Bohr- und Sägearbeiten zum Zwecke des Abbruchs oder des
Durchbruchs um eine innere Tatsache handelt, die nur durch Benennung weiterer
Hilfstatsachen einem Beweis zugänglich sein soll. Ob die vom Kläger benannten
Zeugen etwas zum Zweck ihrer Bohr- und Sägetätigkeit sagen können, ist keine
Frage der Zulässigkeit eines Beweismittels, sondern eine Frage der Bewertung
eines Beweisergebnisses. Es mag durchaus sein, dass Arbeitnehmer im Einzelfall
nicht wissen, ob die von ihnen verrichtete Tätigkeit dem Abbruch oder Teilabbruch
von Gebäuden und Bauwerken dient oder dem Durchbruch zum Zweck der
späteren Verlegung von Versorgungsleitungen, zum Zweck des Einbaus von
Türen, Fenstern, Aufzügen etc. Das bedeutet aber nicht, dass diese Zeugen
ausgeforscht werden. Vielmehr behauptet der Kläger mit seinem Beweisantritt,
dass die von ihm benannten Zeugen entsprechende Kenntnisse haben, was im
Übrigen auch angesichts der unterschiedlichen Größe der Öffnungen etwa für
Versorgungsleitungen, Türen und Fenster im Verhältnis insbesondere auch zu
Teilabbrüchen nahe liegt. Dabei mag es gerade im Bereich des Teilabbruchs
durchaus Fälle gegen, in denen es für einen Arbeitnehmer schwer bestimmbar ist,
welchem Zweck dieser Abbruch oder Durchbruch dient.
Daraus folgt, dass die vom Kläger anhand von Indizien substantiiert vorgetragene
Behauptung, im Betrieb der Beklagten seien arbeitszeitlich überwiegend näher
beschriebene Durchbrucharbeiten nebst Zusammenhangstätigkeiten verrichtet
worden, dem Beweis durch Zeugenvernehmung zugänglich ist.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des
Gerichts fest, dass der Betrieb der Beklagten im Rumpfjahr 1998 dem
Geltungsbereich der Bautarifverträge unterfiel. Die jeweils im gesamten
Klagezeitraum im Betrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer haben als
Zeugen wie folgt ausgesagt:
Der Zeuge H hat bekundet, dass er an den fraglichen Zeitraum nur noch wenig
Erinnerung habe und er insbesondere eine spezielle Zuordnung insbesondere zum
Monat Januar 1998 nicht vornehmen könne. Seine Aufgabe sei es gewesen, bei
den Beklagten zu sägen und zu bohren. Das habe die Herstellung von
Türöffnungen, Fensteröffnungen, Öffnungen für Treppenhäuser sowie die
Herstellung von Bodenkanälen betroffen, aber auch die Beseitigung ganzer
Wände. Er könne sich auch daran erinnern, vermutlich im Jahr 1998 beim Kunden L
ganze Fertigteilwände herausgesägt zu haben. Insgesamt habe er jedoch nicht mit
einem Presslufthammer, sondern höchstens einmal mit einer schweren Hilti-
Maschine gearbeitet. Ob die Herstellung der von ihm gefertigten Bodenkanäle
dem Verlegen von Rohren oder von elektrischen Leitungen gedient habe, könne er
nicht sagen. Insgesamt könne er jedoch sagen, dass er auch ganze
Mauerwerkswände herausgemacht mache. Das sei aber eher selten
vorgekommen. Er könne sich an eine Baustelle bei einer Papierfabrik in M erinnern.
Dort seien Deckenöffnungen ausgesägt und Kanäle verlegt worden. Auch wenn
dieser Zeuge nur wenig Erinnerung an den Klagezeitraum hat und eine spezielle
Zuordnung zu den Monaten Januar und Februar 1998 nicht treffen kann, ist seine
Aussage verwertbar. Er hat sich nämlich erinnert, dass er im gesamten Zeitraum
der Beschäftigung bei den Beklagten überwiegend mit Bohr- und Sägetätigkeiten
betraut war, die der Herstellung von Öffnungen für Türen, Fenster und
Treppenhäuser sowie der Herstellung von Bodenkanälen dienten. Teilabbruch und
Abbrucharbeiten habe er nur dann verrichtet, wenn nichts anderes zu tun gewesen
sei. Zwar ist nicht auszuschließen, dass gerade im Klagezeitraum derartige
Abbruch und Teilabbrucharbeiten in stärkerem Maße aufgetreten sein können; das
führt aber nicht zur Nichtverwertbarkeit der Aussage des Zeugen. Vielmehr geht
das Gericht bei vorsichtiger Schätzung davon aus, dass auch im Klagezeitraum
jedenfalls überwiegend, und zwar mit 60% Durchbrucharbeiten und mit 40%
Abbrucharbeiten verrichtet wurden.
Auch der Zeuge I hat zunächst betont, dass er an den maßgeblichen Zeitraum nur
eine geringe Erinnerung habe, sich aber gleichwohl daran erinnert, im Zeitraum
von 1995 bis zum 01. Mai 2005 im Betrieb der Beklagten als Bauleiter tätig
gewesen zu sein. An konkrete Baustellen im Jahr 1998 könne er sich allerdings
nicht erinnern. Der Zeuge hat sodann ausgesagt, dass er als gelernter Bohr- und
Sägetechniker überwiegend Durchbrüche für Fenster, Türen und Aufzüge im
Betrieb der Beklagten angefertigt habe. Reiner Abbruch sei nur sehr selten, nach
Schätzung des Zeugen einmal im Jahr vorgekommen. Auch bei diesem Zeugen ist
zunächst festzuhalten, dass er sich bewusst ist, nach so langer Zeit keine
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zunächst festzuhalten, dass er sich bewusst ist, nach so langer Zeit keine
konkrete Erinnerung an den Klagezeitraum mehr zu haben. Gleichwohl ist die
Aussage dieses Zeugen verwertbar, da er bezogen auf den gesamten Zeitraum
ausgesagt hat, dass Abbrucharbeiten letztlich nur einmal im Jahr vorgekommen
seien. Von daher läge es nahe, dass der Zeuge sich als Betriebsleiter noch am
ehesten erinnern könnte, wenn in lang zurückliegenden Jahren die Abbrucharbeiten
entgegen der Regel gehäuft aufgetreten wären. Das ist jedoch nicht der Fall. Da
dieser Zeuge, der als Betriebsleiter auch am ehesten einen Überblick über den
Gesamtbetrieb hat, davon ausgeht, dass Abbrucharbeiten nur äußerst selten
vorgekommen sind, geht das Gericht bei wiederum vorsichtiger Schätzung davon
aus, dass jedenfalls zu 80% Durchbrucharbeiten und allenfalls zu 20%
Abbrucharbeiten im Klagezeitraum anfielen.
Der Zeuge K konnte sich erinnern, dass er seinerzeit bei den Beklagten seine
erste Tätigkeit überhaupt aufgenommen hat. Er habe damals Anhängebohrungen
gemacht, damit ein Kran durch die Öffnung durchgreifen und Teile einer Wand
herausnehmen konnte. Er habe viel gebohrt, mit dem Cracker und dem
Presslufthammer gearbeitet sowie Schutt weggeräumt. Der Zeuge schätzt, dass
die von ihm verrichteten Tätigkeiten eher dem Abbruch von Gebäudeteilen gedient
haben als dem Durchbruch für die Verlegung von Kabeln und dergleichen.
Welchem Zweck seine Arbeit gedient habe, könne er nicht einschätzen. Aufgrund
dieser Aussage steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser Zeuge zwar
überwiegend Abbrucharbeiten verrichtet haben dürfte, ohne dass
Durchbrucharbeiten ganz entfallen wären. Bei vorsichtiger Schätzung wird deshalb
davon ausgegangen, dass dieser Zeuge zu 20% seiner Arbeitszeit mit
Durchbruch- und mit 80% seiner Arbeitszeit mit Abbrucharbeiten betraut war.
Der Zeuge J hat ausgesagt, dass er sich erinnern könne, in einer Schule Wände
komplett herausgenommen sowie Schächte für Treppeneingänge und Türen
gesägt und herausgeschnitten zu haben mit anschließendem Abtransport des
Schutts. Auch habe er Maschinenfundamente zerlegt. Die Hälfte der Arbeitszeit
sei auf das Sägen und die andere Hälfte auf den Abtransport des Schutts
entfallen. Da dieser Zeuge eine Gewichtung der verschiedenen Tätigkeiten
bezogen auf Durchbruch- und Abbrucharbeiten nicht vorgenommen hat, geht das
Gericht davon aus, dass gerade auch vor dem Hintergrund der Aussage des
Zeugen I als Betriebsleiter, bei wiederum sehr vorsichtiger Schätzung, dieser
Arbeitnehmer zu 50% seiner Arbeitszeit mit Durchbrucharbeiten und in der
restlichen Arbeitszeit mit Abbrucharbeiten betraut war.
An der Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen sind insgesamt keine
durchgreifenden Zweifel ersichtlich. Alle Zeugen haben sich bemüht, trotz der
lange zurückliegenden Zeit und der deshalb notwendigerweise abgeschwächten
Erinnerung ihre Tätigkeiten im Betrieb der Beklagten darzulegen. Soweit die
Beklagten Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen H geäußert haben, da
dieser im Streit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei, folgt das Gericht
ihnen nicht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aussage dieses Zeugen
nicht glaubhaft ist.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner, da sie
unterlegen sind, § 91 ZPO.
Für die Zulassung der Revision ist kein gesetzlicher Anlass gegeben, § 72 Abs. 2
ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.