Urteil des LAG Hessen vom 13.01.2010

LAG Frankfurt: treu und glauben, gesellschaft mit beschränkter haftung, sitz im ausland, aufrechnung, sicherheit, ausländisches recht, gemeinsame einrichtung, auszahlung, mindestlohn, vergütung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
18. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 Sa 359/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 14 Abs 2 S 1 VTV-Bau, § 18
Abs 5 VTV-Bau, § 387 BGB, §
273 BGB
(Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung des
Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung aus
Urlaubsabgeltung - VTV-Bau)
Orientierungssatz
Ansprüche des Arbeitgebers gegen die Urlaubskasse auf Erstattung des
Arbeitnehmeranteils am Sozialversicherungsbeitrag der von der Urlaubskasse
unmittelbar an den Arbeitnehmer gewährten Urlaubsabgeltung fallen nicht unter
"Erstattungsansprüche" nach § 18 Abs. VTV.
Die Urlaubskasse kann zumindest dann nicht wegen Beitragsrückständen gegen den
Anspruch aus § 14 Abs. 2 Satz 1 VTV aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht nach
§ 273 BGB wegen unzureichender Meldungen ausüben, wenn nicht sicher feststeht,
dass die Sozialversicherungsbeiträge noch nicht an ein System der sozialen Sicherheit
geleistet wurden.
Der Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsbeitrag der Urlaubsabgeltung ist
wirtschaftlich dem Arbeitnehmer und nicht dem Arbeitgeber zuzurechnen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom
05. November 2008 – 7/3 Sa 85/06 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100.851,22 EUR (in Worten:
Hunderttausendachthunderteinundfünfzig und 22/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09. März 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Zahlung des einbehaltenen
Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung aus Urlaubsabgeltung, welche an
polnische Arbeitnehmer gezahlt wurde.
Die Klägerin ist eine polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Sitz in
Polen. Sie erbrachte in den Kalenderjahren 2003 bis 2006 baugewerbliche
Leistungen auf Baustellen in Deutschland. Zu diesem Zweck beschäftigte sie aus
entsandte Polen gewerbliche Bauarbeitnehmer. Im Rahmen ihrer Tätigkeit in
Deutschland nahm die Klägerin am Urlaubskassenverfahren der deutschen
Bauwirtschaft teil. Sie gab gegenüber dem Beklagten Meldungen ab und zahlte die
sich daraus ergebenden Beiträge. Nach ihren Meldungen beschäftigte die Klägerin
zu ca. 80% Arbeitnehmer, denen sie Vergütung nach der Lohngruppe 1 zahlte und
zu ca. 20% Arbeitnehmer, welche nach der Lohngruppe 2 bezahlt wurden.
Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
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Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen
Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe
[BRTV/Bau], Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV])
insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen
Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den
Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines
bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer an den Beklagten zu zahlen.
Mit Datum 08. Februar 2006 erteilte der Beklagte einen Kontoauszug zu dem
Arbeitgeberkonto der Klägerin. Dieser endet mit einem Saldo zu Gunsten der
Klägerin in Höhe von 100.851,22 €.
In dem Kontoauszug sind Soll-Buchungen zu Beitragsschulden der Klägerin und
Zinsen auf die Beitragsschuld ("UAEV-Meldungen" bzw. "UAEV-Zinsen") sowie
wegen Auszahlungen an diese ("Auszahlung") angeführt. Sollmindernd sind neben
Zahlungseingängen ("UAEV-Zahlungseingang") auch Positionen mit der
Bezeichnung "AEV-Sozialvers. (Umbuchung)" ausgewiesen (Anlage zur
Klageschrift, Bl. 6 - 8 d.A.). Wie im Berufungsverfahren anlässlich der Erörterung im
Verhandlungstermin vom 28. Oktober 2009 klargestellt wurde, handelt es sich bei
den letztgenannten Positionen um Ansprüche der Klägerin nach § 14 Abs. 2 S. 1
VTV. Dies sind Ansprüche auf den einbehaltenen Arbeitnehmeranteil an dem
Beitrag zu dem jeweiligen Sozialversicherungssystem aus unmittelbar von dem
Beklagten an die Arbeitnehmer gewährter Urlaubsabgeltung.
§ 14 VTV lautet:
§ 14 – Zahlung der Urlaubsabgeltung
(1) Die ULAK zahlt in den Fällen des § 8 Nr. 6.1 Buchstaben a), b), d), e) und f)
BRTV dem Arbeitnehmer auf dessen Antrag die Urlaubsabgeltung gemäß § 8 Nr.
6.2 BRTV aus. Die Urlaubsabgeltung wird abzüglich des darauf entfallenen
Arbeitnehmeranteils an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit und
abzüglich der Lohnsteuer, soweit die ULAK zur Abführung der Lohnsteuer
berechtigt ist, ausgezahlt. Die ULAK ist zur Pauschalisierung des
Arbeitnehmeranteils an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit
berechtigt, es sei denn, dieser kann aufgrund der Angaben des Arbeitgebers oder
des Arbeitnehmers ermittelt werden.
(2) Die ULAK zahlt den einbehaltenen Arbeitnehmeranteil an dem Beitrag zu den
Systemen der sozialen Sicherheit an den Arbeitgeber und führt die Lohnsteuer an
die zuständige Finanzbehörde ab. Ist die ULAK dazu ermächtigt, so führt sie den
Arbeitnehmeranteil an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit
stattdessen an die zuständige Einzugsstelle ab.
(3) Die ULAK bescheinigt dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer die Höhe der
Urlaubsabgeltung, des an den Arbeitgeber gezahlten Arbeitnehmeranteils und der
abgeführten Lohnsteuer.
(4) Hat die ULAK an den Arbeitgeber einen zu hohen oder einen zu niedrigen
Arbeitnehmeranteil gezahlt, so hat ein entsprechender Ausgleich zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erfolgen.
Mit bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden am 14. Februar 2006 eingegangener
Klageschrift, welche der Beklagten am 08. März 2006 zugestellt wurde, begehrt die
Klägerin die Auszahlung des Guthabens von 100.851,22 €.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte könne die Zahlung nicht unter Hinweis
auf § 18 Abs. 5 VTV verweigern. § 18 Abs. 5 VTV sei auf einen Anspruch nach § 14
Abs. 2 S. 2 VTV nicht anwendbar.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe vollständig und ordnungsgemäß
gemeldet sowie die entsprechenden Beiträge geleistet. Die Vergütung ihrer
Arbeitnehmer sei von deren Tätigkeit abhängig, nicht deren Ausbildung. Sie hat
dazu behauptet, sie habe ihre Arbeitnehmer so eingesetzt, dass monatlich
überwiegend Tätigkeiten nach der Lohngruppe 1 angefallen seien. Die
überwiegende Tätigkeit sei für die Eingruppierung maßgeblich. Sie habe
Werkverträge geschlossen, die nach ihrer Einsatzplanung mit mindestens 80% bis
85% Werkern zu realisieren seien. Zur Darlegung der ihren Arbeitnehmern in der
Zeit von September 2003 bis Januar 2006 jeweils gezahlten Vergütung
(Lohngruppe 1 oder Lohngruppe 2) und der dafür zu Grunde gelegten Tätigkeiten
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(Lohngruppe 1 oder Lohngruppe 2) und der dafür zu Grunde gelegten Tätigkeiten
hat die Klägerin sich auf die Aufstellungen zum Schriftsatz vom 30. November
2007 bezogen, denen eine Zuordnung von Tätigkeiten zu Lohngruppen anhand
von Tätigkeitsbeschreibungen beigefügt war (Bl. 192 - 329 d.A.).
Hinsichtlich des gemeldeten Bruttolohns richte sich die Feststellung der
vergütungspflichtigen Arbeitszeit nach polnischem Recht. Bei der
aufgabenorientierten Arbeitszeit nach polnischem Recht lege der Arbeitgeber im
Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer die Zeiten fest, die notwendig seien, um die
geschuldeten Arbeitsaufgaben mangelfrei und normgerecht zu verrichten. Aus den
festgestellten normgerechten Arbeitsergebnissen ergebe sich der Umfang der im
Sinne der geschuldeten Arbeit tatsächlich geleisteten Arbeitszeit, damit die
vergütungspflichtigen Stunden.
Soweit der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend mache,
müsse dies - die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts unterstellt -
nach § 242 BGB ausgeschlossen sein. Sie könne nicht mehr monatlich und
bezogen auf jeden einzelnen Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Eingruppierung
(Lohngruppe 1 oder Lohngruppe 2) nachweisen. Die Durchsetzung ihres Rechts
werde bei Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts dauerhaft verhindert.
Die Klägerin hat schließlich behauptet, sie habe die in der Anlage zum Schriftsatz
vom 24. Oktober 2008 angeführten Sozialversicherungsbeiträge (Bl. 578 - 587
d.A.) an die staatliche Sozialversicherung in Polen (ZUS) abgeführt. Sie hat sich
dazu auf eine in Übersetzung vorgelegte Bescheinigung der ZUS von 22. Oktober
2008 berufen (Anlage zum Schriftsatz vom 03. November 2008, Bl. 669 d.A.).
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 100.851,22 € zu zahlen nebst 5% Zinsen über
dem Basiszinssatz ab Klagezustellung.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er könne gegenüber dem Anspruch der
Klägerin auf Auszahlung ein Zurückbehaltungsrecht wegen nicht
ordnungsgemäßer Meldungen geltend machen, hilfsweise hat er die Aufrechnung
mit Beitragsansprüchen erklärt.
Der Beklagte hat dazu angeführt, die von der Klägerin abgegebenen Meldungen
seien nicht korrekt, da sie dem seit 01. September 2003 geltenden Mindestlohn
nicht Rechnung getragen hätten. Der Klägerin sei unstreitig lediglich die
Beschäftigung von Facharbeitern genehmigt worden. Nach den Werkverträgen und
Leistungsverzeichnissen habe die Klägerin Eisenbiege- und Stahlflechtarbeiten
sowie Trockenbau- und Brandschutzarbeiten geschuldet. Daraus und aus den von
der Klägerin vorgelegten Tätigkeitslisten ergebe sich, dass Tätigkeiten fehlerhaft
der Lohngruppe 1 zugeordnet wurden.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht alle Arbeitsstunden ihre
Arbeitnehmer nach den Mindestentgeltsätzen entlohnt habe. Da die Klägerin die
Arbeitszeit erfolgsbezogen ermittelt habe, seien nicht sämtliche Stunden vergütet
worden. Dies sei jedoch nach § 1 Abs. 1 AEntG i.V.m. dem Tarifvertrag zur
Regelung in der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland (TV Mindestlohn) zu verlangen. Die Frage, dass eine Arbeitsstunde
sei, werde von AEntG und dem TV Mindestlohn beantwortet. Es bleibe kein Raum,
auf eine vertragliche Abrede oder ausländisches Recht zurückzugreifen.
Der Beklagte macht gegen die Klägerin in zwei weiteren Verfahren vor dem
Arbeitsgericht Wiesbaden mit den Aktenzeichen 2 Ca 3755/07 und 2 Ca 3706/08
weitere Beiträge (Mindestbeiträge und Restbeiträge) für die Kalenderjahre 2004
und 2005 geltend.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage durch am 05. November 2008
verkündetes Urteil abgewiesen. Der Anspruch der Klägerin sei jedenfalls derzeit
nicht fällig. Nach § 18 Abs. 5 VTV seien Erstattungsforderungen des Arbeitgebers
mit der Maßgabe zweckgebunden, dass der Arbeitgeber über sie nur verfügen
könne, wenn das bei der Einzugsstelle bestehende Beitragskonto kein Debet-Saldo
ausweise und er seinen Meldepflichten entsprochen habe. § 18 Abs. 5 VTV erfasse
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ausweise und er seinen Meldepflichten entsprochen habe. § 18 Abs. 5 VTV erfasse
auch den Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV. Die Klägerin
habe nicht dargelegt, dass die von ihr erteilten Meldungen inhaltlich richtig sein.
Sie habe nicht nachgewiesen, dass sie ihre Arbeitnehmer entsprechend deren
Ansprüchen nach dem TV Mindestlohn vollständig vergütet habe. Eine
Überprüfung der von der Klägerin vorgenommenen Eingruppierungen sei nicht
möglich, da diese die jeweiligen Tätigkeiten nicht für jeden einzelnen Arbeitnehmer
dargelegt habe. Offen bleiben dürfe, ob die Klägerin alle Arbeitsstunden vergütet
habe.
Zur weiteren Darlegung der Urteilsgründe sowie des Vorbringens der Parteien im
ersten Rechtszug wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen (Bl. 676 - 689
d.A.).
Das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist der Klägerin am 12. Februar 2009
zugestellt worden. Die Berufungsschrift der Klägerin ist am 23. Februar 2009 bei
dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung
hat die Klägerin nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf
rechtzeitigen Antrag hin bis zum 12. Mai 2009 am 08. Mai 2009 bei dem
Hessischen Landesarbeitsgericht eingereicht.
Mit der Berufung wiederholen und vertiefen die Parteien ihren Vortrag. Die Klägerin
behauptet, ihre Werkverträge beschränkten sich auf Betonstahlverlegearbeiten,
sie erbringe keine Biegearbeiten. Sie meint, der Einbau von
Stahlbetonbewehrungen sei nur eine fachlich begrenzte Teiltätigkeit der
Lohngruppe 2, damit sei noch kein Tätigkeitsbeispiel der Lohngruppe erfüllt. Die
Klägerin ist weiter der Ansicht, sie habe mit ihren Arbeitnehmern zulässig gem.
Art. 140 des polnischen Arbeitsrechts (KP) Die Aufgaben orientierte Arbeitszeit
vereinbart. Sie behauptet dazu, es seien keine nicht entlohnten Leerzeiten
angefallen, nur Zeiten der Mängelbeseitigung. Schließlich ist die Klägerin der
Auffassung, die Auslegung des Begriffs des Bruttolohnes gem. § 18 Abs. 4 VTV
nach dem Entstehungsprinzip verstoße gegen die Entsenderichtlinie 96/71/EG.
Hilfsweise macht sie geltend, ihr Klageanspruch sei allenfalls als derzeit
unbegründet abzuweisen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 05. November 2008 - 7/3 Ca 85/06 -
abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 100.851,22 € zu zahlen,
nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung;
hilfsweise,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 05. November 2008 - 7/3 Ca 85/06 -
abzuändern und die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe mit dem System der
aufgabenorientierten Arbeitszeit das Wirtschaftsrisiko unzulässig auf ihre
Arbeitnehmer übertragen. Die von der Klägerin getroffene Vereinbarung sei auch
nach polnischem Arbeitsrecht unzulässig, Leerzeiten, welche - so behauptet sie -
angefallen seien, dürften nicht auf die Arbeitnehmer übertragen werden (Art. 81 §
2 KP). § 18 Abs. 5 VTV sei anwendbar, hilfsweise § 273 BGB. Äußerst hilfsweise
rechne sie, wie bereits erstinstanzlich erklärt, mit Beitragsansprüchen in Höhe von
121.500,07 € auf. Die Klägerin habe bisher keinen Nachweis dafür erbracht, dass
sie in Höhe der geforderten Beiträge Leistungen an den polnischen
Sozialversicherungsträger ZUS erbracht habe.
Anlässlich der Verhandlung vor der Berufungskammer am 28. Oktober 2009 haben
die Parteien einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 128 Abs. 2
ZPO zugestimmt (Sitzungsniederschrift Bl. 780 d.A.). Für die Parteien bestand bis
zum 30. November 2009 Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag, insbesondere zu
den in der Verhandlung erörterten Fragen, ob § 18 Abs. 5 VTV anwendbar sei und
ob der Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen oder aufrechnen
dürfe.
Die Klägerin hat durch Schriftsatz vom 27. November 2009 wiederholt, § 18 Abs. 5
VTV greife nicht ein. § 14 VTV treffe Regelungen hinsichtlich des Vermögens des
Arbeitnehmers auf dem Hintergrund des deutschen Sozialversicherungsrechts. §
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Arbeitnehmers auf dem Hintergrund des deutschen Sozialversicherungsrechts. §
18 Abs. 5 VTV beziehe sich dagegen auf Erstattungsansprüche des Arbeitgebers,
also auf Forderungen, welche dessen Vermögen zuzuordnen seien. Treu und
Glauben gem. § 242 BGB rechtfertige es nicht, dass der Beklagte den
Arbeitnehmeranteil nicht auszahle. Unterstelle man, dass eine Inanspruchnahme
des Beklagten durch den polnischen Sozialversicherungsträger ausscheide,
würden seine Interessen durch eine Zahlung nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV nicht
berührt. Im Übrigen habe ein Ausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
stattzufinden. Ein Zurückbehaltungsrecht sei ebenso wie das Recht zur
Aufrechnung ausgeschlossen, da kein notwendiges Gegenseitigkeitsverhältnis
zwischen den Parteien bestehe. Das Sozialversicherungsvermögen des
Arbeitnehmers dürfe nicht zur Befriedigung der Ansprüche der Beklagten verwandt
werden.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02. Dezember 2009 geltend gemacht, der
Begriff der Erstattungsforderung in § 18 Abs. 5 VTV sei weit zu verstehen. Er
erfasse alle Forderungen des Arbeitgebers, welche zum Leistungsprogramm der
ULAK nach den Tarifverträgen der deutschen Bauwirtschaft gehöre. Auch im
Verfahren nach § 13 VTV erfolge die Erstattung an den Arbeitgeber einschließlich
der Lohnsteuer und des Arbeitnehmeranteils an den
Sozialversicherungsbeiträgen, selbst wenn dieser die Lohnsteuer und den
Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen noch nicht an die
zuständigen Stellen abgeführt habe. Es gebe auch keinen sachlichen Grund dafür,
Ansprüche des Arbeitgebers nach § 14 VTV anders als Ansprüche nach § 13 VTV
zu behandeln. Die Fälle unterschieden sich nur soweit, dass die Urlaubsabgeltung
unmittelbar an den Arbeitnehmer gezahlt, die Urlaubsvergütung jedoch dem
Arbeitgeber erstattet werde. In beiden Fällen enthalte die Leistung der ULAK den
auf die Urlaubsvergütung bzw. die Urlaubsabgeltung entfallenden
Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen zu den Systemen der sozialen Sicherheit,
welche der Arbeitgeber aufgrund seiner jeweiligen sozialrechtlichen Verpflichtung
unabhängig vom Erhalt der Leistung an die zuständigen Sozialversicherungsträger
abzuführen habe. Auch im Falle des § 14 Abs. 2 S. 1 VTV müsse eine
ordnungsgemäße Meldung des Arbeitgebers vorliegen. Andernfalls seien nicht
überprüfbar, welcher Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe. Schließlich sei zu
berücksichtigen, dass ständig der Arbeitnehmeranteil an den
Sozialversicherungsbeiträgen nach der üblichen Praxis und mit Einverständnis der
beteiligten Arbeitgeber dem Beitragskonto des jeweiligen Arbeitgebers
gutgeschrieben werde.
Zudem stehe § 242 BGB einer Auszahlung der Forderung entgegen, wenn nicht
feststehe, dass eine Zahlung durch die Klägerin erfolgt sei oder diese durch den
polnischen Träger der Sozialversicherung noch in Anspruch genommen werde.
Niemand könne etwas beanspruchen, was er alsbald wieder herausgeben müsse.
Für ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB genüge Konnexität. Diese sei zu
bejahen, da die beiderseitigen Ansprüche aus der Teilnahme am
Urlaubskassenverfahren folgten. Deshalb sei im Ergebnis auch eine
Aufrechnungslage zu bejahen. Unterstelle man, dass die Klägerin ein Anspruch auf
Auszahlung der Guthaben gegen ihn habe, dürfe aufgerechnet werden, da
Beitragsansprüche gegen die Klägerin fällig und durchsetzbar seien. Dass die
Beiträge anderweitig eingeklagt wurden, hindere eine Aufrechnung nicht.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie
ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß
begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Die Berufung ist auch erfolgreich. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Wiesbaden
ist abzuändern. Die Klage ist begründet. Es kann für dieses Verfahren
dahinstehen, ob die Klägerin ihre Pflicht zur Meldung der Bruttolohnsummen und
der Urlaubskassenbeiträge gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AEntG i.V.m. § 21 VTV
erfüllt hat. Der einbehaltene Arbeitnehmeranteil aus gewährter Urlaubsabgeltung
an dem Beitrag zu den Systemen der sozialen Sicherheit ist von der Beklagten an
die Klägerin auszuzahlen, ungeachtet dessen, ob diese ihre Melde- und
Beitragspflichten vollständig und ordnungsgemäß erfüllt hat.
I.
Nach § 1 Abs. 1 AEntG (seit 24. April 2009: §§ 3, 4 Nr. 1 AEntG) gelten die
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Nach § 1 Abs. 1 AEntG (seit 24. April 2009: §§ 3, 4 Nr. 1 AEntG) gelten die
Rechtsnormen eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags des Bauhaupt- oder
Baunebengewerbes i.S.d. §§ 1 und 2 der Baubetriebe-Verordnung auch für
Arbeitsverhältnisse, die zwischen einem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und
seinen im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten
Arbeitnehmern bestehen. § 1 AEntG enthält zwingendes Recht i.S.v. Art. 34
EGBGB. Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEntG (seit
24. April 2009: §§ 3, 4 Nr. 1, 5 Nr. 2 AEntG) erstreckt sich auf die in § 8 BRTV-Bau
geregelten Urlaubs- und Urlaubsvergütungsansprüche, einschließlich der nicht
ausdrücklich angeführten Urlaubsabgeltungs- und Entschädigungsansprüche gem.
§ 8 Nr. 7 und Nr. 8 BRTV-Bau (
).
Die Beklagte erbrachte von 2003 bis 2006 arbeitzeitlich überwiegend Arbeiten
gem. § 1 Abs. 2 VTV, dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
II.
Der Klägerin stehen gegen den Beklagten - was zwischen den Parteien dem
Grunde nach unstreitig ist - Ansprüche gem. §14 Abs. 2 S. 1 VTV wegen von dem
Beklagten an Arbeitnehmer der Klägerin gewährter Urlaubsabgeltung zu. Dass die
Klägerin nach dem Kontoauszug des Beklagten vom 08. Februar 2006 einen
geringfügig höheren Betrag verlangen könnte (102.003,83 € aus 177.659,91 €
abzüglich geleisteter 75.665,08 €), ist unschädlich. Die Klägerin akzeptiert durch
die niedrigere Forderung im Wege der Verrechnung unstreitige Beitragsansprüche
des Beklagten.
Die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Arbeitnehmeranteils an dem Beitrag
zu den Systemen der sozialen Sicherheit sind entgegen der Auffassung des
Beklagten fällig und durchsetzbar.
1.
Unterabs. 1 VTV geltend machen, dass diese Beiträge nicht geleistet und ihren
Meldepflichten nicht entsprochen habe. § 18 Abs. 5 VTV ist auf einen Anspruch
eines Arbeitgebers gegen die ULAK nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV nicht anwendbar.
Der Anspruch des Arbeitgebers gegen die ULAK gem. § 14 Abs. 2 S. 1 VTV ist kein
Erstattungsanspruch im Sinne des § 18 Abs. 5 Unterabs. 1 VTV. Deshalb ist nicht
zu entscheiden, ob das Beitragskonto der Klägerin ausgeglichen ist und diese ihre
Meldepflichten erfüllt hat.
a)
Erstattungsanspruch.
Erstattungsansprüche sind in § 13 VTV (Urlaubsvergütung, Urlaubsabgeltung) und
§ 16 VTV (für den letztmalig in der Winterperiode 2005/2006 gewährten
Lohnausgleich) geregelt. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber unmittelbar eine
Leistung an seinen Arbeitnehmer erbracht hat, für die er schon Beiträge entrichtet
hatte und für die er - weil beitragsfinanziert - eine Erstattung verlangen kann. Die
Überschriften der Tarifnormen lauten ausdrücklich auf „Erstattung“.
Dem gegenüber regelt § 14 Abs. 2 S. 1 VTV keine Erstattung. § 14 VTV ergänzt § 8
Nr. 6.1 a), b), d), e) und f), Nr. 6.2 BRTV-Bau. Es handelt sich um das Verfahren in
den Fällen, in denen der Arbeitnehmer seine Urlaubsabgeltung direkt von der
ULAK, also nicht über den Arbeitgeber, erhält. Der Arbeitgeber hat dem
Arbeitnehmer also keine beitragsfinanzierte Leistung erbracht, dementsprechend
kann er keine Erstattung verlangen. Die Bestimmung sichert dem Arbeitgeber
vielmehr einen Ausgleich für eine eigene Leistungspflicht, welche gegenüber den
Sozialversicherungsträgern besteht, nicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Diesem
Anspruch liegt folgendes zugrunde:
Der Arbeitgeber ist an der unmittelbar im Verhältnis zwischen ULAK und
Arbeitnehmer erbrachten Leistung über seine eigene Sozialversicherungspflicht
zwangsläufig beteiligt. Urlaubsabgeltung ist gem. § 23 a SGB IV als einmalig
gezahltes Arbeitsentgelt eine beitragspflichtige Einnahme des Arbeitnehmers. Gilt
deutsches Sozialversicherungsrecht, ist der letzte Arbeitgeber beitragspflichtig.
Dieser muss nach § 28 h Abs. 1 S. 1 SGB IV den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28 d SGB IV) an die Einzugsstelle zahlen. Er
erfüllt damit seine eigene Beitragspflicht gem. § 28 e Abs. 1 S. 1 SGB IV.
Im Fall der Zahlung der Urlaubsabgeltung durch die ULAK unmittelbar an den
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Im Fall der Zahlung der Urlaubsabgeltung durch die ULAK unmittelbar an den
Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber nicht als Ausgleich für den von ihm geleisteten
Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsbeitrag einen Abzug beim
Arbeitnehmer gem. § 28 g S. 2 SGB IV vornehmen. Dieses Recht geht ins Leere.
Deshalb hat er gegenüber der ULAK nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV einen Anspruch auf
den von dieser einbehaltenen Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsbeitrag
der Urlaubsabgeltung. Dieser Anspruch wirkt nur wie eine Erstattung, wenn der
Arbeitgeber - innerhalb oder außerhalb der Bundesrepublik Deutschland - den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag schon an ein System der sozialen Sicherung
erbracht hat. Dies ist nach § 14 Abs. 2 VTV jedoch nicht Anspruchsbedingung.
Es handelt sich wirtschaftlich um Entgelt des Arbeitnehmers, welches der
Arbeitgeber weiterzuleiten hat. Dies wird auch an der Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2
VTV deutlich, die vorsieht, dass die ULAK den Arbeitnehmeranteil am
Sozialversicherungsbeitrag unmittelbar an die zuständige Einzugsstelle abführt,
wenn sie dazu ermächtigt wurde. § 14 Abs. 4 VTV regelt ergänzend, dass bei
Zahlung eines zu hohen oder zu niedrigen Arbeitnehmeranteils durch die ULAK an
den Arbeitgeber ein Ausgleich zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer
unmittelbar zu erfolgen hat.
Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, auch im Falle des § 13 VTV sei es
üblich, dass der Arbeitgeber die Erstattung bereits vor Abführen der
Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer auf die Urlaubsvergütung erhalte,
kann dahinstehen, ob es sich dabei um den Regelfall oder eine Ausnahme handelt.
Der Begriff der Erstattung in § 13 VTV bezieht sich auf die vom Arbeitgeber
insgesamt zu erbringende Urlaubsvergütung als Bruttovergütung. Im Falle des §
14 VTV zahlt der Arbeitgeber gerade keine sozialversicherungs- und
lohnsteuerpflichtige Vergütung an den Arbeitnehmer.
b)
(„Erstattungsforderungen des Arbeitgebers“) hinaus ist ausgeschlossen. § 18 Abs.
5 VTV schränkt die Rechte des Arbeitgebers erheblich ein. Dies ist im Interesse der
Finanzierung der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer zulässig, um ein Auszehren
des Urlaubskassensystems durch Aufrechnungen der Arbeitgeber mit
Erstattungsforderung gegen ihre eigenen Beitragspflichten zu verhindern. Darüber
hinaus führt die Regelung zur Sicherung der tatsächlichen Auszahlung der
Urlaubsvergütung. Es ist für den jeweiligen Arbeitgeber wirtschaftlich geboten,
verlangten Urlaub zu gewähren und dies zu melden, um seinerseits geldwerte
Erstattungsansprüche gegen den Beklagten zu erwerben und eine "Gegenleistung"
für erbrachte Beiträge zu erhalten (vgl. zur früheren Regelung in § 24 Abs. 3 S.
1VTV:
im Übrigen:
).
Wollten die Tarifpartner melde- oder beitragssäumige Arbeitgeber zusätzlich
dadurch zu ordnungsgemäßen Leistungen gegenüber der Urlaubskasse anhalten,
dass diesen Ausgleichsleistungen für ihre eigene Sozialversicherungspflicht aus
dem Entgelt der Arbeitnehmer vorhalten werden darf, hätte dies ausdrücklich
geregelt werden müssen. Es steht außer Frage, dass eine Anwendung des § 17
Abs. 5 VTV auf § 14 Abs. 2 VTV effektiv wäre. Eine Ergänzung des Tarifvertrages im
Wege der Auslegung ist jedoch ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der
Beklagten besteht auch ein sachlicher Differenzierungsgrund. Es ist nicht darauf
abzustellen, dass es sich sowohl bei der Urlaubsvergütung als auch bei der
Urlaubsabgeltung um Bruttoentgelt handelt, welches der
Sozialversicherungspflicht unterliegt. Bei der von § 14 VTV erfassten
Urlaubsabgeltung zahlt der Arbeitgeber gerade keine Bruttovergütung.
Auch die Notwendigkeit ordnungsgemäßer Meldungen für die Leistungserbringung
durch den Beklagten rechtfertigt keine entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 5
VTV auf den Anspruch nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV. Sowohl in § 13 Abs. 1 S. 2 VTV
als auch in § 16 Abs. 1 S. 2 VTV ist die Erstattung ausdrücklich an die vollständige
und ordnungsgemäße Meldung der Daten gem. §§ 5 und 6 VTV geknüpft. Eine
solche Regelung fehlt in § 14 Abs. 2 VTV. Der Beklagte wird bereits durch § 8 Nr.
6.2 BRTV-Bau geschützt. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nämlich nur zu
erfüllen, soweit Beiträge für die dem Abgeltungsanspruch zu Grunde liegenden
Urlaubsansprüche geleistet worden sind. Die Aufnahme des Ausschlusses der §§
366, 367 BGB in § 8 Nr. 6.2 Unterabs. 1 S. 2 BRTV-Bau ist schließlich als weiteres
Argument dafür anzuführen, dass die Tarifvertragsparteien nicht von einer
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Argument dafür anzuführen, dass die Tarifvertragsparteien nicht von einer
Anwendung des § 18 Abs. 5 VTV zwischen der Urlaubskasse und den jeweiligen
Arbeitgeber bei der Gewährung von Urlaubsabgeltung durch die Urlaubskasse
unmittelbar an den Arbeitnehmer ausgingen. Diese Regelung wäre sonst
überflüssig.
2.
1 VTV weder aufrechnen (§ 387 BGB) noch ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273
BGB ausüben.
a)
Anspruch der ULAK gegen den Arbeitgeber auf Beiträge gem. §§ 18, 19 VTV und
der Anspruch des Arbeitnehmers nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV bei der gebotenen
wertenden Betrachtung nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.
Der Anspruch des Arbeitgebers nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV gegen die ULAK ist auf
Geld gerichtet, welches dem Arbeitnehmer zusteht. Es handelt sich um „fremdes“
Geld, welches der Arbeitgeber treuhänderisch an den Sozialversicherungsträger
oder gem. § 14 Abs. 4 VTV an den Arbeitnehmer weiterzuleiten hat. Diese
treuhänderische Position entfällt nur, wenn der Arbeitgeber vorgeleistet hat. Da
eine Vorleistung von den Tarifpartnern nicht vorgeschrieben wurde, darf die ULAK
ihre eigenen Beitragsansprüche nicht durch Aufrechnung mit einer Forderung
befriedigen, welche beim Arbeitgeber noch treuhänderisch gebunden sein kann
und sich noch nicht in eine Ausgleichsforderung umgewandelt hat (vgl.
). Dies gilt zumindest so lange, wie der
Beklagte nicht definitiv weiß, dass der Arbeitgeber den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag entrichtet hat, also ob der Anspruch des
Arbeitnehmers auf eine Bruttourlaubsabgeltung schon vollständig erfüllt wurde.
Der Beklagte bestreitet die Behauptung der Klägerin, sie habe die der
Urlaubsabgeltung entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge an die polnische
Sozialversicherung ZUS geleistet. Zwischen den Parteien besteht andererseits
Einigkeit bei der Bewertung, dass Urlaubsabgeltung nach polnischem Recht
sozialversicherungspflichtig ist.
Die Verrechnungspraxis des Beklagten führt zu keinem anderen Ergebnis. Ist ein
Arbeitgeber damit einverstanden, dass die ULAK seine Beitragsschuld durch
Verrechnung mit Erstattungsansprüchen (nach § 13 Abs. 1 VTV) und Ansprüchen
nach § 14 Abs. 2 S. 1 VTV mindert, ist dies nicht unzulässig. Es erfolgt eine
Verrechnung aufgrund - stillschweigenden - Vertrags. Eine
Verrechnungsvereinbarung ist nicht mit dem Recht auf Aufrechnung gleich zu
setzen ( ).
b)
Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB wegen offener
Beitragsansprüche oder unzureichender Meldungen gem. § 21 VTV, welches der
Beklagte gegenüber der Aufrechnung vorrangig verfolgt, nicht in Betracht.
Ist eine Aufrechnung ausgeschlossen, darf dies nicht durch die Geltendmachung
eines Zurückbehaltungsrechts umgangen werden (
). Das Zurückbehaltungsrecht wurde einen der Aufrechnung gleich
kommenden Erfolg haben. Die Beitragsansprüche, welche konkret der an die
einzelnen Arbeitnehmer der Klägerin geleisteten Urlaubsabgeltung zu Grunde
liegen, sind erfüllt worden. Dies folgt aus § 8 Nr. 6.2 BRTV-Bau. Ob die Klägerin ihre
Melde- und Beitragspflichten im Übrigen erfüllt hat, ist streitig und bereits
Gegenstand weiterer Rechtsstreite der Parteien vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden
(Aktenzeichen - 2 Ca 3755/07 - und - 2 Ca 3706/08 -). Im Falle einer Aufrechnung
müsste eine Aussetzung des Verfahrens wegen der vorrangigen Rechtsstreite um
die Beitragsansprüche bzw. Mindestbeiträge für die Kalenderjahre 2004 und 2005
erfolgen.
3.
Sozialversicherungsbeitrag an den Arbeitgeber auch nicht gem. § 242 BGB nach
Treu und Glauben verweigern. Zwar kann niemand etwas beanspruchen, das er
alsbald wieder herausgeben müsste (dolo agit). Wenn und soweit der polnische
Sozialversicherungsträger auf die Beiträge verzichtet oder diese nicht erhebt, ist
jedoch der Arbeitnehmer Anspruchsinhaber der abgezogenen Beiträge. Dies folgt
aus § 14 Abs. 4 VTV. Eine „Rückgabe“ des Beitrags an die Urlaubskasse ist tariflich
nicht vorgesehen. Vielmehr soll über die Bescheinigungspflicht der ULAK gem. § 14
Abs. 3 VTV sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer von der Abführung der
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Abs. 3 VTV sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer von der Abführung der
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erfährt. Sind
Sozialversicherungsbeiträge abgezogen worden, die ein (ausländischer)
Sozialversicherungsträger nicht fordert, hat nach der klaren Anordnung gem. § 14
Abs. 4 VTV der Ausgleich zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zu
erfolgen. Es ist nicht Aufgabe der ULAK, den Sozialversicherungsanteil des
Arbeitnehmers an dessen Stelle zu behalten.
4.
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz fordert (vgl. dazu im Ergebnis:
).
Der Zinsanspruch ist der Höhe nach in gem. § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, dem
Zeitpunkt nach gem. § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.