Urteil des LAG Hessen vom 29.08.2007

LAG Frankfurt: zulage, vergütung, auslegung nach dem wortlaut, arbeitsgericht, gehalt, begriff, anteil, kategorie, belastung, anpassung

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
6. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 Sa 2221/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 TVG
Übergangsversorgung, Fluglotsen, Tariflohnerhöhung
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Offenbach vom 25. Oktober 2006 – 5 Ca 298/06 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu dem tariflichen
Übergangsgeld für die Monate Mai und Juni 2006 einen
Anpassungsbetrag in Höhe von jeweils 94,61 EUR (in Worten:
Vierundneunzig und 61/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. des Folgemonats
zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab
dem Monat Mai 2006 bis auf weiteres ein Übergangsgeld in Höhe von
5.968,99 EUR (in Worten: Fünftausendneunhundertachtundsechzig und
99/100 Euro) brutto monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am 21. April 1952 geborene Kläger war seit dem 01. November 1993 als
Fluglotse in der Flugverkehrskontrollzentrale in A bei der Beklagten auf der
Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28. August/06. Oktober 1993 (Bl.
8, 9 d. A.) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet jedenfalls kraft
Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Manteltarifvertrag für die bei der Beklagten
beschäftigten Mitarbeiter vom 07. Juli 1993 und die den Manteltarifvertrag
ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge in der jeweils
gültigen Fassung Anwendung.
Die Beklagte ist ein aus der ehemaligen Bundesanstalt für Flugsicherung
hervorgegangenes Flugsicherungsunternehmen mit bundesweit mehr als 5.000
Arbeitnehmern. Sie nimmt die operativen Flugsicherungsaufgaben für den
gesamten deutschen Luftraum wahr und unterhält Niederlassungen an allen
bedeutenden deutschen Verkehrsflughäfen.
Der Kläger schied nach Vollendung des 50. Lebensjahres mit Wirkung zum 31.
Dezember 2002 aus dem Dienst wegen des Verlusts der
Flugsicherungstauglichkeit aus. Er erhält bis zum Erreichen der Altersgrenze in der
gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage des § 3 Abs. 3 des
Tarifvertrages über den Ausgleich des dauernden Verlustes der Flugtauglichkeit
gem. FISichPersAusV für bei der Beklagten beschäftigte Fluglotsen (Loss of
Licence-TV Lotsen) vom 07. Juli 1993 (Bl. 10 - 13 d. A.) in Verbindung mit dem
Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der Beklagten beschäftigten
Fluglotsen (Ü-VersTV-Lotsen) vom 07. Juli 1993 in der Fassung des
Änderungstarifvertrages vom 14. November 2002 (Bl. 17 - 23 d. A.) ein sog.
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Änderungstarifvertrages vom 14. November 2002 (Bl. 17 - 23 d. A.) ein sog.
Übergangsgeld.
Die Höhe des Übergangsgeldes bestimmt sich nach § 5 Ü-VersTV-Lotsen. Dieser
lautet auszugsweise wie folgt:
§ 5
Höhe des Übergangsgeldes
(1) Das monatliche Übergangsgeld beträgt bei einer Inanspruchnahme ab
Vollendung des 55. Lebensjahres 70% der im Vormonat zu
beanspruchenden Vergütung nach § 18 Absatz 1 Satz 2 MTV
einschließlich eines auf einen Monat entfallenden Anteils des
Urlaubsgeldes und des Weihnachtsgeldes. (...)
(2) (...)
(3) (...)
(4) Das Übergangsgeld erhöht sich jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die
Tarifgehälter angepasst werden, um den entsprechenden Prozentsatz.
(...)
§ 18 Abs. 1 Satz 2 des in Bezug genommenen Manteltarifvertrages lautet:
Die Vergütung besteht aus dem Grundbetrag nach dem
Vergütungstarifvertrag (VTV) und ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem
Zulagentarifvertrag (ZTV).
Wegen des Inhalts des § 18 MTV wird im Übrigen auf die zu den Akten gereichte
Abschrift dieser Tarifnorm (Bl. 52 d. A.) verwiesen.
Die Vergütung der Fluglotsen ist bei der Beklagten ebenfalls tariflich geregelt.
Danach erhalten die Fluglotsen eine Grundvergütung abhängig von einer
Einstufung in bestimmte Gehaltsgruppen (Gruppe 1 - 11) und abhängig von der
Einstufung in bestimmte Gehaltsstufen (Stufe 1 - 3) nach dem sog.
Vergütungstarifvertrag. Daneben erhalten die Fluglotsen eine sog. operative
Zulage, abhängig von der Einstufung in eine bestimmte Kategorie (Kategorie I -
VII) nach dem sog. Zulagentarifvertrag. Es wird insoweit Bezug genommen auf die
zuletzt gültigen Tarifverträge, den Vergütungstarifvertrag Nr. 2 vom 12. Dezember
2005 (Bl. 86 - 99 d. A.) und den Zulagentarifvertrag Nr. 2 vom 12. Dezember 2005
(Bl. 96 - 103 d. A.). Der Kläger erhielt demgemäß zuletzt im November 2002 eine
Grundvergütung nach der Vergütungsgruppe 9 Stufe 3 von € 4.484,00 und eine
operative Zulage nach der Kategorie VI von € 2.598,00.
Streitig ist zwischen den Parteien die Weitergabe einer Tariflohnerhöhung gem. § 5
Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen. Erstmals mit dem Tarifabschluss des Jahres 2005 wurde
bei der Beklagten nämlich die Vergütung der Fluglotsen hinsichtlich der
Grundvergütung gem. VTV und hinsichtlich der operativen Zulage gem. ZTV nicht
um einen einheitlichen Prozentsatz erhöht. Vielmehr wurde mit Wirkung vom 01.
Mai 2006 die Grundvergütung um 2,5% angehoben und ebenfalls mit Wirkung vom
01. Mai 2006 die operative Zulage um 7%. Diese prozentuale Tariflohnerhöhung
ab dem 01. Mai 2006 gab die Beklagte insoweit an den Kläger weiter, als sie sein
Übergangsgeld von zuletzt € 5.731,10 um 2,5% auf € 5.874,38 erhöhte.
Der Kläger ist der Ansicht, dass er unter Berücksichtigung des § 5 Abs. 4 Ü-
VersTV-Lotsen in Verbindung mit dem Tarifabschluss vom 12. Dezember 2005 ab
dem 01. Mai 2006 einen Anspruch auf ein Übergangsgeld in Höhe von € 5.968,99
brutto monatlich habe. Der Kläger meint nämlich, ihm stünde ab Mai 2006 der sich
aus der Grundvergütung ergebende Anteil des Übergangsgeldes gesteigert um
2,5% und der aus der operativen Zulage sich ergebende Anteil des
Übergangsgeldes gesteigert um 7% zu, was einen Gesamtbetrag von € 5.968,99
brutto ergebe. Hinsichtlich der Berechnung des Klägers im Einzelnen wird auf S. 6
seiner Klageschrift vom 10. Juli 2006 verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu dem tariflichen Übergangsgeld für
die Monate Mai und Juni 2006 jeweils einen Anpassungsbetrag in Höhe von
€ 94,61 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 01. des Folgemonats zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat Mai
2006 bis auf Weiteres ein Übergangsgeld in Höhe von € 5.968,99 brutto
monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass dem Kläger gem. § 5 Abs. 4 Ü-
VersTV-Lotsen als Tariferhöhung nur die für die Grundvergütung vereinbarte
prozentuale Erhöhung von 2,5% auf das dem Kläger gezahlte Übergangsgeld
zustehe. Die Beklagte meint, dies folge zum einen daraus, dass der Kläger
Anspruch auf ein Übergangsgeld habe, welches einmalig gem. § 5 Abs. 1 Ü-
VersTV-Lotsen bei Ausscheiden aus dem Dienst der Beklagten ermittelt werde,
und welches danach nicht mehr in die Berechnungskomponenten
(Grundvergütung, operative Zulage, anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld) zu
zerlegen sei. Dem stehe auch die Verwendung des Begriffs "Tarifgehälter" in § 5
Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen nicht entgegen. Mit dem Begriff sei die Grundvergütung
nach dem Vergütungstarifvertrag und nicht eine Zulage nach dem
Zulagentarifvertrag gemeint.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. Oktober 2006 abgewiesen. Das
Arbeitsgericht hat angenommen, dass bereits die Auslegung von § 5 Abs. 4 Ü-
VersTV-Lotsen zu dem Ergebnis führe, dass mit dem Begriff Tarifgehälter die
monatliche Grundvergütung nach dem Vergütungstarifvertrag gemeint sei. Dies
ergebe sich aus der Definition des Begriffs Gehalt und aus einer
Gegenüberstellung der Begriffe Gehalt und Zulage. Unter Gehalt verstehe man die
regelmäßige monatliche Bezahlung oder die Arbeitsvergütung. Das Gehalt sei die
Vergütung für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit. Das Gehalt werde
unmittelbar für die Erbringung der Arbeitsleistung gezahlt. Zulagen würden
hingegen zum Ausgleich von besonderen Umständen oder besonderen
Erschwernissen gezahlt. Dies gelte auch für die von der Beklagten gewährte
operative Zulage nach dem Zulagentarifvertrag. Diese operative Zulage werde
zum Ausgleich der mit der Tätigkeit im operativen Dienst verbundenen
Belastungen und Beanspruchungen gezahlt. Dies werde daran deutlich, dass die
operativen Zulagen nach dem Zulagentarifvertrag der Höhe nach entsprechend
der Belastungs- und Beanspruchungssituation in den verschiedenen
Niederlassungen der Beklagten variieren. Die operative Zulage der Beklagten sei
also kein Gehalt im Sinne von Vergütung für Arbeitsleistung. Dem Kläger sei auch
nicht darin zu folgen, dass unter "Tarifgehälter" im Sinne von § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-
Lotsen nur die Vergütungsbestandteile nach § 18 Abs. 1 Satz 2 des
Manteltarifvertrages zu verstehen seien. Das Arbeitsgericht hat darüber hinaus
gemeint, dass die vom Kläger vorgenommene Auslegung zu einer künstlichen
Aufsplittung des Übergangsgeldes in die ursprünglichen Berechnungsgrundlagen
führe. Die Argumentation des Klägers vernachlässige auch, dass im
Übergangsgeld zusätzlich zur Grundvergütung und zur operativen Zulage
anteiliges Weihnachts- und Urlaubsgeld enthalten sei. Es komme im Weiteren auch
nicht nur darauf an, wie man den Begriff des "Tarifgehalts" im Sinne von § 5 Abs. 4
Ü-VersTV-Lotsen verstehe, sondern auch darauf, wie man den Begriff
Übergangsgeld verstehe. Wenn man das Übergangsgeld als eine aus
Vergütungsbestandteilen zusammengesetzte Gesamtvergütung verstehe, so sei
eine unterschiedliche Erhöhung der einzelnen Bestandteile möglich. Verstehe man
das Übergangsgeld allerdings als selbstständige Vergütung, komme eine
Anpassung an die Tarifgehälter nur einheitlich mit einem Prozentsatz in Frage. Das
Übergangsgeld sei aber nach dem Ü-VersTV-Lotsen eine selbstständige
Vergütung. Das Arbeitsgericht meint, dass schließlich zu berücksichtigen sei, dass
die operative Zulage bei der Berechnung des Übergangsgeldes nur deshalb
Berücksichtigung finde, weil es einen nicht unerheblichen Anteil an der Vergütung
des Fluglotsen ausmache und deshalb sein Besitzstand gewahrt werden solle.
Letztlich meint das Arbeitsgericht, spreche auch die Umsetzung der
Tariflohnerhöhung im Hinblick auf die Einmalzahlung für das von ihm vertretene
Auslegungsergebnis. Die Einmalzahlung von 16,37% auf die tarifliche
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Auslegungsergebnis. Die Einmalzahlung von 16,37% auf die tarifliche
Grundvergütung (§ 2 Abs. 1 VTV Nr. 2) erhielten nach der tariflichen Regelung in §
2 Abs. 5 VTV Nr. 2 Empfänger des Übergangsgeldes nämlich bezogen auf das
Übergangsgeld und nicht bezogen auf den darin enthaltenen Teil der tariflichen
Grundvergütung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien,
der dort gestellten Anträge sowie die Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die
angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der in der Sitzungsniederschrift der
Berufungsverhandlung vom 29. August 2007 festgestellten und dort ersichtlichen
Fristen Berufung eingelegt. Der Kläger meint, schon die Annahme, mit dem Begriff
"Tarifgehälter" sei allein die monatliche Grundvergütung nach dem
Vergütungstarifvertrag gemeint, sei falsch und finde keine Entsprechung in dem
umfangreichen Tarifwerk der Beklagten. Das Wort "Gehalt" tauche im Übrigen auch
in § 3 VTV Nr. 2 nur in der Überschrift auf, wenn dort von der "Gehaltstabelle" die
Rede ist. Zu der Vergütung im engeren Sinne gehöre aber nicht nur die
Grundvergütung nach § 3 VTV Nr. 2, sondern gem. § 18 Abs. 1 Satz 2
Manteltarifvertrag auch die festen monatlichen Zulagen nach dem
Zulagentarifvertrag. Dies habe seinen Sinn darin, dass nach dem Willen der
Tarifvertragsparteien bei der Gehaltsbemessung nicht nur die formale Qualifikation
und die allgemeine Art der Tätigkeit des Fluglotsen, die zur tariflichen
Grundvergütung nach entsprechender Eingruppierung führe, sondern auch die
besonderen Umstände der Arbeitserbringung Berücksichtigung finden sollten
durch die operative Zulage. Der Kläger meint auch, seine Auffassung führe zu
keiner künstlichen Aufsplittung des Übergangsgeldes. Das Urlaubs- und
Weihnachtsgeld unterliege in gleicher Weise der Tarifentwicklung. Es betrage
jeweils 55% der Vergütung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 MTV. Der Kläger führt weiter
aus, dass auch die Tatsache, dass die Einmalzahlung bei den
Übergangsversorgten nicht lediglich auf die tarifliche Grundvergütung gezahlt
wurde, nicht gegen seine hier vertretene Auffassung spreche. Es sei den
Tarifvertragsparteien unbenommen, die Übergangsversorgten an diesem Punkt
gegenüber den Beschäftigten besser zu stellen. Weiter macht der Kläger
Ausführungen zu tariflichen Regelungen über die Berechnung des ruhegeldfähigen
Jahreseinkommens bei Übergangsversorgten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Ü-VersTV-Lotsen),
sowie zur Berechnung des Übergangsgeldes nach § 5 Abs. 1 Ü-VersTV-Lotsen in
der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 24. November 1993 (Bl. 109 - 114
d. A.).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 25. Oktober 2006 – 5 Ca 298/06
– abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, ihm zu dem tariflichen Übergangsgeld für die
Monate Mai und Juni 2006 jeweils einen Anpassungsbetrag in Höhe von €
94,61 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 01. des Folgemonats zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem
Monat Mai 2006 bis auf Weiteres ein Übergangsgeld in Höhe von €
5.968,99 brutto monatlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Sie meint, die Ausführungen in der
Berufungsbegründung zum Hintergrund der operativen Zulage würden vorliegend
nicht weiterhelfen, da der Kläger eben keine operative Zulage mehr erhalte,
sondern mit Eintritt in die Übergangsversorgung ein Übergangsgeld. Gerade der
Hintergrund für die Gewährung der operativen Zulage, die unterschiedliche
Belastung der Mitarbeiter der Beklagten, spreche dafür, dass vorliegend der auf
die operative Zulage angewandte Tariferhöhungsprozentsatz bei dem Kläger nicht
zur Geltung kommen müsse und solle. Es sei nämlich nicht ersichtlich, wieso eine
gesteigerte Belastung, die künftig möglicherweise durch eine überproportionale
Erhöhung der operativen Zulage ausgeglichen werden soll, auch dem Kläger
zugute kommen soll, der gar nicht mehr selbst aktiv tätig und mithin von der
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zugute kommen soll, der gar nicht mehr selbst aktiv tätig und mithin von der
Belastung nicht betroffen ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf
den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den
übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 25.
Oktober 2006 – 5 Ca 298/06 – ist schon aufgrund der Zulassung der Berufung
durch das Arbeitsgericht statthaft und außerdem form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 a, 66
ArbGG, 517, 519 ZPO).
Auch in der Sache ist die Berufung des Klägers begründet. Der Kläger hat nach § 5
Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen einen Anspruch auf Weitergabe der tariflichen
Lohnerhöhung ab dem 01. Mai 2006 im begehrten Umfang. Zu diesem Ergebnis
gelangt die Berufungskammer durch Auslegung des § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen,
die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – weil den
normativen Teil eines Tarifvertrags betreffend – nach den für die Auslegung von
Gesetzen geltenden Regeln zu erfolgen hat. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut
auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am
Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der
Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen
seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen
Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der
Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm
zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse
nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge
weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die
praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer
Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen
Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten,
zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt
.
Anders als das Arbeitsgericht meint, ist die Berufungskammer allerdings der
Ansicht, dass nicht schon der Tarifwortlaut des § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen
zweifelsfrei ergibt, dass mit dem Begriff "Tarifgehälter" nur die monatliche
Grundvergütung nach dem Vergütungstarifvertrag gemeint sein kann. Einen
derartigen eindeutigen Gebrauch des Begriffs Tarifgehalt lässt sich den
Tarifverträgen der Beklagten nicht entnehmen. Schon der Vergütungstarifvertrag
spricht nicht von Tarifgehalt, sondern von einer tariflichen Grundvergütung. Der
Begriff "Gehalt" taucht lediglich in der Überschrift des § 3 VTV Nr. 2 auf, wenn dort
von einer "Gehaltstabelle" die Rede ist. Im Übrigen verwenden die Parteien den
übergeordneten Begriff der Vergütung. § 18 Abs. 1 des Manteltarifvertrages der
Beklagten in der Fassung vom 19. November 2004 versteht unter der Vergütung
die Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag VTV und ggf. nach dem
Zulagentarifvertrag ZTV. Der Begriff des Tarifgehalts ist im Tarifwerk der Beklagten
danach an keiner Stelle definiert und taucht auch mit Ausnahme in § 5 Abs. 4 Ü-
VersTV-Lotsen an anderer Stelle nicht auf. Auch sonst kann dem Arbeitsgericht
nicht darin gefolgt werden wenn es meint, dass die operative Zulage der Beklagten
nicht als Gehalt im Sinne einer regelmäßigen monatlichen Bezahlung bzw. im
Sinne einer Vergütung für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit anzusehen ist.
Die Berufungskammer ist der Ansicht, dass die operative Zulage eine unmittelbar
für die Erbringung der Arbeitsleistung geschuldete Vergütung im Sinne eines in
den beteiligten Rechtskreisen als "Gehalt" bezeichneten Vergütungsbestandteils
zu verstehen ist. Nach der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung müsste es
sich ansonsten bei der operativen Zulage um einen Aufwendungsersatz handeln.
Dies ist ersichtlich nicht der Fall und wird bei der Beklagten auch nicht so
gehandhabt, denn dann würde die operative Zulage beispielsweise nicht im
Rahmen der Urlaubsvergütung oder der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle
gezahlt. Es steht diesem Auslegungsergebnis auch nicht entgegen, dass das
Arbeitsgericht richtigerweise darauf verweist, dass das Übergangsgeld nach dem
Ü-VersTV-Lotsen eine selbstständige Vergütung darstellt. Dies hilft nämlich für die
Auslegung des § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen deshalb nicht weiter, weil hier die
Tarifvertragsparteien die weitere Entwicklung des Übergangsgeldes im Hinblick auf
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Tarifvertragsparteien die weitere Entwicklung des Übergangsgeldes im Hinblick auf
Tariflohnerhöhungen an die Bezugsgröße der Tarifgehälter gekoppelt haben,
sodass es auch unter diesem Gesichtspunkt um die Frage der Auslegung des
Begriffs Tarifgehalt geht. Wenn das Arbeitsgericht hierzu im Weiteren meint, dass
der Umstand, dass das Übergangsgeld eine selbstständige Vergütung darstellt,
dafür spreche, dass eine Anpassung nur mit einem einheitlichen Prozentsatz
erfolgen könne, so bleibt das Arbeitsgericht jedoch die Erklärung schuldig, warum
dieser einheitliche Prozentsatz dann 2,5% und nicht 7% betragen soll. Dies
verdeutlicht wiederum, dass es letztlich nicht um die Frage der Bestimmung der
Rechtsnatur des Übergangsgeldes geht sondern um die Frage der Auslegung des
Anknüpfungspunkts für eine Erhöhung des Übergangsgeldes unter Rückgriff auf die
tarifliche Erhöhung der "Tarifgehälter".
Abgesehen von der hier vertretenen Auslegung nach dem Wortlaut sind auch
sonst keine Umstände ersichtlich, die gegen das hier vertretene
Auslegungsergebnis sprechen. Gerade die auch vom Arbeitsgericht angeführte
Besitzstandswahrung, dass nämlich die operative Zulage einen nicht
unerheblichen Anteil an der Vergütung des Fluglotsen ausmache und auch
deshalb in die Berechnung des Übergangsgeldes bei Eintritt in die
Übergangsversorgung Berücksichtigung findet, spricht im Gegenteil dafür, dass die
tarifliche Entwicklung der operativen Zulage dann auch für den
Übergangsversorgten im Rahmen einer Erhöhung seines Übergangsgeldes
Berücksichtigung finden muss. Wenn die Beklagte meint – wie in der
Berufungserwiderung ausgeführt –, dass im Hinblick auf gesteigerte Belastungen
nunmehr die operative Zulage gegenüber der tariflichen Grundvergütung höher
anzuheben ist, und dass dies nur hinsichtlich der aktiv Beschäftigten Anwendung
finden soll, so muss nach Dafürhalten der Berufungskammer § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-
Lotsen geändert werden. Solange nämlich die Erhöhung des Übergangsgeldes
entsprechend der tariflichen Entwicklung der Tarifgehälter erfolgen soll, partizipiert
der Übergangsversorgte dann eben auch an einer im Verhältnis zur tariflichen
Grundvergütung höheren Erhöhung der operativen Zulage. Auch dies ist Teil der
Besitzstandswahrung. Anderenfalls bedürfe es überhaupt keiner Erhöhungen des
Übergangsgeldes bzw. keiner die an die Tarifentwicklung der aktiv beschäftigten
Fluglotsen anknüpft. Der Wille der Tarifvertragsparteien, wie er im Wortlaut des § 5
Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen zum Ausdruck kommt ist aber gerade der, dass das
Übergangsgeld entsprechend der tariflichen Entwicklung der Tarifgehälter der aktiv
beschäftigten Fluglotsen erhöht wird. Damit partizipiert ein Übergangsversorgter
auch ggf. an einer proportional zur tariflichen Grundvergütung höheren Erhöhung
der operativen Zulage. Hiergegen sprechen auch keine
Praktikabilitätsgesichtspunkte. Es ist zwar aufwendig das Übergangsgeld jetzt in
seine Berechnungsbestandteile aufzuteilen, nämlich in die Grundvergütung und
die operative Zulage. Eine Aufteilung im Weiteren in das anteilige Urlaubs- und
Weihnachtsgeld muss nicht erfolgen, da dieses an der tariflichen Entwicklung der
Gesamtvergütung nach § 18 Abs. 1 MTV anknüpft. Es ist aber nicht ein
unüberwindbares Hindernis die Umsetzung der Tariflohnerhöhung auf die
Übergangsgelder durch entsprechende Aufsplittung auf die
Berechnungsbestandteile Grundvergütung und operative Zulage durchzuführen.
Im Übrigen wäre unter dem Argument der Praktikabilität auch eine Erhöhung der
Übergangsversorgung um 7% zu begründen. Dies zeigt, dass letztlich auch das
Praktikabilitätsargument nicht eine Beschränkung der Erhöhung der
Übergangsversorgung ab dem 01. Mai 2006 um lediglich 2,5 Prozentpunkte
begründen kann.
Letztlich spricht auch die Umsetzung der Tariflohnerhöhung im Hinblick auf die
Einmalzahlung von 16,37% auf die tarifliche Grundvergütung bei den
Übergangsversorgungen gem. § 2 Abs. 5 VTV Nr. 2 dahingehend, dass die
Übergangsversorgten diese 16,37% auf das Übergangsgeld erhalten, nicht gegen
das hier vertretene Auslegungsergebnis. Dem Kläger ist darin zuzustimmen, dass
die Tarifvertragsparteien an diesem Punkt durchaus eine Besserstellung der
Übergangsversorgten haben vereinbaren können. Es lässt sich der Regelung in § 2
Abs. 5 VTV Nr. 2 jedenfalls nicht entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien damit
§ 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen aufheben bzw. abändern wollten. Auch lässt sich
hieraus keine praktische Tarifübung ergänzend zur Auslegung heranziehen. Die
Tarifvertragsparteien standen erstmals mit dem Tarifabschluss vom 12. Dezember
2005 wegen des Umstands, dass zu diesem Zeitpunkt erstmals die tarifliche
Grundvergütung und die operativen Zulagen mit einem unterschiedlichen
Prozentsatz erhöht wurden, vor der Umsetzung dieser Tariflohnerhöhungen auf
das Übergangsgeld. Eine Tarifübung dahingehend, dass die Tarifvertragsparteien
das Übergangsgeld mit der tariflichen Grundvergütung des VTV Nr. 2 gleichgesetzt
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das Übergangsgeld mit der tariflichen Grundvergütung des VTV Nr. 2 gleichgesetzt
haben, kann aus § 2 Abs. 5 VTV Nr. 2 damit nicht hergeleitet werden. Im Übrigen
kann nach diesseits vertretener Ansicht eine Tarifübung auch nicht bestehende
tarifvertragliche Ansprüche negieren. Hierzu bedarf es schon einer
entsprechenden Änderung der anspruchsbegründenden tarifvertraglichen Norm –
hier des § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen –, soweit dies unter
Besitzstandswahrungsgesichtspunkten für bereits Übergangsgeld beziehende
Berechtigte möglich ist.
Die Beklagte hat als unterlegene Partei gem. § 91 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.