Urteil des LAG Hessen vom 22.03.2007

LAG Frankfurt: eltern, prozesskostenvorschuss, arbeitsgericht, abmahnung, vergleich, beitrag, personalakte, quelle, ratenzahlung, nebenkosten

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Ta 619/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 114 ZPO, § 115 Abs 3 ZPO
(Anspruch eines minderjährigen Kindes auf
Prozesskostenvorschuss gegen seine Eltern)
Leitsatz
Ein nach § 115 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigender Anspruch auf
Prozesskostenvorschuss eines minderjährigen Kindes gegen seine Eltern besteht nur
für Rechtsstreitigkeiten, die persönliche oder lebenswichtige Angelegenheiten des
Kindes betreffen (BAG vom 12.12.1966 – AP Nr. 1 zu § 110 ZPO). Klagen gegen eine
Abmahnung oder auf Restlohn gehören nicht dazu.
Tenor
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 30. November 2006 – 14 Ca
5605/06 – wird aufgehoben.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe gewährt mit der Maßgabe, dass kein eigener
Beitrag zu leisten ist und unter Beiordnung der Rechtsanwältin A.
Gründe
I.
Der am ... 1989 geborene Kläger hat mit seiner im August 2006 beim
Arbeitsgericht eingereichten Klage die Entfernung einer Abmahnung seines
Ausbilders aus der Personalakte verlangt. Am 19. September 2006 hat er unter
Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A beantragt. Der
Rechtsstreit endete am 16. Oktober 2006 mit gerichtlichem Vergleich, nachdem
der Beklagte sich verpflichtete die Abmahnung zurückzunehmen und aus der
Personalakte zu entfernen. Das Arbeitsgericht verlangte Nachweise darüber, dass
der Kläger von seinen Eltern einen Prozesskostenvorschuss nicht verlangen könne.
Der Kläger legte eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse seiner Eltern mit Unterlagen über deren Schulden sowie Kopien von
Kontoauszügen vor, aus denen sich Mietzahlungen und Zahlungen auf
Versicherungen und Schulden ergaben.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30. November 2006 den Antrag des
Klägers, Prozesskostenhilfe zu bewilligen zurückgewiesen mit der Begründung,
dass hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern Nachweise über die
Miethöhe, die Zahlungsverpflichtungen sowie deren Gründe nicht vorgelegt worden
seien. Gegen diesen am 07. Dezember 2006 zugestellten Beschluss hat der
Kläger am gleichen Tag beim Arbeitsgericht Beschwerde eingelegt und nochmals
eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben seiner Eltern sowie
Darlehensverträge vorgelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit
Beschluss vom 11. Dezember 2006 nicht abgeholfen und die Sache dem
Landesarbeitsgericht vorgelegt.
II.
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Auf die zulässige Beschwerde war der Beschluss des Arbeitsgerichts, mit dem der
Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen worden war,
aufzuheben. Dem Kläger war Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren
und Rechtsanwältin A beizuordnen (§§ 114, 121 Abs. 2 ZPO).
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts war schon deshalb aufzuheben, weil das
Arbeitsgericht die Angaben und Nachweise des Klägers zu den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Eltern nicht berücksichtigt hat. Diese ergeben
sich aus Bl. (B) 4 – 27 der Beiakte. Nachdem der Kläger bereits eine Erklärung
über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für sich und seine Eltern
und diverse Nachweise über deren Schulden und insbesondere Kontoauszüge
vorgelegt hatte, aus denen sich sowohl deren Einnahmen wie auch deren
Ausgaben für Miete, Nebenkosten und Zahlungen auf die Landesbausparkasse,
Versicherungen und diverse Schulden ergab, hatte der Kläger nochmals auf den
Hinweis des Gerichtes mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2006 darauf hingewiesen,
dass er kein Einkommen habe, arbeitslos ist und eine entsprechende
Bescheinigung des Arbeitsamtes vorgelegt.
2. Es kann aber dahinstehen, ob ein nach § 115 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigender
Anspruch auf Prozesskostenvorschuss des Klägers gegen seine Eltern schon
deshalb entfällt, weil diese ebenfalls nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen dazu nicht in der Lage wären.
Der Kläger hatte nämlich keinen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen
seine Eltern. Die Eltern müssen aufgrund ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem
minderjährigen, unverheirateten Kindern die Kosten nur von solchen
Rechtsstreitigkeiten bevorschussen, die persönliche oder lebenswichtige
Angelegenheiten des Kindes betreffen (BAG vom 12.12.1966 – 3 AZR 368/66 – AP
Nr. 1 zu § 110 ZPO; Palandt/Diederichsen, BGB, § 1610 Anmerkung 2 (b) cc). Zu
diesen persönlichen oder lebenswichtigen Angelegenheiten mag zwar der Bestand
eines Ausbildungsvertrages gehören. Das kann hier dahinstehen. Der Rechtsstreit
über die Berechtigung einer Abmahnung des Ausbilders gehört jedoch nicht dazu.
Hierbei handelt es sich nicht um eine grundlegende, die Persönlichkeit betreffende
Angelegenheit, sondern lediglich um eine den alltäglichen Ablauf des
Ausbildungsverhältnisses berührende Angelegenheit.
Da kein familienrechtlicher Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht, kann
dahinstehen, ob dieser durchsetzbar wäre.
3. Der Kläger selbst war jedenfalls zur Zeit des aufgehobenen Beschlusses
wirtschaftlich nicht in der Lage die Prozesskosten aufzubringen, da er kein eigenes
Einkommen hatte. Wenn sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
des Klägers später wesentlich ändern, kann das Arbeitsgericht die Entscheidung
über einen Beitrag gem. § 120 Abs. 4 ZPO ändern.
4. Hinsichtlich der nach § 114 ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegen die Abmahnung
bestehen keine Bedenken. Die Klage war schlüssig und der Beklagte hat mit dem
Vergleich die Abmahnung zurückgenommen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.