Urteil des LAG Hessen vom 26.11.2009

LAG Frankfurt: kündigung, arbeitsgericht, betriebsrat, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, dokumentation, zivilprozessrecht, quelle, ermessen

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 Ta 603/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 23 Abs 3 RVG, § 42 Abs 4 S
1 GKG 2004, § 103 Abs 2 S 1
BetrVG
Streitwert im Beschlussverfahren - Zustimmungsersetzung
zur außerordentlichen Kündigung eines
Betriebsratsmitglieds
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts
Offenbach a.M. vom 13. Oktober 2009 - 4 BV 22/08 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die zutreffende Gegenstandswertfestsetzung.
Im Ausgangsverfahren haben die Antragstellerin (Arbeitgeberin) und der
Antragsgegner (Betriebsrat) über die Zustimmung zur außerordentlichen
Kündigung des Beteiligten zu 3) (Betriebsratsvorsitzender) gestritten. Das
Arbeitsgericht Offenbach a.M. hat Beschluss vom 13. Oktober 2009 den
Gegenstandswert für das Verfahren auf 3 Bruttomonatsgehälter in Höhe von
insgesamt 41.000,- Euro festgesetzt. Dagegen wendet sich die Arbeitgeberin mit
ihrer beim Arbeitsgericht am 15. Oktober 2009 eingegangen Beschwerde und
meint, dass die Angelegenheit mit dem Regelgegenstandswert von 4.000,- Euro
angemessen bewertet sei, da es sich um eine nichtvermögensrechtliche
Streitigkeit handele. Außerdem seien die Kosten der anwaltlichen Tätigkeit nicht
nach der wirtschaftlichen Bedeutung zu bemessen. Der Betriebsrat sowie der
Betriebsratsvorsitzende halten die Festsetzung des Gegenstandswertes für
ermessen fehlerfrei.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 19. Oktober 2009 der Beschwerde
nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 33 Abs.
3 S. 1 RVG statthaft und gemäß § 33 Abs. 3 S. 3 RVG rechtzeitig eingelegt.
In der Sache ist sie unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der
anwaltlichen Tätigkeit mit 3 Bruttomonatsgehältern zutreffend festgesetzt.
Dies entspricht der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammer (vgl. z.B.
Beschluss vom 17. Mai 1999 - 5/6 Ta 580/98 -; Beschluss vom 19. Juli 2000 - 5 Ta
259/00 -), wonach bei Verfahren nach § 103 BetrVG bei der Wertfestsetzung in
Anlehnung an § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG vorzugehen ist. Die dagegen gerichteten
Einwände der Arbeitgeberin greifen nicht durch.
Da die Arbeitgeberin keine neuen Argumente vorgebracht hat, wird unter
Bezugnahme auf die zitierten Entscheidungen nur kurz auf Folgendes hingewiesen:
Der Umstand, dass es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im
Sinne des § 23 Abs. 3 RVG handelt, schließt es nicht aus, sich an vergleichbaren
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Sinne des § 23 Abs. 3 RVG handelt, schließt es nicht aus, sich an vergleichbaren
Wertvorschriften zu orientieren. Der in der gesetzlichen Bestimmung genannte
Betrag von 4.000,- Euro ist kein Regelwert, sondern lediglich ein „Ausgangs-" oder
„Anknüpfungswert“, der nur dann heranzuziehen ist, wenn im jeweiligen Fall keine
sonstigen Anknüpfungspunkte für die Wertfestsetzung ersichtlich sind.
Infolgedessen ist es nicht von vornherein ausgeschlossen bei
Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG den Gegenstandswert
entsprechend § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG festzusetzen. Dem steht auch nicht
entgegen, dass Bestandsstreitigkeiten über Arbeitsverhältnisse aufgrund der
vermögensrechtlichen Folgen entsprechender gerichtlicher Entscheidungen für die
Parteien überwiegend wirtschaftliche Bedeutung haben, der die Regelungen des §
42 Abs. 4 RVF Rechnung tragen. Denn im Gegensatz zu den Verfahren nach § 99 f
BetrVG wird im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG letztlich mit
verbindlicher Wirkung über die wirtschaftliche Bedeutung und Auswirkung der
beabsichtigten Kündigung entschieden. Das Zustimmungsersetzungsverfahren
stellt praktisch den vorweggenommenen Kündigungsschutzprozess dar. Wird - wie
im Streitfall - der Antrag der Arbeitgeberin auf Zustimmungsersetzung
zurückgewiesen, steht der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des
Betriebsratsvorsitzenden kündigungsschutzrechtlich fest. Im umgekehrten Fall ist
in einem späteren Kündigungsschutzverfahren das Gericht an die Feststellung
gebunden, dass die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt ist.
Allerdings ist bei der Bemessung des Gegenstandswertes - worauf die
Arbeitgeberin im Ausgangspunkt zutreffend hinweist - auch dem Umstand
Rechnung zu tragen, dass die der Arbeitgeberin gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG
obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, nicht zu einer
unangemessenen Belastung führen darf (vgl. Hessisches LAG 12. Juni 2009 - 5 Ta
200/09 -). Dies bedeutet aber nicht, dass die wirtschaftlichen Folgen einer
Maßnahme für die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit
überhaupt keine Berücksichtigung finden könnten. Bei der Prüfung, ob der
„Ausgangs-" oder „Anknüpfungswert" des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu erhöhen oder
zu reduzieren ist, ist insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit für den
Auftraggeber des Rechtsanwalts maßgeblich (vgl. Hessisches LAG 17. März 2008 -
5 Ta 204/08 -), welche wiederum unter anderem durch die wirtschaftlichen Folgen
einer Maßnahme beeinflusst werden kann (vgl. Hessisches LAG 01. Juni 2004 - 5 Ta
371/04 -; Hessisches LAG 12. Juni 2009 - 5 Ta 200/09 -).
Der Höhe nach ist es wegen der präjudiziellen Wirkung des Beschlussverfahrens für
das individualrechtliche Kündigungsschutzverfahren regelmäßig geboten, den
vollen Streitwertrahmen auszuschöpfen.
III.
Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 33 Abs. 4
Satz 3 RVG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.