Urteil des LAG Hessen vom 02.10.2007

LAG Frankfurt: nachlass, beschränkung, zwangsvollstreckung, erbe, arbeitsgericht, mexiko, gesellschafter, anfang, abweisung, insolvenz

1
2
3
4
Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8/11 Sa 2110/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 BetrAVG, § 1990 BGB, §
1973 BGB, § 1974 BGB, §
780 ZPO
(Betriebliche Altersversorgung - Einrede der
Nachlasserschöpfung - Erbenhaftung)
Leitsatz
1) Erhebt der Erbe die Einrede der Erschöpfung des Nachlasses (§§ 1990, 780 BGB)
kann die Klage nur abgewiesen werden, wenn unstreitig ist, dass im Nachlass keinerlei
Vermögenswerte mehr enthalten sind. Ansonsten ist im Urteil der Vorbehalt der
Beschränkung der Haftung auf den Nachlass aufzunehmen.
2) Ein Teilunterliegen liegt nicht vor wenn der Vorbehalt der beschränkten Haftung in
das Urteil aufgenommen wird.
Tenor
1.Das Urteil des Arbeitsgerichts in Gießen vom 17.11.2006 – 7 Ca 33/05 – wird
abgeändert:
a)Der Beklagte wird verurteilt, als Gesamtschuldner mit A und mit B, an den Kläger
4.947,20 EUR (in Worten: Viertausend-neunhundertsiebenundvierzig und 20/100
Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit
dem 01.04.2005 zu zahlen.
b)Dem Beklagten wird als Miterben die Beschränkung seiner Haftung auf den
Nachlass des C vorbehalten.
2.Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten als Miterben seines früheren Arbeitgebers und
Versorgungsverpflichteten Betriebsrente von jeweils € 2.473,60 für die Monate
Dezember 2004 und Januar 2005.
Der am 14. März 1921 geborene Kläger war bis 1981 im Forstbetrieb des C
angestellt. Dieser hatte ihm betriebliche Altersversorgung zugesagt. Dem Kläger
stand ab Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Betriebsrente zu, zuletzt in Höhe
von € 2.473,60 monatlich.
Nachdem er 1989 den Forstbetrieb auf die Forstbetrieb GbR übertragen hatte,
verstarb C am 25.09.1990. Seine Erben sind der Berufungsbeklagte sowie B
(Beklagter zu 1. in der 1. Instanz) und A, der in Mexiko seinen Wohnsitz hat.
Seit 1990 hatte die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die den Forstbetrieb
übernommen hatte und den Versorgungsverpflichtungen vertraglich beigetreten
war, die Betriebsrente an den Kläger gezahlt. Diese Zahlungen stellte sie im
November 2004 ein.
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Der Kläger machte seine Rentenansprüche zunächst gegen die Gesellschafter der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltend, über deren Vermögen im März 2005 das
Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der PSV lehnte eine Einstandspflicht für
Rentenansprüche des Klägers im Zusammenhang mit diesem Insolvenzverfahren
ab, da nicht die insolvente Gesellschaft bürgerlichen Rechts ursprünglicher
Versorgungsschuldner war, sondern nur aufgrund einseitigen Schuldbeitritts erfüllt
hatte. Daraufhin machte der Kläger mit Schreiben vom 20. Mai 2005 seine
Betriebsrentenansprüche gegenüber dem Nachlass des verstorbenen C geltend.
Dessen Erben beantragten mit Schreiben vom 07.06.2005 die Eröffnung des
Nachlass-Insolvenzverfahrens. Das Amtsgericht Friedberg lehnte nach Einholung
einer gutachterlichen Stellungnahme des Rechtsanwalts D (Anlage 1 zum
Schriftsatz des Beklagten vom 10. April 2007, Bl. 232 ff. d. A.) die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse
ab.
Der Pensionssicherungsverein trat darauf für die 6 Monate von Februar bis Juli
rückwirkend ein.
Die Renten für Dezember 2004 und Januar 2005 hat der Kläger erstinstanzlich
gegen die A als Beklagten zu 1. und E als Beklagten zu 2. geltend gemacht.
Diese haben die Einrede der Dürftigkeit und Erschöpfung des Nachlasses erhoben.
Der Nachlass sei von Anfang an vermögenslos gewesen. Dass aufgrund von
Versorgungsverbindlichkeiten der Nachlass überschuldet und zahlungsunfähig sich
darstelle, sei erst im Mai 2005 erkennbar geworden, als der Kläger
Rentenforderungen gegen den Nachlass geltend machte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage gegen den Beklagten zu 2. mit Teilurteil vom 17.
November 2006 abgewiesen, auf das Bezug genommen wird. Hinsichtlich des
Beklagten zu 1. hatte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom gleichen Tag
festgestellt, dass der Rechtsstreit gegen diesen unterbrochen sei. Diesen
Beschluss hat das Hessische Landesarbeitsgericht mittlerweile (Beschluss vom 21.
März 2007 - 8/12 Ta 608/06) aufgehoben.
Gegen das Teilurteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er vertritt die
Auffassung, der Beklagte hafte unbeschränkt, da er kein Inventarverzeichnis
vorlegte und er hafte wegen unsachgemäßer Verwaltung des Nachlasses und weil
er das Nachlass-Insolvenzverfahren verspätet beantragt habe. Jedenfalls seien
noch Werte im Nachlass vorhanden wie Schmuck und Sammlungen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gießen - Az.: 7 Ca 33/05 -
vom 17.11.2006 den Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner mit A und mit
B, an den Kläger € 4.947,20 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszins seit dem 01.04.2005 zu zahlen;
hilfsweise, den Nachlass an den Kläger herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen;
hilfsweise, die Klage als zurzeit unzulässig abzuweisen;
hilfsweise, dem Berufungsbeklagten wird als Miterben die Beschränkung seiner
Haftung auf den Nachlass des C vorbehalten.
Der Beklagte behauptet, es sei kein geldwerter Nachlass vorhanden. Im Jahr 1989
habe C im Rahmen der Ordnung seines Nachlasses unter Lebenden sein
gesamtes Vermögen, also alle Vermögensgegenstände und alle seine
Verbindlichkeiten auf verschiedene Gesellschaften des bürgerlichen Rechts
übertragen. Als er am 25. September 1990 verstarb, sei auch kein geldwerter
Nachlass mehr vorhanden gewesen. Auch der Gutachter habe festgestellt, dass
kein geldwerter Nachlass vorhanden sei, sondern der Nachlass mit ca. € 2,2 Mio.
Pensionsverbindlichkeiten überschuldet sei. Weiter macht der Beklagte die
Verschweigungseinrede des § 1974 BGB geltend, da der Kläger seine Ansprüche
gegenüber den Erben später als 5 Jahre nach dem 1990 eingetretenen Erbfall
geltend machte, nämlich erstmals im Jahr 2005.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
17
18
19
20
21
22
23
24
25
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klage ist unter Vorbehalt der Haftung auf den Nachlass begründet.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass C dem Kläger zur Zahlung einer
Betriebsrente verpflichtet war und der Beklagte einer der Erben des 1990
verstorbenen C ist. Weiter ist zwischen den Parteien unstreitig, dass diese
Verpflichtung sich für die Monate Dezember 2004 und Januar 2005 auf je €
2.473,60 belief.
Gemäß § 1922 BGB ist diese Verpflichtung auf den Beklagten als einen der Erben
übergegangen. Auf die Einrede des Beklagten nach den §§ 1990 BGB, 780 ZPO
war dem Kläger allerdings die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass des
C vorzubehalten.
Gemäß § 1990 BGB kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers
insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht wenn die Eröffnung des
Nachlass-Insolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden
Masse nicht tunlich ist. Maßgebender Zeitpunkt dafür ist nicht der Zeitpunkt des
Erbfalls und auch nicht derjenige der Geltendmachung des Anspruchs sondern der
der Entscheidung über die Einrede (Palandt, BGB, § 1990 Rz 3; BGHZ 85, S. 274).
Schon bei Erhebung der Einrede hatte das Amtsgericht Friedberg die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über den Nachlass mangels einer die Kosten des
Verfahrens entsprechenden Masse abgewiesen. Diese Entscheidung des
Amtsgerichts ist für das erkennende Gericht bindend (vgl. Staudinger/Marotzke,
BGB, § 1990 Rz 6, m. w. N.).
Es kann dahinstehen, ob eine völlige Erschöpfung des Nachlasses zu einer völligen
Abweisung der Klage führen darf. Das ist nämlich nur dann der Fall, wenn unstreitig
ist, dass im Nachlass nicht nur eine ungenügende Masse, sondern überhaupt
keine Vermögenswerte vorhanden sind (vgl. dazu Staudinger/Marotzke, BGB, §
1990 Rz 22). Ist die Erschöpfung streitig, ist der Erbe auf den Vorbehalt nach § 780
ZPO verwiesen (vgl. Staudinger/Marotzke, a. a. O.; Palandt, § 1990 Rz 12). Die
Feststellung, ob und in welchem Umfang der Nachlass noch zur Befriedigung der
geltend gemachten Forderung ausreicht, ist dem Vollstreckungsverfahren zu
überlassen. Der Beklagte hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass im Nachlass
nichts vorhanden war und ist. Auch wenn der Erblasser sein gesamtes Vermögen
noch zu Lebzeiten auf verschiedene Gesellschaften bürgerlichen Rechts
übertragen und mit seinem ältesten Sohn einen Erbvertrag geschlossen hat,
ergibt sich angesichts der Stellung und des früheren Vermögens des Erblassers
nicht, dass keinerlei geldwerte Vermögensgegenstände - etwa Schmuck und
Sonderstücke - im Eigentum des Erblassers verblieben und in den Nachlass
kamen. Jedenfalls war kein Inventarverzeichnis errichtet worden.
Soweit sich der Kläger auf Schadenersatzansprüche wegen ungenügender
Verwaltung und verspäteter Anmeldung des Nachlass-Insolvenzverfahrens beruft,
ist das tatsächliche Vorbringen hierzu unsubstantiiert und dem steht die Einrede
des § 1973 BGB i. V. m. § 1974 BGB entgegen, die ebenfalls zum Vorbehalt nach §
780 ZPO führt. Der Kläger hat nicht substantiiert dargetan, dass der Beklagte den
Nachlass schlecht verwaltet hätte oder dass er Anlass gehabt hätte, früher die
Nachlass-Insolvenz zu beantragen. Der Kläger selbst ist erst im Jahr 2005 darauf
gekommen, dass er den Beklagten als Erben in Anspruch nehmen könnte. Wegen
der Versäumung der Frist des § 1974 BGB von 5 Jahren steht der Kläger einem
ausgeschlossenen Nachlassgläubiger gleich und nach § 1973 BGB kann der
Beklagte seine Befriedigung, soweit sie über den verbleibenden Nachlass
hinausgeht, verweigern.
Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da er unterlegen ist. Ein
Teilunterliegen des Klägers liegt auch nicht im Hinblick darauf vor, dass der
Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung in das Urteil aufgenommen ist (vgl.
Staudinger/Marotzke, BGB, § 1990 Rz 21). Die Beschränkung der Haftung bleibt
nämlich in der Zwangsvollstreckung unberücksichtigt bis aufgrund derselben
gegen die Zwangsvollstreckung von dem Erben Einwendungen erhoben werden (§
781 ZPO). Der Kläger hat deshalb obsiegt und einen Titel erwirkt, aus dem er die
Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten betreiben kann.
26 Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.