Urteil des LAG Hessen vom 23.11.2009
LAG Frankfurt: schweigen, vertreter, auflage, pauschal, verzinsung, telekommunikation, post, arbeitsgericht, gerichtsakte, berufungsbeklagter
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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
13. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 Ta 614/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 91 Abs 1 ZPO, § 91 Abs 2
ZPO
(Kostenfestsetzung - Beauftragung eines Rechtsanwalts
bei nur "fristwahrend" eingelegtem Rechtsmittel -
Stillhalteabkommen)
Leitsatz
Grundsätzlich kann ein Berufungsbeklagter die Kosten seines Rechtsanwalts auch dann
nach Berufungsrücknahme erstattet verlangen, wenn die Berufung nur "fristwahrend"
eingelegt war.
Etwas anderes gilt nur, wenn ein sogenanntes "Stillhalteabkommen"
zustandegekommen ist. Dazu reicht die Äußerung einer "Stillhaltebitte" ohen Reaktion
der Gegenseite nicht aus.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss
des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juli 2009 - 7 Ca 6191/08 - wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Nach erstinstanzlichem Prozessverlust legte die Klägerin beim erkennenden
Gericht am 6. Februar 2009 Berufung ein (Az: 16 Sa 202/09). Mit Schreiben vom 5.
Februar 2009 bat der Klägervertreter den Vertreter der Beklagten, sich einstweilen
nicht im Berufungsverfahren zu bestellen, da noch nicht feststehe, ob die Berufung
durchgeführt wird. Der Beklagtenvertreter reagierte auf dieses Schreiben nicht und
meldete sich mit Schriftsatz vom 18. Februar 2009 zur Gerichtsakte mit dem
Antrag, die Berufung zurückzuweisen.
Am 9. April 2009 nahm die Klägerin sodann die Berufung zurück. Entsprechend
wurden ihr durch Beschluss vom 14. April 2009 die Kosten der Berufung auferlegt.
Am 16. April 2009 beantragte die Beklagte die Kostenfestsetzung gegen die
Klägerin wie folgt:
1.6 Verfahrensgebühr (Berufg./Beschw,.) (§§ 2 Abs. 2, 13 RVG 9.572,40 € 777,60
€
Post + Telekommunikation (pauschal) (§ 2 Abs. 2 RVG i.v.m. Nr. 7002 VV
RVG
20,00 €
Endsumme
797,60
€
Zugleich wurde Verzinsung seit Antragseingang (17. April 2009) beantragt.
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Durch Beschluss vom 16. Juli 2009 erließ der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht
den begehrten Kostenfestsetzungsbeschluss nach Antrag. Nach Zustellung dieses
Beschlusses am 30. Juli 2009 legte die Klägerin, eingegangen am 31. Juli 2009,
sofortige Beschwerde ein mit Ansicht, nach der am 5. Februar 2009 geäußerten
"Stillhaltebitte" sei der Beklagten eine Kostenfestsetzung nicht gestattet.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde am 27. Oktober 2009 nicht
abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf
den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 2
ZPO; 11 Abs. 1 RPflG; 78 ArbGG statthaft, der Beschwerdewert von mehr als
200,00 EUR ist erreicht. Auch im Übrigen ist die Beschwerde zulässig,
insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1
ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Die Beklagte kann von der Klägerin die Erstattung der begehrten Kosten
verlangen. Der Rechtspfleger hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zu
Recht entsprochen.
Nach dem Gesetz (§ 91 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) hat die unterliegende Partei die
Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Diese Pflicht reicht so weit, wie die Kosten zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig
waren. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsansicht, dass der Berufungsgegner,
selbst wenn ein Rechtsmittel ausdrücklich nur „fristwahrend“ eingelegt wurde,
grundsätzlich sofort einen Anwalt mit seiner Vertretung im Berufungsverfahren
beauftragen kann, ohne gegen die Grundsätze des § 91 ZPO zu verstoßen
Dem folgt die erkennende Kammer seit langem (vgl.
. Gemäß § 91 Abs. 2
Satz 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren
und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu
entnehmen, dass eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf
und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine
Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur
vorsorglich eingelegt wird, ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen.
Eine derartige Einschränkung lässt sich auch § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht
entnehmen. Es muss genügen, dass der Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in
einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten darf (BAG
und BGH, a.a.O.).
Diese Grundsätze gelten jedoch dann nicht, wenn die Parteien ein sogenanntes
Stillhalteabkommen geschlossen haben, also eine Vereinbarung, nach der sich der
Vertreter des Berufungsbeklagten so lange nicht zu den Akten der zweiten Instanz
legitimieren soll, bis sich der Berufungskläger darüber klar geworden ist, ob er die
Berufung tatsächlich durchführen will oder nicht. Auch hierüber besteht
weitgehende Einigkeit (vgl. Gerold/Schmidt /von Eicken /Madert /Müller-Rabe
/Mayer /Burhoff, RVG, 18. Auflage 2008, Nr. 3200 VV Randziffer 67 m. w. N.;
Baumbach/…/Hartmann, ZPO, 67. Auflage 2009, § 91 Randziffer 161; LAG
Schleswig-Holstein vom 1. September 2006, NZA-RR 2007, 99; KG vom 09. Mai
2005 a.a.O.; OLG Zweibrücken vom 12. November 2001 - 4 W 60/01 -, zitiert nach
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2005 a.a.O.; OLG Zweibrücken vom 12. November 2001 - 4 W 60/01 -, zitiert nach
Juris; Sächsisches LAG vom 04. April 2000 - 9 Sa 64/00 -, zitiert nach Juris; OLG
Karlsruhe vom 28. April 1999, NJW - RR 2000, 512; OLG Karlsruhe vom 02. Juni
1998 - 3 W 29/98-, zitiert nach Juris; OLG Düsseldorf vom 09. Februar 1995, NJW -
RR 1996, 54). Streit herrscht insoweit allenfalls noch über die Frage, ob das
Schweigen des Rechtsmittelbeklagten auf eine entsprechende „Stillhaltebitte“
schon bindend wirkt oder nicht (vgl. dazu Gerold/Schmidt/…/, a. a. O., Randziffer 70
m. w. N. und OLG Düsseldorf, a.a.O.). Dies ist mit der h.M. abzulehnen (ebenso z.
B. BGH vom 9. Oktober 2003, NJW 2004, 73; LAG Thüringen AGS 2001, 286;
Gerold/Schmidt/…/, a.a.O.; Kammerbeschlüsse vom 15. März 2006, 10. April 2007
und 13. November 2008, a.a.O.; a. A. OLG Bamberg AGS 2000, 170; BayVGH
JurBüro 1994, 349). Allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre folgend kann in
bloßem Schweigen auf ein Angebot keine Zustimmung erkannt werden.
Hier hat der Beklagtenvertreter auf die Stillhaltebitte des Klägervertreters nicht
reagiert. Ein Stillhalteabkommen, das die Beklagte hindern könnte, die ihr
entstandenen Kosten gegen die Klägerin festsetzen zu lassen, ist deshalb nicht zu
Stande gekommen.
Die Kostenfestsetzung zulasten der Klägerin war deshalb gerechtfertigt. Auch
hinsichtlich der Höhe der Kosten bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Einwendungen wurden insoweit auch nicht erhoben
Die Kostenentscheidung für die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 97 Abs. 1
ZPO. Danach hat die Klägerin als Unterlegene die entsprechenden Kosten zu
tragen. Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus Nr. 8614 der Anlage 1
zu § 34 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.