Urteil des LAG Hessen vom 12.03.2007
LAG Frankfurt: sitz im ausland, juristische person, gemeinsame einrichtung, baugewerbe, begriff, bergbau, republik, gewinnung, urproduktion, tarifvertrag
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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
16. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 Sa 1478/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, § 3 Abs 1 TVG
Tarifauslegung - Sozialkassenverfahren - Bergbau -
Baugewerbe
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Wiesbaden vom 01. August 2006 – 8 Ca 59/05 – wird auf Kosten des
Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin verpflichtet ist, ab 01. Oktober
2002 am bautariflichen Urlaubskassenverfahren teilzunehmen.
Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des
Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen
Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe
(BRTV/Bau); Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV))
insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen
Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen
unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten
Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen
Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
Die Klägerin ist eine juristische Person slowakischen Rechts mit Sitz in Bratislava
(Slowakische Republik). Auf der Grundlage eines Werkvertrages vom 01. Oktober
2002 mit der A GmbH in X1 und eines Rahmenvertrages vom 01./08. Dezember
2004 mit der B GmbH führt sie seit dem 01. Oktober 2002 bei der B GmbH in X2 in
deren Steinkohlebergwerk mit aus der Slowakischen Republik entsandten
Arbeitnehmern Arbeiten durch. Diese bestehen darin, Gestein durch Sprengungen
abzubrechen und Haufwerk abzufördern, Schächte mittels Vollhinterfüllung mit
Beton bzw. durch Einbringen von Blechen, Stahlmatten und Stützen zu sichern
sowie Gleise und Rohrleitungen zu verlegen. In der Slowakischen Republik werden
von der Beklagten gleichartige Tätigkeiten durchgeführt.
Nachdem der Beklagte von der Klägerin für die Zeit ab Aufnahme ihrer Tätigkeit in
der Bundesrepublik Deutschland die Teilnahme am Urlaubskassenverfahren der
Bauwirtschaft verlangt, die Klägerin dieses Begehren zurückgewiesen und der
Beklagte auf seinem Begehren beharrt hatte, begehrt die Klägerin mit Ihrer Klage
die Feststellung, dass sie nicht zur Teilnahme am Urlaubskassenverfahren
verpflichtet sei.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie erbringe weder in der Bundesrepublik
Deutschland noch in der Slowakischen Republik bauliche Leistungen. Bei ihrem
Betrieb handele es sich vielmehr um einen solchen des Bergbaus. Die von ihr
arbeitszeitlich überwiegend seit dem 01. Oktober 2002 erbrachten Arbeiten im
Bergwerk seien unmittelbar der Rohstoffgewinnung zuzurechnen, da sie Arbeiten
durchführe, die Vor- und Folgearbeiten der Rohstoffgewinnung seien. Das belege
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durchführe, die Vor- und Folgearbeiten der Rohstoffgewinnung seien. Das belege
auch ein Gutachten der Technischen Universität Bergakademie Freiburg (Bl. 85 bis
88 d. A.).
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass sie ab dem 01. Oktober 2002 nicht zur Teilnahme am
Urlaubskassenverfahren verpflichtet ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Teilnahme am
Urlaubskassenverfahren verpflichtet, weil es sich bei den von ihr durchgeführten
Arbeiten um bauliche Leistungen im tariflichen Sinne, nämlich insbesondere um
Schacht- und Tunnelbauarbeiten handele. Die von der Beklagten durchgeführten
Arbeiten dienten nicht dazu, Rohstoffe abzubauen, sondern lediglich dem
Streckenvortrieb und damit nur der Vorbereitung eines späteren Rohstoffabbaus.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 01. August 2006 stattgegeben.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils (Bl. 123 bis 133 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Kläger innerhalb der zur Niederschrift über
die Berufungsverhandlung am 12. März 2007 festgestellten und dort ersichtlichen
Fristen Berufung eingelegt.
Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren auf Klageabweisung in vollem Umfang
weiter und wiederholt und vertieft seine Auffassung, wonach es sich bei den von
der Klägerin durchgeführten Arbeiten sämtlich um solche des Baugewerbes
handele, meint Streckenvortriebsarbeiten seien klassische Schachtbauarbeiten im
bautariflichen Sinne und trägt vor, allein der Umstand, dass derartige Arbeiten u.
U. auch dem Bundesberggesetz unterfielen, könne nichts daran ändern, dass die
Tarifvertragsparteien des Baugewerbes alle die Tätigkeiten, die unter den
Beispielkatalog ihres Tarifvertrages fielen als bauliche Tätigkeiten gewertet sehen
möchten.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung, verteidigt das angefochtene
Urteil und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf
den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die
Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 12. März 2007 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet
hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG)
keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig
und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und
damit insgesamt zulässig.
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zur
Recht stattgegeben.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Klägerin hat nämlich ein Interesse an
alsbaldiger Feststellung, ob sie für Zeiten ab dem 01. Oktober 2002 zur Teilnahme
am Urlaubskassenverfahren verpflichtet ist, weil sich der Beklagte derartiger
Ansprüche gegenüber der Klägerin für die gesamte Zeit ihrer Tätigkeit in
Deutschland berühmt. Denn insoweit handelt es sich um einen Streit zwischen den
Parteien, ob ein entsprechendes Rechtsverhältnis zwischen ihnen besteht (
)
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin schuldet dem Beklagten weder die Erteilung von Auskünften noch die
Zahlung von Beiträgen und damit auch nicht die Teilnahme am bautariflichen
Urlaubskassenverfahren. Denn für eine Verpflichtung der Klägerin zur Teilnahme
am Urlaubskassenverfahren fehlt eine Rechtsgrundlage.
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Als allein mögliche Rechtsgrundlage kommt § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG in Verbindung
mit § 8 Ziffer 15.1 BRTV/Bau und den einschlägigen Bestimmungen des VTV nicht
in Betracht.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG ist ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland verpflichtet,
einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes wie
dem Kläger, dem nach für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen die
Einziehung von Urlaubskassenbeiträgen übertragen ist, diese Beiträge zu leisten.
Diese gesetzliche Erstreckung von tarifvertraglichen Normen, die aufgrund AVE für
inländische Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, auf Arbeitgeber mit Sitz im
Ausland und ihre im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten
Arbeitnehmer erfasst freilich nur einen solchen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland,
dessen Betrieb von einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag des
Baugewerbes erfasst wird (
). Das ist hier bezüglich der Klägerin nicht der Fall.
Die von der Klägerin seit 01. Oktober 2002 überwiegend sowohl in Deutschland wie
in der Slowakischen Republik ausgeführten Tätigkeiten sind keine solchen, die
unter den Geltungsbereich der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des
Baugewerbes fallen. Die von der Beklagten in Deutschland überwiegend
durchgeführten Arbeiten, werden nämlich nicht vom betrieblichen Geltungsbereich
von BRTV/Bau und VTV erfasst.
Nach § 1 Abs. 2 S. 2 VTV und BRTV/Bau fallen unter den betrieblichen
Geltungsbereich des Tarifvertrages "Betriebe des Baugewerbes". Nach § 1 Abs. 2
S. 2 sind das alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV
fallen. Nach § 1 Abs. 2 Abschn. V gehören zu den in den Abschnitten I bis III
genannten Betrieben z. B. diejenigen, in denen Arbeiten der in den Folgeziffern von
Abschn. V aufgeführten Art ausgeführt werden.
Mit dieser Ausgestaltung der betrieblichen Geltungsbereichsbestimmungen
bringen die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes erkennbar zweierlei zum
Ausdruck:
Zum einen wird der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, dass sie mit den von
ihnen abgeschlossenen Tarifverträgen nicht jeden Betrieb erfassen wollen, in dem
im allgemeinen Wortsinn "Bauarbeiten" verrichtet werden. Denn erfasst werden
sollen nur "Betriebe des Baugewerbes", also nur solche Betriebe, die
terminologisch dem "Baugewerbe" zuzurechnen sind
. Das schließt es aus, den weiten Begriff von
"Bauleistungen" zugrunde zu legen, der dem allgemeinen Sprachgebrauch
entspricht, nach dem hierunter alles zu verstehen ist, was planmäßig
zusammengefügt bzw. errichtet wird, z. B. auch die Herstellung einer Geige (
. Zum
anderen müssen die vom Betrieb durchgeführten Tätigkeiten auch gewerblich
geleistet werden. Das zeigt sich nicht nur darin, dass § 1 Abs. 2 S. 1 VTV von
Betrieben des Baugewerbes spricht. Verdeutlicht wird dies unmissverständlich
dadurch, dass die Abschnitte I bis III ausdrücklich von der gewerblichen Erstellung
von Bauten (Abschn. I) bzw. von Betrieben sprechen, die bauliche Leistungen
"gewerblich" erbringen. Das kann nur bedeuten, dass die Gewerbsmäßigkeit der
Tätigkeit ein allgemeines Tatbestandsmerkmal der betrieblichen
Geltungsbereichsbestimmungen ist, welches unabhängig von den
Detailregelungen der Abschn. I bis III vorliegen muss (
).
Was sie unter dem von ihnen verwendeten Begriff "gewerblich" verstanden wissen
wollen, haben die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nicht selbst definiert.
Verwenden indessen die Tarifvertragsparteien in einem Tarifvertrag einen Begriff,
der in der Rechtsterminologie eine bestimmte vorgegebene Bedeutung hat, dann
ist davon auszugehen, dass sie ihn auch in ihrem Regelungsbereich, sofern sie
nicht selbst etwas anderes bestimmen, in seiner allgemeinen rechtlichen
Bedeutung verwenden und angewandt wissen wollen
. Danach muss davon ausgegangen
werden, dass die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes den von ihnen als
Wortbestandteil von "Baugewerbe" verwendeten Begriffsteil, nämlich den des
"Gewerbes", nicht anders als den in Abschn. I bis II verwendeten Begriff
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"Gewerbes", nicht anders als den in Abschn. I bis II verwendeten Begriff
"gewerblich", in seiner allgemeinen Bedeutung als Fachbegriff des öffentlichen
Rechts, insbesondere des Gewerberechts, verstanden wissen wollen
.
Der Begriff des Gewerbes ist historisch gewachsen und wird demgemäß in der
Gewerbeordnung und dem sonstigen Gewerberecht als vorgegeben angesehen
und zugrunde gelegt. In seiner Bedeutung ist er in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung und in der Rechtslehre nicht umstritten, sondern als feststehend
anerkannt. Dieser dem staatlichen Gewerberecht und insbesondere der GewO
zugrunde liegende Gewerbebegriff, den die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes
in Bezug genommen haben, umfasst alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die
auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden,
unter Ausschluss der Urproduktion
.
Urproduktion ist nichts anderes als die Gewinnung von rohen Naturerzeugnissen.
Dazu zählt die Gewinnung Mineralien aller Art und damit auch der Bergbau
.
Die von der Klägerin arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Arbeiten sind
solche des Bergbaus.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist Bergbau die Gewinnung von
Bodenschätzen, die auf ihrer natürlichen Lagerstätte zur unmittelbaren
Verwertung, zum Verkauf oder auch nur zur Weiterverwertung abgebaut werden.
Nach der Fachsprache des Arbeits- und Wirtschaftslebens umfasst die
bergbauliche Tätigkeit des Gewinnens von Bodenschätzen nicht nur die eigentliche
Kerntätigkeit des unmittelbaren Abbaus. Vielmehr zählen zum "Gewinnen von
Bodenschätzen" auch die mit dem Lösen und Fördern zusammenhängenden
vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten
. Das zeigt zum einen ein Blick in das
berufskundliche Schrifttum. Berufskundlich werden herkömmlicherweise nämlich
solche begleitenden Tätigkeiten schon immer dem Beruf des Bergmanns
zugerechnet
.
Bestätigt wird diese Sicht durch § 4 Abs. 2 Bundesberggesetz (BBergG), wonach
unter Gewinnen von Bodenschätzen das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen
"einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden oder
nachfolgenden Tätigkeiten" zu verstehen ist Denn das BBergG enthält zwar keine
tarifvertragliche Zuordnung von Betrieben. Diese kann es auch nicht enthalten,
weil die Festlegung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrags Sache der
Tarifvertragsparteien ist. Wohl aber ergibt sich aus den Regelungen des BBergG,
welcher Begriffsinhalt von "Bergbau" der rechtlich grundsätzlich maßgebliche ist.
Bei dieser Sachlage bedürfte es im Hinblick auf die Prinzipien der Rechtssicherheit
und Rechtsklarheit konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien
einen abweichenden (engeren) Begriff des "Bergbaus" zugrunde gelegt haben.
Solche Anhaltspunkte fehlen (
).
Danach entfällt der überwiegende Teil der betrieblichen Arbeitszeit der Klägerin auf
bergbauliche und damit nichtgewerbliche Tätigkeiten. Denn arbeitszeitlich
überwiegend werden Tätigkeiten ausgeführt, die das Lösen oder Freisetzen von
Bodenschätzen vorbereiten, begleiten oder derartigen Tätigkeiten nachfolgen.
Sämtliche von den Arbeitnehmern der Klägerin im Bergwerk in X2 durchgeführten
Arbeiten sind nämlich darauf ausgerichtet, die Gewinnung von Bodenschätzen
sachgerecht zu ermöglichen. Denn eine sachgerechte Förderung von
Bodenschätzen ist nur möglich, wenn erforderliche Gleise für den Transport
verlegt, Lüftungs- und Rohrleitungen zur unterirdischen Versorgung mit Luft,
Wasser und Elektrizität montiert, Stahlmatten eingebaut, sowie Verbolzungen,
Betonierungen und Aufmauerungen für die Schächte vorgenommen werden. Alle
derartigen Arbeiten dienen dazu, den Abbau von Bodenschätzen möglichst sicher
und gefahrlos zu gestalten und Bergschäden zu vermeiden.
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Etwas anderes gilt schließlich auch nicht deshalb, weil die Tarifvertragsparteien im
Beispielskatalog des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 26 VTV "Schachtbau- und
Tunnelbauarbeiten" ohne jede Einschränkung nennen.
Die Zuordnung der durchgeführten Tätigkeiten zu einem der in Abschn. V
aufgeführten Beispielstätigkeiten ersetzt lediglich die Klassifizierung dieser
Tätigkeiten als "bauliche Leistungen" iSd Abschnitte I bis III, nicht aber die Prüfung,
ob die Tätigkeiten gewerblich durchgeführt werden. Wenn die Tarifvertragsparteien
nämlich im Einleitungssatz des Abschn. V davon sprechen, dass diejenigen
Betriebe, die Tätigkeiten des Beispielskatalogs ausführen, "zu den in Abschnitten I
bis III genannten Betrieben gehören", nehmen sie damit auf die in Abschn. I bis III
lediglich in allgemeiner und ausfüllungsbedürftiger Weise umschriebenen
"baulichen Leistungen" Bezug. Das folgt aus dem erkennbaren Zweck des
Beispielskatalogs. Sinn dieses Kataloges ist es nämlich, für die dort genannten
Tätigkeiten jeden Zweifel auszuschließen, ob es sich um bauliche Leistungen iSd
allgemeinen Bestimmungen der Abschnitte I bis III handelt. Zweck des
Beispielskatalogs ist es dagegen nicht, für alle Fälle des Beispielskatalogs auch
das Merkmal der Gewerblichkeit der Tätigkeit zu fingieren. Jedes andere
Verständnis würde nämlich die von den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes
gewollte Beschränkung des betrieblichen Geltungsbereichs auf den Gewerbezweig
des Baugewerbes und die damit gewollte Abgrenzung u. a. zum nicht gewerblichen
Bereich des Bergbaus konterkarieren (
).
Dem steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des BAG
Drainierungsarbeiten iSv § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 2 VTV auch dann gegeben sein
sollen, wenn sie auf landwirtschaftlich zu nutzenden Flächen durchgeführt werden (
). Richtig ist zwar, dass
Drainagearbeiten, die unmittelbar der Bodenbewirtschaftung dienen,
herkömmlicherweise der Landwirtschaft und damit der Urproduktion zuzurechnen
sein dürften ( ). Die Tarifvertragsparteien
haben in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 2 VTV jedoch ausdrücklich klargestellt, dass sie
Drainierungsarbeiten auch dann erfasst sehen wollen, wenn sie dem Entwässern
von "urbar zu machenden Bodenflächen" dienen. Damit ist von den
Tarifvertragsparteien selbst ausdrücklich deutlich gemacht worden, dass sie auch
alle Drainierungsarbeiten, die dazu bestimmt sind, Flächen anbaufähig (= urbar)
zu machen, als bauliche Leistungen verstanden wissen wollen, gleichgültig, ob
derartige Arbeiten als nichtgewerblich, weil der Landwirtschaft zuzurechnen,
angesehen werden könnten. Eine solche Klarstellung fehlt sowohl in § 1 Abs. 2
Abschn. V Nr. 26 (Tunnel- und Schachtbauarbeiten) wie in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr.
18 (Gleisbauarbeiten).
Die von dem Beklagten herangezogene Entscheidung des BAG vom 25.10.2000
steht ebenfalls nicht entgegen. In
jenem Fall handelte es sich bei dem Betrieb, in dem der dortige Kläger beschäftigt
war, nämlich um einen solchen, von dem arbeitszeitlich überwiegend im
Baubereich über Tage und arbeitszeitlich zu deutlich weniger als 50% der
Gesamtarbeitszeit unter Tage bergmännische Hilfsarbeiten verrichtet worden
waren. Bei dieser Sachlage konnte nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei dem
Betrieb um einen baulichen im Sinne der Bautarifverträge handelte. Die
Bergwerke, in denen der Kläger seine Arbeiten ausführte, wurden dann als
"Baustellen" im Tarifsinne angesehen, weil es sich um Plätze handelte, auf oder an
denen (im allgemeinen Sinne) gebaut wurde. Hier geht es um anderes, nämlich
nicht um die Frage, ob arbeitszeitlich nicht überwiegende bergmännische
Hilfsarbeiten unter Tage in einem baulichen Betrieb auch, im allgemeinen Sinne,
Bauarbeiten sein können, sondern darum, ob ein Betrieb, der derartige
bergmännische Hilfstätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend erbringt, ein Betrieb
des Baugewerbes ist. Das ist, weil es an einer gewerblichen Tätigkeit fehlt, nicht
der Fall.
Der Beklagte hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs.
1 ZPO),
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.