Urteil des LAG Hessen vom 29.07.2009

LAG Frankfurt: ordentliche kündigung, betriebsrat, fristlose kündigung, wichtiger grund, überwiegendes interesse, anhänger, anhörung, anweisung, arbeitsgericht, gespräch

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
6. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 Sa 739/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Kündigung wegen privaten Verkaufs von Altmetall des
Arbeitgebers - fehlerhafte Betriebsratsanhörung
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Wetzlar vom 18. März 2008 – 1 Ca 257/07 – abgeändert. Es wird
festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die
Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 2007 weder
außerordentlich, noch ordentlich aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Haustechniker zu
unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt ein SB-Warenhaus in ... -... und beschäftigt weit mehr als 10
Arbeitnehmer. Im Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet. Der am 01. November 1948
geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit
dem 02. Februar 1976 bei der Beklagten als Haustechniker beschäftigt.
Die bei der Beklagten beschäftigten Haustechniker – so auch der Kläger –
sammelten bereits seit langer Zeit bei der Beklagten anfallende Metallteile
(Kabelreste, Edelstahlteile usw.) im sog. Batterieraum, um diese an Schrotthändler
einmal im Jahr weiter zu verkaufen. Im Oktober 2006 veräußerten die
Haustechniker der Beklagten eingesammelten Metallschrott für € 500,00 bis
€600,00. Der Erlös wurde unter den Haustechnikern aufgeteilt. Ein Betrag von
€60,00 ging in die sog. Kaffeekasse. Ein Haustechniker bot am 15. Oktober 2006
aus dem Erlös des Schrottverkaufs für 2006 auch dem kurze Zeit zuvor räumlich
in den Betriebsbereich der Haustechniker versetzten Zeugen ... einen Anteil von €
120,00 an, der die Annahme allerdings ablehnte. Der Zeuge ... unterrichtete den
Geschäftsleiter ... allerdings von diesem Angebot der Haustechniker.
Nach einer Ende Oktober 2006 im Betrieb ... der Beklagten durchgeführten
Innenrevision, bei der die fehlenden Einnahmen aus Schrottverkäufen bemängelt
wurden, verfügte der Geschäftsleiter ... des SB-Marktes ... der Beklagten, dass der
bisherige Umgang mit Schrott geändert werden solle. Es wurde dann Anfang
November 2006 ein großer Schrottcontainer der Firma ... in die umzäunte
Freifläche des Campingmarktes gestellt und gleichzeitig der schon vorhandene
blaue 1,1 m
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Koppbehälter aus der Lkw-Zufahrtsstraße in diese umzäunte
Freifläche verbracht. Das Aufstellen des großen Schrottcontainers und das
Verbringen des kleinen Kippbehälters ist den Arbeitnehmern der Haustechnik nicht
verborgen geblieben. Ein Arbeitnehmer der Haustechnik war sogar damit befasst,
den Kippcontainer in die umzäunte Freifläche zu verbringen.
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Kündigungsanlass ist ein Vorfall vom 15. Juni 2007. Der Kläger ... ... wurde an
diesem Tag beobachtet, wie er unstreitig mit einem Pkw mit Anhänger vom
Firmengelände wegfuhr. Im Anhänger befand sich Schrott der Beklagten. Am 19.
Juni 2007 verbrachten der Kläger ... ... und der Kläger ... ... den Schrott dann zu
einem Schrotthändler und vereinnahmten € 565,00, der abzüglich eines Betrages
für die Kaffeekasse zwischen den Beteiligten vier Haustechnikern verteilt werden
sollte.
Die Beklagte hörte den Kläger sodann am 27.06.2007 zum Kündigungssachverhalt
an. Wegen des Inhalts der Anhörung vgl. die Anlage B 4 zur Klageerwiderung vom
02. August 2007 (Bl. 34 – 41 d. A.). Den Betriebsrat hörte die Beklagte mit
Schreiben vom 28. Juni 2007 wie folgt an:
"Am Freitag, 15.06.07 sah Herr ..., wie Herr ... mit Pkw und Anhänger, auf dem
erkennbar Schrott von ... aufgeladen war, rückwärts aus der Lkw-Anlieferstraße in
Richtung Campingmarkt fuhr. Da Herr ... seit Monaten den begründeten Verdacht
hatte, dass durch die Haustechniker mit Schrott manipuliert wird, hat er sofort
Herrn ... von SSW beauftragt, den Pkw mit Anhänger von Herrn ... zu überprüfen.
Der Bericht hierzu ist als Anlage 1 beigefügt.
Herr ... hatte in der Folgewoche ab Mittwoch, 20.06.07 geplanten Urlaub bzw.
Freizeit. Telefonische Versuche, ihn zu erreichen, waren ab 21.06. erfolglos. Erst
am 25.06.07 wurde er erreicht und zum Gespräch gebeten, dieses fand dann am
26.06.07 um 16.00 Uhr durch Herrn ... statt, im Beisein von Frau .... Herr ... wurde
zum Sachverhalt angesprochen, das Gesprächsprotokoll dazu liegt dem
Betriebsrat vor. In diesem Gespräch gab Herr ... zu, dass er Schrott von ... zu
einem Schrotthändler gebracht und verkauft hat. Unter anderem äußerte er auch,
dass dies alle Kollegen so machen würden. Diese Äußerung war Anlass, am
27.06.2007 ein Gespräch mit Herrn ... zu führen. Der Inhalt/der Sachverhalt des
Gesprächs ist als Anlage 2 beigefügt und Bestandteil dieser Anhörung. Herr ... gab
zu, am Dienstag, 19.06.2007 zusammen mit Herrn ... den Pkw-Anhänger mit
Schrott zur Firma ... in ... gebracht zu haben und aus dem Erlöst selbst € 120,00
aus dem Schrottverkauf erhalten zu haben, sowie den gleichen Anteil für den
Kollegen ..., der in Urlaub ist, aufbewahrt zu haben. Der Anhänger mit Schrott
wurde am 15.06. von Herrn ... mit nach Hause genommen, da die Firma ... It.
Aussage von Herrn ... am 15.06. bereits geschlossen hatte.
Ergänzend wird auf die 3 Farbausdrucke/Bilder verwiesen, die bei der Anhörung
... ... als Anlage 3 beigefügt sind, auf denen die Schrottbereithaltung im
Batterieraum durch Haustechniker dokumentiert ist.
Herr ... informierte Herrn ..., dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses
aufgrund des Tatbestandes Manipulation/Diebstahl von Schrott, was ein
Vertrauensbruch bedeutet, nicht aufrechterhalten werden kann und stellte Herrn
... von Arbeitsleistung frei. Herr ... bekam das Angebot, aufgrund seiner
langjährigen Betriebszugehörigkeit das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Frist
mittels Aufhebungsvertrag zu lösen. Dieses Angebot hat Herr ... am 28.06.2007
abgelehnt.
Die beabsichtigte fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung erfolgte aufgrund
des Tatbestandes der Manipulation/Diebstahl Schrott aus dem Eigentum von ....
Als Haustechniker mit Generalschlüsselgewalt hat Herr ... eine ganz sensible
Vertrauensstellung inne. Das Vertrauensverhältnis in die Person von Herrn ... ist
durch diese Schrottmanipulation/Schrottdiebstahl in Tateinheit mit Kollegen
unreparabel gestört. Durch sein Verhalten hat Herr ... sich auf Kosten seines
Arbeitgebers unrechtmäßig bereichert, was den Tatbestand einer Straftat gegen
den Arbeitgeber erfüllt.
Gerade auch, weil Herr ... als Haustechniker mit Generalschließgewalt eine
sensible Vertrauensstellung im Unternehmen inne hat, ist es in keiner Weise mehr
zumutbar, das Arbeitsverhältnis von Herrn ... weiter bestehen zu lassen. Der
notwendige Vertrauensvorschuss für Herrn ... ist nicht mehr aufzubringen.
Wir bitten daher um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen
Kündigung bzw. hilfsweise fristgerechten Kündigung."
Der Betriebsrat widersprach zunächst mit Schreiben vom 28. Juni 2007 der
fristlosen und außerordentlichen Kündigung mit der Begründung, dass laut § 626
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fristlosen und außerordentlichen Kündigung mit der Begründung, dass laut § 626
Abs. 2 BGB eine fristlose Kündigung innerhalb von 2 Wochen nach dem die
Kündigung auslösenden Ereignis erfolgen müsse. Der Betriebsrat führt weiter aus,
dass laut Aussage von Frau ... am 28. Juni 2007 um 11.30 Uhr vor dem Betriebsrat
der Zeuge ... im Herbst 2006 dem Geschäftsleiter ... seinen Anteil am
Schrottverkauf übergeben habe, somit habe Herr ... seit diesem Zeitpunkt
Kenntnis von diesem Tatbestand. Der beabsichtigten ordentlichen Kündigung
widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 28. Juni 2007 mit der Begründung,
dass nach Aussagen der betroffenen Mitarbeiter und deren Vorgesetzten die
Schrottverkäufe durch die Haustechniker seit mehreren Jahrzehnten so
gehandhabt und mit Wissen geduldet wurde und dass, nachdem Herr ... im Herbst
2006 von diesem Sachverhalt Kenntnis erhielt, er nicht reagiert und keine neue
Anweisung bezüglich des Schrottverkaufs erteilt habe. Wegen des genauen
Wortlauts der Widerspruchsschreiben des Betriebsrats wird auf die Anlagen B 5
und B 6 zur Klageerwiderung vom 02. August 2007 verwiesen (Bl. 42 und 43 d. A.).
Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 29. Juni 2007 das Arbeitsverhältnis der
Parteien fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 31. Januar 2008. Das
Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 29. Juni 2007 per Boten zu. Hiergegen
erhob der Kläger am 17. Juni 2007 Kündigungsschutzklage, die der Beklagten am
26. Juli 2007 zugestellt wurde.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es liege kein wichtiger Grund für eine
Kündigung vor und die Beklagte habe die 2-wöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs.
2 BGB nicht eingehalten. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei
sozial unberechtigt. Weiterhin hat der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung des
Betriebsrats mit Nichtwissen bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die
Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 2007 weder außerordentlich
noch ordentlich aufgelöst worden sei;
für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu
verurteilen, ihn als Haustechniker zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu
beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, bis Oktober 2006 habe es im Betrieb ... im
Einvernehmen mit dem damaligen Geschäftsleiter ... die Regelung gegeben, dass
die Haustechniker kleine Mengen Schrott an einen Schrotthändler abgeben
durften und den dafür erhaltenen Geldbetrag privat im Rahmen einer sog.
Kaffeekasse der Abteilung verwenden durften. Hierbei sei bekannt gewesen, dass
es sich lediglich um kleinere Geldbeträge (maximal DM 50,00) hätte handeln
dürfen. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, dass nach der Mitteilung durch den
Zeugen ... über das Angebot der Haustechniker an ihn € 120,00 aus dem
Schrottverkauf zu übergeben der Geschäftsleiter ... die Bereichsleiterin Verwaltung
... aufgefordert habe, alle Mitarbeiter der Haustechnik davon zu unterrichten, dass
zukünftig jeder Schrott von der Beklagten entsorgt werde und kein fremder Zugriff
auf die Container sowie kein privater Verkauf mehr erwünscht sei. Diese Anweisung
des Geschäftsleiters ... an die Bereichsleiterin Verwaltung ... vom 13. November
2006 habe diese an den Mitarbeiter der Haustechnik ... weitergegeben. Der Zeuge
... habe die Mitteilung am 15. November 2006 an alle Mitarbeiter der Haustechnik
seinerseits mündlich weitergegeben.
Der Kläger hat hierauf repliziert, es sei von Anfang an von dem ehemaligen
Geschäftsleiter ... erlaubt gewesen, Schrott an Händler zu verkaufen und den Erlös
zu behalten. Gesammelt sei der Schrott im sog. Batterieraum und einmal im Jahr
veräußert worden. Es habe sich dabei um kleinere Mengen gehandelt die in einen
Kofferraum bzw. maximal in einen Pkw-Anhänger gepasst hätten. Eine
Beschränkung des privat zu verwertenden Schrotts auf einen Geldbetrag von
maximal DM 50,00 sei nicht erfolgt. Eine Änderung der Verfahrensweise aus der
Vergangenheit sei durch die Beklagte nicht erfolgt. Im Herbst 2006 habe die
Bereichsleiterin Verwaltung lediglich mitgeteilt, dass der Geschäftsleiter den
Schrottcontainer verlagert habe, weil er keinen fremden Zugriff von außen
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Schrottcontainer verlagert habe, weil er keinen fremden Zugriff von außen
wünsche. Er (der Kläger) sei davon ausgegangen, dass der Privatverkauf des
Schrotts nach wie vor zulässig gewesen sei, sodass es einer Abmahnung vor
Ausspruch der Kündigung bedurft hätte.
Das Arbeitsgericht hat im Rahmen der bestrittenen Betriebsratsanhörung Beweis
erhoben zu der Frage, ob die Stellungnahme des Betriebsrats vom 28. Juni 2006
vor Ausspruch der Kündigung vom 29. Juni 2006 der Beklagten vorgelegen hat.
Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift der
Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 18. März 2008 verwiesen (Bl.
122 – 125 d. A.). Das Arbeitsgericht hat sodann mit Urteil vom 18. März 2008 die
Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe sich im
Eigentum der Beklagten stehende Gegenstände angeeignet, um diese zu
veräußern. Die Veräußerung von Schrott sei dem Kläger im vorgenommenen
Umfang nicht gestattet gewesen. Die Einlassung des Klägers zu einer erteilten
Erlaubnis der Metallverwertung durch die Mitarbeiter der Haustechnik sei nicht
hinreichend substantiiert. Es sei deshalb allein vom Beklagtenvorbringen
auszugehen, dass im Betrieb im Einvernehmen mit dem damaligen
Geschäftsleiter ... die Regelung bestand, dass die Haustechnik kleinere Mengen an
Schrott an einen Schrotthändler veräußern habe dürfen, um kleine Geldmengen
bis DM 50,00 in die Kaffeekasse zu legen. Der vom Kläger durchgeführte Verkauf
verhalte sich nicht ansatzweise in diesem abgesteckten Rahmen, da sowohl die
erzielten Erlöse als auch dessen Verteilung eindeutig nicht statthaft waren. Die
Überschreitung des zulässigen Rahmens sei danach zu krass, dass von einem
Versehen oder einer Gutgläubigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden könne.
Es komme deshalb auch nicht darauf an, ob die Beklagte im Oktober oder
November 2006 gegenüber den Mitarbeitern der Haustechnik darauf hingewiesen
habe, dass zukünftig jeder Schrott von der Beklagten entsorgt werde und kein
fremder Zugriff auf die Container sowie kein privater Verkauf mehr erwünscht sei.
Denn selbst für den Fall des Vorliegens einer solchen Bekanntgabe habe die
Beklagte lediglich die bisherige Erlaubnis des geringfügigen Verkaufs zugunsten
der Kaffeekasse beendet, die von den Haustechnikern bereits in der
Vergangenheit beharrlich und grob missachtet worden sei. Wegen der weiteren
Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Erwägungen des
Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die
Berufungsverhandlung vom 28. Januar 2009 festgestellten und dort ersichtlichen
Fristen Berufung eingelegt. Der Kläger wendet sich vor allem gegen die Wertung
des Arbeitsgerichts, die Erlaubnis zur Veräußerung von Schrottteilen nicht
ausreichend substantiiert zu haben. Der Kläger meint, allenfalls streitig dürfte
zwischen den Parteien sein, was mit dem Begriff "Kaffeekasse" gemeint sei und
welche Geldbeträge davon umfasst seien und ob die Erlaubnis widerrufen worden
sei. Der Kläger meint, dass nach dem erstinstanzlichen Vorbringen vielmehr davon
auszugehen ist, dass eine Erlaubnis zum privaten Verkauf von Altmetallteilen
durch die Mitarbeiter der Haustechnik unstreitig ist, sodass es entgegen der
Ansicht des Arbeitsgerichts darauf ankomme, ob die Beklagte im Oktober oder
November 2006 die Mitarbeiter der Haustechnik tatsächlich darauf hingewiesen
habe, dass zukünftig jeder Schrott von der Beklagten selbst entsorgt werde und
kein fremder bzw. privater Zugriff auf den Container mehr erwünscht sei. Die
Beklagte habe aber zu keinem Zeitpunkt den Kläger und die weiteren
Haustechniker darüber informiert, dass sie keine Schrottteile mehr sammeln und
nicht selbst entsorgen bzw. verkaufen dürfen. Hierzu trage die Beklagte aber
widersprüchlich vor, wenn sie zunächst sich dahingehend einlasse, dass die
Bereichsleiterin Verwaltung Frau ... die Mitarbeiter der Haustechnik über den
geänderten Umgang mit Schrott informiert habe und später sich dahingehend
einlasse, dass der Ansprechpartner der Frau ... in der Haustechnik, der Zeuge ...,
diese Anweisung mündlich weitergegeben habe. Der Kläger wendet sich auch
gegen die Wertung des Arbeitsgerichts, dass im vorliegenden Fall die Beklagte
nicht verpflichtet gewesen wäre, den Kläger nach den Grundsätzen der
Verhältnismäßigkeit anstelle der Kündigung abzumahnen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 18. März 2008 – 1 Ca 257/07 –
abzuändern und nach den Schlussanträgen der mündlichen Verhandlung vom 18.
März 2008 zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das
angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf
den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den
übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG),
außerdem form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG
i. V. m. §§ 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien
hat durch die angegriffenen Kündigungen der Beklagten nicht geendet. Der
Beklagten ist es verwehrt, den nach Ansicht des Berufungsgerichts für den
Kündigungssachverhalt erforderlichen Widerruf der privaten Verwertung von
Altmetall durch die Mitarbeiter der Haustechnik mangels entsprechender
Unterrichtung des Betriebsrats insoweit in den Prozess einzuführen. Weder die
außerordentliche, noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.
Juni 2007 haben daher das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.
Dabei folgt die Rechtmäßigkeit der Kündigungen der Beklagten zunächst nicht
bereits aus §§ 4 Abs. 1, 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, weil der Kläger rechtzeitig
innerhalb der 3-Wochen-Frist nach Zugang der Kündigungen
Kündigungsschutzklage erhoben hat und die Klage der Beklagten auch demnächst
(§ 167 ZPO) zugestellt worden ist. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das
Arbeitsverhältnis der Parteien nach der Dauer der Beschäftigungszeit und im
Hinblick auf die Betriebsgröße der Beklagten auch unstreitig Anwendung.
Die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen
verhaltensbedingten Kündigung der Beklagten vom 29. Juni 2007 beurteilt sich
damit nach § 626 BGB und nach § 1 Abs. 2 KSchG. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann
ein Arbeitsverhältnis danach aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn
Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. Nach § 1 Abs. 2 KSchG kann
ein Arbeitsverhältnis durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet werden.
Ein Grund für eine sozial gerechtfertigte Kündigung kann angenommen werden,
wenn ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund den Arbeitgeber zu einer
ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermächtigt.
Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitsgerichts sind nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich geeignet, eine
außerordentliche Kündigung und damit erst recht eine ordentliche Kündigung zu
stützen. Solche Delikte stellen an sich einen wichtigen Grund für eine
außerordentliche Kündigung dar. Das gilt auch für den Diebstahl oder die
Unterschlagung von Sachen mit nur geringem Wert
. Dabei kommt es auf die strafrechtliche Bewertung
des Verhaltens für seine kündigungsschutzrechtliche Bedeutung nicht
entscheidend an
.
Ob der Kläger in dieser Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten grob verletzt hat,
hängt davon ab, ob im Arbeitsverhältnis der Parteien es den Haustechnikern
erlaubt war, Altmetall privat zu veräußern und bejahendenfalls ob diese Erlaubnis
aufgehoben wurde. Anders als das Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht dabei
nicht davon aus, dass der vom Kläger geltend gemachte Rechtfertigungsgrund
einer Erlaubnis zum privaten Verkauf von Altmetall nicht hinreichend substantiiert
dargelegt worden sei, sodass allein von dem Beklagtenvorbringen im Hinblick auf
eine eingeschränkte Zulassung zum privaten Verkauf von Altmetall in dem Sinne
auszugehen ist, dass es sich nur um Verkaufserlöse bis zu DM 50,00 hätte
handeln dürfen, die zudem in eine Kaffeekasse zu legen waren. Es ist nämlich
insoweit zu berücksichtigen, dass auch die Einlassung der Beklagten insoweit völlig
unsubstantiiert ist. Beide Parteien gehen übereinstimmend nur davon aus, dass
die Verwertung von Altmetall durch die Mitarbeiter der Haustechnik in der
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die Verwertung von Altmetall durch die Mitarbeiter der Haustechnik in der
Vergangenheit erlaubt gewesen sei, wenn es sich um kleine Mengen Schrott
gehandelt habe. Unter kleinen Mengen Schrott verstehen die Kläger die
Veräußerung von Schrott einmal im Jahr im Umfang eines Volumens, wie es in
einen Pkw-Kofferraum bzw. einen Pkw-Anhänger passt. Ob dies auch nach der
Vorstellung der Beklagten eine kleine Menge Schrott ist, ist nicht dargetan. Weiter
ist nicht dargetan, woraus es sich ergibt, dass klar gewesen sein soll, dass es sich
lediglich um kleinere Geldbeträge (maximal DM 50,00) hätte handeln dürfen. Auch
was damit gemeint sein soll, dass der Geldbetrag in eine Kaffeekasse der
Abteilung zu legen war, ist nicht näher ausgeführt. Wenn aber die Beklagte die
Erlaubnis zum Verkauf von Altmetall durch die Mitarbeiter der Haustechnik dem
Grunde nach für die Vergangenheit unstreitig stellt obliegt es ihr, klar
kommunizierte Grenzen dieser Erlaubnis, etwa Verkauf von Altmetall nur bis zu
einem Wert von maximal einmal im Jahr DM 50,00 und nur zugunsten des Erwerbs
von Kaffee für die Abteilung, substantiiert darzulegen. Wenn nämlich die Beklagte
die Erlaubnis als solche unstreitig stellt muss es ihr auch möglich sein, die Grenzen
dieser Erlaubnis darzulegen. Schließlich fällt die Erteilung der Erlaubnis in ihre
Sphäre.
Damit ist entscheidungserheblich, ob die erteilte Erlaubnis aufgehoben wurde.
Hierzu hat das Berufungsgericht durch die Vernehmung des Zeugen ... ... Beweis
erhoben. Wegen der Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 28. Januar 2009 verwiesen. Der Zeuge ... hat dabei
ausgesagt, er habe den Mitarbeitern der Haustechnik gesagt, die Chefin, Frau ...,
habe gesagt, alles was Schrott ist, kommt zukünftig in die Container und wird über
die Beklagte entsorgt. Der Zeuge hat weiter ausgesagt, er habe wiedergegeben,
dass alles was vorher war nicht mehr zähle, aller Schrott in die Container komme.
Dabei wurde nach Aussage des Zeugen die jahrelange Übung des privaten
Schrottverkaufs durch die Mitarbeiter der Haustechnik nicht explizit angesprochen,
da dies auch im Gespräch zwischen dem Zeugen und Frau ... nicht thematisiert
wurde und der Zeuge nur aus Anlass der ihm übergebenen € 120,00 von den
privaten Schrottverkäufen der Haustechnik zum damaligen Zeitpunkt wusste. Ob
damit für die Kläger hinreichend klar war, dass die Beklagte die Erlaubnis der
Vergangenheit widerrufen hat kann letztlich dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist es
der Beklagten verwehrt, diesen Teil des Kündigungssachverhalts zur Stützung der
Kündigung vorzubringen, da insoweit eine Unterrichtung an den Betriebsrat nicht
erfolgt ist.
Hinsichtlich der Kündigungsgründe gilt für die Unterrichtungspflicht des
Arbeitgebers der sog. Grundsatz der subjektiven Determinierung. Das bedeutet,
dass der Arbeitgeber nur diejenigen Kündigungsgründe dem Betriebsrat mitteilen
muss, auf die er die Kündigung stützen will. Es müssen dem Betriebsrat also nicht
also objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom
Arbeitgeber für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände
mitgeteilt werden
,
diese allerdings vollständig, also auch unter Einbeziehung der entlastenden
Momente. Diese Kündigungsgründe müssen vom Arbeitgeber so detailliert
dargelegt werden, dass sich der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene
Nachforschungen ein Bild über ihre Stichhaltigkeit machen und beurteilen kann, ob
es sinnvoll ist Bedenken zu erheben oder Widerspruch gegen die Kündigung
einzulegen. Soweit diesen Anforderungen Genüge getan ist, bleibt die Möglichkeit
einer weiteren Erläuterung unter Konkretisierung der dem Betriebsrat mitgeteilten
Kündigungsgründe im Kündigungsschutzprozess.
Wollte man also von der subjektiven Determinierung ausgehen, dass die Beklagte
im Rahmen des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ihrer Unterrichtungspflicht
nachgekommen ist, weil sie dem Betriebsrat aus ihrer Sicht bewusst keine
unrichtigen und unvollständigen Sachdarstellungen gegeben hat
, so ist es ihr
aber jedenfalls aufgrund der objektiv unrichtigen Unterrichtung des Betriebsrats
versagt, den für den Kündigungsgrund erheblichen Umstand des Widerrufs einer
zuvor bestehenden Erlaubnis zur privaten Veräußerung von Altmetall als
Kündigungsgrund in den Kündigungsschutzprozess einzuführen. Die Beklagte
hätte nämlich den Betriebsrat darüber unterrichten müssen, dass die aus den
Anhörungen der Arbeitnehmer auch dem Betriebsrat bekannte Erlaubnis zum
Verkauf von Altmetall auf private Rechnung zugunsten der Haustechniker seitens
der Geschäftsleitung der Beklagten eindeutig widerrufen wurde. Der Betriebsrat
beanstandet in seinem Widerspruch auch eindeutig, dass die Geschäftsleitung der
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beanstandet in seinem Widerspruch auch eindeutig, dass die Geschäftsleitung der
Beklagten keine neue Anweisung bezüglich des Schrottverkaufs erteilt habe. Mithin
war dem Betriebsrat von der Weiterleitung einer Anweisung des Herrn ... an Frau
..., die diese wiederum an den Zeugen ... weitergeleitet hat, nichts bekannt. Auch
aus den beigefügten Protokollen der Anhörung der Arbeitnehmer ergibt sich
hinsichtlich eines Widerrufs einer Erlaubnis, mitgeteilt durch den Zeugen ..., nichts.
Weder haben die Arbeitnehmer diesen Widerruf durch den Zeugen ... erwähnt,
noch hat die Geschäftsleitung der Beklagten in Gestalt von Herrn ... und Frau ... in
der Anhörung dem Kläger diesen Umstand vorgehalten.
Der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers ist aufgrund seines Obsiegens mit
dem Feststellungsantrag begründet. Der Kläger hat Anspruch auf
Weiterbeschäftigung. Der Arbeitnehmer hat nämlich im Rahmen des bestehenden
Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, soweit nicht
überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Zwar ist
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits unklar, ob
die Kündigung wirksam ist oder nicht. Demgemäß bleibt auch zweifelhaft, ob der
Beschäftigungsanspruch besteht oder nicht. Dieses Risiko des ungewissen
Prozessausgangs kann aber ab dem Zeitpunkt, in dem ein Fortbestand des
Arbeitsverhältnisses feststellendes Urteil ergeht, für sich allein nicht mehr ein
überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers
rechtfertigen. Andere überwiegende Interesse an der Nichtbeschäftigung des
Klägers hat die Beklagte nicht vorgetragen.
Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits nach § 91
ZPO zu tragen.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.