Urteil des LAG Hessen vom 27.03.2009
LAG Frankfurt: holz, allgemeinverbindlicherklärung, montage, gemeinsame einrichtung, bekanntmachung, industriebetrieb, baugewerbe, innenausbau, arbeitsgericht, kunststoff
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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
10. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 Sa 1829/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 TVG
(Einschränkung des Geltungsbereichs - TV
Sozialkassenverfahren Baugewerbe)
Leitsatz
Die AVE-Einschränkung vom 24. Januar 2006 hinsichtlich der holz- und
kunststoffverarbeitenden Industrie setzt das Bestehen eines Industriebetriebes voraus
(außer: Serienmöbelhandwerk).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden
vom 02. September 2008 – 10/8 Ca 3450/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin
Beiträge nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu zahlen.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Sie ist als
gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer
tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des
Baugewerbes. Sie hat die Beklagte zunächst auf der Grundlage des
allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im
Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in der jeweils geltenden Fassung auf
Auskunftserteilung hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum
Juni bis August 2007 in Anspruch genommen. Nachdem insoweit gegen die
Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen war, gegen welches die Beklagte
rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, ist die Klägerin auf der Basis der von der
Beklagten selbst gemeldeten Beiträge zur Beitragsklage übergegangen.
Die Beklagte unterhielt im Klagezeitraum einen Betrieb, dessen Gegenstand im
Handelsregister mit „Akustik-, Trocken- und Montagebau“ (vgl. Bl. 22 d.A. in 10 Sa
1737/08) und im Gewerberegister der Stadt A mit „Akustik- und Trockenbau“ (vgl.
Bl. 23 d.A. wie oben) angegeben ist. Im Jahr 2007 erhielt die Beklagte den
Zuschlag des Kreisausschusses des Landkreises B für die Verrichtung von
Trockenbauarbeiten (Bl. 24 - 25 d.A. wie oben). Laut Branchenauskunft ist die
Beklagte in dem Bereich „Dämmung gegen Kälte, Wärme, Schall und
Erschütterung“ tätig (Bl. 26 d.A. wie oben). Ausweislich des Schreibens des
Hauptverbandes der Deutschen Holz- und Kunststoffe verarbeitenden Industrie
und verwandter Industriezweige e.V. (im Folgenden: HDH) vom 21. Dezember
2006 bestätigt der Hauptverband der Beklagten, die seinerzeit noch als C GmbH
firmierte, nach Prüfung der Voraussetzungen die Mitgliedschaft im HDH (vgl. Bl. 9
d.A. wie oben). Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb der
Beklagten im Klagezeitraum dem Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen
Verfahrenstarifvertrages unterfallen sei. Sie hat behauptet, die Arbeitnehmer der
Beklagten hätten im Kalenderjahr 2007 zu mehr als der Hälfte ihrer jeweiligen
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Beklagten hätten im Kalenderjahr 2007 zu mehr als der Hälfte ihrer jeweiligen
persönlichen wie auch der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Trocken- und
Montagebauarbeiten ausgeführt wie beispielsweise die Montage von vorgefertigt
bezogenen Wand- und Deckensystemen nebst Anbringen der Unterkonstruktionen
und des Isoliermaterials gemäß den Anforderungen des Wärme-, Kälte- und
Schallschutzes, die Montage von Leichtbautrennwänden und die Montage von
vorgefertigten Fenstern und Türen einschließlich notwendiger Stemm- und
Isolierarbeiten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 07. Mai 2007 im
Übrigen zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von € 9.401,86 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ihr Betrieb im Klagezeitraum nicht
dem Geltungsbereich des VTV unterfallen sei. Sie hat behauptet, in ihrem Betrieb
seien in früheren Zeiten arbeitszeitlich überwiegend Akustik- und
Trockenbauarbeiten verrichtet worden. Seit Ende 2006 würden die Arbeitnehmer
nahezu ausschließlich unter Verwendung von Holz, Kunststoff und anderen
Materialien Innenausbauteile sowie speziellen Innenausbau wie Büro- und
Ladeneinrichtungen, Industrieeinrichtungen, Regale, Verkleidungen und
Vertäfelungen aller Art und sonstige Innenausbauten herstellen, welche sodann
selbst oder durch andere Unternehmer montiert würden. Daneben würden Türen,
Tore, Elemente, Raumtrennprodukte u. Ä. hergestellt, ausgeliefert und auch
montiert bzw. die Montage durch andere Unternehmen veranlasst. Dieser
Unternehmensgegenstand - so die Ansicht der Beklagten - unterfalle dem
fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der Holz und Kunststoff
verarbeitenden Industrie, wobei der Begriff der „Industrie“ nicht auf eine
bestimmte Größe des Betriebes o. Ä. abstelle, sondern sich allein an der das
einschlägige Tarifwerk prägenden Fachlichkeit orientiere. Deshalb werde der
Betrieb der Beklagten von der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV nicht erfasst.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 02. September 2008 - 10/8 Ca
3450/07 - der Klage stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt, die Beklagte sei
auskunftspflichtig, da die von der Klägerin behaupteten Trocken- und
Montagebauarbeiten § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 37 VTV unterfielen. Den
Behauptungen der Klägerin sei die Beklagte nicht in rechtlich erheblicher Weise
entgegengetreten. Außer den von der Beklagten ebenfalls behaupteten Trocken-
und Montagebautätigkeiten würde die von der Beklagten behauptete Erstellung
von Fertigbauten und Hallen sowie die Herstellung anschließend selbst montierter
Fertigbauteile und Treppen § 1 Abs. 2 Abschnitt I, Abschnitt V Ziffer 13 und 42 VTV
unterfallen. Der Betrieb der Beklagten sei nicht gem. § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Ziffer
11 VTV aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen, da die
insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht dargelegt habe, dass
arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten des Schreinerhandwerks angefallen seien.
Die Beklagte werde auch von der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV erfasst,
ohne sich auf die große Einschränkungsklausel des Abschnitts I berufen zu können.
Zwar sei die Beklagte Mitglied im Verband der Holz und Kunststoffe
verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e.V. Neben dieser
Verbandsmitgliedschaft müsse der Betrieb der Beklagten jedoch kumulativ dem
fachlichen Geltungsbereich des entsprechenden Manteltarifvertrags unterfallen,
was nicht der Fall sei, da es sich beim Betrieb der Beklagten nicht um einen
Industriebetrieb handele. Die Industrie werde durch Produktionsstufen und -
anlagen sowie eine maschinelle Herstellung auf Vorrat gekennzeichnet. Die
insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe keine Tatsachen genannt,
aus denen sich ergeben könnte, dass es sich bei ihrem Betrieb um einen
Industriebetrieb handeln könnte. Der bedingte Entschädigungsanspruch ergebe
sich aus § 61 Abs. 2 ArbGG.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 27. Oktober 2008 zugestellt worden. Die
Berufung der Beklagten ist am 06. November 2008 und die Berufungsbegründung
am 09. Dezember 2008 bei Gericht eingegangen.
Die Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die
Klage sei unschlüssig, da die Beklagte nicht im Bereich des Trockenbaus tätig und
die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer falsch angegeben seien. Im
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die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer falsch angegeben seien. Im
Klagezeitraum sei der Betrieb der Beklagten nicht unter den Geltungsbereich des
VTV gefallen, da die Beklagte Innenausbauteile herstelle und Innenausbau
betreibe, Regale und Verkleidungen, Türen und Tore herstelle, teilweise selbst
montiere und zum Teil auch durch Drittunternehmen montieren lasse. Dabei
handele es sich um qualifizierten Innenausbau entsprechend dem fachlichen
Geltungsbereich der Mantel- oder Rahmentarifverträge der Holz und Kunststoffe
verarbeitenden Industrie. Die Beklagte stelle aus Werkstoffen Produkte für den
Innenausbau her und baue sie ein; diese Tätigkeit unterfalle dem fachlichen
Geltungsbereich der von der Allgemeinverbindlicherklärung ausgenommenen
Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie gemäß dem Anhang
I Ziffer 4., 5. und 28. der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung
von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe. Von diesem Tarifvertrag würden nicht
nur Industriebetriebe erfasst, wie die ausdrückliche Erwähnung des
Serienmöbelhandwerks und der Beispielskatalog belege, in welchem
Handwerksbetriebe wie Polsterer, Klavierhersteller, Schnitzereien etc. erwähnt
seien. Die Tarifvertragsparteien seien davon ausgegangen, dass zwischen
Handwerk und Industrie hinsichtlich des Geltungsbereichs nur insoweit eine
Unterscheidung erfolgen solle, als diejenigen Betriebe, die nicht unter die
handwerklichen Voraussetzungen wegen eines fehlenden Eintrags in die
Handwerksrolle fielen, dem Begriff der „Industrie“ unterfallen sollten und es nicht
darauf ankomme, dass die Fertigung und Produktion industriell durchgeführt
werde. Von daher sei letztlich die Mitgliedschaft im HDH, nicht jedoch die
Produktionsweise entscheidend. Mit insgesamt 8 Arbeitnehmern handele es sich
im Übrigen bei der Beklagten auch um einen Industriebetrieb. Als Betrieb der
holzbe- und -verarbeitenden Industrie unterfalle sie zusätzlich der
Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 02.09.2008, Az.: 10/8 Ca
3450/07, abzuändern, das Versäumnisurteil vom 07. März 2008 aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die Beklagte
sei darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich der von ihr behaupteten
Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung bzw. Einschränkung des
Geltungsbereichs. Soweit die Beklagte behaupte, dass in ihrem Betrieb
arbeitszeitlich überwiegend Innenausbauarbeiten verrichtet würden, mache die
Klägerin sich diese Behauptungen hilfsweise zu Eigen. Die AVE-Einschränkung
greife nicht ein, da die Beklagte keinen Industriebetrieb unterhalte. Die Klägerin
behauptet weiterhin, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich zu mehr als
50% Trockenbauarbeiten verrichtet würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die
Berufungsschriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27. März 2009
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist
gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat sie auch
form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, denn die Beklagte schuldet der
Klägerin die eingeklagten Beiträge. Das hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend
festgestellt. Das Berufungsgericht folgt den Gründen der angefochtenen
Entscheidung und macht sie sich zu Eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Im Hinblick auf den
ergänzenden Vortrag der Parteien im Berufungsrechtszug ist Folgendes
hinzuzufügen:
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Beitragsanspruch ist §§ 18, 22
des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20.
Dezember 1999 (VTV) in der jeweils gültigen Fassung. Danach hat der Arbeitgeber
bei der ZVK monatlich spätestens bis zum 15. des folgenden Monats die tariflich
vorgesehenen Sozialkassenbeiträge einzuzahlen. Voraussetzung für die
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vorgesehenen Sozialkassenbeiträge einzuzahlen. Voraussetzung für die
Beitragspflicht ist, dass der Betrieb der Beklagten im streitgegenständlichen
Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV fiel.
Gemäß § 1 Abs. 2 VTV fallen Betriebe des Baugewerbes unter den betrieblichen
Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts sind das Betriebe, in denen überwiegend entweder die in §
1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber
Leistungen im Sinn der Bestimmungen der Abschnitte I - IV erbracht werden (BAG
14. Januar 2004 - 10 AZR 182/03 - AP Nr. 263 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die
Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb der Beklagten im
streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten
verrichtet wurden, obliegt der Klägerin (BAG 28. Juli 2004 - 10 AZR 580/03 - AP Nr.
268 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Die Klägerin hat die Tarifunterworfenheit der Beklagten anhand der vorgetragenen
Indizien entgegen der Ansicht der Beklagten schlüssig dargetan. Wegen des
Informationsungleichgewichts zwischen der ZVK und den jeweils verklagten
Arbeitgebern darf die ZVK, die keine näheren Einblicke in dem Gegner bekannte
Geschehensabläufe hat, auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten und
unter Beweis stellen. Ein derartiges prozessuales Vorgehen ist erst dann
unzulässig, wenn die ZVK ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines
bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen aufstellt und sich deshalb
rechtsmissbräuchlich verhält, was in der Regel jedoch nur bei Fehlen jeglicher
tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden kann oder dann, wenn die
Partei selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Behauptungen glaubt (BAG 28. April
2004 - 10 AZR 370/03 - AP Nr. 264 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Vor dem
Hintergrund der Handelsregister- und Gewerberegisterauskunft, des
Ergebnisprotokolls über die Sitzung des Kreisausschusses des Landkreises B sowie
der Branchenauskunft durfte die Klägerin vermutet behaupten, dass im Betrieb
der Beklagten im Kalenderjahr 2007 arbeitszeitlich überwiegend
Trockenbauarbeiten verrichtet wurden.
Demgegenüber sind - wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat -
die Behauptungen der Beklagten zum Teil unerheblich und zum Teil
unsubstantiiert. Soweit die Beklagte behauptet, Innenausbauteile, Regale,
Verkleidungen, Türen und Tore herzustellen, teilweise selbst zu montieren und
zum Teil durch Drittunternehmen montieren zu lassen, handelt es sich von der
Tätigkeit her um eine baugewerbliche Tätigkeit. Das Herstellen und Montieren von
Türen und Toren ist dem Trocken- und Montagebau zuzuordnen. Die Herstellung
und Montage von Regalen, Verkleidungen und sonstigen Innenausbauteilen
unterfällt § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV, wonach auch Betriebe vom Geltungsbereich
des VTV erfasst werden, die Tätigkeiten verrichten, die u.a. der Erstellung,
Instandhaltung und Änderung von Bauwerken dienen. Das Gericht geht insoweit
davon aus, dass diese Tätigkeiten insgesamt von der Beklagten ausgeführt
werden. Die Behauptung der Beklagten, die Montage erfolge teilweise durch
Drittunternehmen, ist unsubstantiiert, da kein zeitlicher Anteil angegeben ist.
Entgegen der von ihr vertretenen Ansicht unterfällt der Betrieb der Beklagten nicht
§ 1 Abs. 2 Abschnitt VII Ziffer 11 VTV. Danach werden vom Geltungsbereich des
Tarifvertrages u.a. Betriebe des Schreinerhandwerks sowie der holz- be- und -
verarbeitenden Industrie nicht erfasst. Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit
die Beklagte. Die Beklagte hat keine Tatsachen behauptet, aus denen sich
ergeben könnte, dass es sich bei ihrem Betrieb um einen solchen des
Schreinerhandwerks handeln könnte. Auch die Voraussetzungen eines Betriebes
der holzbe- und -verarbeitenden Industrie sind nicht dargelegt. Ein Industriebetrieb
unterscheidet sich von einem Handwerksbetrieb aufgrund seiner Betriebsgröße,
der Anzahl seiner Beschäftigten sowie eines größeren Kapitalbedarfs infolge der
Anlagenintensität. Die Industrie ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts durch Produktionsanlagen und Produktionsstufen
gekennzeichnet. Bei einem Handwerksbetrieb handelt es sich dagegen um einen
kleineren, weniger technisierten Betrieb, in dem die Arbeiten überwiegend mit der
Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks und nicht auf Vorrat,
sondern für einen bestimmten Kundenkreis ausgeführt werden (vgl. BAG 20. Juni
2007 - 10 AZR 302/06 - AP Nr. 26 zu § 1 TVG Tarifverträge: Holz). Der Betrieb der
Beklagten ist mit insgesamt 8 Arbeitnehmern ein kleinerer Betrieb. Tatsachen, aus
denen sich ergeben könnte, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich
überwiegend eine industrielle Fertigung stattfindet, behauptet die Beklagte nicht.
Von daher mag dahinstehen, ob nicht ggf. auch die Rückausnahme in Abschnitt VII
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Von daher mag dahinstehen, ob nicht ggf. auch die Rückausnahme in Abschnitt VII
Ziffer 11 VTV eingreift, was dann der Fall wäre, wenn die Beklagte arbeitszeitlich
überwiegend mit der Herstellung und der Montage von Türen und Toren, d. h. mit
Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV
befasst wäre.
Da die Beklagte jedoch nicht Mitglied einer der tarifvertragsschließenden Parteien
des VTV war, war sie nicht gem. § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Allerdings war der
VTV im streitgegenständlichen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt worden,
weshalb die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die
nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 4 TVG
erfassen. Die Allgemeinverbindlicherklärung war gemäß der Bekanntmachung über
die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe
vom 24. Januar 2006 - soweit vorliegend relevant - wie folgt eingeschränkt:
„I.
1. Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe …, die unter
einen der im Anhang I. abgedruckten fachlichen Geltungsbereiche der am 01.
Januar 2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge
- der holz- und -kunststoffverarbeitenden Industrie, - …fallen.
Absatz 1. findet nur in Verbindung mit Absatz 2. Anwendung.
2. Für Betriebe … gilt Absatz 1.,
a) solange diese unmittelbar oder mittelbar Mitglied
- des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und
verwandter Industriezweige e.V.,- … sind.“
Der fachliche Geltungsbereich der Tarifverträge der holz- und
kunststoffverarbeitenden Industrie lautet auszugsweise wie folgt:
„Für Betriebe … der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, des
Serienmöbelhandwerks, der Sperrholz-, Faser- und Spanplattenindustrie,
Kunststoffprodukte herstellende Betriebe sowie Betriebe, die anstelle oder in
Verbindung mit Holz andere Werkstoffe oder Kunststoffe verarbeiten wie z. B.
Betriebe zur Herstellung nachstehender Erzeugnisse einschließlich Vertrieb und
Montage:
…
4. Innenausbau, Wohnungs-, Büro-, Industrie- und Ladeneinrichtungen …
Verkleidungen und Vertäfelungen aller Art …
5.Türen, Tore, Fenster … …11. Drechsler- und Holzbildhauerarbeiten…, Elfenbein-
und Bernstein-Schnitzereien, Devotionalien…
…
28. Verlegung von Parkett und anderen Fußböden …“
In Abschnitt III. der AVE-Bekanntmachung heißt es u.a.:
„Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und
selbstständige Betriebsabteilungen …,
…
5. die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbandes Holz und
Kunststoff sind, von dem Rahmen- oder Manteltarifvertrag des Bundesverbandes
Holz und Kunststoff oder eines seiner Mitgliedsverbände erfasst werden und
überwiegend Tätigkeiten ausüben, die im fachlichen Geltungsbereich des am 01.
Januar 2003 geltenden Manteltarifvertrages für das holz- und
kunststoffverarbeitende Handwerk Saar (Anhang 2) genannt sind …“
Die Beklagte ist hinsichtlich derjenigen Tatsachen, aus denen sich die
Voraussetzungen der Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung ergeben,
darlegungs- und beweispflichtig (BAG 21. Februar 2005 - 10 AZR 382/04 - AP Nr.
270 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Der Betrieb der Beklagten unterfällt nicht der Einschränkung der
Allgemeinverbindlicherklärung gemäß Erster Teil Abschnitt I. Abs. 1. und 2.a) der
AVE-Bekanntmachung. Zwar ist die Beklagte unmittelbar Mitglied im
Hauptverband der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie. Die AVE-
Einschränkung setzt jedoch zusätzlich voraus, dass der Betrieb dem fachlichen
Geltungsbereich der am 01. Januar 2003 geltenden Mantel- oder
Rahmentarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterfällt.
Das ist - wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht der Fall.
Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass im Beispielskatalog des
Tarifvertrages der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie gemäß Anhang I
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Tarifvertrages der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie gemäß Anhang I
der AVE-Bekanntmachung zahlreiche Tätigkeiten aufgeführt sind, die für sich
genommen kaum industriell herstellbar sind, wie etwa die Verlegung von Parkett
und anderen Fußböden in Ziffer 28. oder auch die Holz-, Elfenbein- und
Bernsteinschnitzereien in Ziffer 11.. Es kann auch durchaus grundsätzlich davon
ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien der holz- und
kunststoffverarbeitenden Industrie eine jedenfalls begrenzte Tarifzuständigkeit für
den Handwerksbereich besitzen (vgl. zur Nichtigkeit eines Tarifvertrages, wenn
eine tariffähige Vereinigung einen Tarifvertrag in einem Geltungsbereich
abschließt, für den sie nach ihrer Satzung nicht zuständig: BAG 21.01.2009 - 10
AZR 325/08 - n.v./ juris). Im fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages ist
nämlich das Serienmöbelhandwerk ausdrücklich erwähnt.
Gleichwohl ist davon auszugehen, dass vom fachlichen Geltungsbereich des
Tarifvertrages, soweit nicht das Serienmöbelhandwerk betroffen ist, ausschließlich
Industriebetriebe erfasst werden. Der Tarifvertrag ist insoweit auszulegen. Die
Auslegung eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.
Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche
Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille
der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck
der Tarifnorm zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen
Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist
abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte,
praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages
ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden (BAG
09.04.2008 - 4 AZR 164/07 - EzA § 4 TVG Gaststättengewerbe Nr. 3).
Vor diesem Hintergrund ergibt sich Folgendes: Außer dem ausdrücklich genannten
Serienmöbelhandwerk erstreckt sich der Geltungsbereich des Tarifvertrages auf
Betriebe der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie sowie der Sperrholz-,
Faser- und Spanplattenindustrie. Diesen Betrieben gleichgestellt werden Betriebe,
die Kunststoffprodukte herstellen sowie Betriebe, die anstelle oder in Verbindung
mit Holz andere Werkstoffe oder Kunststoffe verarbeiten. Beispielhaft werden
sodann diejenigen Betriebe genannt, die die im Beispielskatalog aufgeführten
Erzeugnisse herstellen – einschließlich Vertrieb und Montage. Bei den zuletzt
genannten Betrieben muss es sich um Industriebetriebe handeln. Das folgt
zunächst daraus, dass sie den Betrieben der Sperrholz-, Faser- und
Spanplattenindustrie gleichgestellt sind und - anders als beim
Serienmöbelhandwerk - von den Tarifvertragsparteien der Handwerksbetrieb in
diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich genannt wird. Aus dem
Beispielskatalog folgt nichts anderes. Der Beispielskatalog nennt lediglich die
Erzeugnisse, die in dem Industriebetrieb hergestellt, ggf. auch vertrieben und
montiert werden müssen. Der Beispielskatalog setzt mithin voraus, dass die dort
aufgeführten Erzeugnisse industriell hergestellt werden, mag die anschließende
Montage bzw. Verlegung etwa von Parkett und Fußböden sodann auch
handwerklich erfolgen.
Auch aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich, dass sich die AVE-
Einschränkung gemäß dem Ersten Teil Abschnitt I. Abs. 1. und 2. bis auf das
Serienmöbelhandwerk ausschließlich auf Betriebe der holz- und
kunststoffverarbeitenden Industrie bezieht. Die Einschränkung der
Allgemeinverbindlicherklärung bezüglich des holz- und kunststoffverarbeitenden
Handwerks ist nämlich ausdrücklich unter Abschnitt III. Abs. 5. AVE-
Bekanntmachung geregelt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das
holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk in doppelter Hinsicht, nämlich sowohl
unter Abschnitt I. wie auch unter Abschnitt III. aus der
Allgemeinverbindlicherklärung herausgenommen werden sollte.
Die Beklagte behauptet bereits keine Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte,
dass sie die Innenausbauteile, Regale, Verkleidungen, Türen und Tore industriell
herstellt und anschließend vertreibt und montiert. Die Beklagte unterhält mit 8
Arbeitnehmern einen eher kleinen Betrieb. Sie hat nicht dargelegt, wie und in
welchem auch arbeitszeitlichen Umfang in ihrem Betrieb die entsprechenden Teile
produziert werden. Von daher kann dahinstehen, was gelten würde, wenn im
Betrieb der Beklagten die entsprechenden Teile zwar industriell hergestellt würden,
die anschließende handwerkliche Montage, Verlegung etc. aber arbeitszeitlich
überwöge. Mit ihrem Betrieb fällt die Beklagte nicht unter die AVE-Einschränkung.
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Die Beklagte trägt die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels, § 97
Abs. 1 ZPO.
Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.