Urteil des LAG Hamm vom 01.04.2003
LArbG Hamm: venire contra factum proprium, aufhebungsvertrag, treu und glauben, widerrufsrecht, sinn und zweck der norm, arbeitsrecht, sozialplan, verbot des rechtsmissbrauchs, abfindung
Landesarbeitsgericht Hamm, 19 Sa 1901/02
Datum:
01.04.2003
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 Sa 1901/02
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Dortmund, 8 Ca 3648/02
Nachinstanz:
Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 281/03 Revision zurückgewiesen
22.04.2004
Schlagworte:
Widerruf eines Aufhebungsvertrages; Wiedereinstellungsanspruch nach
Aufhebungsvertrag
Normen:
BGB §§ 242, 312, 355, 611
Leitsätze:
1. Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag ist kein Haustürgeschäft im
Sinne des § 312 BGB.
2. Durch das Widerrufsrecht nach § 312 BGB soll der Verbraucher nicht
vor einer Über-rumpelung durch einen überlegenen Vertragspartner
schlechthin geschützt werden, sondern die Möglichkeit erhalten,
nachträglich Vergleichsinformationen zu erfragen, um so eine Basis für
eine vernünftige Entscheidung zu haben. Das Widerrufsrecht dient damit
der Herstellung des für eine Vertragsparität erforderlichen Informations-
gleichgewichts. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht bei
Abschluss eines Aufhebungsvertrages kein Informationsgefälle, das
demjenigen des Haustürgeschäf-tes ähnelt.
3. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung entsprechend den zur
betriebsbedingten Kündi-gung entwickelten Grundsätzen kommt nach
Abschluss eines Aufhebungsvertrages nur dann in Betracht, wenn der
Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zum Abschluss des
Aufhebungsvertrages zur Vermeidung einer betriebsbedingten
Kündigung be-stimmt wurde.
Rechtskraft:
Die Revision wird zugelassen
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Dortmund vom 09.10.2002 - 8 Ca 3648/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtswirksamkeit eines
Aufhebungsvertrages sowie darüber, ob der Kläger Ansprüche gegenüber der
Beklagten aus einem Sozialplan hat.
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Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.03.2001 als Junior-Vertriebsbeauftragter
Indirect Sales zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 3.326,70 EURO tätig. Seine
Aufgabe bestand in der Akquise, Beratung und Schulung von Fachhändlern. Am
05.03.2002 wurde er für den nächsten Tag zu einem Gespräch in das Büro seines
Vorgesetzten, Herrn S5xxxxxx, in D2xxxxxx gebeten. Dort wurde ihm durch die
Personalreferentin, Frau M2xxxx und seinen Vorgesetzten mitgeteilt, dass man sich von
ihm trennen wolle. Noch im Verlaufe des Gesprächs unterzeichnete der Kläger einen
von der Beklagten unter dem 05.03.2002 vorformulierten Aufhebungsvertrag, der eine
Beendigung des Arbeitsverhältnisses im beiderseitigen Einvernehmen auf
Veranlassung der Beklagten zum 30.06.2002 gegen Zahlung einer Abfindung von
2.482,05 EURO vorsah. Zudem wurde der Kläger nach dem Vertrag ab sofort von der
Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Vergütungsfortzahlung
freigestellt.
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Am 17.04.2003 kam zwischen der Beklagten und dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat
ein Interessenausgleich sowie im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens ein
Sozialplan zustande, nach dessen § 1 Ziff. 2 lit. e) der Sozialplan keine Anwendung
findet auf Mitarbeiter, die vor Abschluss des Interessenausgleichs einen
Aufhebungsvertrag mit dem Unternehmen geschlossen haben, auch wenn deren
Anstellungsverhältnis nach Inkrafttreten des Sozialplans endet.
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Der Kläger hat mit Schreiben vom 07.06.2002 die Anfechtung und mit anwaltlichem
Schriftsatz vom 17.06.2002 den Widerruf des Aufhebungsvertrages erklärt. Seit dem
01.07.2002 hat er Arbeitslosengeld erhalten.
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Mit der am 18.06.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er die
Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages, ein Recht auf Beschäftigung sowie hilfsweise
einen Anspruch auf Zahlung der Sozialplanabfindung geltend gemacht. Er hat
behauptet, ihm sei vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages keine Überlegungsfrist
eingeräumt worden. Auch sei eine Belehrung über die sozialrechtlichen Folgen des
Vertrages unterblieben. Die Beklagte habe ihn zudem arglistig getäuscht. Die
Personalreferentin der Beklagten, Frau M2xxxx, habe auf seine ausdrückliche Frage, ob
es rechtliche Probleme mit dem Arbeitsamt geben könne, gesagt, dass dies nicht der
Fall sei, sofern Probleme entstehen sollten, könne man dies regeln. Der
Aufhebungsvertrag halte auch einer Inhaltskontrolle nach § 310 Abs. 4 BGB nicht stand.
Durch den Vertrag sei ihm einseitig das Risiko des Verlustes von Arbeitslosengeld
auferlegt worden. Hierin liege eine unangemessene Benachteiligung. Letztlich habe er
den Aufhebungsvertrag wirksam gemäß den §§ 312, 355 BGB widerrufen. Für den Fall
der Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages habe er zumindest einen Anspruch auf
Wiedereinstellung. Die Beklagte habe ihm gesagt, das Arbeitsverhältnis solle aus
betriebsbedingten Gründen beendet werden. Tatsächlich habe jedoch eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz als Partnermanager
bestanden. Er selbst habe sich auf diese Position beworben gehabt, den Arbeitsplatz
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allerdings nicht erhalten. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf die Diffe-
renz zwischen der ihm nach dem Sozialplan zustehenden und der im
Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung. Sein Arbeitsplatz sei aufgrund einer
Umstrukturierung weggefallen. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Vereinbarung des
Aufhebungsvertrages auch Kenntnis von den Sozialplanverhandlungen gehabt.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht
durch den Aufhebungsvertrag vom 05.03.2002 zum 30.06.2002 aufgelöst worden
ist, sondern weiter fortbesteht,
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2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 30.06.2002 als Vertriebsbeauftragten
weiterzubeschäftigen,
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3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihn ab dem 01.07.2002 als Partnermanager
wieder einzustellen,
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4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.990,90 EURO nebst 7,5 % Zinsen
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, der Aufhebungsvertrag sei wirksam. Das AGB-Gesetz
finde auf Arbeitsverträge keine Anwendung. Unter Berücksichtigung der Abfindung und
der Freistellung sei im übrigen eine unangemessene Benachteiligung nicht
festzustellen. Eine Anwendung der §§ 312, 355 BGB auf den Aufhebungsvertrag
scheitere bereits an der in Art. 229 § 5 EGBGB getroffenen Regelung. Es treffe ferner
nicht zu, dass dem Kläger betriebsbedingte Gründe für die Beendigung des
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Arbeitsverhältnisses genannt worden seien. Ihr Wunsch, sich vom Kläger zu trennen,
habe auf dessen unzureichenden Arbeitsleistungen beruht. Für die Stelle als
Partnermanager, auf die sich der Kläger beworben habe, fehle ihm die Qualifikation. Es
habe auch tatsächlich keine betriebsbedingten Gründe für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gegeben. Der Arbeitsplatz des Klägers sei nicht aufgrund der
Betriebsänderung entfallen, er sei vielmehr ab dem 01.05.2002 durch die Mitarbeiterin
C2xxxx nachbesetzt worden.
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Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 09.10.2002 die Klage abgewiesen und zur
Begründung im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Der Aufhebungsvertrag sei
wirksam, er sei insbesondere nicht vom Kläger wirksam angefochten worden. Für seine
Behauptung, die Beklagte habe ihn über die sozialrechtlichen Folgen getäuscht, habe
er keinen Beweis angetreten. Eine Pflicht, ihn darauf hinzuweisen, dass sie eine
Betriebsänderung plante und dass bereits Interessenausgleichs- und
Sozialplanverhandlungen geführt wurden, habe für die Beklagte nicht bestanden. Der
Kläger habe den Aufhebungsvertrag auch nicht wirksam widerrufen. Soweit es um
Verhandlungen des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer am Arbeitsplatz gehe, fehle das
typische situative Überraschungsmoment. Aus dem Grunde sei der am Arbeitslatz
geschlossene Aufhebungsvertrag im Wege teleologischer Reduktion aus dem
Anwendungsbereich des § 312 BGB herauszunehmen. Eine Wiedereinstellung bei der
Beklagten als Partnermanager könne der Kläger nicht verlangen, da er für seine
Behauptung, die Beklagte habe ihn zu dem Aufhebungsvertrag mit der Begründung
veranlasst, sein Arbeitsplatz sei weggefallen, keinen Beweis angetreten habe.
Schließlich habe er auch keinen Anspruch auf die Differenz zwischen der im
Aufhebungsvertrag und der im Sozialplan vorgesehenen Abfindung. Der Kläger habe
weder unter Beweisantritt dargelegt, dass er von der Beklagten im Hinblick auf eine
geplante Betriebsänderung veranlasst worden sei, den Aufhebungsvertrag zu
schließen, noch dass er von der in dem Interessenausgleich geregelten
Betriebsänderung erfasst gewesen wäre.
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Gegen das ihm am 13.11.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.12.2002 Berufung
eingelegt und diese zugleich begründet.
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Der Kläger steht nach wie vor auf dem Standpunkt, den Aufhebungsvertrag wirksam
angefochten zu haben. Die Personalreferentin der Beklagten habe ihm arglistig
verschwiegen, dass bereits Sozialplanverhandlungen geführt wurden. Auch die Zusage,
es gäbe keine Probleme mit dem Arbeitsamt, sei gemacht worden. Auf die gleiche
Weise sei auch beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit seiner ehemaligen
Kollegin, Frau N1xxxx S6xxxx, vorgegangen worden. Die Zusage sei auch kausal für
den Vertragsabschluss gewesen. Jedenfalls habe er den Aufhebungsvertrag wirksam
widerrufen. Er sei als Arbeitnehmer Verbraucher im Sinne der Norm. Die vom Gesetz
geforderte typische Überraschungssituation habe sehr wohl vorgelegen. Hier sei eine
generalisierende Betrachtungsweise erforderlich. Werde der Vertrag am Arbeitsplatz
abgeschlossen, wobei der Begriff Arbeitsplatz weit auszulegen sei, werde der
Überraschungseffekt vom Gesetz vermutet. Sein Anspruch auf Wiedereinstellung folge
daraus, dass er für die im übrigen noch nicht besetzte Position des Partnermanagers
geeignet sei. Er sei schließlich auch von der Betriebsänderung betroffen gewesen. Sein
Zuständigkeitsbereich sei nämlich mit dem Zuständigkeitsbereich eines anderen
Mitarbeiters zusammengelegt worden. Die Personalreferentin habe die Aufgabe gehabt,
zur Vermeidung von Sozialplanansprüchen möglichst viele Aufhebungsverträge
abzuschließen. Jedenfalls schulde ihm die Beklagte die geltend gemachte Differenz als
Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über die Sozialplanverhandlungen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.10.2002 – 8 Ca 3648/02 –
abzuändern und
21
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch
den Aufhebungsvertrag vom 05.03.2002 nicht mit Ablauf des 30.06.2002 beendet
wurde,
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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 30.06.2002 hinaus zu
unveränderten vertraglichen Bedingungen als Vertriebsbeauftragten weiter zu
beschäftigen,
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3. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 01.07.2002 als
Partnermanager wieder einzustellen,
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4. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.990,90 EURO nebst 7,5 %
Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und trägt ergänzend folgendes vor:
Sie habe bereits deshalb keine Verpflichtung gehabt, den Kläger über die laufenden
Sozialplanverhandlungen zu informieren, da der Sozialplan noch nicht fest vereinbart
gewesen sei. Im übrigen bleibe es dabei, dass der Kläger nicht unter den Sozialplan
falle. § 312 BGB sei auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht anwendbar. Dies
folge aus dem Sinn und Zweck der Norm, die lediglich Schutz vor einem fremden
Vertragspartner einräumen und ein Wissensdefizit auf Seiten des Verbrauchers
ausgleichen wolle. Der Arbeitnehmer sei nicht Verbraucher im Sinne des § 312 BGB.
Nach ihrem Wortlaut sei die Norm ausschließlich auf Fälle des Verbrauchsgüterkaufs
zugeschnitten. Maßgeblich sei deshalb nach wie vor die Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zum Haustürwiderrufsgesetz.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
30
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
31
I.
32
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) und c) ArbGG statthaft.
Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und fristgerecht ordnungsgemäß
33
begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
34
In der Sache hat die Berufung allerdings keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage
zu Recht abgewiesen. Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis ist
durch den Aufhebungsvertrag vom 05.03.2002 wirksam mit Ablauf des 30.06.2002
beendet worden, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung als
Vertriebsbeauftragter hat. Aber auch ein Anspruch auf Wiedereinstellung durch die
Beklagte als Partnermanager sowie auf Zahlung der geltend gemachten
Sozialplanabfindung steht dem Kläger nicht zu.
35
1.
Aufhebungsvertrages vom 05.03.2003 wirksam mit Ablauf des 30.06.2002 beendet
worden.
36
a.
Aufhebungsvereinbarung eine Bedenkzeit eingeräumt und ihn über die
sozialrechtlichen Folgen der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
aufgeklärt hatte. Selbst wenn dies, wie der Kläger behauptet, nicht der Fall gewesen
sein sollte, so würde dies nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages führen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urt. v.
10.03.1988 – 8 AZR 420/85 -, NZA 1988, 837; BAG, Urt. v. 14.02.1996 – 2 AZR 234/95 -
, NZA 1996, 811 ff.; BAG, Urt. v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99 -, NZA 2001, 206 ff.; BAG,
Urt. v. 11.12.2001 – 3 AZR 339/00 -) hat die Verletzung etwaiger dem Arbeitgeber aus
dem Grundsatz von Treu und Glauben (§242 BGB) obliegenden Hinweis- und
Aufklärungspflichten nicht die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages zur Folge,
sondern kann allenfalls Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung
auslösen. Dabei ist der Arbeitnehmer im Wege des Schadensersatzes nicht so zu
stellen, als sei der Aufhebungsvertrag nicht zustande gekommen; der Schadensersatz
geht auf das positive Interesse, d. h., der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall den
konkreten Vermögensschaden ausgleichen, der durch die Verletzung der Hinweis- bzw.
Aufklärungspflicht entstanden ist.
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Auch die Verweigerung einer angemessenen Bedenkzeit vor Vertragsabschluss führt
nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages. Die Verpflichtung zur Einräumung
einer Bedenkzeit ist gesetzlich nicht ausdrücklich normiert; sie könnte sich deshalb
allenfalls aus der dem Arbeitgeber nach § 242 BGB obliegenden Fürsorgepflicht
ergeben. Das Recht der Arbeitsvertragsparteien, das Arbeitsverhältnis einverständlich
zu beenden, gehört jedoch nicht nur zum Grundrecht der Berufsfreiheit, es ist ebenso als
negative Vertragsfreiheit ein Bestandteil der Privatautonomie im Arbeitsvertragsrecht.
Danach obliegt es grundsätzlich der freien Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er an
seinem Arbeitsvertrag festhalten will und deshalb den Abschluss des
Aufhebungsvertrages ablehnt, oder ob er sich durch ein Gespräch oder ein
entsprechendes Abfindungsangebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages
bewegen lässt. Welche Entscheidung er trifft, hat er grundsätzlich selbst zu bestimmen
und damit auch zu verantworten (vgl. BAG, Urt. v. 30.09.1993 – 2 AZR 268/93 -, NZA
1994, 209 ff.). Demnach geht das Recht selbst zunächst von einem strukturellen
Gleichgewicht beider Vertragsparteien in dem Sinne aus, dass beide Vertragspartner
gleichermaßen in der Lage sind, ihre Interessen privatautonom zu verhandeln. Mit einer
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gleichermaßen in der Lage sind, ihre Interessen privatautonom zu verhandeln. Mit einer
solchen aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 14 GG und
der freien Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG folgenden
Risikoverteilung wäre es nicht vereinbar, dem Arbeitgeber eine erhöhte Fürsorgepflicht
in dem Sinne aufzuerlegen, dass er – unabhängig von den konkreten Umständen des
Einzelfalls – stets verpflichtet wäre, dem Arbeitnehmer vor Abschluss eines
Aufhebungsvertrages eine Überlegungsfrist einzuräumen (so auch BAG, Urt. v.
30.09.1993 – 2 AZR 268/93 -, NZA 1994, 209 ff.; BAG, Urt. v. 14.02.1996 – 2 AZR
234/95 -, NZA 1996, 811 ff.). Ob dann, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich um eine
Bedenkzeit bittet, eine andere Bewertung geboten sein könnte, brauchte die Kammer
nicht zu entscheiden, da der Kläger dies nicht geltend gemacht hat.
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b.
BGB angefochten. Der hier allein in Betracht kommende Anfechtungsgrund der
arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB liegt nicht vor.
41
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe ihn arglistig dadurch getäuscht,
dass sie ihm auf seine ausdrückliche Frage hin zugesichert habe, es werde beim
Arbeitsamt infolge des Aufhebungsvertrages keine Probleme geben, hat er auch
zweitinstanzlich für diese Behauptungen keinen Beweis angetreten, obgleich ihn als
Anfechtenden die Darlegungs- und Beweislast für den Anfechtungsgrund trifft. Sein
Hinweis auf die schriftliche Zeugenaussage der Mitarbeiterin N1xxxx S6xxxx führt zu
keiner anderen Bewertung. Selbst wenn gegenüber der Mitarbeiterin S6xxxx gesagt
worden sein sollte, dass durch das Arbeitsamt eine Sperre nicht verhängt werde, so
hätte der Kläger damit nicht bewiesen, dass auch und gerade ihm gegenüber
entsprechende Auskünfte erteilt worden waren.
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Die Beklagte hat den Kläger auch nicht dadurch arglistig getäuscht im Sinne des § 123
BGB, dass sie ihn nicht über die zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Aufhebungsvertrages schwebenden Interessenausgleichs- und
Sozialplanverhandlungen informiert hat. Ein Verschweigen von Tatsachen stellt nur
dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine
Aufklärungspflicht besteht.
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Eine solche Aufklärungspflicht traf die Beklagte nicht. Eine gesetzliche Auskunftspflicht
besteht nicht. Aber auch aus der dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer
obliegenden Fürsorgepflicht folgt keine derartige Auskunftsverpflichtung. Grundsätzlich
können für den Arbeitgeber im Zusammenhang mit Verhandlungen über einen
Aufhebungsvertrag zwar Aufklärungs- und Informationspflichten bestehen, deren Inhalt
und Umfang sich unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und Möglichkeiten nach
Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestimmen. Eine Aufklärungspflicht besteht
insbesondere dann, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen unter
Billigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
ergibt, dass der Arbeitnehmer durch eine sachgerechte und von ihm redlicherweise zu
erwartende Aufklärung vor der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bewahrt werden
muss, weil er sich durch sie aus Unkenntnis selbst schädigen würde (BAG, Urt. v.
13.11.1996 – 10 AZR 340/96 -, NZA 1997, 390 ff.). Diese Voraussetzungen liegen nicht
vor. Selbst wenn der Vortrag des Klägers zutreffend sein sollte, auch sein Arbeitsplatz
sei von der im Interessenausgleich geregelten Betriebsänderung betroffen gewesen, so
hätte er von der Beklagten redlicherweise keine Aufklärung über die zum damaligen
Zeitpunkt schwebenden Sozialplanverhandlungen verlangen können. Diese
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Verhandlungen waren noch nicht abgeschlossen. Eine endgültige Entscheidung der
Betriebspartner über die Verteilungsgrundsätze lag noch nicht vor. Deshalb war für die
Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht ersichtlich, in
welcher Höhe sich für den Kläger Ansprüche aus dem Sozialplan ergeben würden.
Damit konnte sie aber auch nicht absehen, ob der Kläger durch den Sozialplan besser
oder schlechter gestellt würde, als durch den Aufhebungsvertrag, der neben der
Abfindung auch die Freistellung unter Vergütungsfortzahlung für immerhin einen
Zeitraum von knapp 4 Monaten vorsah. Da die Beklagte somit nicht hätte erkennen
können, ob sich der Kläger durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages
wirtschaftlich selbst schädigen würde, konnte von ihr billigerweise ein Hinweis auf die
laufenden Sozialplanverhandlungen nicht erwartet werden (vgl. BAG, Urt. v. 13.11.1996
– 10 AZR 340/96 -, NZA 1997, 390 ff.).
c.
des Klägers gemäß §§ 307, 310 Abs. 4 BGB n.F. unwirksam.
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Es kann dahingestellt bleibt, ob § 307 BGB n.F. wegen der in Art. 229 § 5 EGBGB
getroffenen Übergangsregelung auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, die zwar im
Jahr 2002 abgeschlossen wurden, jedoch ein bereits vor dem 01.01.2002 begründetes
Arbeitsverhältnis beenden sollen, überhaupt anwendbar ist. Gemäß § 307 Abs. 1 BGB
n.F. unterliegen nur Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Inhaltskontrolle. Das vom Kläger angeführte Risiko, infolge des Aufhebungsvertrages
ggfls. mit einer Sperre durch das Arbeitsamt belegt zu werden, ist indes keine in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Bestimmung, sondern allenfalls eine
Folge des Aufhebungsvertrages schlechthin. Diese unterliegt nicht der Inhaltskontrolle
nach § 307 BGB n.F.. Im Übrigen sind die Aufhebung des Arbeitsvertrages selbst und
eine dafür versprochene Abfindung nicht kontrollfähig, da es sich hierbei um
Hauptleistungspflichten handelt (vgl. Bauer, NZA 2002, 169 ff., 173; Gotthardt,
Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform., 2. Aufl., München 2003, Rdnr. 308).
46
d.
BGB wirksam widerrufen.
47
Gemäß § 312 Abs. 1 BGB n. F. steht dem Verbraucher bei einem Vertrag zwischen
einem Unternehmer und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung zum
Gegenstand hat und zu dessen Abschluss der Verbraucher
48
1. durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer
Privatwohnung
2. anlässlich einer vom Unternehmer oder von einem Dritten zumindest auch im
Interesse des Unternehmens durchgeführten Freizeitveranstaltung oder
3. im Anschluss an ein überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln oder im
Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen
49
bestimmt worden ist (Haustürgeschäft), ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu.
50
Die Frist für den Widerruf beginnt gemäß § 355 Abs. 2 BGB n. F. mit dem Zeitpunkt, in
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dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht
mitgeteilt worden ist. Nach § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB in der ab dem 01.01.2002
geltenden Fassung erlischt das Widerrufsrecht spätestens 6 Monate nach
Vertragsschluss, unabhängig davon, ob der Verbraucher ordnungsgemäß über sein
Widerrufsrecht belehrt wurde. Nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der ab dem 01.08.2002
geltenden Fassung erlischt das Widerrufsrecht demgegenüber nicht, wenn der
Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
Die Kammer konnte es im vorliegenden Verfahren offen lassen, ob § 312 BGB n. F. –
wie die Beklagte meint - wegen der in Art. 229 § 5 EGBGB getroffenen
Übergangsregelung auf Aufhebungsverträge, die zwar im Jahre 2002 abgeschlossen
wurden, jedoch einen vor dem 01.01.2002 geschlossenen Arbeitsvertrag betreffen, nicht
anwendbar ist (gegen die Anwendbarkeit LAG Brandenburg, Urt. v. 30.10.2002 – 7 Sa
386/02 -; LAG Köln, Urt. v. 18.12.2002 – 8 Sa 979/02 -); auch brauchte die Kammer nicht
zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer beim Abschluss eines Arbeits- bzw.
arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrages Verbraucher ist (die Verbrauchereigenschaft
wird beispielsweise bejaht von: Boemcke, DB 2002, 96 ff., 97; Gotthardt, Arbeitsrecht
nach der Schuldrechtsreform, 2. Aufl., M1xxxxx 2003, Rdnr. 8 ff., 214; Grundstein, FA
2003, 41 ff., 44; Hümmerich/Holthausen, NZA 2002, 173 ff., 178; Lakies, NZA-RR 2002,
337 ff., 343; Reim, DB 2002, 2434 ff., 2437; Reinecke, DB 2002, 583 ff., 587;
Schleusener, NZA 2002, 949 ff., 951; verneint wird die Verbrauchereigenschaft
beispielsweise von Bauer, NZA 2002, 169 ff., 171; Bauer/Kock, DB 2002, 42 ff., 43 f.;
Joussen, NZA 2001, 745 ff., 749; Löwisch, NZA 2001, 465 ff., 466; Natzel, NZA 2002,
595 ff., 596 f.; Wolff, AuA 2003, 15 ff., 15).
52
Ebenso konnte dahingestellt bleiben, ob ein arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag stets
oder nur dann ein Vertrag ist, der eine entgeltliche Leistung im Sinne des § 312 BGB
zum Gegenstand hat, wenn er finanzielle Leistungen wie beispielsweise eine
Abfindung, eine Versorgungszusage oder eine Freistellung unter Vergütungs-
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fortzahlung enthält (zu den hierzu vertretenen Ansichten vgl. Bauer/Kock, DB 202, 42 ff.l,
45; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2. Aufl., München 2003, Rdnr.
215; Hümmerich/Holthausen, NZA 2002, 173 ff., 178; Reim, DB 2002, 2434 ff., 2437;
Schleusener, NZA 2002, 949 ff., 951; Wolff, AuA 2003, 15 ff., 15), sowie, ob für einen
Vertrag im Sinne des § 312 BGB zu fordern ist, dass durch diesen eine Schuld des
Verbrauchers begründet wird (so LAG Brandenburg, Urt. v. 30.10.2002 – 7 Sa 386/02 -,
das in dem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag einen Verfügungsvertrag sieht).
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Der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag ist kein Haustürgeschäft im Sinne des § 312
BGB, so dass dem Arbeitnehmer kein Widerrufsrecht zusteht (so im Ergebnis auch
beispielsweise LAG Brandenburg, Urt. v. 30.10.2002 – 7 Sa 386/02 -; Bauer, NZA 2002,
169 ff., 171; Bauer/Kock, DB 2002, 42 ff., 44; Brors, DB 2002, 2046 ff., 2048; für ein
uneingeschränktes Widerrufsrecht vgl. Schleusener, NZA 2002, 949 ff.; für ein
Widerrufsrecht, wenn der Aufhebungsvertrag nicht am Arbeitsplatz, sondern außerhalb
der betrieblichen Zusammenhänge geschlossen wurde: Gotthardt, Arbeitsrecht nach der
Schuldrechtsreform, 2. Aufl., München 2003, Rdnr. 216; Grundstein, FA 2003, 41 ff., 43;
Reim, DB 2002, 2434 ff., 2438; Wolff, AuA 2003, 15 ff., 17; ArbG Frankfurt/Oder, Urt. v.
29.05.2002 – 6 Ca 500/02 -, ZIP 2002, 2190 ff.). Dies ergibt eine an teleologischen,
systematischen und historischen Kriterien orientierte Auslegung der Norm.
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aa.
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unvernünftigen oder für ihn ungünstigen Geschäften schlechthin geschützt werden,
sondern lediglich eine Überlegungsfrist erhalten.
Nach § 312 BG ist ein Vertrag, der unter den in der Norm genannten Umständen
zustande kommt, nicht schlechthin unwirksam, sondern – je nachdem, ob eine
Belehrung über das Widerrufsrecht erfolgt ist oder nicht – innerhalb bestimmter Fristen
widerruflich. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es den Verbraucher nicht
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schlechthin vor einer für ihn ungünstigen Entscheidung schützen will, sondern es seiner
Initiative überlässt und überantwortet, ob er das Geschäft gegen sich gelten lassen will
oder nicht. Der Verbraucher selbst kann demnach weiterhin privatautonom über den
Inhalt des Vertrages disponieren. Anders als beispielsweise die Vorschriften über die
Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB, die unter
bestimmten Voraussetzungen der getroffenen Vereinbarung die Wirksamkeit versagen
oder zumindest eine geltungserhaltende Reduktion auf das gesetzliche
Anforderungsprofil anordnen, greift § 312 BGB nicht in die aus der Privatautonomie
folgende Freiheit der Parteien ein, den Inhalt eines Vertrages auszuhandeln. § 312 BGB
gibt dem Verbraucher damit – ebenso wie das ehemalige Haustürwiderrufsgesetz – eine
nachträgliche Überlegungsfrist und die Möglichkeit, einen ggfls. übereilten Entschluss
rückgängig zu machen (vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 10; Henssler/Graf v. Westphalen,
Praxis der Schuldrechtsreform, Recklinghausen 2001, § 12 Rdnr. 1).
58
bb.
Überrumpelung durch einen überlegenen Vertragspartner schlechthin geschützt
werden, sondern (nur) die Möglichkeit erhalten, nachträglich Vergleichsinformationen zu
erfragen, um so eine Basis für eine vernünftige Entscheidung zu haben. Das
Widerrufsrecht dient damit der Herstellung des für eine Vertragsparität erforderlichen
Informationsgleichgewichts (so auch Brors, DB 2002, 2046 ff., 2047).
59
(1)
durch einen überlegenen Vertragspartner schlechthin bewirkt werden. Der Gesetzgeber
hat § 1 HausTWG bis auf geringfügige redaktionelle Änderungen wortgleich in § 312
BGB übernommen. Die situationsbedingten Voraussetzungen, unter denen ein
Widerrufsrecht nach § 312 BGB entstehen kann, sind dieselben wie nach § 1
HausTWG. Den in § 312 Abs. 1 unter Ziff. 1 bis 3 enumerativ aufgeführten
Haustürgeschäften ist gemeinsam, dass sie außerhalb des "Ladengeschäfts", d.h.
außerhalb fester (für den Verbraucher öffentlich zugänglicher) Verkaufs- und Geschäfts-
60
räume angebahnt und abgeschlossen werden (vgl. BR-Drucks. 338/01 S. 3,4; BT-
Drucks. 14/6040, S. 166). Nur für diese typischen Fälle hat der Gesetzgeber demnach -
wie unter Geltung des HausTWG – einen Kundenschutz für erforderlich gehalten. Findet
die Vertragsanbahnung bzw. der Vertragsschluss also in einem "regulären
Geschäftslokal" statt, so schützt das Gesetz den Verbraucher nicht vor dem überlegenen
Wissen oder den besonderen Verhandlungskünsten des Vertragspartners. In einem
solchen Fall kann Verbraucherschutz sich nur über Regelungen außerhalb des § 312
BGB vollziehen.
61
(2)
erhalten, nachträglich Informationen nachzufragen, um so eine Basis für eine
vernünftige Entscheidung zu haben.
62
Den in § 312 BGB aufgeführten Haustürgeschäften ist, was auch durch die Stellung der
Norm im Gesetz, nämlich unter dem Untertitel 2: "Besondere Vertriebsformen"
verdeutlicht wird, eins gemeinsam: Eine bestimmte Vermarktungsart, eine bestimmte
Vertriebsform. Diese Geschäfte werden nämlich außerhalb des Ladengeschäfts,
außerhalb fester dem Verbraucher öffentlich zugänglicher Verkaufs- und
Geschäftsräume in Form des Direktvertriebes (BR-Drucks. 338/01, S. 384; BT-Drucks.
14/6040, S. 167) angebahnt und abgeschlossen. Ihr Erfolg beruht geradezu auf dieser
Vermarktungsart. Der Verbraucher hat bei derartigen Geschäften, da sich das Angebot
nur auf die konkrete Situation beschränkt, nämlich nur 2 Alternativen: Entweder schließt
er den Vertrag ab, oder er lässt sich das Geschäft entgehen und nimmt in Kauf, dass
sein "Vertragspartner", der aus einem ihm grundsätzlich nicht zugänglichen und
unbekannten Geschäftsbereich auf ihn zugekommen ist, in diesen Geschäftsbereich
"verschwindet" (so ausdrücklich Brors, DB 2002, 2046 ff., 2047). Das Dilemma, in dem
sich ein an der Leistung grundsätzlich interessierter Verbraucher bei diesen
Geschäftskontakten regelmäßig befindet, rührt daher, dass er keine Möglichkeit hat,
Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen, ihm also keine
Informationen zur Verfügung stehen, die Basis für eine rationale Entscheidung sein
könnten. Will er sich das Geschäft nicht entgehen lassen, muss er kontrahieren. Die
Möglichkeit, sich noch die erforderlichen Vergleichsinformationen zu verschaffen und
erst dann den Vertrag abzuschließen, besteht nicht.
63
Vor diesem Hintergrund kann mit der durch § 312 BGB eingeräumten
Widerrufsmöglichkeit nur bezweckt sein, den Verbraucher in die Lage zu versetzen,
nachträglich Vergleichsinformationen zu erfragen und damit die Basis für eine überlegte
und abgewogene Entscheidung zu schaffen. Das entspricht auch den
Erwägungsgründen der Richtlinie 85/577/EWG, wonach der Verbraucher "oftmals keine
Möglichkeit hat, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu
vergleichen" (AblEG Nr. L 372/31 v. 31.12.1985).
64
cc.
Aufhebungsvertrages nicht in der vom Schutzzweck des § 312 BGB erfassten Situation
des aus der Einmaligkeit des Angebots folgenden Entscheidungsdrucks und des dabei
vorhandenen Informationsgefälles.
65
Der Arbeitgeber, der den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Arbeitnehmer
anstrebt, tritt an diesen nicht aus einem dem Arbeitnehmer nicht zugänglichen und
unbekannten Geschäftsbereich kommend heran. Er ist für den Arbeitnehmer zum Einen
kein "fremder" Vertragspartner. Zum Anderen ist gerade der in § 312 BGB erwähnte
Arbeitsplatz typischerweise der Ort, an dem Aufhebungsverträge geschlossen werden.
Es steht auch nicht zu befürchten, dass der Arbeitgeber nach Ablehnung des Angebots
durch den Arbeitnehmer in einen "unbekannten" Geschäftsbereich "verschwindet".
Vielmehr waren und bleiben Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag
miteinander verbunden. Der Arbeitnehmer steht bei einem Angebot des Arbeitgebers
auch nicht unter dem zeitlichen Entscheidungsdruck, das Angebot anzunehmen oder
sich das Geschäft entgehen zu lassen. Setzt er dem Angebot des Arbeitgebers ein
schlichtes "Nein" entgegen, muss er nicht befürchten, dass der Vertragsschluss
endgültig gescheitert ist. Der Arbeitgeber bleibt ihm im Gegenteil aufgrund des weiterhin
bestehenden Arbeitsverhältnisses als Verhandlungspartner eines Aufhebungsvertrages
zur Verfügung.
66
Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht auch kein Informationsgefälle, das
67
demjenigen des Haustürgeschäftes ähnelt. Wie bereits ausgeführt, soll der Verbraucher
durch das Widerrufsrecht nach § 312 BGB nicht vor einer für ihn ungünstigen
Entscheidung schlechthin geschützt werden, sondern nur die Möglichkeit erhalten,
Vergleichsinformationen über die vertragsrelevanten Punkte zu erfragen, um so die
Basis für eine rationale Entscheidung zu haben. Für die Situation vor Abschluss des
Aufhebungsvertrages kann es demnach nur darum gehen, alternative
Entscheidungsmöglichkeiten zu kennen. Hier besteht indes keinerlei Informationsgefälle
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Alternative zum Abschluss des
Aufhebungsvertrages ist schlicht und ergreifend, das Angebot des Arbeitgebers
abzulehnen. Dabei weiß der Arbeitnehmer ebenso wie der Arbeitgeber, dass im Falle
des Nichtabschlusses des Aufhebungsvertrages das Arbeitsverhältnis entweder
fortgesetzt oder u. U. durch den Arbeitgeber gekündigt wird. Hinsichtlich der in einem
Aufhebungsvertrag zu vereinbarenden Modalitäten, d. h. des Beendigungszeitpunkts, u.
U. der Zahlung einer Abfindung, der Freistellung gegen Vergütungsfortzahlung, etc.
besteht ebenfalls kein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers dafür,
Vergleichsinformationen abzufragen. Für den Abschluss eines arbeitsrechtlichen
Aufhebungsvertrages gibt es keinen Markt, auf dem die Angemessenheit eines Preis-
Leistungsverhältnisses oder die Qualität anderer "Produkte" oder "Leistungen"
abgefragt werden könnte. Der jeweilige Arbeitgeber ist der einzige, der dem
Arbeitnehmer das oder ein anderes Angebot auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses
machen kann.
68
Andere, möglicherweise bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages bestehende
Informationslücken des Arbeitnehmers, wie beispielsweise seine Unkenntnis der
sozialrechtlichen Folgen eines Aufhebungsvertrages oder auch seine Unkenntnis, wie
er sich gegenüber dem Vorwurf des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe eine
schwerwiegende Vertragsverletzung begangen und der Aufhebungsvertrag sei zur
Vermeidung einer außerordentlichen Kündigung erforderlich, verhalten soll, nötigen
nicht zu einer anderen Bewertung. Beide Fallkonstellationen werden vom speziellen
Schutzzweck des § 312 BGB nicht erfasst. Der unberechtigten Veranlassung eines
anderen zur Abgabe einer Willenserklärung mittels widerrechtlicher Drohung begegnet
die Rechtsgeschäftslehre bei allen Willenserklärungen, somit auch denen, die unter §
312 BGB fallen, mit der Möglichkeit der Anfechtung nach § 123 BGB (vgl. Brors, DB
2002, 2046 ff., 2048). Geht es um die Frage, welche Informationen der
69
Arbeitnehmer über die sozialrechtlichen und sonstigen Folgen des
Aufhebungsvertrages hat, so wirkt sich hier aus, dass das Widerrufsrecht nach § 312
BGB nur dem Verbraucher eingeräumt wird, der sich wegen der Einmaligkeit des
Angebots in einer Situation des Entscheidungsdrucks befindet. Dass dies beim
arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag nicht der Fall ist, wurde bereits ausgeführt. Es gilt
mithin das, was das Bundesarbeitsgericht bereits in seiner Entscheidung vom
14.02.1996 (- 2 AZR 234/95 -, NZA 1996, 811 ff.) ausgeführt hat: "Dem Arbeitnehmer,
der dem Ansinnen des Arbeitgebers ggfls. nur ein schlichtes "Nein" entgegenzusetzen
braucht, kann nicht die zur Durchsetzung seiner berechtigten Interessen erforderliche
Verhandlungsmacht abgesprochen werden. Vielmehr hat er die Möglichkeit, sowohl das
"Ob", als auch das "Wie" und "Wann" der Vertragsbeendigung von seinem vollen
Konsens abhängig zu machen". Der Arbeitnehmer hat mithin die Möglichkeit, sich die
erforderlichen Informationen über die Folgen des Aufhebungsvertrages vor Abschluss
des Vertrages selbst zu beschaffen. Hat der Arbeitgeber vor Abschluss des
Aufhebungsvertrages ihm gegenüber dem Arbeitnehmer obliegende Hinweis- und
70
Aufklärungspflichten verletzt und erleidet der Arbeitnehmer hierdurch einen Schaden, so
wird ein ggfls. bestehendes Informationsgefälle durch entsprechende
Schadensersatzansprüche ausgeglichen (vgl. BAG, Urt. v. 17.10.2000 – 3 AZR 605/99 -,
NZA 2001, 206 ff.).
dd.
Gesetzgebers, wie er in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung
(BR-Drucks. 338/01, S. 383, 384) und der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/6040, S.
166, 167) zum Ausdruck gekommen ist.
71
Mit der Integration des HausTWG in das Bürgerliche Gesetzbuch sollte zunächst die
praktische Arbeit des Rechtsanwenders erleichtert werden, der sich durch die
Zersplitterung des Rechtsstoffs im Bürgerlichen Gesetzbuch und in unterschiedlichen
Sondergesetzen die im konkreten Fall anwendbaren Normen zum Teil regelrecht
"zusammensuchen" müsse. Zudem sollte der Gefahr vorgebeugt werden, dass sich
72
in den einzelnen Sondergesetzen dogmatische Reservate bilden, die zu
Wertungswidersprüchen zwischen den einzelnen Regelungsmaterien führen könnten.
Letztlich sollte durch die Zusammenführung von Vorschriften über den
Verbraucherschutz im Allgemeinen Schuldrecht des BGB deren Ausstrahlungswirkung
auf alle Schuldverhältnisses aus Verträgen, die "außerhalb des "Ladengeschäfts",
außerhalb fester Verkaufs- und Geschäftsräume angebahnt und abgeschlossen werden,
verdeutlicht werden.
73
Gerade dieser, der Integration des HausTWG in das BGB zugrundeliegenden
gesetzgeberischen Absicht entspricht es - entgegen der Auffassung von Gotthardt
(Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, 2. Aufl., München 2003, Rdnr. 212) -, den
arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag nicht als Haustürgeschäft im Sinne des § 312
BGB zu erfassen.
74
Das Arbeitsrecht ist zwar Bestandteil des Privatrechts; gerade im Bereich des
Individualarbeitsrechts finden wesentliche Normen des allgemeinen Schuldrechts ihren
Grundzügen nach Anwendung. Bereits im besonderen Schuldrecht hingegen finden
sich nur wenige Vorschriften über den Arbeitsvertrag und das Arbeitsverhältnis. Was
insbesondere den Aufhebungsvertrag anbelangt, so enthält das Bürgerliche Gesetzbuch
nur die Regelung des § 623 BGB über die Schriftform, womit der Aufhebungsvertrag
selbst als bekannt vorausgesetzt wird. In ganz weiten Teilen wird das allgemeine
Zivilrecht zudem von in Sondergesetzen geregelten arbeitsrechtlichen Vorschriften
überlagert und abgelöst. Das Arbeitsrecht hat sich damit im Verlaufe der Zeit zu einem
eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt, das neben dem bürgerlichen Recht steht und
deshalb auch nicht vom bürgerlich-rechtlichen Kodifikationsprinzip erfasst wird (Natzel,
NZA 2002, 595 ff., 596). Auch wenn Bemühungen, das Arbeitsrecht selbst in einem
Arbeitsgesetzbuch zu kodifizieren, bislang gescheitert sind, so bleibt es doch dabei,
dass dem Arbeitsrecht gegenüber dem Bürgerlichen Recht eine Sonderstellung
zukommt. Diese Sonderstellung als Sonderprivatrecht gegenüber dem Bürgerlichen
Recht kommt dem Verbraucherschutzrecht und damit auch dem Haustürwiderrufsrecht
gerade nicht zu. Es handelt sich bei dem Verbraucherschutz-
75
recht auf der einen Seite und dem Arbeitsrecht auf der anderen Seite demzufolge nicht
um einen einheitlichen Regelungsstoff (vgl. Natzel, NZA 2002, 595 ff., 596), der zur
Vermeidung der Entstehung von dogmatischen Reservaten in Sondergesetzen im
76
Bürgerlichen Gesetzbuch zusammengefasst werden musste. Der Gesetzgeber hat
demzufolge das Arbeitsrecht im wesentlichen unangetastet lassen wollen und auch
gelassen. Seine gesetzgeberische Tätigkeit hat sich im Rahmen der Schuldrechtsreform
für das Arbeitsrecht zum einen auf die ausdrücklich klarstellenden Regelungen in §§
615 S. 3, 619 a und 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB beschränkt. Ferner macht die mit § 310 Abs. 4
BGB nunmehr ausdrücklich angeordnete Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen unter
angemessener Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten
deutlich, dass der Gesetzgeber das Problem der Einbeziehung arbeitsvertraglicher
Vereinbarungen in das allgemeine Verbraucherschutzrecht durchaus erkannt hat.
Insbesondere aus der Tatsache, dass er die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen nach
den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB ausdrücklich geregelt hat, kann nur gefolgert werden,
dass nicht alle mit der Schuldrechtsreform in das Bürgerliche Gesetzbuch integrierten
Verbraucherschutzbestimmungen allein wegen ihrer Aufnahme in das BGB das
Arbeitsrecht betreffen sollten. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch einen Blick in
die Gesetzesmaterialien zu den §§ 474 ff. BGB (BT-Drucks. 14/6040, S. 243). Wenn es
dort heißt, dass Personen nicht deshalb aus dem Verbraucherbegriff ausgenommen
werden sollen, weil sie eine Sache kaufen, die sie in ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer
benötigen, und war zwar auch dann nicht, wenn Verkäufer der Arbeitgeber ist, dann
kann dies nur bedeuten, dass der Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigt hat,
arbeitsrechtliche Vereinbarungen schlechthin den besonderen Vorschriften über den
Verbraucherschutz zu unterstellen.
ee.
des § 312 BG ansehen, so würde dies im übrigen zu nicht auflösbaren
Wertungswidersprüchen im Verhältnis zu anderen arbeitsrechtlichen Regelungen
führen.
77
Wäre der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag ein Haustürgeschäft, so könnte der
Arbeitnehmer ihn – bei gegebener Belehrung über das Widerrufsrecht – innerhalb
78
einer Frist von zwei Wochen widerrufen, § 355 Abs. 1 BGB, bei nicht ordnungsgemäßer
Belehrung wäre ihm eine Widerrufsmöglichkeit bis zur Grenze der Verwirkung eröffnet, §
355 Abs. 3 BGB. Diese zuletzt genannte Folge wäre mit dem Interesse der
Vertragsparteien an einer schnellen Klärung ihrer Rechtsbeziehung, dem die §§ 4
KSchG und 17 TzBfG mit der dreiwöchigen Klagefrist und das Arbeitsgerichtsgesetz mit
dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung tragen, schlechterdings nicht zu
vereinbaren. Es kommt hinzu, dass der Arbeitgeber weder bei Abschluss eines
befristeten Arbeitsvertrages, noch bei Ausspruch einer Kündigung den Arbeitnehmer auf
die Klagemöglichkeit hinweisen muss. Wäre der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag
also ein Haustürgeschäft, so würde durch das Widerrufsrecht u. U., nämlich bei
unterlassener Belehrung, ein stärkerer Bestandsschutz bewirkt, als der Gesetzgeber ihn
für den gerade nicht privatautonom konsensualen , sondern einseitigen Lösungsakt,
nämlich die arbeitgeberseitige Kündigung vorgesehen hat.
79
Da § 312 BGB keine Tariföffnungsklausel enthält, hätte eine Anwendung des § 312
BGB auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge zudem zur Folge, dass die
Tarifvertragsparteien für den Arbeitnehmer ungünstigere Tarifbedingungen nicht
schaffen dürften und dass sämtliche Tarifverträge, die bereits eine hinter den
Anforderungen des § 355 BGB zurückbleibende Widerrufsmöglichkeit enthalten, wegen
Verstoßes gegen das Gesetz insoweit unwirksam wären. Hierdurch würde die in § 312
BGB getroffene Regelung, obgleich durch sie in die Privatautonomie der
80
Vertragspartner wesentlich schwächer eingegriffen wird als durch die Inhaltskontrolle
nach den §§ 305 ff. BGB, in einen Wertungswiderspruch zu der in § 310 Abs. 4 BGB
getroffenen Regelung geraten, wonach Tarifverträge gerade von der Inhaltskontrolle
ausdrücklich ausgenommen sind. Es ist schwerlich nachvollziehbar, weshalb der
Gesetzgeber den Tarifpartnern in einem so sensiblen Gebiet wie der Inhaltskontrolle
von Arbeitsverträgen das Vertrauen entgegenbringt, die wesentlichen
Vertragsbedingungen im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgewogen
regeln zu können, ihnen hingegen in dem anderen Bereich, nämlich dem der
Aufhebungsverträge, die Kompetenz abspricht, die gegenläufigen Interessen
angemessen zum Ausgleich zu bringen.
2.
Aufhebungsvertrages vom 05.03.2002 wirksam mit Ablauf des 30.06.2002 beendet
worden ist, hat der Kläger keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf
Weiterbeschäftigung. Der aus §§ 611 i. V. mit 242 BGB abgeleitete vertragliche
Anspruch auf Beschäftigung setzt nämlich ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraus.
81
3.
Produktmanager. Ein solcher Anspruch des Klägers könnte sich vorliegend allenfalls
aus der Fürsorgepflicht der Beklagten bzw. dem aus § 242 BGB folgenden Verbot des
Rechtsmissbrauchs in Form des Verbots des "venire contra factum proprium" ergeben.
Dass die Beklagte ihre Fürsorgepflicht verletzt bzw. rechtsmissbräuchlich handelt, wenn
sie ihn trotz bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht wieder einstellt, hat der
Kläger indes nicht unter Beweis gestellt.
82
In Rechtsprechung und Schrifttum besteht im wesentlichen Einigkeit darüber, dass bei
betriebsbedingten Kündigungen ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers
dann entstehen kann, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem
Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für
den Arbeitnehmer ergibt. Methodisch wird der Anspruch aus der Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers, dem Verbot des "venire contra factum proprium", dem Grundsatz des
Vertrauensschutzes oder aber als vertragliche Nebenpflicht aus dem noch bis zum
Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehenden Arbeitsverhältnis abgeleitet (BAG, Urt. v.
28.06.2000 – 7 AZR 904/98 -, NZA 2000, 1098 ff. mit zahlreichen weiteren
Nachweisen). Wurde indes, wie im vorliegenden Fall, keine betriebsbedingte
Kündigung ausgesprochen, sondern haben sich die Parteien einvernehmlich gegen
Zahlung einer Abfindung auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigt, wird
die Auslegung dieser Vereinbarung in der Regel ergeben, dass nach dem Willen der
Parteien das Arbeitsverhältnis – auch bei nachträglicher Änderung des bei Abschluss
der Aufhebungsvereinbarung zugrunde gelegten Sachverhalts - gerade nicht im
Anschluss an seine Beendigung zu den ursprünglichen oder geänderten Bedingungen
fortgesetzt werden soll (vgl. BAG, Urt. v. 28.06.2000 – 7 AZR 904/98 -,
83
NZA 2000, 1097 ff.). Eine solche Auslegung wäre allerdings dann nicht gerechtfertigt mit
der Folge, dass die zum Wiedereinstellungsanspruch nach betriebsbedingter
Kündigung entwickelten Grundsätze zur Anwendung kommen könnten, wenn der
Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber zum Abschluss des Aufhebungsvertrages zur
Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung bestimmt worden wäre. In einem
solchen Fall würde es die dem Arbeitgeber obliegende vertragliche bzw.
nachvertragliche Fürsorgepflicht gebieten, dem Wunsch des Arbeitnehmers nach
Rückabwicklung des Aufhebungsvertrages zu entsprechen und diesen wieder
84
einzustellen. Da der Aufhebungsvertrag in einem solchen Fall auf arbeitgeberseitige
Veranlassung zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung geschlossen wurde,
könnte es sich als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer trotz bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf den
Aufhebungsvertrag verweist (auf das Verbot des "venire contra factum proprium" stellt
auch der 2. Senat des BAG in seinem Urt. v. 21.02.2002 – 2 AZR 749/00 -, BB 2002,
2335 ff. ab).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte
auf Wiedereinstellung. Er hat zwar behauptet, die Beklagte habe bei Abschluss des
Aufhebungsvertrages erklärt, man müsse sich aus betriebsbedingten Gründen von ihm
trennen. Für diese Behauptung hat der insoweit auch beweispflichtige Kläger indes
keinen Beweis angetreten.
85
4.
hilfsweise begehrte Differenz zwischen der im Sozialplan vom 17.04.2002
vorgesehenen und der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung.
86
Der Kläger kann einen Anspruch gegen die Beklagte nicht mit Erfolg direkt auf den
Sozialplan vom 17.04.2002 stützen. Die Kammer konnte es vorliegend offen lassen, ob
der Arbeitsplatz des Klägers überhaupt von der im Interessenausgleich vom 17.04.2002
geregelten Betriebsänderung betroffen war; der Kläger ist bereits deshalb von
Leistungen aus dem Sozialplan ausgeschlossen, da er wegen Abschlusses eines
Aufhebungsvertrages vor Abschluss des Interessenausgleichs gemäß § 1 Ziff. 2 e) des
Sozialplans nicht von dessen Geltungsbereich erfasst wird.
87
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch gegen die Beklagte aus dem Sozialplan vom
17.04.2002 i. V. mit §§ 75, 112 a Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Zwar sind die Betriebspartner
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Vereinbarung
eines Sozialplanes grundsätzlich frei in der Entscheidung, welche wirtschaftlichen
Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer durch welche
Leistungen ausgeglichen ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Eine Grenze wird
der Betriebsautonomie insoweit lediglich durch § 75 BetrVG gesetzt, wonach die
betroffenen Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln
sind, d. h., eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder einzelner
Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in
vergleichbarer Lage zu unterbleiben hat. Insoweit hat es die Rechtsprechung stets als
mit dem Gebot der Gleichbehandlung nach § 75 BetrVG für vereinbar angesehen, wenn
die Betriebspartner bei der Zuerkennung von Ansprüchen auf eine Abfindung zwischen
Arbeitnehmern, denen infolge der Betriebsänderung gekündigt worden ist und solchen,
die ihr Arbeitsverhältnis durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag
beendet haben, unterschieden haben (vgl. BAG, Urt. v. 17.04.1996 – 10 AZR 560/95 -,
n. v.; BAG, Urt. v. 13.11.1996 – 10 AZR 340/96 -, NZA 1997, 390 ff.). Eine Ausnahme
hiervon gilt allerdings dann, wenn die Eigenkündigung oder der Aufhebungsvertrag vom
Arbeitgeber veranlasst worden ist. In dem Fall gebieten es §§ 75, 112 a BetrVG,
gekündigte Arbeitnehmer und solche, die aufgrund Eigenkündigung oder
Aufhebungsvertrag auf arbeitgeberseitige Veranlassung hin ausgeschieden sind,
gleichzubehandeln. Dabei wird von der Rechtsprechung eine Veranlassung aber nur
dann angenommen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine
konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen
Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu
88
vermeiden. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer bei Kündigungsausspruch
oder Abschluss des Aufhe-bungsvertrages auf Grund der Erklärungen des Arbeitgebers
davon ausgehen musste, er werde möglicherweise durch die ihn in Umrissen
dargelegte Betriebsänderung und den damit auch in seinem Tätigkeitsbereich zu
erwartenden Personalabbau betroffen (vgl. BAG, Urt. v. 17.04.1996 – 10 AZR 560/95 -,
n. v.). Vorliegend hat der
Kläger zwar behauptet, die Beklagte habe ihm im Rahmen der Verhandlungen über die
Aufhebung des Arbeitsverhältnisses betriebsbedingte Gründe für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses genannt; er hat aber weder vorgetragen, dass ihm von der
Beklagten die geplante Betriebsänderung in Umrissen dargelegt worden sei, noch hat er
überhaupt für seine Behauptung Beweis angetreten.
89
Schließlich kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung des Differenzbetrages nicht
im Wege des Schadensersatzes wegen pVV des Arbeitsvertrages verlangen. Ein
solcher Anspruch wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn für die Beklagte die
Verpflichtung bestanden hätte, den Kläger vor Abschluss des Aufhebungsvertrages über
die schwebenden Sozialplanverhandlungen zu unterrichten. Dass dies nicht der Fall
war, wurde bereits unter II. 1. b. ausgeführt.
90
III.
91
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO, wonach der
Kläger die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen hat.
92
IV.
93
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG
vorliegen. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
94
Dr. Schlewing
Wende
Himmelmann
95