Urteil des LAG Düsseldorf vom 29.09.2009

LArbG Düsseldorf (kläger, aufgaben, abberufung, abfall, kündigung, wichtiger grund, unwirksamkeit der kündigung, gewässerschutz, ordentliche kündigung, arbeitsgericht)

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 6 Sa 492/09
Datum:
29.09.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 Sa 492/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 7951/08
Schlagworte:
Abberufung eines Beauftragten für Abfall- und
Gewässerschutz/Direktionsrecht
Normen:
§ 106 GewO, § 54 KrW-/AbfG, § 21 a WHG, § 58 BImschG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Es kann vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst sein, einen
Beauftragten für Abfall- und Gewässerschutz gem. § 54 KrW-/AbfG, § 21
a WHG wieder abzuberufen (in Abgrenzung zur Fallgestaltung bei
einem Datenschutzbeauftragten im Urteil des BAG vom 13.03.2007 - 9
AZR 612/05 -).
Tenor:
1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Düsseldorf vom 15.04.2009 - 4 Ca 7951/08 - teilweise abgeändert:
Die Klage wird auch hinsichtlich Ziffer 2 und 3 der Klageanträge (Ziffer 1
und 2 des Urteilstenors) abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2.Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3.Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.
4.Die Revision wird für den Kläger hinsichtlich der Klageabweisung
gemäß Ziffer 1 zugelassen, im Übrigen wird die Revision nicht
zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über eine Kündigung sowie über den Entzug von Beauftragungen
als Gewässerschutz-, Immissionsschutz- und Abfallbeauftragter an den Kläger.
2
Der 58jährige verheiratete Kläger ist Diplomchemiker und seit dem 01.09.1989 zunächst
als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Beklagten, die ein weltweit operierendes
Unternehmen auf den Geschäftsfeldern Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik- und
3
Körperpflege sowie adhäsiven Technologien betreibt, beschäftigt. Der Kläger war in der
Organisationseinheit Umweltschutz tätig. Mit Wirkung vom 01.03.1990 wurde er zum
Abteilungsleiter bestellt und zwar zuletzt in der Abteilung "Legal Compliance".
Sein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug im Jahre 2008 12.841,92 €.
4
Mit Schreiben vom 15.04.1994 bzw. 20.12.1994 bestellte die Beklagte den Kläger zum
Betriebsbeauftragten für Abfall gemäß den §§ 11 a - f Abfallgesetz (AbfG) bzw. zum
Betriebsbeauftragten für Gewässerschutz gemäß den §§ 21 a - f
Wasserhaushaltsgesetz (WHG) für das Werk I. (Bl. 22 u. 23 d. A.).
5
Mit Schreiben vom 03.06.1998 folgte die Anpassung an die aktuelle Rechtslage im
Hinblick auf die Neufassung in § 54 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG)
unter Hinweis auf § 54 KrW-/AbfG.
6
Zu den Stellenzielen und Hauptaufgaben wird auf die mit Wirkung vom 01.05.1998
erstellte Stellenbeschreibung (Bl. 191 - 192 d. A.) für den Gewässerschutz- und
Abfallbeauftragten Bezug genommen.
7
Unter dem 12.02.2005 erstellte die Beklagte eine Stellenbeschreibung mit der
Tätigkeitsbeschreibung "Gewässerschutz-, Immissionsschutz- und Abfallbeauftragter"
(Bl. 25 ff. d. A.). Diese Stellenbeschreibung wurde vom Kläger sowie dem Vorgesetzten
unterzeichnet.
8
Mit Schreiben vom 01.05.2005 (Bl. 31 d. A.) bestellte sie den Kläger zum
Immissionsschutzbeauftragten für das Werk I.. Von dieser Position wurde er mit
Schreiben vom 11.12.2007 mit Wirkung zum 31.12.2007 abberufen (Bl. 32 d. A.).
9
Die Abberufung erfolgte vor dem Hintergrund einer Zentralisierung und Konzentration
der Beauftragtenfunktion am Standort I..
10
Im Laufe des Jahres 2008 kam es zwischen den Parteien zu Verhandlungen über ein
Ausscheiden im Rahmen einer Vorruhestandsregelung. Eine Einigung kam jedoch nicht
zustande.
11
Mit Schreiben vom 02.12.2008 (Bl. 35 d. A.) wurde der Kläger als Betriebsbeauftragter
für Gewässerschutz und Abfall mit Wirkung vom 31.12.2008 abberufen. Mit Schreiben
vom 19.12.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2010 und stellte
den Kläger ab 01.01.2009 von der Arbeitsleistung frei.
12
Mit seiner am 23.12.2008 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der
Beklagten am 07.01.2009 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen die
Kündigung und die Abberufungen.
13
Er hat die Auffassung vertreten, die Abberufungen seien rechtswidrig, da die Beklagte
ihn zwar abberufen habe, die damit verbundene arbeitsvertragliche Aufgabe aber nicht
teilgekündigt habe.
14
Die Kündigung verstoße gegen § 21 f. Abs. 2 Satz 2 WHG sowie § 58 Abs. 2 Satz 2
BImSchG i. V. m. § 55 Abs. 3 KrW-/AbfG. Zudem sei sie nicht sozial gerechtfertigt.
15
Der Kläger hat beantragt,
16
1.
17
festzustellen, dass der Kläger über den 31.12.2007 hinaus
Immissionsschutzbeauftragter gemäß § 53 Bundesimmissionsschutzgesetz der
Beklagten am Standort I. der Beklagten ist,
18
2.
19
festzustellen, dass der Kläger über den 31.12.2008 hinaus Betriebsbeauftragter für
Gewässerschutz gemäß §§ 21 a bis 21 f Wasserhaushaltsgesetz der Beklagten am
Standort I. ist,
20
3.
21
festzustellen, dass der Kläger über den 31.12.2008 Betriebsbeauftragter für Abfall
gemäß § 54 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz für sämtliche inländischen
Betriebsstätten der Beklagten ist,
22
4.
23
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom
19.12.2008 aufgelöst ist,
24
5.
25
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des
vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Abteilungsleiter -
Führungskreis II - im Werk Düsseldorf zu beschäftigen.
26
Die Beklagte hat beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei berechtigt gewesen, ohne Ausspruch einer
Teilkündigung den Kläger von seinen Funktionen als Beauftragter im Rahmen ihres
Direktionsrechts abzuberufen. Die Beauftragtenfunktionen seien vom Tätigkeitsfeld des
Klägers als Chemiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Umweltdezernat umfasst.
Zudem sei das Recht des Klägers, sich auf die Unwirksamkeit der Abberufung als
Immissionsschutzbeauftragter zu berufen, verwirkt.
29
Sie habe ihn unter Ausübung ihres Direktionsrechts berufen und könne ihn auf diesem
Wege wieder abberufen. Im Hinblick auf die organisatorische Neuordnung sei auch
billiges Ermessen gewahrt worden. Darüber hinaus sei die Abberufung auch als
Teilkündigung auszulegen.
30
Sie hat weiter die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 19.12.2008 verstoße nicht
gegen die Vorschriften des Wasserhaushalts- und Bundesimmissionsschutzgesetzes.
Diese Vorschriften konstruierten keinen besonderen Kündigungsschutz, sondern
stellten lediglich ein Schutzgesetz dar, so dass dem Kläger bei Verletzung des Verbots
31
nur Schadensersatz zustehe.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 15.04.2009 die Klage insoweit für unbegründet
erachtet, als der Kläger sich gegen seine Abberufung als Immissionsschutzbeauftragter
berufen hat. Insoweit hat das Arbeitsgericht die Geltendmachung durch den Kläger als
verwirkt angesehen. Hinsichtlich der Abberufung des Klägers als Betriebsbeauftragter
für Abfall- und Gewässerschutz hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass diese
Abberufung nicht vom Direktionsrecht umfasst gewesen sei, eine Teilkündigung nicht
ausgesprochen worden sei, die bei Anwendung der Grundsätze des
Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 13.03.2007 - 9 AZR 612/05 - zur Abberufung eines
Datenschutzbeauftragten erforderlich gewesen sei, da die Bestellung zum Beauftragten
gleichzeitig eine Änderung des Arbeitsvertrages beinhalte. Eine Teilkündigung habe
auch nicht ausgesprochen werden sollen.
32
Die Kündigung vom 19.12.2008 sei wegen des Kündigungsverbotes gemäß § 58 Abs. 2
BImSchG unwirksam, da eine Kündigung erst ein Jahr nach Abberufung des
Beauftragten zulässig sei. Die Schutzvorschriften begründeten einen besonderen
Kündigungsschutz. Die Rechtsauffassung der Beklagten sei weder mit dem Wortlaut
noch mit der Systematik des besonderen Kündigungsschutzes zu vereinbaren.
33
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt sowie
der Kläger form- und fristgerecht Anschlussberufung.
34
Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, dass anders als im Falle des
Widerrufs der Bestellung eines Bundesdatenschutzbeauftragten zur arbeitsvertraglich
wirksamen Abberufung eines Betriebsbeauftragten für Gewässerschutz und Abfall eine
Teilkündigung nicht notwendig sei. Eine Verknüpfung von schuldrechtlichem
Grundverhältnis zur Bestellung bestehe nicht. Der Widerruf habe deshalb im Rahmen
des Direktionsrechts ausgeübt werden können. Die vom Bundesarbeitsgericht in der
Entscheidung vom 13.03.2007 aufgestellten Grundsätze für die den Widerruf einer
Beauftragung des Datenschutzbeauftragten könnten nach Wortlaut und Systematik nicht
auf die Beauftragten für Abfall und Gewässerschutz angewendet werden. Vielmehr
komme allenfalls eine Vergleichbarkeit mit den Vorschriften im Arbeitssicherheitsgesetz
in Betracht.
35
Soweit das Arbeitsgericht ausgeführt habe, dass die Aufgabe der Beauftragten nicht zu
den Aufgaben als wissenschaftlicher Mitarbeiter gehöre, könne dem nicht gefolgt
werden. Der Kläger sei als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Diplom-Ingenieur im
Umweltdezernat tätig gewesen und als solcher auch dem Führungskreis 2 zugeordnet
worden. Es seien die Aufgaben übertragen worden, die seinen Kenntnissen und
Fähigkeiten im Rahmen dieser Abteilung oblegen hätten, insbesondere auch im Bereich
der wasserrechtlich relevanten Verfahren und im Zusammenhang mit der
Abfallentsorgung. Durch die Beauftragung zum Beauftragten für Abfall und
Gewässerschutz seien ihm keine außerhalb des Direktionsrechts liegenden
anderweitigen Aufgaben übertragen worden, die zu einer Änderung des
Arbeitsvertrages geführt hätten, sondern es habe sich um eine vom Direktionsrecht
umfasste Erweiterung der Aufgabenstellung gehandelt. Entsprechend könnte diese
Beauftragung auch im Rahmen des Direktionsrechts widerrufen werden.
36
Zumindest sei die Erklärung als Teilkündigung auszulegen. Vorsorglich sei mittlerweile
unter dem 03.07.2009 eine Teilkündigung ausgesprochen worden.
37
Weiter trägt die Beklagte vor, dass die Kündigung mit Schreiben vom 19.12.2008,
entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts zum 31.12.2010, wirksam sei. Die
Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt, da die Aufgaben
anderweitig verteilt worden seien. Sie sei auch nicht unzulässig, da durch die
Nichteinhaltung der Jahresfrist die Kündigung als solche nicht unwirksam werde.
Vielmehr sei diese Vorschrift als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 anzusehen,
die allenfalls Schadensersatz rechtfertige. Zudem habe sie mit der Kündigungsfrist zum
31.10.2010 nach dem Schutzgedanken des Gesetzes die Jahresfrist gewahrt.
38
Die Beklagte beantragt,
39
1.
40
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.04.2009 - 4 Ca 7951/08 - abzuändern,
soweit es der Klage stattgegeben hat,
41
2.
42
die Klage abzuweisen.
43
Der Kläger beantragt,
44
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
45
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist insbesondere darauf, dass sich aus
den Stellenbeschreibungen ergebe, dass er nunmehr als Hauptaufgaben die
Tätigkeiten und Pflichten des Gewässerschutzbeauftragten bzw. Abfallbeauftragten zu
erfüllen hätte. Durch die Unterzeichnung der Stellenbeschreibung sei davon
auszugehen, dass eine arbeitsvertragliche Vereinbarung insoweit getroffen worden sei,
die nicht einseitig widerrufen werden könne.
46
Hinsichtlich der Anschlussberufung trägt der Kläger vor, dass die Abberufung als
Immissionsschutzbeauftragter zum 31.12.2007 ebenfalls rechtlich unzulässig gewesen
sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf Verwirkung berufen, da die Tätigkeit als
Immissionsschutzbeauftragter auch nach der Abberufung Gegenstand des
Arbeitsvertrages geblieben sei. Zu keinem Zeitpunkt habe er eine geänderte
Stellenbeschreibung erhalten, geschweige denn eine geänderte Stellenbeschreibung
mit der Beklagten vereinbart.
47
Es habe daher auch keine Anpassung der arbeitsvertraglichen Pflichten nach der
Abberufung stattgefunden. Seine Tätigkeit habe sich insoweit inhaltlich nicht geändert,
als er tatsächlich weiter Immissionsschutzaufgaben wahrgenommen habe - so
Protokollerklärung vom 29.09.2009 -, lediglich Herr Dr. N. habe die Aufgabe des
Beauftragten mit den entsprechenden Funktionen übernommen. Er habe ihm gegenüber
erklärt, dass sich nichts ändern würde.
48
Der Kläger beantragt,
49
das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage insgesamt stattzugeben.
50
Die Beklagte beantragt,
51
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
52
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrages wird ergänzend
Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie die Protokollerklärungen in der mündlichen Verhandlung vom
29.09.2009.
53
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
54
A.
55
Berufung der Beklagten
56
Die Berufung der Beklagten hatte teilweise Erfolg insoweit, als das Arbeitsgericht
festgestellt hat, dass der Kläger über den 31.12.2008 hinaus Betriebsbeauftragter für
Gewässerschutz gemäß § 21 a - f WHG bzw. Betriebsbeauftragter für Abfall gemäß § 54
KrW-/AbfG ist; insoweit war das Urteil teilweise abzuändern.
57
Die Berufung war jedoch zurückzuweisen, soweit sich die Beklagte gegen die
Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung durch das Arbeitsgericht und die
Ausurteilung der Weiterbeschäftigung gewandt hat.
58
I.
59
Die Berufungskammer ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts zu der
Auffassung gelangt, dass die Abberufung des Klägers von den Aufgaben als
Beauftragter für Abfall und Gewässerschutz gemäß § 54 KrW-/AbfG und gemäß § 21 a
WHG vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst war und auch die Abberufung durch
die Beklagte mit Wirkung vom 31.12.2008 im Rahmen des Direktionsrechtes unter
Wahrung billigen Ermessens zulässig war.
60
Dabei sei darauf hingewiesen, dass die weiteren Erörterungen sich nur auf die
Beauftragung und die Abberufung als Abfall- und Gewässerschutzbeauftragter
beziehen. Die Überprüfung der Beauftragung bzw. Abberufung als
Immissionsschutzbeauftragter war nicht erforderlich, weil die Kammer insoweit der
Auffassung des Arbeitsgerichts folgt, dass mögliche Ansprüche des Klägers im
Zusammenhang mit der Abberufung als Immissionsschutzbeauftragter verwirkt sind.
Insoweit sei auf die Ausführungen unter B unten verwiesen.
61
1.Der Klageantrag zu 2. und 3. ist zulässig im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Zwischen
den Parteien ist ein Rechtsverhältnis im Streit. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse ist gegeben. Zwischen den Parteien besteht nämlich Streit
darüber, ob der Kläger weiterhin Beauftragter für Abfall und Gewässerschutz bei der
Beklagten ist (vgl. BAG vom. 13.03.2007 - 9 AZR 612/05 - NZA 2007,563).
62
2.Gemäß § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der
Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese
Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer
Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften
63
festgelegt sind.
Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Weisungsrecht gehört zum wesentlichen Inhalt
eines jeden Arbeitsverhältnisses. Bei der Ausübung dieses Rechts steht dem
Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Raum zur einseitigen Gestaltung der
Arbeitsbedingungen zu. Insbesondere hat der Arbeitgeber das Recht, die im
Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im
Einzelnen festzulegen. Auf der Grundlage dieses Weisungsrechts bestimmt der
Arbeitgeber Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung; dabei kann er dem Arbeitnehmer auch
einen Wechsel in der Art der Beschäftigung auferlegen, ein Vorgang, der als
"Versetzung" nicht immer richtig gekennzeichnet wird oder er kann auch den
Arbeitsbereich verkleinern (vgl. BAG vom 27.03.1980 - AP-Nr. 26 zu § 611 BGB
Direktionsrecht; BAG vom 24.04.1996 - 5 AZR 1032/94 - PersR 1997, 179; ErfK-Preis, 9.
Aufl. 2009 § 611 BGB Rn. 275/277.).
64
Grundsätzlich sind Vereinbarungen, die dem Arbeitgeber das Recht zur einseitigen
Änderung einzelner Arbeitsbedingungen einräumen, zulässig. Nur wenn wesentliche
Elemente des Arbeitsvertrages der einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber
unterliegen mit der Folge, dass das bisherige Gleichgewicht des Vertrages, also das
Verhältnis von Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört wird, wird die Grenze
des gesetzlichen Schutzes gegen Änderungskündigungen überschritten (vgl. BAG vom
24.04.1996 a. a. O. m. w. N.).
65
3.Nach dem unstreitigen Sachverhalt, den vertraglichen Vereinbarungen und den
Protokollerklärungen des Klägers in der letzten mündlichen Verhandlung wurde der
Kläger ab 01.09.1989 als wissenschaftlicher Mitarbeiter aufgrund seiner Ausbildung als
Diplom-Ingenieur bei der Beklagten eingestellt. Er war ausweislich der Mitteilung vom
01.02.1990 im Ressort Ingenieurwesen in der Organisationseinnheit Umweltschutz
eingesetzt und wurde mit Wirkung vom 01.03.1990 zum Abteilungsleiter ernannt und
dem Führungskreis II zugeordnet. Ausweislich § 1 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages (Bl. 15
d. A.) konnte die Beklagte dem Kläger auch andere Aufgaben übertragen, soweit sie
seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen.
66
a.Ausweislich seiner eigenen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung war der
Kläger im Bereich Umweltschutz sowohl mit der Abwicklung von wasserrechtlich
relevanten Verfahren beschäftigt und wurde 1993 dann zusätzlich Betriebsleiter der
zentralen Abwassersicherungsanlage. Darüber hinaus war er mit Fragen der
Abfallbeseitigung befasst und wurde sodann 1994 zum Abfallbeauftragten ernannt
sowie am 01.01.1995 zugleich mit seiner Berufung zum Hauptabteilungsleiter zum
Gewässerschutzbeauftragten.
67
Nach Einschätzung der Kammer umfasst damit das Tätigkeitsgebiet des Klägers
innerhalb der Abteilung Umweltschutz Aufgaben innerhalb des Gewässerschutzes und
der Abfallwirtschaft und der Altlastensanierung.
68
Damit war der Kläger von vornherein für den "rechtssicheren Betrieb der Anlagen sowie
für die Entsorgung von Abfall und Abwasser" im Zusammenhang mit der Erwirkung von
der erforderlichen Genehmigung und mit der Überprüfung der Verunreinigung von
Gewässern im Zusammenhang mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlagen
zuständig. Wenn ihm tatsächlich, wie er zu Protokoll erklärt hat, nunmehr noch die
Kontrolle im Rahmen der Beauftragung als Gewässerschutz- und Abfallbeauftragter
69
übertragen worden ist, so wäre dies nach Einschätzung der Kammer weder rechtlich
unzulässig noch die Übertragung einer Sonderaufgabe, die über das Direktionsrecht
hinausginge. Vielmehr wurde dem Kläger im Rahmen seiner Aufgaben als
Hauptabteilungsleiter in der Umweltschutzabteilung die besondere Funktion des
Gewässerschutz- und Abfallbeauftragten übertragen. Damit ändert sich weder das
Tätigkeitsbild noch sind ihm Aufgaben übertragen worden, die als Sonderfunktion eben
einer völlig anders gelagerten Tätigkeit ausgeübt werden müssten. Vielmehr ergibt sich
aus der Stellung im Rahmen der Abteilung "Legal Compliance", dass dem Kläger damit
im Rahmen seiner bisher obliegenden Aufgaben eine zwar zusätzliche aber nicht völlig
anders geartete Tätigkeit zugewiesen wurde.
b.Aufgrund dessen vermag die Kammer auch der "Stellenbeschreibung" vom
01.05.1998 ebenso wie der Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2005, in der die
Aufgaben als Immissionsschutzbeauftragter zusätzlich aufgeführt worden sind, nicht zu
entnehmen, dass insoweit eine Änderung des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien
geschlossen wurde.
70
Die Kammer folgt deshalb der Argumentation der Beklagten, dass allein die Tatsache,
dass die beauftragten Funktionen in der Stellenbeschreibung integriert wurden, nicht zur
Annahme des Willens der Parteien führte, eine Beschäftigung des Klägers nur noch mit
der Funktion als Beauftragter abzuwickeln. Wenn man eine "Aufgabenänderung" mit der
Tätigkeit der ausschließlichen Aufgabenwahrnehmung als Beauftragter hätte
vereinbaren wollen, hätte es nahegelegen, diese vermeintliche Vertragsänderung in
einer Änderung zum Arbeitsvertrag festzulegen. Dies haben die Parteien ausdrücklich
nicht gemacht. Der Kläger hat lediglich in der Stellenbeschreibung durch seine
Unterschrift bestätigt, dass er die Aufgaben übernommen hat und dass damit bestimmte
Funktionen im Rahmen seiner Aufgaben als Abteilungsleiter übernommen wurden.
71
Die Aufgaben des Abfallbeauftragten bzw. Gewässerbeauftragten folgen jedoch aus
den gesetzlichen Bestimmungen. Insoweit beinhaltet sowohl § 55 Abs.1 KrW-/AbfG als
auch § 21 b WHG die ausdrückliche Festlegung, dass der Abfallbeauftragte bzw.
Gewässerschutzbeauftragte den Betreiber und die Betriebsangehörigen in
Angelegenheiten, die für die Abfallbeseitigung bzw. den Gewässerschutz von
Bedeutung sind, berät. Im Rahmen dieser Beratung ist der Gewässerschutzbeauftragte
berechtigt und verpflichtet, die Einhaltung von Vorschriften, Bedingungen und Auflagen
im Interesse des Gewässerschutzes und auch der Abfallwirtschaft zu berücksichtigen.
Diese Aufgaben ergeben sich beim Kläger jedoch schon daraus, dass er im Rahmen
der Genehmigungsverfahren und damit zusammenhängenden Abwicklungen
zusammen mit seinen ihm unterstellten Mitarbeitern die Einhaltung der gesetzlichen
Bestimmungen per se zu überprüfen hat. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass er im
Rahmen seiner Abteilungsleiterfunktion mit sieben Mitarbeitern für Immissionsschutz,
Abfallüberwachung, Baugenehmigungen und Wasserrecht (S. 6 u. 7 des Schriftsatzes
des Klägers vom 03.04.2009) zuständig war. Damit wird auch der Sachvortrag der
Beklagten bestätigt, dass der Aufgabenbereich des Klägers Aufgaben aus dem Bereich
des Beauftragten für Abfall und Gewässerschutz umfasste.
72
Damit wird zusätzlich deutlich, dass die Beklagte im Rahmen ihres Direktionsrechts und
im Lichte der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.04.1996 (a. a. O.) im
Rahmen des Arbeitsvertrages Aufgaben zuweisen konnte, die keine wesentliche
Änderung des Arbeitsvertrages beinhalten und damit auch das Verhältnis von Leistung
und Gegenleistung nicht in Frage gestellt haben.
73
Insoweit vermag die Kammer auch nicht der Einlassung des Klägers zu folgen, dass
sich aus der Stellenbeschreibung ergibt, dass 100 % der Aufgaben des Klägers
nunmehr neue Aufgaben beinhalteten, die sich aus der Bestellung als Abfall- bzw.
Gewässerschutzbeauftragter ergeben.
74
Der Kläger verkennt nach Einschätzung der Kammer, dass die Stellenbeschreibung
sowohl aus 1998 als auch aus 2005 lediglich das festschreibt, was der Kläger vorher
schon erledigt hat und das, was im Rahmen der Aufgaben unter Zitierung der
gesetzlichen Bestimmungen (§ 55 KrW-/AbfG und § 21 b WHG) zu den Aufgaben eines
Beauftragten gehört.
75
Selbst wenn man Ziffer 3 der Stellenbeschreibung 1998 (Bl. 192 d. A.), wonach der
Kläger "die Anlagenbetreiber in Fragen des Umweltschutzes berät und insbesondere
Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung der Menge, Verwertung bzw. Wiedereinsatz
und umweltverträgliche Beseitigung von Abfall und Abwasser vorschlägt" mit 20 % der
besonderen Einzelaufgabe des Gewässerschutz- und Abfallbeauftragten zuordnet mit
der entsprechenden Berichtspflicht, ergibt sich daraus noch nicht, dass der Kläger diese
Aufgaben nicht innerhalb seiner Funktion als Hauptabteilungsleiter im
Umweltschutzbereich per se wahrzunehmen hat. Selbst wenn man sie einer
besonderen Aufgabenstellung als Beauftragter zuweisen würde, würden sie das
Tätigkeitsbild als solches für sich genommen nach Einschätzung der Kammer nicht
ändern.
76
c.Auch Ziffer 3 der Stellenbeschreibung von 2005 (Bl. 26 d. A.) zwingt unter
Berücksichtigung der Stellenziele und der Hauptaufgaben, die der Kläger vorher schon
verrichtet hat, zu keiner anderen Bewertung.
77
Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2009 auch hinsichtlich
der Aufgaben als Immissionsschutzbeauftragter bestätigt, dass er bis auf die Aufgabe
des Beauftragten, die Herr Dr. N. übernommen habe, weiter im Immissionsschutz
Aufgaben wahrgenommen habe. Dies mag ergänzend auch für die Frage des Abfall-
und Gewässerschutzbeauftragten als Indiz dienen.
78
4.Ist demnach zusammenfassend festzustellen, dass der Kläger mit der Übertragung der
Aufgaben eines Abfall- und Gewässerschutzbeauftragten im Rahmen des
Weisungsrechts durch den Arbeitgeber zusätzliche Aufgaben, die im Zusammenhang
mit der von ihm arbeitsvertraglich zu verrichtenden Tätigkeit standen, zugewiesen
wurden, so ist der Beklagten zu folgen, dass der Widerruf der Abberufung und damit die
Entbindung des Klägers von den entsprechenden Aufgaben sich als "actus contrarius"
im Rahmen des ihr obliegenden Direktionsrechtes zur Bestellung darstellt. Es ist auch
nicht feststellbar, dass die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens bei der
Abberufung des Klägers als Abfall-und Gewässerschutzbeauftragter unbillig im Sinne
von § 106 Abs. 1 GewO in Verbindung mit § 315 Abs. 1 BGB gehandelt hätte.
79
a.Eine Maßnahme in Ausübung des Direktionsrechts wäre nur dann unwirksam, wenn
sie nicht billigem Ermessen entspricht. Die Grundsätze der Billigkeit sind gewahrt, wenn
alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen
angemessen berücksichtigt worden sind (BAG vom 12.09.1996 - 5 AZR 30/95 - NZA
1997,381; BAG vom 23.06.1993 - 5 AZR 337/92 - NZA 1993, 1127).
80
b.Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht erkennbar, dass die Abberufung
des Klägers auch als Abfall- und Gewässerschutzbeauftragter unbillig wäre. Die
Beklagte hat eine unternehmerische Entscheidung getroffen, wonach die
unterschiedlichen Aufgaben von drei Abteilungen auf zwei Abteilungen übertragen
werden sollten und im Zusammenhang damit die Funktion des
Immissionsschutzbeauftragten und des gleichzeitigen Gewässerschutz- und
Abfallbeauftragter in einer Person und damit bei Herrn Dr. N. gebündelt werden sollte.
Dass eine derartige Bündelung möglich ist, hat der Kläger durch die Wahrnehmung
dieser Aufgaben seinerseits bestätigt. Die Beauftragung als
Immissionsschutzbeauftragter wurde ihm bereits im Dezember 2007 entzogen. Nunmehr
soll er auch als Abfall- und Gewässerschutzbeauftragter von dieser Funktion entbunden
werden und Herr Dr. N. damit beauftragt werden. Damit ist zunächst nur seine "
Zusatzfunktion" betroffen, seine arbeitsvertraglich bestehenden Aufgaben im Übrigen
sind davon unberührt. Ob diese Aufgaben weggefallen sind und eine Kündigung
insoweit gerechtfertigt ist, ist an anderer Stelle zu prüfen. Hier geht es lediglich um die
Abberufung als Beauftragter. Da das Arbeitsverhältnis als solches durch die Abberufung
nicht inhaltsleer wird (vgl. auch oben die Ausführungen unter 3 a und 3 b) und auch vom
Kläger unmittelbare Beeinträchtigungen seiner Interessen nicht vorgetragen und auch
nicht ersichtlich sind, erscheinen die Abberufungsmaßnahmen deshalb auch nicht
unbillig.
81
5.Die Berufungskammer teilt auch die Auffassung der Beklagten in der
Berufungsbegründung, dass der vorliegende Fall mit dem Fall des
Bundesarbeitsgerichts zum Datenschutzbeauftragten in der Entscheidung vom
13.03.2007 - 9 AZR 612/05 - nicht vergleichbar ist. Das Bundesarbeitsgericht ist davon
ausgegangen, dass die Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten im dortigen Verfahren
Gegenstand arbeitsvertraglicher Vereinbarungen war und deshalb der Widerruf der
Bestellung nach § 4 Abs. 3 Satz 4 BDSG nur in Form der gleichzeitigen Kündigung
dieser arbeitsvertraglichen Abrede wirksam erfolgen kann. Das ist im Streitfall nach den
obigen Erörterungen nicht der Fall. Die Aufgaben als Gewässerschutz und
Abfallbeauftragter sind dem Kläger im Rahmen des Direktionsrechtes übertragen
worden.
82
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzeswortlaut und die Gesamtsituation
bei dem Datenschutzbeauftragten eine andere ist, als bei dem Abfall- bzw.
Gewässerschutzbeauftragten. Gemäß § 4 f BDSG ist der Beauftragte für den
Datenschutz dem Leiter der öffentlichen und nicht öffentlichen Stelle unmittelbar
unterstellt. Er ist in der Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes
weisungsfrei. Die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz kann in
entsprechender Anwendung von § 626 BGB bei nicht öffentlichen Stellen auch auf
Verlangen der Aufsichtsbehörde widerrufen werden.
83
Damit hat der Gesetzgeber dem Beauftragten für den Datenschutz eine andere Funktion
auch in Zusammenhang mit seinen Kontrollrechten und Aufgaben zugewiesen und ihm
eine völlig eigenständige originäre Aufgabenerledigung zugebilligt. Der
Datenschutzbeauftragte ist in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des
Datenschutzes weisungsfrei und nicht weisungsunterworfen wie der Kläger, der nur
beraten, überwachen und Vorschläge machen kann. Dem Datenschutzbeauftragten
können auf seinem Gebiet, anders als dem Kläger, kraft Direktionsrechts keine
Aufgaben zugewiesen werden. Die Abberufung kann nur erfolgen, wenn ein wichtiger
Grund entsprechend § 626 BGB vorliegt.
84
Dies bedeutet, dass bei einem Abfall- und Gewässerschutzbeauftragten, anders als bei
einem Datenschutzbeauftragten, mit der Bestellung nicht zwingend eine Änderung der
arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten einhergeht, wenn ihm im Rahmen seiner
Aufgabenerledigung eine zusätzliche "Funktion" als Beauftragter übertragen wird. Auch
einer Teilkündigung bedarf es deshalb nicht.
85
Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern, soweit es dem
Feststellungsantrag zu 2. und 3. hinsichtlich des Abfall- und
Gewässerschutzbeauftragten stattgegeben hat. Die Abberufung des Klägers mit
Wirkung vom 31.12.2008 ist insoweit vom Direktionsrecht der Beklagten umfasst.
86
II.
87
Völlig zu Recht hat das Arbeitsgericht darüber hinaus jedoch festgestellt, dass die
Kündigung der Beklagten vom 19.12.2008 rechtsunwirksam ist und nicht zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Dabei kann dahingestellt bleiben,
inwieweit die Kündigung sozial gerechtfertigt wäre. Auch die Beklagte geht davon aus,
dass mit der Abberufung als Abfall- bzw. Gewässerschutzbeauftragter die Aufgaben
ohne die Funktion des Beauftragten zunächst bestehen bleiben und allenfalls die Frage
ist, inwieweit durch die betriebliche Organisation nunmehr im Zusammenhang mit der
Umstrukturierung die Aufgabe als Abteilungsleiter des Klägers weggefallen sein könnte.
88
1.Die Unwirksamkeit der Kündigung des Klägers ergibt sich ohne Weiteres und
eindeutig aus dem Sonderkündigungsschutz des Klägers nach § 58 Abs. 2 BImSchG i.
V. m. § 55 Abs. 3 KrW-/AbfG sowie § 21 f. Abs. 2 WHG. Nach diesen Vorschriften ist
eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erst ein Jahr nach Abberufung des
Beauftragten zulässig, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund für die Beendigung vor.
89
Ein wichtiger Grund als Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB wird von der
Beklagten nicht behauptet.
90
Die Beklagte hat die Kündigung am 19.12.2008 ausgesprochen. Diese Kündigung ist
als empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 130 Abs. 1 BGB dem Kläger mit
Zugang der schriftlichen Erklärung vor dem 31.12.2008 wirksam geworden.
91
Die Jahresfrist für den besonderen Kündigungsschutz gemäß den oben zitierten
Vorschriften beginnt jedoch erst ein Jahr nach Beendigung der Bestellung und ist
deshalb bis zum Ablauf der Frist unzulässig.
92
Das heißt im Ergebnis, dass die Beklagte die Kündigung aufgrund des nachwirkenden
Sonderkündigungsschutzes des Klägers aus seiner Tätigkeit als Abfall- bzw.
Gewässerschutzbeauftragter erst nach dem 31.12.2009 aussprechen konnte.
93
Aufgrund der ordnungsgemäß erfolgten Bestellung des Klägers zum Beauftragten für
Abfall und Gewässerschutz, der zwischen den Parteien unstreitig ist, hat der Kläger den
"nachwirkenden Sonderkündigungsschutz". Eine ordentliche Kündigung ist deshalb vor
Ablauf eines Jahres gemäß § 134 BGB unwirksam (vgl. BAG vom 26.03.2009 - 2 AZR
633/07 - Juris).
94
Zu Recht hat das Arbeitsgericht bereits darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten
95
geäußerte Auffassung, die Unzulässigkeit einer Kündigung führe nur zu
Schadensersatzansprüchen, weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik
besonderer Kündigungsgründe zu vereinbaren ist. Im Übrigen belegt auch die
Fundstelle bei Hansmann in Landmann/Rohmer (Umweltrecht Bd. I, 47. EL, § 58
BImSchG, Rd. 14) zwar, dass der Arbeitnehmer für den Fall, dass er im Zusammenhang
mit seiner Bestellung als Beauftragter benachteiligt worden ist,
Schadensersatzansprüche geltend machen kann gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen
Verletzung eines Schutzgesetzes. Die Fundstelle kommt jedoch nicht zu dem Ergebnis,
dass eine ordentliche Kündigung zulässig wäre. Vielmehr wird an anderer Stelle
ausgeführt, dass die Kündigung auch dann greift, wenn eine Kündigung im Einzelfall
nicht als Benachteiligung "wegen der Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben"
anzusehen wäre. Während der Zeit der Bestellung zum Immissionsschutzbeauftragten
und - im Falle der Abberufung - bis zu einem Jahr nach Beendigung der Bestellung -
sofern der Immissionsschutzbeauftragte Arbeitnehmer des Anlagenbetreibers ist - ist
eine Kündigung nur zulässig, wenn hinreichende Gründe für eine fristlose Kündigung
vorliegen (Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, I. § 58 BImSchG, Rdn. 11).
Besteht das Arbeitsverhältnis demnach ungekündigt fort, so hat der Kläger auch
Anspruch auf die von ihm geltend gemachte tatsächliche Beschäftigung als
Abteilungsleiter. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Rechtsprechung des Großen
Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 - GS 1/84 -. Die Beklagte hat
insoweit auch keine Einwendungen erhoben.
96
B.
97
Anschlussberufung des Klägers
98
Die Anschlussberufung des Klägers, gegen die Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen,
konnte keinen Erfolg haben.
99
Zu Recht hat das Arbeitsgericht entschieden, dass ein möglicher Anspruch auf
Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung als Immissionsschutzbeauftragter
verwirkt ist. Die Beklagte hat insoweit zu Recht den Einwand der unzulässigen
Rechtsausübung erhoben.
100
I.
101
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Recht verwirkt,
wenn der Berechtigte sein Recht über einen bestimmten Zeitraum hin nicht geltend
gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage war (sogenanntes Zeitmoment) und sich der
Schuldner wegen dieser Untätigkeit des Berechtigten bei objektiver Beurteilung darauf
eingerichtet hat und nach dem Gesamtverhalten des Berechtigten darauf einrichten
durfte, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde, so dass ihm
insgesamt deshalb dessen Befriedigung nicht zuzumuten ist (sogenanntes
Umstandsmoment). Zum Zeitablauf müssen deshalb besondere Umstände sowohl im
Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es
gerechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts mit Treu und Glauben als
unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Zwischen diesen
Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung. Selbst der
erforderliche Zeitablauf kann umso kürzer sein, je gravierender die Umstände sind und
umgekehrt sind an diese Umstände geringere Anforderungen zu stellen, je länger der
102
abgelaufene Zeitraum ist (vgl. zusammenfassend BAG vom 12.12.2006 - 9 AZR 747/06
- NZA 2007, 397).
Weiter hat das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt, dass der Verwirkung grundsätzlich
jeder Anspruch und jedes Recht unterliegen kann. Dazu gehört auch das Recht des
Arbeitnehmers, die Rechtsunwirksamkeit einer Versetzung geltend zu machen oder
auch den Teilentzug von Aufgaben und Funktionen. Dagegen hat der Kläger sich auch
nicht gewandt.
103
II.
104
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Arbeitsgericht zu folgen, dass im
vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung anzunehmen
sind.
105
Der Kläger ist von seinen Aufgaben als Immissionsschutzbeauftragter mit Wirkung vom
31.12.2007 entbunden worden.
106
Er hat erstmalig gegenüber der Beklagten mit der am 07.01.2009 - also über ein Jahr
nach Entbindung von den Aufgaben des Immissionsschutzbeauftragten - zugestellten
Klage geltend gemacht, dass die Abberufung als Immissionsschutzbeauftragter
unzulässig sei. Damit ist das Zeitmoment ohne Weiteres erfüllt. Der Kläger hat über
einen längeren Zeitraum sein Recht nicht geltend gemacht, obwohl er dazu in der Lage
war und die Beklagte konnte sich deshalb grundsätzlich darauf einrichten, dass er
dieses Recht nicht mehr ausüben wollte.
107
Auch wenn der Zeitablauf als reines Kriterium nicht ausreicht, hat schon das
Arbeitsgericht für das Umstandsmoment darauf hingewiesen, dass im Rahmen der
Verhandlungen der Parteien über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. eine
Vorruhestandsregelung der Kläger nicht darauf bestanden hat, dass ihm seine
Aufgaben als Immissionsschutzbeauftragter wieder zugewiesen werden. Ganz im
Gegenteil hat der Kläger, wie zuletzt unstreitig war, seine arbeitsvertraglichen Aufgaben
im Rahmen des Umweltschutzes und damit die nicht dem
Immissionsschutzbeauftragten obliegenden Aufgaben, die an Dr. N. übertragen wurden,
erledigt.
108
Gerade wenn der Kläger im Immissionsschutz weiter Aufgaben wahrgenommen hat, die
er aufgrund seines Arbeitsvertrages zu erbringen hatte und nicht beanstandet, dass ihm
die Funktion und Aufgaben entzogen worden sind, die er als
Immissionsschutzbeauftragter zu verrichten hatte, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er
diese Entscheidung der Beklagten hinnehmen will. Es kommt auch nicht darauf an, ob
der Kläger davon ausgehen konnte, dass sich "für ihn nichts ändern würde". Die
Tatsache, dass er als Beauftragter für den Immissionsschutz nicht mehr tätig war und
diese Funktion Herr Dr. N. übernommen würde, hat er in der letzten mündlichen
Verhandlung gerade unstreitig gestellt. Für das Umstandsmoment kommt es nicht auf
die Motive des Gläubigers an, weshalb er (mögliches) Recht nicht wahrnimmt, sondern
darauf, wie sein Verhalten vom Schuldner aufgefasst werden darf. Aus Sicht der
Beklagten war die nahezu einjährige widerspruchslose Hinnahme des Klägers ein
unmissverständliches Zeichen dafür, er habe die Abberufungsentscheidung
hingenommen und werde diese nicht mehr angreifen.
109
Es kann nach alledem dahingestellt bleiben, ob unter Berücksichtigung der Grundsätze
(oben A I 2, 3) nicht auch die Abberufung als Beauftragter für Immissionsschutz in der
Sache zu Recht erfolgt wäre.
110
C.
111
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.
112
Die Kammer hat die Revision für den Kläger zugelassen, weil sie von einer
grundsätzlichen Bedeutung in der Frage ausgegangen ist, inwieweit auch die
Abberufung eines Abfallbeauftragten bzw. Gewässerschutzbeauftragten zu der vom
Bundesarbeitsgericht für den Datenschutzbeauftragten bejahten Entscheidung führen
könnte, dass eine Teilkündigung erforderlich ist. Darüber hinaus könnte für den Fall,
dass der Wertung der Berufungskammer im Hinblick auf die Ausübung des
Direktionsrechts im Zusammenhang mit der Abberufung eines Abfall- und
Gewässerschutzbeauftragten nicht gefolgt wird, ein Widerspruch zu der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 13.03.2007 entstanden sein.
113
Die Frage der Verwirkung hat keine grundsätzliche Bedeutung; insoweit bestand zur
Zulassung der Revision keine Veranlassung.
114
Für die Beklagte war die Revision nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen insoweit
nicht gegeben waren.
115
RECHTSMITTELBELEHRUNG
116
Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger hinsichtlich der Klageabweisung gemäß
Ziffer 1 des Urteilstenors
117
R E V I S I O N
118
eingelegt werden, im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
119
Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
120
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
121
Bundesarbeitsgericht
122
Hugo-Preuß-Platz 1
123
99084 Erfurt
124
Fax: 0361 2636 2000
125
eingelegt werden.
126
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
127
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
128
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1.Rechtsanwälte,
129
2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
130
3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer
Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer
Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
131
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
132
Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
133
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
134
Goeke Fricke Damm
135