Urteil des KG Berlin vom 26.04.2001
KG Berlin: firma, sanierung, verwaltung, beirat, auflage, ausführung, tagesordnung, treppenhaus, verwalter, anmerkung
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Gericht:
KG Berlin 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 W 141/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 22 Abs 1 WoEigG, § 27 Abs 3
WoEigG, § 29 Abs 2 WoEigG
Wohnungseigentum: Auswahl unter Kostenangeboten und
Bestimmung des Farbanstrichs durch Verwaltungsbeirat als
ordnungsmäßige Verwaltung
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen haben die Gerichtskosten dritter Instanz als Gesamtschuldner zu
tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 5.112,92 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Ungültigerklärung zweier Beschlüsse der
Eigentümerversammlung vom 26. April 2001 zu TOP I. 2 und 3, die die Sanierung der
Treppenaufgänge in der Wohnungseigentumsanlage betreffen.
Die Tagesordnung der Eigentümerversammlung vom 26. April 2001 enthielt u.a. die
folgenden Punkte (TOP):
"I. Beschlussfassungen
Sonderumlage in Höhe von 100.000,– DM für die Sanierung der Treppenaufgänge und
Eingangstüren
Die Wahl der auszuführenden Firma (Kostenvoranschläge vorhanden)
Die Farbabstimmung für Wände, Geländer etc.
II. Verschiedenes."
In der Eigentümerversammlung vom 26. April 2001 wurden zu TOP I. mehrheitlich die
folgenden Beschlüsse gefasst:
"TOP I.1.:
... Es wird eine Sonderumlage in Höhe von 100.000,– DM zur Finanzierung der Sanierung
der Treppenaufgänge und Eingangstüren beschlossen.
Sie ist fällig am 15. Mai 2001.
TOP I. 2.:
... Es wird auf die mit Schreiben vom 19. April 2001 übersandten Kostenangebote Bezug
genommen. ...
Die zu beauftragende Firma bestimmt der Verwaltungsbeirat.
Die Auftragsvergabe erfolgt, sobald die Finanzierung gesichert ist.
TOP I. 3.:
... Die Farbabstimmung soll geregelt werden.
... Die Farbabstimmung erfolgt durch den Beirat."
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss des
Landgerichts Berlin Bezug genommen.
Das Amtsgericht Schöneberg hat die Anträge der Antragsteller, die Anträge der ETV
vom 26. April 2001 zu TOP I.2 und zu TOP I.3. für ungültig zu erklären, zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht Berlin mit Beschluss
vom 8. März 2002 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller sofortige weitere Beschwerde erhoben
und tragen zur Begründung vor:
Die Beschlüsse der ETV zu TOP 1.2. und 1.3. entsprächen nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung. Sie seien bereits wegen formeller Mängel für ungültig zu erklären, da im
Einladungsschreiben die Beschlussgegenstände nicht ausreichend bezeichnet worden
seien. Ferner weiche die Beschlussfassung erheblich vom Einladungstext ab, da
Beschlusskompetenzen auf andere Entscheidungsträger übertragen worden seien. Aber
auch aufgrund materieller Mängel seien die Beschlüsse für ungültig zu erklären. Die
Beschlüsse verstießen gegen den Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung, da die
Übertragung eines Auftrages auf eine Firma für die Ausführung der Malerarbeiten im
Treppenhaus nicht von der Eigentümergemeinschaft beschlossen worden sei. Zu TOP I.1
sei allein die Sonderumlage zur Sanierung des Treppenhauses beschlossen worden. Im
Übrigen lägen auch keine vergleichbaren Kostenangebote vor. Die Übertragung der
Auswahl der zu beauftragenden Firmen als auch der Farbauswahl auf den
Verwaltungsbeirat verstoße gegen §§ 29 Abs. 2, 23 Abs. 1 WEG. Dem Beirat käme allein
unterstützende Funktion zu.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. März 2001 – 85 T 352/01 WEG –
aufzuheben und wie vorinstanzlich beantragt zu entscheiden.
Die Antragsgegner beantragen,
die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung nehmen sie auf die Ausführungen der Vorinstanzen Bezug.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG
zulässig. Das Rechtsmittel ist in der Sache aber nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler,
auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27
Abs. 1 FGG) weist der angefochtene Beschluss nicht auf. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG
finden auf das Rechtsbeschwerdeverfahren Revisionsvorschriften der ZPO
entsprechende Anwendung. Nach § 561 ZPO a.F. wie auch nach § 559 ZPO n.F. sind der
Beurteilung durch die dritte Instanz die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen
der zweiten Instanz zugrunde zu legen. Auf der Basis des vom Landgericht
verfahrensfehlerfrei ermittelten Sachverhalts sind hier auch die rechtlichen
Schlussfolgerungen des Landgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Beschlüsse der ETV vom 26. April 2001 zu TOP I. 2 und I. 3 entsprechen – wie das
Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat – den formellen und materiellen
Anforderungen ordnungsmäßiger Verwaltung.
1. Die Ladung zur Eigentümerversammlung erfolgte ordnungsgemäß. Die
Beschlussgegenstände sind in der Ladung ausreichend bezeichnet (§ 23 Abs. 2 WEG).
Die Übertragung der Auswahl der zu beauftragenden Firma und der Farbauswahl auf den
Verwaltungsbeirat stellt keine wesentliche Abweichung von den Beschlussgegenständen
dar und ist insoweit von der Einladung gedeckt.
a) Der Gegenstand der Beschlussfassung ist in der Ladung genügend genau zu
bezeichnen. Es genügt, dass der Geladene erkennen kann, was Gegenstand der
vorgesehenen Beschlussfassung ist. Der Gegenstand ist derart anzugeben, dass die
Beteiligten weitgehend vor Überraschungen geschützt sind und ihnen die Möglichkeit der
Vorbereitung und der Überlegung, ob ihre Teilnahme veranlasst ist, gegeben ist.
Maßgeblich ist das von der Bedeutung des Beschlussgegenstandes abhängige
Informationsbedürfnis. Erforderlich und genügend ist jede Angabe, die erkennen lässt,
worüber beraten und beschlossen werden soll. Es ist im Allgemeinen nicht notwendig,
dass das Ladungsschreiben bereits alle Einzelheiten des Beschlussgegenstandes enthält
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dass das Ladungsschreiben bereits alle Einzelheiten des Beschlussgegenstandes enthält
(Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Auflage, Bearb. Merle, Rz 79 zu § 23; Weitnauer, WEG, 8.
Auflage, Rz 19 zu § 23; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentumsrecht, 3.
Auflage, Rz. 365).
b) Aus der dem Einladungsschreiben beigefügten Tagesordnung der ETV des 26. April
2001 ist für die Antragsteller hinreichend erkennbar, dass über eine Sonderumlage für
die Sanierung der Treppenaufgänge und Eingangstüren und zugleich in diesem
Zusammenhang aufgrund der mitübersandten Kostenanschläge über die Wahl der zu
beauftragenden Firma und die Bestimmung der Farbauswahl eine Diskussion und
Beschlussfassung erfolgen sollte. Alle mit der Sanierung des Treppenhauses und der
Eingangstüren einhergehenden Fragenkomplexe werden erkennbar von dem
Einladungsschreiben umfasst, so auch die Ausgestaltung der Umsetzung der
Beauftragung und die Übertragung von Tätigkeiten auf den Verwaltungsbeirat. Dem
Informationsbedürfnis der Antragsteller ist damit hinreichend Genüge getan.
2. Die Beschlüsse leiden auch – wie das Landgericht rechtsfehlerfrei ausführt – nicht an
materiellen Mängeln.
a) Eine Übertragung von Beschlusskompetenzen auf andere Entscheidungsträger
erfolgte nicht. Die Eigentümergemeinschaft hat sich ihrer Beschlusskompetenz nicht
dadurch begeben, dass sie die Auswahl der zu beauftragenden Firma aufgrund der
eingereichten und der Versammlung vorliegenden Kostenvoranschläge bzw. die
Farbauswahl auf den Verwaltungsbeirat übertragen hat. Die Eigentümerversammlung
hat zu TOP I.1. über die Vorfrage – das "Ob" – einer Sanierung der Treppenaufgänge und
der Eingangstüren mittelbar entschieden und die Sonderumlage in Höhe von 100.000
DM beschlossen. Dieser Beschluss ist bestandskräftig. Zugleich hat die
Eigentümerversammlung über das "Wie", die Ausgestaltung der Sanierung, der
Beauftragung der Firma und die Farbauswahl zu TOP I.2 und 3. beschlossen. Sie hat die
ihr allein zustehende Beschlusskompetenz nicht aus der Hand gegeben und diese
Entscheidung nicht generell auf andere Entscheidungsträger übertragen. Vielmehr hat
sie durch Mehrheitsbeschluss für einen Einzelfall bestimmt, dass sowohl die zu
beauftragende Firma als auch die Farbabstimmung durch den Beirat erfolgt. Sie hat
damit die ihr zustehende Beschluss- und Entscheidungskompetenz wahrgenommen. Sie
ist entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht von diesen Entscheidungen
ausgeschlossen worden, sondern hat die weitere Ausführung in einem vorgeschriebenen
Rahmen dem Beirat übertragen. Diese Beschlüsse sind wirksam und verstoßen nicht
gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung.
b) Die Übertragung der Auswahl der zu beauftragenden Firma als auch die Farbauswahl
auf den Verwaltungsbeirat durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer verstößt
nicht gegen §§ 29 Abs. 2, 23 Abs. 1 WEG. Der Eigentümerversammlung stand insoweit
die Beschlusskompetenz zu. Allein eine generelle Übertragung weiterer, über § 29 Abs. 2
WEG hinausgehender Aufgaben und Befugnisse auf den Verwaltungsbeirat, bedarf einer
Vereinbarung aller Wohnungseigentümer (Bärmann/Pick/Merle, a.a.o., Bearb. Merle, Rz
78 zu § 29). Durch die zu TOP I.2. und I. 3 gefassten Beschlüsse hat die
Eigentümerversammlung dem Verwaltungsbeirat nicht über den gesetzlichen
Regelungsbereich des § 29 Abs. 2 WEG hinausgehende Aufgaben übertragen, sondern
die Aufgaben und Befugnisse des Verwaltungsbeirats lediglich für einen bestimmten
Einzelfall konkretisiert. Änderungen von Kompetenzen des Verwaltungsbeirats finden
ihre Grenze in den zwingenden Mindestbefugnissen des Verwalters (§ 27 Abs. 3 WEG)
und dem unentziehbaren Kernbereich des Wohnungseigentums. Diese sind durch die
Beschlussfassung nicht tangiert.
c) Dem Verwaltungsbeirat kommt eine beratende und unterstützende Funktion des
Verwalters gemäß § 29 Abs. 2 WEG zu. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist die
Durchführung der Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums eine
Aufgabe, die zum Kernbereich der Tätigkeiten des Verwalters zählt. Dieser Kernbereich
ist durch die Beschlussfassung zu TOP I. 2 und 3. nicht berührt. Die ETV hat dem
Verwaltungsbeirat nicht die Kompetenz übertragen, die ausführende Firma zu
beauftragen. Eine solche Beschlussfassung wäre nichtig, da sie die Beschlusskompetenz
der Eigentümerversammlung überschreitet (§ 27 Abs. 3 WEG; BGH NJW 2000, 3500 ff =
ZMR 2000, 877 ff). Nach dem Wortlaut des Protokolls der Eigentümerversammlung
haben die Wohnungseigentümer jedoch allein die Auswahl der zu beauftragenden Firma
anhand der übersandten Kostenangebote als auch die Farbauswahl dem
Verwaltungsbeirat übertragen. Rechtsfehlerfrei sind sowohl das Amts- als auch das
Landgericht in den angefochtenen Beschlüssen davon ausgegangen, dass hierin allein
eine Konkretisierung der Beratungs- und Unterstützungsfunktionen des
Verwaltungsbeirats im Einzelfall der Sanierung der Treppenaufgänge und der
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Verwaltungsbeirats im Einzelfall der Sanierung der Treppenaufgänge und der
Eingangstüren zu sehen ist, ohne dass die Kompetenzen des Verwalters hierdurch
eingeschränkt worden wären. Die Beauftragung und die Überwachung der
Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen oblag weiterhin dem Verwalter.
d) Einer erneuten Beschlussfassung über die Vergabe der Arbeiten durch den Verwalter
bedurfte es nicht. Bestandskräftig haben die Eigentümer zu TOP I. 1 über das "Ob" der
Sanierung und aufgrund der eingereichten Kostenvoranschläge, die zum Zeitpunkt der
Beschlussfassung allen Eigentümern vorlagen, auch über die Höhe der Sonderumlage
beschlossen. Zu TOP I.2 und 3. wurde nur über die weitere Ausführung beschlossen. TOP
I. 1 umfasst seinem Inhalt nach auch die Beauftragung einer der Firmen, die sich aus
den eingereichten Kostenvoranschlägen ergeben, so dass es einer erneuten
Beschlussfassung hierzu nicht bedurfte. Hiervon gehen die Vorinstanzen ohne
Rechtsfehler aus.
e) Im Übrigen sind die Kostenvoranschläge auch vergleichbar. Ein konkretes
Leistungsverzeichnis lag den anbietenden Firmen nach den rechtsfehlerfreien
Feststellungen des Landgerichts Berlin nicht vor. Ein Aufmaß war zum Zeitpunkt der
Angebotserstellung ebenfalls nicht erstellt. Aus den unterschiedlichen Angeboten
ergeben sich aber die auszuführenden Arbeiten und die insoweit von den Firmen in
Rechnung zu stellenden beabsichtigten Einheitspreise. Die Massendifferenzen zwischen
den Angeboten vom 15. und 22. Februar 2001 sind nicht derart gravierend, dass sie eine
Vergleichbarkeit hinderten. Die Differenz zu dem Kostenangebot vom 5. Februar 2002
ergibt sich aus der unterschiedlichen Aufteilung der Arbeiten. So unterscheidet allein
dieses Angebot nach Treppenhäusern, Vestibül und Durchfahrt.
f) Es kann dahinstehen, ob eine optisch auffällige, grundlegende Veränderung der
Anstrichfarben von Fassaden oder Treppenhäusern unter den Begriff der baulichen
Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG fällt (hierzu Deckert ETW 2/5055 in einer
kritischen Anmerkung zu LG Bonn NJW-RR 2002, 442; bestätigt von OLG Köln, Beschluss
vom 17. August 2001, 16 Wx 182/01). Von einer durchgreifenden Farbänderung ist nach
dem Akteninhalt hier nicht die Rede. Vielmehr war das zu sanierende Treppenhaus
derart schadhaft, dass Farben "allenfalls rudimentär" erkennbar waren.
3. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsgegnerin die Gerichtskosten ihres
erfolglosen Rechtsmittels trägt (§ 47 Satz 1 WEG). Dagegen besteht kein hinreichender
Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Abs. 2 WEG).
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
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