Urteil des KG Berlin vom 02.06.2003
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Gericht:
KG Berlin 22.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 U 216/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 522 Abs 2 ZPO, § 546 ZPO, §
133 BGB, § 157 BGB
Berufungszurückweisung durch Beschluss: Anwendungsbereich;
beschränkte Überprüfung erstinstanzlicher Vertragsauslegung
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 2. Juni 2003 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin – 34 O 677/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Der Senat hält die Berufung des Beklagten nach wiederholter und eingehender Beratung
einstimmig für aussichtslos. Die Gründe hierfür sind dem Beklagten mit der am 15.
August 2003 zugestellten Verfügung vom 11. August 2003 ausführlich dargestellt und
auf die Gegenvorstellungen des Beklagten vom 2. September 2003 am 25. September
2003 nochmals erläutert worden.
Die gegen die Anwendung der Vorschrift des § 522 Abs. 2 ZPO vorgebrachten
grundsätzlichen Erwägungen des Beklagten teilt der Senat auch nach erneuter Beratung
der Sache nicht.
Zunächst sieht der Senat Anlass zu dem Hinweis, dass mit dem hier eingeschlagenen
Verfahrensgang keineswegs eine Abwertung des Vorbringens des Beklagten oder seines
Prozessbevollmächtigten in der Weise einhergeht, dass es "... quasi auf die Stufe
querulatorischen Vorbringens gestellt" wird. Es kommt darin lediglich eine von der
Auffassung des Beklagten abweichende rechtliche Bewertung der Ereignisse zum
Ausdruck, die auch schon das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung vertreten
hat. Die Möglichkeit, einen bestimmten Lebenssachverhalt rechtlich unterschiedlich zu
bewerten, gehört zum juristischen Alltag und enthält kein Werturteil hinsichtlich der
Persönlichkeit der Beteiligten.
Es entspricht auch nicht der Meinung des Senats, die Anwendung von § 522 Abs. 2 ZPO
könne von den Gerichten nach Gutdünken angewandt werden und so "... zum
willkürlichen Instrument zur Beschneidung von möglicherweise aussichtsreichen
Revisionen degenerieren".
Der Senat hat bereits in der Verfügung vom 25. September 2003 darauf hingewiesen,
dass die Vorschrift den Gerichten kein Auswahlermessen darüber eröffnet, in welchen
Fällen sie entsprechend verfahren wollen. Vielmehr sind sie verpflichtet, bei Vorliegen der
Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zu entscheiden. Das ist der
Fall, wenn das Berufungsgericht auf Grund des Akteninhalts zu der Überzeugung
gelangt, dass die Berufung unbegründet ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom
5. August 2002, NJW 2003, 281; vgl. auch OLG OLG Celle, OLG-Report Celle, 2003, 9; OLG
Rostock, MDR 2003, 1073). Eine Beschränkung auf Berufungen, die "... auf den ersten
Blick, d.h. offensichtlich unbegründet sind", sieht das Gesetz nicht vor.
Zum Prüfungsumfang ist erneut darauf hinzuweisen, dass das angefochtene Urteil
gemäß § 513 ZPO durch das Berufungsgericht nur darauf zu überprüfen, ob dem
Erstgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist, oder ob auf Rechtsfehler beruhende Irrtümer
in der Tatsachenfeststellung die Entscheidungsfindung beeinflusst haben.
Beides vermag der Senat nach umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht
festzustellen.
Auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt des Schlusses der
mündlichen Verhandlung hat das Landgericht den hier im Streit befindlichen Mietvertrag
vom 28. April 1981 zu Recht dahin ausgelegt, dass auf der Mieterseite die drei im
Vertrag namentlich aufgeführten Personen Vertragspartei geworden sind.
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Ob eine erstinstanzliche Auslegung fehlerfrei ist, überprüft das Berufungsgericht wegen
der Verweisung auf § 546 ZPO wie ein Revisionsgericht nur darauf, ob gesetzliche
Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften beachtet
sind. Eine Auslegung, die diesen Kriterien gerecht wird und auf einer vertretbaren
Gewichtung beruht, bedeutet ungeachtet auch anderer Auslegungsmöglichkeiten keine
Rechtsverletzung im Sinne eines Rechtsanwendungsfehlers (OLG München, MDR 2003,
952 f; OLG Celle, OLG Report Celle 2002, 238; Gehrlein, MDR 2003, 421, 426; zum
Prüfungsumfang vgl. auch BGH, MDR 2003, 736 mit zahlreichen Nachweisen).
Die von dem Beklagten mehrfach herangezogenen Grundsätze betreffend die
Zuordnung unternehmensbezogener Geschäfte sind nicht einschlägig. Der klare
Wortlaut des Vertrages enthält an keiner Stelle einen Hinweis darauf, dass eine
Gesellschaft daran beteiligt sein könnte. Im Gegenteil ist der zu Nummer 8 der Anlage
des Mietvertrages, bei der es sich anders als bei dem Vertrag selbst nicht um ein
Formular handelt, sondern um individuell vereinbarte und niedergeschriebene
Regelungen, deutlich zu entnehmen, dass beide Seiten selbst nicht davon ausgingen,
nicht die Vertragsschließenden wollten die Räume mieten, sondern eine Gesellschaft
könnte Mieterin sein. Denn in diesem Falle hätte diese ausdrücklich getroffene Regelung
keinerlei Bedeutung und keinen eigenen Regelungsgehalt.
Der Umstand, dass die auf der Mieterseite beteiligten Zahnärzte einen gemeinsamen
Stempel hatten und diesen ihren Unterschriften beidrückten, reicht als
Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung der Gesellschaft nicht aus (Kammergericht,
Grundeigentum 2002, 857). Die gegen die Heranziehung der in der genannten
Entscheidung niedergelegten Grundsätze vorbrachte Begründung überzeugt nicht. Es ist
nicht zu erkennen, warum der Kläger in Bezug auf den hier im Streit befindlichen Vertrag
keinen Vertrauensschutz genießen sollte, warum – wie es auf Seite vier des Schriftsatzes
vom 2. September 2003 heißt – es dem Vermieter hier "grundsätzlich egal war, mit wem
er den Vertrag letztendlich abgeschlossen hätte". Anhaltspunkte, die eine solche
Annahme rechtfertigen könnten, sind weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Wiederholt
ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Vertragsschließenden auch unter Beachtung
der zur Zeit des Vertragsschlusses noch herrschenden rechtlichen Bewertung der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts keinesfalls gehindert waren, als Gesellschaft
aufzutreten und Geschäfte ausdrücklich im Namen der Gesellschaft abzuschließen. Das
ist hier indessen nicht geschehen. Es entspricht auch nicht den Erfahrungen des Senats,
dass dies "...zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses höchst selten, ja geradezu exotisch
erschienen wäre".
Gegen die von dem Landgericht vorgenommene Auslegung bestehen somit nach wie
vor keine Bedenken.
Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des
Berufungsgerichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschluss ist gemäß § 522 Abs. 3 ZPO nicht anfechtbar.
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