Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: ordre public, europäischer gerichtshof für menschenrechte, wohl des kindes, russische föderation, volle beweiskraft, internationale zuständigkeit, anerkennung, abstammung, adoption
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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 165/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 16 PersStdG, § 21 Abs 1
PersStdG, § 30 PersStdG, § 41
Abs 2 PersStdG, § 60 PersStdG
Personenstandsänderung; ausländischer Gerichtsbeschluss:
Änderung des Geburtsorts durch Adoptionsbeschluss,
Eintragung als Randvermerk im Geburtenbuch
Leitsatz
Der Anerkennung der Entscheidung eines russischen Gerichts über die Annahme eines
minderjährigen Kindes steht nicht entgegen, dass in der Entscheidung zugleich eine
Änderung des Geburtsortes des Kindes ausgesprochen wird. Bei Beischreibung des
Randvermerks über die adoptionsbedingten Änderungen des Personenstandes kann auch die
Änderung der Angabe zum Geburtsort des Kindes eingetragen werden. Da der Grundeintrag
im Geburtenbuch den tatsächlichen Geburtsort weiterhin erkennen lässt, bleibt der Grundsatz
der Wahrheit der Personenstandseintragungen gewahrt.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes wird durch die Beischreibung des
Randvermerks über die adoptionsbedingte Änderung des Geburtsorts nicht verletzt.
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Wert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG, 29 Abs. 2 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angefochtene
Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO) beruht.
1) Nach §§ 41 Abs. 2, 16, 21 Abs. 1 Nr. 2 PStG hat der Standesbeamte Ort, Tag und
Stunde der Geburt eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes geborenen
Kindes in das Geburtenbuch einzutragen. Nach § 30 Abs. 1 PStG ist ein Randvermerk
einzutragen, wenn sich der Personenstand des Kindes ändert. Da durch die Annahme als
Kind das angenommene Kind aus der Familie, der es durch Geburt entstammt, in eine
andere Familie, zu der durch staatlichen Rechtsakt ein neues Verwandtschaftsverhältnis
begründet wird, wechselt, stellt die Annahme als Kind eine Änderung des
Personenstandes dar, die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 PStG im Geburtseintrag zu vermerken
ist (Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, § 30 PStG Rdnr. 84). Wurde die Annahme des
Kindes - wie im vorliegenden Fall - nicht durch ein deutsches Gericht, sondern durch ein
ausländisches Gericht ausgesprochen, hat der Standesbeamte als Vorfrage die
Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung zu prüfen (OLG Karlsruhe, NJW 2004, 516 ff
m. w. N.). Da die russische Föderation dem Hager Übereinkommen über den Schutz von
Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.
Mai 1993 bislang nicht beigetreten ist, richtet sich die Frage der Anerkennung der
Wirksamkeit einer in der russischen Föderation ausgesprochenen Adoption allein nach §
16a FGG.
Gründe, die der Anerkennung der Entscheidung des Gebietsgerichts Leningrad in St.
Petersburg nach § 16 a FGG entgegenstehen würden, liegen nicht vor.
a) Die nach § 16 a Nr. 1 FGG erforderliche internationale Zuständigkeit des
Gebietsgerichts Leningrad ist gegeben, denn das ... Valentin war im Zeitpunkt des
Beschlusses Staatsangehöriger der russischen Föderation und hatte dort (nämlich im ...)
seinen Wohnsitz, so dass spiegelbildlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43
b Abs. 1 und 2 FGG vorliegen.
b) Die Entscheidung des Gebietsgerichts in Leningrad verstößt auch nicht gegen den
ordre public (§ 16 a Nr. 4 FGG). Anders als bei der Anwendung ausländischen Rechts
durch deutsche Gerichte ist für die Frage der Anerkennung ausländischer
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durch deutsche Gerichte ist für die Frage der Anerkennung ausländischer
Gerichtsentscheidungen auf den - großzügigeren - anerkennungsrechtlichen ordre public
international abzustellen (BGHZ 48, 327, 331; OLG Karlsruhe a.a.O.; krit. Looschelders,
IPRax 2005, 28). Danach ist eine ausländische Entscheidung nur dann nicht
anzuerkennen, wenn sie mit Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen
enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen, insbesondere mit den Grundrechten, in so
starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint, sie
als wirksam anzusehen (OLG Karlsruhe a.a.O.).
Soweit die Beteiligte zu 3) einen Verstoß gegen den ordre public annimmt, weil die
Eintragung eines tatsächlich unzutreffenden Geburtsortes gegen den den
Personenstandseinträgen innewohnenden Grundsatz der Wahrheit verstoße, kann dem
im Ergebnis nicht gefolgt werden. Allerdings trifft es zu, dass die Beischreibung eines
entsprechenden Randvermerks, wie ihn das Amtsgericht Schöneberg mit Beschluss vom
6. Januar 2005 angeordnet hat, über die bloße Wiedergabe der Entscheidung eines
ausländischen Gerichts hinausgeht. Grundsätzlich kommt einem Randvermerk die volle
Beweiskraft gemäß § 60 PStG zu (Hepting/Gaaz a.a.O. § 30 PStG Rdnr. 25). So bedeutet
ein Randvermerk über einen Adoptionsbeschluss nicht nur, dass ein derartiger Beschluss
erlassen wurde, sondern dass die Adoption rechtswirksam erfolgt ist (Hepting/Gaaz
a.a.O.). Hieraus folgt grundsätzlich eine materielle Prüfungspflicht des Standesbeamten
(Hepting/Gaaz a.a.O.). Diese bezieht sich vorliegend auf die Frage, ob die Eintragung des
durch Gerichtsbeschluss geänderten Geburtsorts gegen den ordre public verstößt.
Insoweit ist im Ausgangspunkt der Auffassung des Fachausschusses des
Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten (StAZ
1997, 181, 182) zu folgen, bei der Anerkennung der ausländischer
Adoptionsentscheidung könnten solche Wirkungen ausgeschlossen werden, die dem
deutschen Recht ihrer Art nach unbekannt sind. In einem solchen Fall - wie er bei
Eintragung eines bewusst den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden
Geburtsorts vorliege - stehe der ordre public der Anwendung einer entsprechenden
Teilwirkung entgegen. Das OLG Karlsruhe (a.a.O.) hat dem allerdings entgegengehalten,
die Frage, ob es dem deutschen Recht widerspreche, wenn in das
Personenstandsregister Tatsachen bewusst unzutreffend eingetragen würden, gehe in
die falsche Richtung. Sei das Geburtsdatum durch die Entscheidung des ausländischen
Gerichts geändert und sei diese Entscheidung in Deutschland nach § 16 a FGG
anzuerkennen, würde der deutsche Standesbeamte, der das geänderte Geburtsdatum
in das Familienbuch eintrüge, keine unzutreffende, sondern eine zutreffende Tatsache
eintragen. Das OLG Karlsruhe geht dabei davon aus, ein entsprechender Beschluss
eines ausländischen Gerichts könne „das Geburtsdatum mit rechtsgestaltender
Wirkung“ ändern. Dasselbe wäre für einen den Geburtsort ändernden Gerichtsbeschluss
anzunehmen.
Ob dem OLG Karlsruhe darin zuzustimmen ist, dass Geburtsdatum bzw. Geburtsort
unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten durch Gerichtsbeschluss mit
rechtsgestaltender Wirkung geändert werden können, erscheint als zweifelhaft (vgl.
Hepting/Gaaz a.a.O. § 30 PStG Rdnr. 20). Nach Auffassung des Senats scheidet ein
Verstoß gegen den ordre public im Ergebnis jedenfalls dann aus, wenn - wie hier - bei
Beischreibung des Randvermerks gem. § 30 PStG auch die durch den
Adoptionsbeschluss angeordnete Änderung der „Angabe zum Geburtsort des Kindes“
eingetragen wird. Da der Geburtsgrundeintrag nach § 42 Abs. 2, 3 PStG damit nicht
geändert oder berichtigt wurde, ist der Grundsatz der Wahrheit der
Personenstandseintragungen noch gewahrt. Denn auch bei Beischreibung dieses
Randvermerk ist dem Geburtenbuch weiterhin zu entnehmen, dass „... (Kindesmutter)
am 28. November 1996 in ... Gebiet ... einen Knaben geboren hat“, überdies bleibt die
adoptionsbedingte Änderung des Geburtsorts in Personenstandsurkunden erklärbar.
Allein der Umstand, dass dem deutschen Recht eine Änderung des Geburtsortes als
Wirkung der Adoption nicht bekannt ist, begründet daher keinen Verstoß gegen den
ordre public.
c) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Grundrechte des Kindes
durch die Beischreibung des Randvermerks über die Entscheidung des Gebietsgerichts...
in ... nicht verletzt werden.
Für eine Verletzung der Menschenwürde des betroffenen Kindes ist nichts ersichtlich (vgl.
OLG Karlsruhe a.a.O.; Looschelders, IPRAX 2005, 28, 30).
Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes wird durch die Beischreibung des
Randvermerks über die Änderung des Geburtsorts im Geburtenbuch nicht verletzt. Zwar
umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I, 2 I GG) auch das Recht auf
Kenntnis der eigenen Abstammung, mit der Folge, dass die Vorenthaltung erlangbarer
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Kenntnis der eigenen Abstammung, mit der Folge, dass die Vorenthaltung erlangbarer
Informationen durch staatliche Organe in das Grundrecht eingreift (BVerfGE 79, 256,
269; NJW 1997, 1769 ff). Dieses Recht gilt jedoch nicht uneingeschränkt (BVerfG NJW
1997, 1769 ff; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, FamRZ 2003, 1367). Wie
weit das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung reicht, braucht für den
vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden. Durch die Beischreibung
des von der Beteiligten zu 3) beanstandeten Vermerks wird die ursprüngliche Eintragung
im Geburtenbuch, wonach der Geburtsort ... im Gebiet ... ist, nicht beseitigt. Das
betroffene Kind hat also die Möglichkeit, wenn es sich für seine Abstammung
interessiert, durch Einsichtnahme in das Geburtenbuch den tatsächlichen Geburtsort in
Erfahrung zu bringen und so seine leiblichen Eltern zu ermitteln.
Die durch den gewählten Randvermerk allenfalls eintretende mittelbare Beeinträchtigung
des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist nicht unverhältnismäßig. Denn der
Randvermerk dient dem Schutz des Adoptionsgeheimnisses und damit den eigenen
Interessen des Kindes. Diese werden auch von der deutschen Rechtsordnung als
schutzwürdiges Gut anerkannt. Insoweit kann auf die angefochtenen Entscheidungen
sowie den Beschluss des OLG Karlsruhe (a.a.O.) verwiesen werden. Soweit
demgegenüber Looschelders (a.a.O.) der Entscheidung des OLG Karlsruhe im Ergebnis
widerspricht, weil die im dortigen Fall vorgenommene Änderung des Geburtsdatums
einen so schweren Eingriff darstelle, dass sie nur dann anerkannt werden könnte, wenn
sie zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für das Wohl des Kindes oder die Rechte der
Adoptiveltern erforderlich wäre, greift diese Überlegung im vorliegenden Fall nicht.
Looschelders begründet seine Kritik damit, dass die Änderung des Geburtsdatums, etwa
wegen der Folgen für den Eintritt der Volljährigkeit, einen eigenständigen Eingriff in das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes darstelle, der von der möglichen
Beeinträchtigung des Rechts auf Kenntnis der leiblichen Eltern und des Geburtsdatums
zu unterscheiden sei (Looschelders, a.a.O. Seite 31). Ein solcher weitergehender Eingriff
liegt hier gerade nicht vor. Rechtsfolgen aus einer Änderung des Geburtsorts (etwa bei
Anknüpfung der Staatsangehörigkeit) sind hier nicht ersichtlich.
2. Für eine Kostenentscheidung nach § 13 a FGG besteht kein Anlass.
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