Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: vollmacht, auflösung der gesellschaft, grundbuchamt, verfügungsbefugnis, gesellschafter, vertretungsmacht, vertreter, beendigung, geschäftsführung, verfügungsmacht

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 409/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 728 Abs 2 S 1 BGB, § 730 Abs
2 S 1 BGB, § 730 Abs 2 S 2 BGB,
§ 47 Abs 2 S 1 GBO
Leitsatz
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie durch die Aufhebung dieses Verfahrens wird die
Vertretung der Gesellschaft betroffen, jedoch nicht deren Befugnis, über ein Grundstück zu
verfügen, als dessen Eigentümerin die Gesellschaft im Grundbuch eingetragen ist.
Tenor
Die Zwischenverfügung wird zu Nr. 1 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1. verkaufte mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 26. August
2009 (UR-Nr. 5…/2009 des Notars Dr. T. F.) das im Rubrum bezeichnete Teileigentum an
die Beteiligten zu 2. und 3. Die Beteiligte zu 1. wurde dabei von dem Geschäftsführer der
Gesellschafterin zu 1.d) T. K. als vollmachtlosem Vertreter vertreten.
In Abschnitt XIII. des Vertrages bevollmächtigten Verkäufer und Käufer die
Notariatsangestellte I. S., gegenüber dem Grundbuchamt alle Erklärungen abzugeben,
die zur Durchführung dieses Vertrages erforderlich werden.
In der Folge genehmigten die Gesellschafter zu 1.b) und c) die beurkundeten
Erklärungen. Anstelle des Gesellschafters zu 1.a), über dessen Vermögen das
Insolvenzverfahren bereits vor der notariellen Verhandlung eröffnet worden war,
genehmigte der Insolvenzverwalter Dr. D. W. am 12. November 2009 unter Vorlage einer
Insolvenzverwalterbescheinigung vom 10. November 2008. Die Beteiligten haben eine
beglaubigte Fotokopie dieser Verwalterbescheinigung zu den Grundakten eingereicht, in
deren Beglaubigungsvermerk vom 12. November 2009 der Notar bescheinigt, dass ihm
das Original zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe.
In notarieller Verhandlung vom 24. Juni 2010 (UR-Nr. 3…/2010 des Notars Dr.T. F.)
erklärte die Notariatsangestellte I. S. unter Bezugnahme auf die Vollmacht in der
Urkunde vom 26. August 2010 (UR-Nr.5…/2010) für Verkäufer und Käufer die Auflassung
sowie Antrag und Bewilligung für die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch.
Auf den Antrag des Notars vom 24. Juni 2010, der u.a. auf die Eigentumsumschreibung
gerichtet war, gab das Grundbuchamt mit Zwischenverfügung vom 8. Juli 2010 zu Nr. 1
auf, eine Insolvenzverwalterbescheinigung im Original oder in Ausfertigung einzureichen,
da das Bestehen der Verfügungsbefugnis grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der
Eintragung im Grundbuch zu belegen sei. Im Ausnahmefall könne auch eine beglaubigte
Abschrift der Bescheinigung ausreichend sein, wenn der Notar zugleich bescheinige,
dass ihm die Hauptschrift zeitnah zu der beantragten Eintragung vorgelegen habe.
Mit ihrer Beschwerde vom 18. August 2010 machen die Beteiligten geltend, die
Vollmacht müsse nur bis zur Abgabe der Eintragungsbewilligung nachgewiesen werden,
nicht bis zum Zeitpunkt ihrer verfahrensrechtlichen Verwendung.
II.
Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 71 ff GBO zulässig. Es ist dahin auszulegen, dass die
Beschwerde durch die Beteiligten zu 1., 2. und 3.. erhoben werden soll. Wenn der
beurkundende Notar im Rahmen der vermuteten Vollmacht nach § 15 GBO Beschwerde
einlegt, sind grundsätzlich alle Antragsberechtigten als Beschwerdeführer anzusehen,
wenn sich nicht aus einer ausdrücklichen Angabe oder aus den Umständen etwas
anderes ergibt (vgl. nur Demharter, GBO, 27. Aufl., § 15 Rdn. 20). Antrags- und
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anderes ergibt (vgl. nur Demharter, GBO, 27. Aufl., § 15 Rdn. 20). Antrags- und
beschwerdeberechtigt ist auf Verkäuferseite nur die Beteiligte zu 1. und nicht auch deren
Gesellschafter oder der Insolvenzverwalter, weil sie als rechtsfähige Außengesellschaft
selbst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, so dass nur ihre dingliche
Rechtsstellung durch die beantragte Eigentumsumschreibung einen Verlust erleidet.
III.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die (erneute) Vorlage einer
Insolvenzverwalterbescheinigung ist weder zum Nachweis der Verfügungsberechtigung
noch der Vertretungsmacht erforderlich.
Auflassung, Eintragungsantrag und Eintragungsbewilligung sind auf Veräußererseite im
Namen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den Gesellschaftern zu 1.a)
bis 1.d), erklärt. Diese Bezeichnung ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 891 i.V.m. §
899a BGB wird gegenüber jedermann und damit auch gegenüber dem Grundbuchamt
widerlegbar vermutet, dass die gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 GBO im Grundbuch
eingetragenen Personen Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind. Der
Insolvenzverwalter ist nicht Mitgesellschafter geworden. Die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters führt gemäß § 728 Abs. 2
S. 1 BGB zur Auflösung der Gesellschaft. Für die Beendigung der schwebenden
Geschäfte, für die dazu erforderliche Eingehung neuer Geschäfte sowie für die Erhaltung
und Verwaltung des Gesellschaftsvermögens gilt sie als fortbestehend, soweit der Zweck
der Auseinandersetzung es erfordert (§ 730 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Geschäftsführung
steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu (§ 730 Abs. 2 S. 2
BGB). Im Rahmen der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis nimmt der Insolvenzverwalter
die Funktionen des Schuldners als Geschäftsführer wahr, da ihm gemäß § 80 InsO die
Verwaltungs- und Verfügungsrechte hinsichtlich des zur Insolvenzmasse gehörenden
Vermögen des Schuldners und damit auch hinsichtlich des Gesellschaftsanteils des
Schuldners zufallen (Ulmer/Schäfer in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 728
Rdn. 37f; Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 728 Rdn. 2; Habermeier in Staudinger, BGB,
2002, § 728 Rdn. 22). Er handelt dabei nicht als Vertreter, sondern kraft des ihm
übertragenen Amtes im eigenen Namen (Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., 3 80 Rdn. 79).
1.
Die Beteiligte zu 1. ist verfügungsbefugt und zur Bewilligung der Eintragung des
Eigentumswechsels berechtigt.
Das Grundbuchamt führt mit Recht aus, dass die Verfügungsbefugnis noch im Zeitpunkt
der Eintragung vorliegen muss. Ein Anlass für Zweifel an der Verfügungsbefugnis der
Beteiligten zu 1. ist hier jedoch nicht ersichtlich. Die Verfügungsmacht beruht auf der
dinglichen Rechtsstellung des Rechtsinhabers, kraft derer ihm die Herrschaftsmacht
über das Rechtsobjekt zusteht; die Verfügungsbefugnis ist die rechtliche Fähigkeit, von
den aus der Verfügungsmacht fließenden materiell-rechtlichen Befugnissen Gebrauch
machen zu können (Hügel, GBO, 2. Aufl., Verfügungsbeeinträchtigungen Rdn. 1). Die
Beteiligte zu 1. ist als Rechtsinhaberin im Grundbuch eingetragen;
Verfügungsbeeinträchtigungen ergeben sich weder aus dem Grundbuch, noch hat das
Grundbuchamt sonst von solchen Kenntnis erlangt. Zwar wird durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens dem Insolvenzschuldner als Rechtsinhaber die Verfügungsbefugnis
entzogen, während sie bei Beendigung des Insolvenzverfahrens an diesen zurückfällt,
also einem etwa verfügenden Insolvenzverwalter wieder genommen wird (zu der
streitigen Frage, ob für letzteren Fall § 878 BGB entsprechend gilt, vgl. KG, OLGE 26, 4;
OLG Celle, DNotZ 53, 158; OLG Köln, MittRhNotK 81, 139; Demharter a.a.O. § 19 Rdn.
62; a.A. OLG Brandenburg, VIZ 1995, 365; Kössinger in Bauer/von Oefele, GBO, 2 Aufl., 3
19 Rdn. 173; Munzig in Kuntze/Ertl/Hermann/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., 3 19
Rdn. 129; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 124). Das Insolvenzverfahren
ist hier jedoch nicht über das Vermögen der Beteiligten zu 1., sondern über das
Vermögen eines ihrer Gesellschafter eröffnet worden. Dies sowie die mögliche
Aufhebung des Verfahrens betreffen zwar die Geschäftsführung (s.o.) und damit gemäß
§ 714 BGB auch die Vertretung der Gesellschaft, jedoch nicht ihre rechtliche Fähigkeit,
von den aus ihrer fortbestehenden Verfügungsmacht als Rechtsinhaber fließenden
materiell-rechtlichen Befugnissen Gebrauch machen zu können (Keller, NotBZ 2001,
397, 401; vgl. auch Bestelmeyer, RPfleger 2010, 169, 188). Der Umstand, dass der
Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens über seinen Gesellschaftsanteil nicht
mehr verfügen und deshalb Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft nicht
mehr selbst ausüben kann, stellt in dessen Person eine Verfügungsbeeinträchtigung dar
(zur Frage, ob diese durch Insolvenzvermerk eintragungsfähig ist, vgl. OLG München,
Beschluss vom 2. Juli 2010 – 34 Wx 62/10 – bei juris; OLG Rostock, NJW-RR 04, 260; Wilsch
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Beschluss vom 2. Juli 2010 – 34 Wx 62/10 – bei juris; OLG Rostock, NJW-RR 04, 260; Wilsch
in Hügel a.a.O., Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren Rdn. 75 m.w.N.). Eine Verfügung
über das Grundeigentum, für die Verfügungsbefugnis bestehen muss, trifft nach
Anerkennung der Rechts- und Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
jedoch die Gesellschaft selbst, wenn diese als Rechtsinhaber im Grundbuch eingetragen
ist.
2.
Die Beteiligte zu 1. ist bei Auflassung, Eintragungsantrag und Eintragungsbewilligung von
der Notariatsangestellten I. S. wirksam vertreten worden. Die Vertretungsmacht ist
durch die in der Form des § 29 GBO in Ausfertigung vorliegende Vollmacht in Abschnitt
XIII. des Kaufvertrages nachgewiesen. Diese Vollmacht ist weiterhin wirksam; mit Recht
hat das Grundbuchamt den Fortbestand der Vollmacht nicht angezweifelt. Ist der
Bevollmächtigte im Besitz einer Vollmachtsurkunde, so hat das Grundbuchamt
regelmäßig von dem Fortbestand der Vollmacht auszugehen (Demharter a.a.O. § 19
Rdn. 80). Sind ihm besondere Umstände bekannt, die auf die Möglichkeit eines
Erlöschens hinweisen, hat es in freier Beweiswürdigung zu prüfen, ob die Vollmacht
erloschen ist (Senat, RPfleger 2009, 147) und bei begründeten Zweifeln den Nachweis
ihres Fortbestandes zu verlangen (BayObLG, RPfleger 1986, 90; OLG Hamm, FGPrax
2004, 266; 2005, 240; Demharter a.a.O.). Eine etwaige Veränderung in der
Vertretungsbefugnis für die Beteiligte zu 1. durch eine mögliche Beendigung des
Insolvenzverfahrens berührte die Wirksamkeit der von den seinerzeit
vertretungsberechtigten Geschäftsführern und dem Insolvenzverwalter erteilten
Vollmacht nachträglich nicht. Die von einem gesetzlichen oder organschaftlichen
Vertreter erteilte Vollmacht erlischt nicht mit dem Ende der gesetzlichen oder
organschaftlichen Vertretungsmacht (BayObLG, NJW 1959, 2119; Ackermann in
Anwaltkommentar BGB, § 168 Rdn. 24; Schramm in Münchener Kommentar a.a.O. Rdn.
§ 168 Rdn. 13; Schilken in Staudinger a.a.O. § 168 Rdn. 24). Zwar endet nach h.M. die
von einem Vertreter fremden Vermögens (Nachlass-, Insolvenz- oder Zwangsverwalter)
erteilte Vollmacht grundsätzlich schon ihrem Inhalt nach mit der Beendigung der
Verwaltung und Aufhebung der Vermögenssonderung (KGJ 41, 79; OLG Düsseldorf, ZEV
2001, 281; Ackermann a.a.O.; Schramm a.a.O. Rdn. 40; Ellenberger in Palandt a.a.O. §
168 Rdn. 4; a.A: Schilken in Staudinger a.a.O. § 168 Rdn. 24). Der Insolvenzverwalter
über das Vermögen des Gesellschafters zu 1.a) hat die Vollmacht an die
Notariatsangestellte jedoch nicht zu seiner Vertretung oder zur Vertretung des von ihm
verwalteten Vermögens (Gesellschaftsanteil/Mitgliedschaft) erteilt, sondern - in
Ausübung der Gesamt-Geschäftsführungsbefugnis für die Beteiligte zu 1. - zur
Vertretung der Gesellschaft. Dem Inhalt einer solchen Vollmacht ist gerade nicht zu
entnehmen, dass die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten dadurch beschränkt sein
sollte, dass sich in der Geschäftsführung und Vertretung der rechtsfähigen Gesellschaft
eine Veränderung vollziehen könnte. Insoweit gilt nichts anderes als bei einem Wechsel
in der organschaftlichen Vertretung einer juristischen Person.
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