Urteil des KG Berlin vom 28.05.2008
KG Berlin: auflage, verfügung, mietvertrag, vermieter, stillschweigend, duldung, wohnung, garage, räumung, sammlung
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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 121/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 125 BGB, § 139 ZPO
Wohnungsmietvertrag: Anspruch eines Mieters auf Nutzung
einer Dachterrasse
Leitsatz
Ist in einem schriftlichen Wohnungsmietvertrag die Nutzung einer Dachterrasse durch den
Mieter nicht vereinbart, so ist die Gestattung der Nutzung - gleich ob diese ausdrücklich oder
stillschweigend durch bloße Duldung erteilt worden ist - frei widerruflich.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Mai 2008 verkündete Urteil der
Zivilprozessabteilung 4 des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Dachterrasse auf dem
Quergebäude des Hauses T... U... in ... zu nutzen.
Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet.
Die gemäß § 265 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsklage der Klägerin ist begründet.
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Dachterrasse auf dem Quergebäude des Hauses
T... U... in ... zu nutzen.
Entgegen der vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen
Auffassung hat die Beklagte gegen die Klägerin keinen vertraglichen Anspruch auf
Nutzung der Dachterrasse. Die Dachterrasse ist ausweislich der unter § 1 des
Mietvertrages vom 18. Januar 1996 getroffenen Vereinbarung nicht Mietgegenstand,
denn sie ist bei der Beschreibung des Mietgegenstandes nicht mit aufgeführt. Die
Dachterrasse ist auch nicht über Ziffer 13.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen
Vertragsgegenstand geworden. Gemäß Ziffer 13.2 ist der Mieter berechtigt, vorhandene
Gemeinschaftseinrichtungen, wie Aufzug, Waschküche, Trockenräume, Fahrradkeller
usw. mitzubenutzen. Zwar ist die Aufzählung der Gemeinschaftseinrichtungen in Ziffer
13.2 nicht abschließend, die Dachterrasse ist aber nicht als Gemeinschaftseinrichtung zu
bewerten, weil sie jedenfalls bislang unstreitig nicht allen Mietern des Hauses T... U... in
... , sondern über Jahre ausschließlich den Bewohnern des Quergebäudes zur Nutzung
zur Verfügung stand. Die übrigen Mieter waren von der Nutzung ausgeschlossen, weil
ihnen ein Schlüssel nicht zur Verfügung stand. Zudem handelt es sich bei
Dachterrassen, die anders als Aufzüge, Waschküchen, Trockenräumen und
Fahrradkeller, im allgemeinen nicht von allen Mietern genutzt werden, eben nicht um
Flächen, die typischer Weise als Gemeinschaftseinrichtung eingeordnet werden.
Dem Amtsgericht kann auch nicht gefolgt werden, soweit es in der angefochtenen
Entscheidung ausführt, dass die Dachterrasse der Beklagten deshalb vertraglich zur
Nutzung überlassen worden sei, weil sie unbestritten vorgetragen habe, dass ihr bei
Mietvertragsabschluss vermieterseits mitgeteilt worden sei, dass die Terrasse als
Gemeinschaftseinrichtung zur Verfügung stehe. Die Klägerin hat diese Behauptung in
der Berufungsbegründung bestritten. Sie ist mit diesem Bestreiten nicht gemäß § 531
Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Nachdem das Amtsgericht in der mündlichen Verhandlung
vom 13. Februar 2008 auf die Entscheidung des Senates (GE 2007, 291), wonach eine
Gestattung frei widerruflich ist, hingewiesen hat, konnte die Klägerin davon ausgehen,
dass das Amtsgericht jedenfalls nicht von einer vertraglich vereinbarten Nutzung
ausgeht und hatte daher auch keine Veranlassung die behauptete Vereinbarung zu
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ausgeht und hatte daher auch keine Veranlassung die behauptete Vereinbarung zu
bestreiten. Zwar will das Amtsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils einen Hinweis erteilt haben, dass der Hinweis vom 13. Februar
2008 nur alternativ erteilt worden sei. Dieser Hinweis wird aber von der Klägerin
bestritten. Er ergibt sich nicht aus den Akten und insbesondere auch nicht aus den
Protokollen zur mündlichen Verhandlung. Die Beachtung der für die Verhandlung
vorgeschriebenen Förmlichkeiten, wie auch etwaige Hinweise gemäß § 139 ZPO, kann
gemäß § 165 Satz 1 ZPO nur durch das Protokoll bewiesen werden (Zöller, ZPO, 26.
Auflage, § 314, Rdnr. 4). Es ist daher davon auszugehen, dass ein entsprechender
Hinweis nicht erteilt worden ist. Da die Beklagte trotz des Bestreitens der Klägerin für die
behauptete Vereinbarung keinen Beweis angetreten hat, ist gemäß § 125 BGB von der
Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Mietvertrages auszugehen
(Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage, § 125, Rdnr. 15). Dieser führt aber, wie
dargelegt, die Dachterrasse nicht als Vertragsgegenstand auf.
Dass die Nutzung der Dachterrasse vertraglich vereinbart worden sei, ergibt sich im
Übrigen auch nicht aus den von der Beklagten zu den Akten gereichten Schreiben der
Hausverwaltung vom 2. Februar 2007, 25. September 1996, 18. Juli 1997 und 21. Juni
2006. Aus diesen Schreiben ergibt sich lediglich, dass verschiedene Mieter des Hauses
zur Nutzung der Dachterrasse berechtigt waren. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage die
Nutzung erfolgte und dass es sich bei der Dachterrasse um eine
Gemeinschaftseinrichtung im Sinne von Ziffer 13.2 der allgemeinen
Vertragsbedingungen handelte, lässt sich diesen Schreiben nicht entnehmen.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin die Nutzung der Dachterrasse durch
die Beklagte gestattet hat, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Die Klägerin hat
diese Gestattung der Nutzung unstreitig im Oktober 2006 gegenüber der Beklagten
widerrufen.
Hierzu war sie auch berechtigt. Fehlt es – wie hier – an einer vertraglichen Regelung der
Nutzung einer Fläche, so ist die Gestattung – egal ob diese – wie hier – ausdrücklich oder
stillschweigend durch bloße Duldung erteilt worden ist – frei widerruflich (KG, WuM 2007,
68; Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 4. Auflage, § 535, Rdnr. 26;
Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III B, Rdnr. 1225;
LG Wuppertal, WuM 1996, 267). Dem Widerruf der Gestattung steht auch nicht § 242
BGB entgegen. Nach dem Vortrag der Klägerin will diese die Dachterrasse künftig
gewerbsmäßig nutzen und den Bewohnern des Hauses nur noch gegen Zahlung eines
Entgeltes zur Verfügung stellen. Hierbei handelt es sich um ein berechtigtes Interesse
der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Beweggrund nur vorgeschoben sei, sind
nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich nichts Gegenteiliges aus dem von der
Beklagten eingereichten Schreiben der Hausverwaltung vom 2. Februar 2007. Der
Umstand, dass die Dachterrasse 2007 vorübergehend für bautechnische
Untersuchungen geräumt werden musste, schließt nicht aus, dass die Klägerin eine
wirtschaftliche Verwertung der Dachterrasse beabsichtigt.
Die erkennende Einzelrichterin hat keine Veranlassung gesehen, den Rechtsstreit dem
Berufungsgericht zur Entscheidung über die Übernahme vorzulegen, da weder sich aus
einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben
haben (§ 526 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO), noch die Parteien dies übereinstimmend beantragt
haben (§ 526 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO).
Der Senat weicht entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht von der Entscheidung des
OLG Karlsruhe (WuM 1983, 166) ab. Nach der Entscheidung des OLG Karlsruhe wird der
bisherige Vertrag in der Regel nur ergänzt, wenn ein Vermieter einer Wohnung seinem
Mieter später eine auf dem Hausgrundstück gelegene Garage vermietet und zwar selbst
dann, wenn dies erst nach Jahren geschieht und eine ausdrückliche Einbeziehung in den
bisherigen Mietvertrag nicht erfolgt. Der von dem OLG Karlsruhe entschiedene Fall
unterscheidet sich von dem vorliegenden ganz grundsätzlich. Vorliegend haben die
Parteien weder im ursprünglichen Mietvertrag noch später einen Vertrag über die
Nutzung der Dachterrasse geschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543
Absatz 2 Satz 1 ZPO.
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Der Senat weicht, wie bereits dargestellt, nicht von der Entscheidung des OLG Karlsruhe
(WuM 1983, 166) ab.
Ebenso wenig weicht er von der Entscheidung des Amtsgerichtes Hamburg (WuM 2008,
332) ab, wonach ein Abstellraum dadurch Gegenstand eines Mietvertrages werden soll,
dass der Vermieter dem Mieter den einzigen Schlüssel aushändigt und die Nutzung über
einen mehrjährigen Zeitraum zulässt. Vorliegend geht es nicht um die ausschließliche
Nutzung eines Raumes durch einen Mieter, sondern um die Nutzung einer Fläche durch
mehrere Mieter. Außerdem ist der Klägerin erst am 21. Juni 2006 ein Schlüssel
ausgehändigt worden. Bereits am 19. Oktober 2006, also knapp vier Monate später, ist
sie bereits wieder zur Räumung aufgefordert worden. Von einer mehrjährigen
Schlüsselüberlassung kann daher keine Rede sein.
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