Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017
KG Berlin: mietvertrag, kündigung, klageänderung, werkstatt, mietobjekt, auflage, vollstreckung, mietrecht, formvorschrift, formerfordernis
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Gericht:
KG Berlin 12.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 74/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 126 BGB, § 550 S 1 BGB, § 566
BGB, § 566aF BGB
Wohnungsmietvertrag mit mehr als einjähriger Laufzeit:
Wahrung des Schriftformerfordernisses bei Verpflichtung zur
jährlichen einvernehmlichen Mietanpassung
Leitsatz
Auch ein schriftlich abgeschlossener Mietvertrag, der widersprüchliche Regelungen enthält,
wahrt die Schriftform des § 126 BGB. Haben die Parteien im schriftlichen Mietvertrag mit
fester Laufzeit von 10 Jahren eine Vereinbarung dahin getroffen, dass nach Ablauf eines
Jahres über die angemessene Anhebung des Mietzinses jeweils Einvernehmen zu erzielen ist,
und ist der Mieter dann jeweils den Bitten des Vermieters nachgekommen, monatlich eine
um zwischen 1,5 % und 5 % erhöhte Miete zu zahlen, so führt die dadurch getroffene
Vereinbarung nicht dazu, dass der Mietvertrag nicht mehr die Schriftform des § 550 BGB n. F.
(§ 566 BGB a. F.) wahrt.
Nicht jede nachträgliche, zeitlich nicht beschränkte Änderung der schriftlich vereinbarten
Miethöhe ist "wesentlich" mit der Folge, dass die Schriftform des § 550 Satz 1 BGB n. F. in
jedem Fall nicht mehr gewahrt ist.
§ 550 BGB n. F. dient vorrangig dem Schutz des in ein bestehendes Mietverhältnis
eintretenden Grundstückserwerbers.
Die zugelassene Revision wurde nicht eingelegt
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16. Januar 2003 verkündete Urteil der
Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin - 34 0 476/02 - abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 37.281,30 EUR
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf
jeweils 2.485,42 EUR seit dem 05.10.2002, 05.11.2002, 05.12.2002, 06.01.2003,
05.02.2003, 05.03.2003, 04.04.2003, 06.05.2003, 05.06.2003, 04.07.2003, 05.08.2003,
04.09.2003, 06.10.2003, 05.11.2003 und 04.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Mit dem der Klageschrift in Kopie beigefügten Mietvertrag vom 6. Dezember 1993
mieteten die Beklagten von der Klägerin Gewerberäume und Freiflächen in B... -R... zum
Betrieb einer Kfz-Werkstatt. Das Mietverhältnis sollte am 15. Dezember 1993 beginnen
und nicht vor dem 31. Dezember 2003 enden. In § 21 Absatz 4 des Mietvertrages
vereinbarten die Parteien, dass nachträgliche Änderungen und Ergänzungen des
Vertrages nur bei schriftlicher Vereinbarung gelten. § 37 des Mietvertrages lautet:
“Nach Ablauf eines Mietjahres (erstmalig zum 1.1.95) ist für das folgende Jahr
über eine angemessene Anhebung des Mietzinses zwischen den Mietparteien jeweils
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über eine angemessene Anhebung des Mietzinses zwischen den Mietparteien jeweils
Einvernehmen zu erzielen. Die Parteien gehen gegenwärtig von einer jährlichen ca.
5%igen Mietsteigerung aus. Sollten sich die Parteien über die exakte Mietsteigerung
nicht einigen können, so soll die angemessene Mietsteigerung unter Berücksichtigung
der Steigerung der Lebenshaltungskosten sowie des Gewerbemietenindexes durch einen
von der IHK zu benennenden Sachverständigen festgesetzt werden ...“
Die Klägerin forderte von den Beklagten jährlich eine erhöhte Miete (Erhöhung ab Januar
1995, 1996 und 1997 um jeweils 5 %, ab Januar 1998 um 1‚5 %, ab Januar 2000 um 1‚4
% und ab Januar 2001 um 2 %), die von den Beklagten auch jeweils gezahlt wurde.
Mit Anwaltsschreiben vom 26. März 2002 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis
“wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 550 BGB zum 30. September 2002“.
Dieser Kündigung widersprach die Klägerin.
Die hat Klägerin gemeint, bei den Mieterhöhungen handele es sich um unwesentliche
Vertragsänderungen, die nicht der Schriftform bedürften. Von einer wesentlichen
Änderung, die eine schriftliche Fixierung erforderlich mache, könne erst bei einer
Mieterhöhung ab etwa 20 % gesprochen werden. Abzustellen sei nicht auf die
Gesamtsteigerung des Mietzinses in Höhe von etwas unter 24 %. Vielmehr sei bei jeder
einzelnen Vertragsänderung gesondert zu prüfen, ob diese wesentlich sei und eine
schriftliche Fixierung erforderlich mache.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Mietverhältnis betreffend die Kfz-Werkstatt im Hause R...
Straße ..., ... B..., gemäß Mietvertrag vom 06.12.1993 aufgrund der Kündigung vom
26.03.2002 nicht am 30.09.2002 endete, sondern bis 31.12.2003 weiter besteht.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, der Mietvertrag wahre nicht mehr die Schriftform.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, § 550 BGB gelte
ausnahmslos für jede nachträgliche Vereinbarung zur Miethöhe. § 550 BGB gelte auch
für alle nachträglichen Änderungen eines in schriftlicher Form abgeschlossenen
Mietvertrages, sofern die Änderung nicht unwesentliche Nebenabreden betreffe. Die
Miethöhe gehöre aber zusammen mit den Mietparteien, dem Mietobjekt und der
Mietzeit zu den wesentlichen Elementen eines Mietvertrages.
Dass sich die Mietforderungen der Klägerin in dem durch § 37 des Mietvertrages
vorgezeichneten Rahmen bewegen, ändere nichts, denn § 37 des Mietvertrages enthalte
keine präzise Mietstaffel, sondern formuliere lediglich einen Rahmen, der durch
Vereinbarungen der Parteien oder durch einen IHK-Sachverständigen erst noch
ausgefüllt werden müsse.
Mit ihrer am 20. März 2003 eingelegten und mit einem am 8. April 2003 bei Gericht
eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung wendet sich die Klägerin gegen dieses
am 16. Januar 2003 verkündete und am 27. Februar 2003 zugestellte Urteil der
Zivilkammer 34 des Landgerichts, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe
Bezug genommen wird.
Im zweiten Rechtszug wiederholt und vertieft die Klägerin ihre erstinstanzlich vertretenen
Ansichten.
Die Klägerin beantragt im Wege der Klageänderung,
die Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils als Gesamtschuldner
zu verurteilen, an sie 37.281,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 2.485,42 EUR seit dem 5.10.2002, 5.11.2002,
5.12.2002, 6.1.2003, 5.2.2003, 5.3.2003, 4.4.2003, 6.5.2003, 5.6.2003, 4.7.2003,
5.8.2003, 4.9.2003, 6.10.2003, 5.11.2003 und 4.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlich vertretenen Ansichten
verteidigen die Beklagten die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend
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verteidigen die Beklagten die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend
erachten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen
Verhandlungen verwiesen.
Mit Beschluss vom 29. Dezember 2003 hat der Senat den Rechtsstreit dem
Berichterstatter gemäß § 526 Absatz 1 ZPO als Einzelrichter zur Entscheidung
übertragen.
II.
A.
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die in zweiter Instanz nach Ablauf der vertraglich
vereinbarten Mietzeit vorgenommene Klageänderung zulässig (§§ 263, 264 Nr. 2 ZPO;
vgl. BGH NJW 1992, 2296).
2.
Die Klage ist auch begründet. Die Beklagten sind verpflichtet, der Klägerin für die Zeit
von Oktober 2002 bis Dezember 2003 Mietzins in Höhe von 2.485,42 € monatlich zu
zahlen (§ 535 Absatz 2 BGB). Die mit anwaltlichem Schreiben vom 26. März 2002 im
Namen der Beklagten ausgesprochene Kündigung hat das Mietverhältnis nicht zum 30.
September 2002 beendet. Das Mietverhältnis endete infolge der in § 2 Absatz 1 des
Mietvertrages getroffenen Regelung erst am 31. Dezember 2003.
a)
Der am 6. Dezember 1993 geschlossene Mietvertrag entspricht entgegen der von den
Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 6. Dezember 2002 geäußerten Ansicht der
Schriftform des § 126 BGB. Er gilt deshalb nicht gemäß § 550 BGB für unbestimmte Zeit.
aa)
Das Mietobjekt ist ausreichend bestimmt. Da es auf dem Grundstück nur ein
Hauptgebäude gibt, ist durch die Beschreibung “Mietgegenstand rechts neben dem
Hauptgebäude“ ausreichend klargestellt, dass all das, was rechts neben diesem
Hauptgebäude liegt, vermietet wurde. Auch die Beschreibung der vermieteten
Freiflächen ist angesichts der unstreitig an Hand der Pflasterung erkennbaren
Begrenzungen ausreichend. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass die Bestimmung
des Mietobjektes den Parteien in der Zeit seit Vertragsschluss im Jahre 1993 ganz
offensichtlich keine Probleme bereitet hat.
bb)
Es kann dahinstehen, ob der schriftliche Mietvertrag vom 6. Dezember 1993 in seinen §§
2, 4 und 30 sich widersprechende Regelungen enthält. Entgegen der Ansicht der
Beklagten genügt ein schriftlich geschlossener Vertrag auch dann dem
Schriftformerfordernis der §§ 126, 550 BGB bzw. 566 BGB a. F., wenn er widersprüchliche
Regelungen enthält. In einem solchen Fall ist der Wille der Vertragsparteien durch
Auslegung zu ermitteln. Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang eine
Entscheidung des OLG Rostock zitieren (OLGR 2000, 477), handelt es sich wohl um ein
Missverständnis dieser nicht eindeutig formulierten Entscheidung, in der § 566 BGB a. F.
im Rahmen einer Vertragsauslegung genannt wird. Sollte das OLG Rostock allerdings
gemeint haben, schriftlich geschlossene Verträge würden schon deshalb nicht der
Schriftform genügen, weil sie sich widersprechende Regelungen wesentlicher
Vertragsbestandteile enthalten, so könnte dieser Ansicht nicht gefolgt werden.
cc)
Auf die die §§ 22 ff enthaltende „Anlage/Fortsetzung des Mietvertrages“ wurde am Ende
des von den Parteien verwendeten Vordrucks „Mietvertrag für gewerbliche Räume“
ausdrücklich verwiesen, jede einzelne Seite der Anlage/Fortsetzung wurde von den
Mietparteien unterzeichnet. Eine feste Verbindung ist deshalb entgegen der Ansicht der
Beklagten nicht erforderlich.
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b)
Entgegen der Ansicht des Landgerichts wahrt der Mietvertrag trotz der mehrfach
vereinbarten Mietzinserhöhungen die Schriftform, obwohl die jeweiligen
Erhöhungsvereinbarungen der Schriftform nicht genügen.
Die Mieterhöhungsvereinbarungen sind trotz der in § 21 Absatz 4 des Mietvertrages
vereinbarten einfachen Schriftformklausel wirksam. Die Parteien haben nämlich im
Rahmen der Mieterhöhungsvereinbarungen die vertraglich vereinbarte Schriftformklausel
jeweils abbedungen. Dies ergibt sich aus der in den auf § 37 des Mietvertrages
gestützten schriftlichen Erhöhungsverlangen jeweils enthaltenen „Bitte“ der Klägerin, die
erhöhte Miete monatlich zu überweisen und die hierauf erfolgten Zahlungen der
geforderten Miete durch die Beklagte. Der BGH (BGH NJW 1965, 293; BGHZ 71, 162
[164]; NJW 1975, 1657) hat mehrfach entschieden, dass die einfache Schriftformklausel
mündlich oder konkludent aufgehoben werden kann, wenn die Parteien das Vereinbarte
gewollt haben und zwar auch dann, wenn sie dabei nicht an das Schriftformerfordernis
gedacht haben. Die Formwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens wird von den
Parteien deshalb auch nicht in Frage gestellt.
Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass § 550 BGB auch
für nachträgliche Änderungen eines in schriftlicher Form abgeschlossenen Mietvertrages
gilt. Das aus § 550 Satz 1 BGB folgende Erfordernis der Schriftform gilt für sämtliche
wesentlichen Abreden der Parteien, aus denen sich nach ihrem Willen der Vertrag
zusammensetzen soll (Staudinger/Emmerich (2003) § 550 BGB Rdnr. 24 f). Deshalb
bedürfen grundsätzlich Ergänzungen oder Änderungen des Mietvertrages gleichfalls der
Schriftform, wenn sie für die Parteien wesentliche Punkte betreffen
(Staudinger/Emmerich a.a.O. Rdnr. 28). Es spielt dabei grundsätzlich keine Rolle, ob die
Pflichten der Parteien verschärft oder erleichtert werden. Der Formmangel eines
Änderungsvertrages zu einem Miet- oder Pachtvertrag führt dazu, dass der zunächst
unter Beachtung der Form geschlossene ursprüngliche Vertrag nunmehr gleichfalls der
Schriftform entbehrt und als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt (BGH, MDR 1994,
579).
Von dem Formerfordernis ausgenommen werden nach gefestigter Rechtsprechung so
genannte unwesentliche Änderungen (Staudinger/Emmerich a.a.O.). Ob und unter
welchen Voraussetzungen eine spätere vertragliche Änderung der ursprünglich
vereinbarten Miethöhe eine lediglich unwesentliche Vertragsänderung darstellt, ist um
stritten.
aa)
Ebenso wie das Landgericht Berlin in der angefochtenen Entscheidung (NZM 2003, 284)
gehen das OLG Karlsruhe (OLGR 2001, 233 und OLGR 2003, 201, 207), das OLG Rostock
(OLGR 2002, 34, 35) und das Landgericht Gießen (ZMR 2002, 272) davon aus, dass jede
nachträgliche, zeitlich nicht beschränkte Änderung der Höhe der Miete wesentlich ist.
Dieser Ansicht vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Schon das Reichsgericht
(RG HHR 1931 Nr. 403) hat ausgeführt, das § 556 BGB a. F. nur anzuwenden ist, wenn
wesentliche Vertragsbestandteile, zu denen die Miethöhe gehört, in nicht
unwesentlichem Umfang durch mündliche Vereinbarung abgeändert werden. Nach
Ansicht des Reichsgerichts durfte das Berufungsgericht „ohne Rechtsverstoß
berücksichtigen, dass die Miethöhe und die Vertragsdauer, wenngleich sie an und für
sich wesentliche Bestandteile des Vertrags sind, doch auch nach ihrer wirtschaftlichen
Bedeutung im einzelnen Fall zu prüfen sind, da ja die Formvorschrift des § 566 BGB
vornehmlich den Schutz des Grundstückserwerbers bezweckt und es hierbei nicht auf
solche Änderungen ankommen kann, die im Verhältnis zum ganzen Mietgegenstand
und zur ganzen Vertragsdauer nach vernünftiger Beurteilung der Parteien und des
Erwerbers ... keine Rolle spielt.“
bb)
Emmerich (Staudinger/Emmerich a.a.O. Rdnr. 28, 29) geht davon aus, dass eine nicht
ins Gewicht fallende Erhöhung der Miete eine unwesentliche Änderung darstelle; für
wesentlich hält er eine Erhöhung oder Herabsetzung der Miete nur dann, wenn die
Änderung mehr als 10 % oder 20 % beträgt. Sternel (Mietrecht, 3. Auflage, I Rdnr. 208)
hält geringfügige Änderungen der Miethöhe für unwesentlich, Mieterhöhungen „jedenfalls
ab 20 %“ für wesentlich. Heile (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts und
Wohnraummiete, 3. Auflage, II Rdnr. 770) nennt als praktisches Beispiel für
nachträgliche, dem Formzwang unterliegende Änderungsvereinbarungen u. a. eine
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nachträgliche, dem Formzwang unterliegende Änderungsvereinbarungen u. a. eine
„wesentliche Erhöhung der Miete“, weiter führt Heile (a.a.O. Rdnr. 773) aus, geringe
Veränderungen des Mietzinses seien dagegen als unwesentlich anzusehen, wobei
allerdings verlässliche und berechenbare Maßstäbe für die Unterscheidung zwischen
wesentlicher und unwesentlicher Änderung nicht existierten.
cc)
Vorliegend kann offen bleiben, ob es eine solche grundsätzlich anzuwendende
Wesentlichkeitsgrenze gibt und ob diese bei 1 %, 5 %, 10 % oder 20 % liegt. Jedenfalls
unter Berücksichtigung der in § 37 des Mietvertrages getroffenen Vereinbarung, nach
der nach Ablauf eines Mietjahres für das folgende Jahr über eine angemessene
Anhebung von ca. 5 % des Mietzinses zwischen den Mietparteien Einvernehmen zu
erzielen ist, sind die vorliegend von den Parteien vereinbarten Mieterhöhungen (ab
Januar 1995, 1996 und 1997 um je 5 %, ab Januar 1998 um 1‚5 %, ab Januar 2000 um
1‚4 % und ab Januar 2001 um 2 %) jeweils als unwesentliche Änderungen des
ursprünglichen Mietvertrages anzusehen. Dies folgt aus dem grundsätzlichen Interesse
der Vertragsparteien an der Wirksamkeit der von ihnen unter Beachtung der Schriftform
im Ausgangsvertrag vereinbarten Vertragslaufzeit. Es dürfte juristisch nicht geschulten
Vertragsparteien nur schwer zu vermitteln sein, dass ein mit einer festen Laufzeit
geschlossener langfristiger Mietvertrag nur deshalb vorzeitig gekündigt werden kann,
weil eine auf Grund einer vertraglich vereinbarten Anpassungsklausel getroffene
Mieterhöhungsvereinbarung nicht dem Erfordernis der Schriftform genügt. Dies
insbesondere auch deshalb, weil die Annahme eines berechtigten
Mieterhöhungsverlangens durch Zahlung der geforderten Miete einer weit verbreiteten
Übung entspricht.
Der Zweck der in § 550 BGB getroffenen gesetzlichen Regelung steht dem gefunden
Ergebnis nicht entgegen. § 550 BGB soll in erster Linie dem in die bestehenden
Mietverhältnisse eintretenden Grundstückserwerber die Möglichkeit verschaffen, sich
über den Umfang der auf ihn übergehenden Bindungen zu unterrichten
(Staudinger/Emmerich a.a.O. Rdnr. 3; BGH, NJW 2004, 2962). Für diesen Schutzzweck
reicht es vorliegend aber aus, dass ein späterer Grundstückserwerber durch die
Regelung in § 37 des Hauptvertrages auf mögliche Mieterhöhungsvereinbarungen sowie
den Rahmen, in dem sich diese bewegen, hingewiesen wird. Da sich die von den Parteien
vereinbarten Mietererhöhungen jeweils in dem in § 37 des Ursprungsvertrages
geregelten Rahmen halten, handelt es sich bei ihnen sowohl nach ihrer wirtschaftlichen
Bedeutung als auch nach vernünftiger Beurteilung um unwesentliche
Vertragsänderungen, die § 550 BGB nicht unterfallen.
Die von den Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, NZM 2000,
184, 185) steht diesem Ergebnis ebenso wenig entgegen wie dessen Entscheidung vom
28. November 1992 (BGH, ZMR 1963, 82). Die erstgenannte Entscheidung betrifft nicht
die Frage einer später vereinbarten Mieterhöhung sondern eine rückwirkende Änderung
der im Ursprungsvertrag vereinbarten Miete um 29 % und damit nicht den vorliegend zu
beurteilenden Fall; im letztgenannten Fall hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen
gelassen, ob die nachträglichen Vereinbarungen über die Erweiterung des
Mietgegenstandes bei gleichzeitiger Erhöhung der Miete um 22 % von 900 DM auf 1.100
DM den ganzen Vertrag zu einem nur auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen gemacht
haben. In seiner Entscheidung vom 29. Oktober 1986 (BGHZ 99, 54) leitet der
Bundesgerichtshof die Wesentlichkeit einer Vertragsänderung nicht alleine aus der
abweichenden Regelung des Mietzinses sondern auch aus der Einbeziehung weiterer
Mietflächen und der Änderung des Zeitpunktes für den Beginn des Mietverhältnisses ab.
Auch diese Entscheidung steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt die Wesentlichkeit der Vertragsänderungen
auch nicht aus der sich insgesamt ergebenden Erhöhung der Ausgangsmiete um
21,52%. Die Frage, welche Auswirkung eine nicht der Schriftform genügende Änderung
eines schriftlichen Mietvertrages hat, ist für jede Änderung gesondert zu prüfen.
B.
Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Absatz
1 Nr. 1, Absatz 2 ZPO n. F.).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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