Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: dolmetscher, quelle, sammlung, link, entschuldigung, strafprozess, gerichtsverfassungsgesetz, androhung

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Gericht:
KG Berlin 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 AR 1087/07 – 1 Ws
199/07, 1 AR
1087/07, 1 Ws 199/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 51 Abs 1 S 1 StPO, § 72 StPO,
§§ 72ff StPO, § 77 Abs 1 S 1
StPO, § 56 Abs 1 S 2 GVG
Strafverfahren: Kostentragungspflicht des Dolmetschers bei
unentschuldigtem Ausbleiben in der Hauptverhandlung
Leitsatz
Einem Dolmetscher können die durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten des Verfahrens
nicht auferlegt werden. Vorschriften über die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens von
Zeugen, Schöffen oder Sachverständigen sind auf Dolmetscher weder unmittelbar, noch
entsprechend anwendbar.
Tenor
Auf die Beschwerde des Dolmetschers A. wird der Beschluss des Landgerichts Berlin
vom 25. Juni 2007 zu Ziffer 2 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Das Landgericht Berlin hat dem Beschwerdeführer in dem angefochtenen Beschluss
unter Ziffer 2 die Kosten des Verfahrens auferlegt, die durch sein Ausbleiben als
Dolmetscher in der Berufungshauptverhandlung entstanden waren. Die dagegen
gerichtete Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Weder die StPO noch das GVG bieten eine gesetzliche Grundlage, dem trotz
ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt ausgebliebenen Dolmetscher die durch sein
Ausbleiben entstandenen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Für eine Anwendung der
Vorschriften über die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens von Zeugen (§ 51 Abs. 1
Satz 1 StPO), Schöffen und Vertrauenspersonen des Schöffenwahlausschusses (§§ 56
Abs. 1 Satz 2 GVG) oder des Sachverständigen (§ 77 StPO) fehlt es an einer
ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Etwas anderes lässt sich auch § 191 Satz 1 GVG
nicht entnehmen, denn nach dieser Norm sind auf den Dolmetscher lediglich die
Vorschriften über die Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 74 StPO anzuwenden.
Eine entsprechende Anwendung des § 77 Abs. 1 Satz 1 StPO kommt ungeachtet des
Fehlens einer ausdrücklichen Verweisung auch aus anderen Gründen nicht in Betracht.
Unter einem Dolmetscher versteht man einen Sprachkundigen, dessen Aufgabe es ist,
den Prozessverkehr zwischen dem Gericht und den nicht der deutschen Sprache
mächtigen Beteiligten zu vermitteln (vgl. OLG Koblenz, Justiz 2003, 449; Meyer-Goßner,
StPO 50. Aufl., § 185 GVG Rdn. 1). Nur wenn das Gericht den Dolmetscher heranzieht,
um mangels eigener Sachkunde den Sinn einer außerhalb des Prozessverkehrs
angefallenen fremdsprachigen Äußerung zu ermitteln, hat er die Funktion eines
Sachverständigen. Ansonsten ist seine Stellung der eines Sachverständigen nur ähnlich
(vgl. BGH 4, 154; Meyer-Goßner a.a.O. Rdn. 7). Beide sind aufgrund ihrer Fachkenntnisse
Gehilfen des Gerichts. Während der Sachverständige jedoch eine eigene Beurteilung
abgibt, wird der Dolmetscher vorwiegend als bloßer Sprachmittler tätig. Im Übrigen
unterscheidet sich die Rechtsstellung beider wesentlich dadurch, dass der
Sachverständige gemäß § 75 StPO zur Erstattung des Gutachtens verpflichtet ist -
sofern er nicht ein Verweigerungsrecht gemäß § 76 StPO hat -, während den
Dolmetscher eine Pflicht zur Tätigkeit im Strafprozess nicht trifft (vgl. OLG Karlsruhe
a.a.O.).
Dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung
getragen, dass er beide in den einzelnen Verfahrensordnungen rechtlich nicht
gleichgestellt, sondern für den Dolmetscher in den §§ 185 ff GVG sowie in § 9 Abs. 3
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gleichgestellt, sondern für den Dolmetscher in den §§ 185 ff GVG sowie in § 9 Abs. 3
JVEG eigenständige und verfahrensübergreifende Regelungen geschaffen hat. Den
Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass die für
den Sachverständigen geltenden Bestimmungen der §§ 72 ff StPO für den Dolmetscher
entsprechend Anwendung finden sollen. Deswegen ist entgegen einer in der
Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung (LG Hildesheim Nds.Rpfl. 90, 232; AG
Tiergarten StV 87, 13; vgl. auch LG Nürnberg-Fürth MDR 78, 508) hinsichtlich der
Auferlegung der durch das Ausbleiben des Dolmetschers verursachten Kosten ebenfalls
eine analoge Anwendung des § 77 StPO ausgeschlossen. Es bedarf insoweit einer
ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers, der in § 9 Abs. 3 JVEG bislang lediglich
eine Regelung für den Fall getroffen hat, dass die Aufhebung eines Termins nicht durch
den Dolmetscher veranlasst worden ist.
Die erforderliche gesetzliche Regelung wird im Übrigen nicht dadurch ersetzt, dass die
Ladung des Beschwerdeführers unter Verwendung des Formulars StP 213 erfolgt ist und
darin ohne Unterscheidung sowohl für Sachverständige als auch für Dolmetscher der
Hinweis enthalten ist, ihnen bei Ausbleiben oder verspätetem Erscheinen ohne
genügende Entschuldigung die dadurch verursachten Kosten aufzuerlegen.
Der Senat merkt ferner an, dass die in dem Formular StP 213 enthaltene Androhung
eines Ordnungsgeldes sich ebenfalls in nicht zulässiger Weise auf Dolmetscher erstreckt.
Da die Verhängung eines Ordnungsgeldes Strafcharakter hat, ist eine entsprechende
Anwendung des § 77 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen des Analogieverbotes des Art. 103 Abs.
2 GG verfassungsrechtlich nicht zulässig (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Meyer-Goßner a.a.O.
Rdn. 7).
2. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO in analoger
Anwendung.
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