Urteil des FG Münster vom 01.07.2004

FG Münster (Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand, Ablauf der Frist, Stadt, Genfer Konvention, Soziale Sicherheit, Abkommen, Sozialleistung, Ausreise, Anerkennung, Ausschluss)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 6 K 2517/03 AO
01.07.2004
Finanzgericht Münster
6. Senat
Urteil
6 K 2517/03 AO
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides.
Die in P (Jugoslawien) geborene Klägerin lebte in den Jahren 1999 und 2000 auf Grund
einer Aussetzung der Abschiebung (Duldung) mit ihren Kindern B (geboren 01.07.1987)
und R (geboren 05.03.1989) in d. Die Stadt d (Fachbereich Soziales) hat ihr ab Juni 1999
in mehreren Bescheiden, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, Leistungen nach den §§
1 und 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylBLG) gewährt. Die Klägerin arbeitete seit Juni
1999 in einem Hotel in d. Deshalb setzte die Stadt d bei der Berechnung der Hilfe zum
Lebensunterhalt ab Juli 1999 von dem Bedarfsbetrag der Klägerin und ihrer Kinder ihr
abzüglich Freibetrag nach § 7 Abs. 2 AsylBLG Erwerbseinkommen ab. Eine
Berücksichtigung von Kindergeldbeträgen erfolgte nicht. Die Auszahlung erfolgte an
Gläubiger der Klägerin (Vermietungsgesellschaft, Stadtwerke u. a.). Ein ggf. verbleibender
Restbetrag wurde der Klägerin überwiesen.
Auf Grund eines Antrages vom 11.06.2001 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit
Bescheid vom 06.07.2001 rückwirkend Kindergeld für die Zeit Juni bis Dezember 1999
(insgesamt 3.500,00 DM) von Januar bis Dezember 2000 (insgesamt 6.480,00 DM). Die
Nachzahlung belief sich laut Bescheid vom 10.07.2001 somit auf 9.980,00 DM. Ab Januar
2001 sollten laufende Zahlungen erfolgen.
Am 14.09.2001 ging beim Beklagten eine Leistungsanzeige der Stadt d gemäß § 104 Abs.
1 Satz 1 SGB X ein. Die Anzeige galt hinsichtlich der festgestellten monatlichen
Hilfeleistung zugleich als Antrag auf Erstattung.
Mit Bescheid vom 16.10.2001 stellte der Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass ihr
Kindergeldanspruch für den Zeitraum von Juni 1999 bis Dezember 2000 in Höhe von
9.980,00 DM (das sind 5.102,69 EUR) nach § 74 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG)
2000 i. V. m. § 107 SGB X als erfüllt galt. Nach Aktenlage hat die Stadt d von Juni bis
Dezember 1999 gegenüber der Klägerin insgesamt 5.667,00 DM an Leistungen nach dem
AsylBLG erbracht. Im Jahre 2000 waren es 7.261,98 DM. Gegen den
Abrechnungsbescheid vom 16.10.2001 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein
(Einspruchsentscheidung vom 24.02.2003).
Im nachfolgenden Klageverfahren macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe ihr
gegenüber einen Kindergeldanspruch in Höhe von 9.980,00 DM bewilligt. Dieser Anspruch
sei nicht durch Leistungen des Sozialamtes der Stadt d erfüllt worden. Der Stadt d stehe
kein Erstattungsanspruch in dieser Höhe zu. Sie habe bislang nicht nachgewiesen, ob und
in welcher Höhe sie Kindergeldzahlungen erbracht habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung der angefochtenen Bescheide festzustellen, dass der festgesetzte
Anspruch auf Kindergeldzahlung in Höhe von 9.980,00 DM (5.102,69 EUR) fortbesteht.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Er meint, das Sozialamt der Stadt d habe gemäß § 74 Abs. 3 EStG i. V. m. § 104 Abs. 3
SGB X einen Anspruch auf Erstattung in der streitigen Höhe. Dieser Anspruch richte sich
gegen ihn. Deshalb sei von ihm der Anspruch gegenüber der Klägerin nicht mehr zu
erfüllen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 21.04.2004 die Stadt d beigeladen.
Am 23.06.2004 fand vor dem beauftragten Richter ein Erörterungstermin statt. Auf den
Inhalt des Protokolls wird Bezug genommen.
Die Parteien haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Abrechnungsbescheid vom 16.01.2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht
ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Anspruch auf Auszahlung
der bewilligten Kindergeldbeträge für Juni 1999 bis Dezember 2000 in Höhe von 9.980,00
DM als erfüllt gilt. Diese Rechtswirkung ergibt sich aus § 9 Abs. 3 AsylBLG vom 30.06.1993
(Bundesgesetzblatt I 1993, 1074) i. V. m. § 104 Abs. 1 Satz 1 und § 107 SGB X. Der
Erstattungsanspruch der Beigeladenen wird in seinem Bestand nicht durch § 111 SGB X
beeinträchtigt.
1. Die Erstattungspflicht des Beklagten ergibt sich aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Diese
Vorschrift bestimmt:
"Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass
die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger
erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte,
soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des
anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat."
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt.
1.1 Die Stadt d hat Leistungen nach § 3 des AsylBLG erbracht. Dabei handelt es sich um
Sozialleistungen i. S. dieser Vorschrift. Daran ändert die Tatsache nichts, dass mit dem
AsylBLG aus dem Geltungsbereich der Regelungen für Sozialhilfe - nach dem
Bundessozialhilfegesetz - Leistungen für bestimmte Personengruppen von Ausländern
ausdrücklich herausgenommen worden sind (vgl. § 120 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz
vom 23.07.1996, Bundesgesetzblatt I 1996, 1088; § 9 Abs. 1 AsylBLG). Zu diesen
Personen zählen u. a. Ausländer - wie die Klägerin -, die zur Ausreise verpflichtet sind (§
56 Abs. 1 Ausländergesetz). Denn die Duldung ändert nichts an der Ausreisepflicht.
Die Leistungen nach § 3 AsylBLG erfolgen grundsätzlich in Form von Sachleistungen.
Außerdem liegen die Werte für die Leistungen betragsmäßig niedriger als die Sätze nach
dem Bundessozialhilfegesetz. Dies ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
(Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.09.1998 5 B 82/97, NVwZ 1999, 669).
Trotz dieser Besonderheiten wird durch das AsylBLG und seine
Durchführungsbestimmungen bei Gruppen ohne Integrationsbedarf im Ergebnis das
soziale Minimum für den Lebensunterhalt garantiert und damit eine Sozialleistung erbracht.
Da das AsylBLG die Leistungen für den Lebensunterhalt im notwendigen Umfang aus dem
allgemeinen Sozialrecht ausklammert, bleiben den Berechtigten alle sonstigen Leistungen
nach den §§ 18 bis 29 SGB I mit Ausnahme der Leistungen der Sozialhilfe (§ 28 SGB I)
erhalten. Sie haben damit auch prinzipiell einen Anspruch auf Kindergeld, soweit die
Anspruchsvoraussetzungen dafür vorliegen.
1.2 Die Stadt d hat Sozialleistungen an die Klägerin erbracht, ohne dass auch die
Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorlagen. Denn der Anspruch der Klägerin auf
Leistungen nach dem AsylBLG ist nicht nachträglich ganz oder teilweise entfallen.
1.3 Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen vorrangigen Anspruch auf
Kindergeld.
Auch wenn der steuerliche Vergütungsanspruch nach den §§ 62 ff. EStG keine
Sozialleistungen im formellen Sinne betrifft, handelt es sich doch um eine
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einkommenssteuerliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm. Das
bedeutet, dass das Kindergeld grundsätzlich als vorrangige Leistung i. S. d. § 104 SGB X
anzusehen ist (BFH-Urteil vom 14.05.2002 VIII R 88/01, BFH/NV 2002, 1156).
Der Kindergeldanspruch der Klägerin ergibt sich nach Auffassung des Senats im Ergebnis
nicht aus dem Gesetz, sondern aus dem Bewilligungsbescheid des Beklagten.
Denn als geduldete Ausländerin war die Klägerin keine Person, die im Besitz einer
Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gemäß § 62 Abs. 2 EStG war.
Der Beklagte hat seinen Bewilligungsbescheid vom 10. Juli 2001 auf die Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts gestützt. Die damit gemeinte Rechtsgrundlage kann nur Art. 2
Abs. 1 Nr 1d i.V.m. 28 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Soziale Sicherheit vom 12.
Oktober 1968 (BGBl II 1969,1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September
1974 (BGBl II 1975, 389) sein. Dieser völkerrechtliche Vertrag war durch das
Zustimmungsgesetz vom 29. Juli 1969 (BGBl II 1969, 1437) innerstaatliches Bundesrecht
geworden.
Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 d bezieht sich dieses Abkommen auf die deutschen
Rechtsvorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer. Zur Zeit des Abkommens wurde
das Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt. Seit 1996 ist der
Anwendungsbereich des Bundeskindergeldgesetzes auf wenige, hier nicht einschlägige
Fälle beschränkt. Das Kindergeld wird gemäß § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung
gezahlt. Die Frage, ob das früher geschlossene Abkommen trotz der Systemänderung auch
die Ansprüche aus später gesetzten Rechtsnormen erfasst, brauchte im vorliegenden Falle
nicht entschieden zu werden (vgl. zum Sozialabkommen mit der Türkei Urteil des
erkennenden Senats in EFG 1998, 1208). Selbst wenn das Abkommen als
Spezialregelung gegenüber abweichendem innerstaatlichen Recht Vorrang genießen
sollte (EFG 1999, 568), scheitert seine Anwendung daran, dass die Voraussetzungen des
Artikels 28 Abs. 1 nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift hat eine Person, die im Gebiet
des einen Vertragsstaates beschäftigt ist und den Rechtsvorschriften in dieses Staates
unterliegt, nach dessen Rechtsvorschriften für Kinder, die sich im Gebiet des anderen
Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten, Anspruch auf Kindergeld, als hielten sich die Kinder
gewöhnlich im Gebiet des ersten Vertragsstaates auf. Außerdem stehen nach Art. 3 Abs. 1
bei der Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates dessen Angehörigen den
Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates gleich, wenn sie sich im Gebiet des
Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten. Die Klägerin ist noch obigen Ausführungen zur
Ausreise verpflichtet. Damit handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Aufenthalt im
Sinne des Artikels 3 Abs. 1. Ihre Kinder leben in Deutschland und fallen somit nicht unter
Art. 28 Abs. 1.
Ferner gilt der grundsätzliche Ausschluss des Kindergeldanspruchs aufenthaltsrechtlich
nur geduldeter Ausländer nicht für nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge (vom 1. September 1953, BGBl II 1953, 560 ff.) anerkannte Flüchtlinge und
sonstige politisch Verfolgte i. S. des § 3 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) i. V. m. § 51
Abs. 1 AuslG (Gemeinsames Rundschreiben des BMFuS und des Bundesministeriums des
Inneren vom 6. Januar 1994 BMFuS - 223 - 2862 - 2/BMI - DII - 4 - 221972/I, GMBl 1994, 70
und Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs - DA-FamEStG -
Ziff. 62.4.2 Abs. 1 und 2). Diese Personen können ab dem Monat der Anerkennung durch
unanfechtbaren Bescheid des Bundesamtes für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
oder rechtskräftige gerichtliche Entscheidung Kindergeld erhalten (Blümich-Heuermann,
EStG, Kommentar, § 62 Rdnr. 29). Diese so genannte Genfer Konvention hat bei der
Einfügung der Kindergeldregeln in das EStG keinen Niederschlag gefunden. Eine
unmittelbare Geltung über § 2 Abgabenordnung scheidet somit aus. Da diese
Kindergeldbewilligung nicht auf dem EStG, handelt es sich nach Auffassung des Senats
um eine Billigkeitsentscheidung. Dem Bescheid des Beklagten vom 6.7.2001 kommt somit
rechtsbegründende Wirkung zu.
1.4. Der Beklagte hatte das Kindergeld auch nicht bereits ausgezahlt, bevor er von der
Leistung der Stadt d (07.09.2001) Kenntnis erhalten hatte.
Denn das rückwirkend bewilligte Kindergeld ist auf Grund des angefochtenen Bescheides
gerade nicht ausgezahlt worden.
2. Soweit der Erstattungsanspruch der Beigeladenen besteht, gilt der Anspruch der
Klägerin gegen den Beklagten als erfüllt (§ 107 SGB X).
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Diese Erfüllungswirkung betrifft ein Volumen von 9.980,00 DM. Diesen Betrag hat der
Beklagte im angefochtenen Abrechnungsbescheid zutreffend festgestellt. Die Höhe des
Betrages ergibt sich aus einem Vergleich zwischen den Bewilligungsbescheiden der
Beigeladenen und des Beklagten.
Nach Meinung des Senats ergibt sich die Konkretisierung des Erstattungsanspruchs der
Beigeladenen aus den jeweiligen Festsetzungsbescheiden, die an die Klägerin gerichtet
waren. Die Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(vgl. zuletzt Urteil vom 10. Dezember 2002 B 9 VG 6/01 R - Juris KSRE012811509; B 14/10
KG 24/96 R, NVwZ-RR 1998, 566 bis 567). Ähnlich wie im letztgenannten Verfahren hatte
die Klägerin im vorliegenden Falle die Möglichkeit die Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs durch Anfechtung der gegen sie gerichteten Bescheide über
die jeweilige Bewilligung von Leistungen nach dem AsylBLG zu beeinflussen. Damit war
ihr im Grundsatz effektiver Rechtsschutz zuteil geworden.
Die Beigeladene hatte der Klägerin in den verschiedenen Bewilligungsbescheiden für ihre
beiden Kinder jeweils monatlich 350,00 DM zuerkannt. Demgegenüber belief sich der
Anspruch auf Kindergeld auf jeweils 250,00 DM beziehungsweise 270,00 DM. Damit ist der
Erstattungsanspruch durch die Höhe des Kindergeldes begrenzt. Die Beigeladene hat in
ihren Bescheiden keine Beträge für Kindergeld als Einkommen der Klägerin abgesetzt,
obwohl dies nach § 7 Abs. 1 AsylBLG hätte erfolgen können, wenn die Festsetzung des
Kindergeldes nicht nachträglich erfolgt wäre. Die Bescheide der Beigeladenen sind
bestandskräftig geworden und haben somit Tatbestandswirkung für den
Erstattungsanspruch.
3. Die Tilgungswirkung des § 107 Absatz 1 SGB X entfiel nicht im Hinblick auf die
Aufschlussfrist des § 111 SGB X. Über das Bestehen des Erstattungsanspruchs der
Beigeladenen ist nicht vorrangig durch eine Leistungsklage zwischen diesem und dem
Beklagten zu entscheiden (vgl. dazu Urteil des BFH vom 14. 5. 2003 VIII R 88/01, BFH/NV
2002, 1156). Denn der Erstattungsanspruch ist keine rechtswegfremde Forderung im
Hinblick auf das vorliegende Klageverfahren.
Nach § 111 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der
Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages,
für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Ablauf der Frist beginnt in
frühestens mit Entstehung des Erstattungsanspruchs. Diese Vorschrift normiert eine
gesetzliche Ausschlussfrist. Ihr Ablauf ist von Amts wegen zu beachten. Eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich (Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 1993 - 5 C 6/91 - NVwZ-RR 1994,28).
Die Beigeladene hatte bereits 1999 Leistungen erbracht und erst mit Leistungsanzeige vom
7.9.2001 ihren Erstattungsanspruch geltend gemacht. Gleichwohl ist der Anspruch nicht für
die Zeit von Juni 1999 bis August 2000 anteilig gemäß § 111 SGB X erloschen. Nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht der Erstattungsanspruch eines nach §
105 SGB X berechtigten Leistungsträgers grundsätzlich sobald, dieser seine Leistungen
tatsächlich erbracht hat und ihm die entsprechenden Kosten entstanden sind (Urteil vom
22. August 2000 B 2 U 24/99 R - Juris KSRE027191522). Der Anspruch entsteht frühestens
in dem Zeitpunkt, in dem der nachrangig verpflichtete Leistungsträger einen
Bewilligungsbescheid erteilt (Urteil vom 23. Februar 1999 B 1 KR 6/97 R - Juris
KSRE075141518). Andererseits soll der Erstattungsanspruch nicht erst in dem Zeitpunkt
entstehen, indem der vorrangig verpflichtete Leistungsträger rückwirkend gegenüber dem
Leistungsberechtigten über dessen Anspruch entscheidet (Urteil vom 19. März 1996 2 RU
22/95 - Juris KSRE013940922).
Da nach obigen Ausführungen die Kindergeldbewilligung im Bescheid vom 6. Juli 2001
konstitutiven Charakter hatte, entstand der Kindergeldanspruch der Klägerin erst im Jahre
2001. Erst in diesem Moment wurde die bis dahin gewährte Leistungen nach dem AsylBLG
zu einer nachrangigen Sozialleistung. Damit konnte auch erst in diesem Moment der
Erstattungsanspruch der Beigeladenen entstehen.
Wenn man entgegen der obigen Rechtsauffassung des Senats davon ausgehen wollte,
dass der Klägerin kraft Gesetzes schon 1999 ein Kindergeldanspruch zustand, würde sich
im Ergebnis nichts ändern. Die Tilgungswirkung wäre dann monatsweise eintreten. Ein
möglicher Ausschluss des Erstattungsanspruchs nach § 111 SGB X wegen Versäumung
der Frist für seine Geltendmachung berührt die eingetretene Erfüllungswirkung nach § 107
Absatz 1 SGB X nicht (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 1991
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C 41/86, DVBl 1992, 634). Die Rechtswirkung des § 111 SGB X erschöpft sich darin, dass
die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs zwischen dem Sozialamt und der
Kindergeldkasse zeitlich beschränkt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Absatz 2 Nr. 2 FGO.