Urteil des FG Hessen vom 06.12.2004

FG Frankfurt: rücklage, auflösung, einspruch, investition, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, steuerberater, einkünfte

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2001
Aktenzeichen:
1 K 1516/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 7g Abs 5 EStG 1997, § 4 Abs
3 EStG 1997
(Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG bei unterjähriger
Auflösung der Rücklage)
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei unterjähriger Auflösung einer Rücklage
nach § 7g Einkommensteuergesetz (EStG) der Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5
EStG für das Auflösungsjahr zu berechnen ist oder nicht.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2001 als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Den Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 3
EStG. In den Jahren 1999 und 2000 hatte er Ansparabschreibungen i.H. von 77.910
DM und 105.000 DM gebildet, die er gewinnerhöhend aufgelöst hat. Zusätzlich
rechnete der Kläger einmalig 6 v.H. der 1999 gebildeten Rücklage dem Gewinn zu.
Der Beklagte setzte weitere 6 v.H. für die 1999 gebildete Rücklage und 6 v.H. für
die im Jahr 2000 gebildete Rücklage hinzu. Gegen den
Gewinnfeststellungsbescheid vom 16.12.2003 legte der Kläger fristgerecht
Einspruch ein, den er damit begründete, dass er die Rücklage bereits im Laufe des
Jahres 2001 aufgelöst hätte. Da nach § 7 g Abs. 5 EStG die Gewinnerhöhung von 6
v.H. für jedes volle Wirtschaftsjahr zu erfolgen habe, in dem die Rücklage
bestanden habe, in seinem Fall jedoch nur die im Jahr 1999 gebildete Rücklage ein
volles Jahr bestanden habe, dürfe der Gewinn nur für die 1999 gebildete Rücklage
für ein Jahr um 6 v.H. erhöht werden.
Der Beklagte wies den Einspruch mit der am 19.04.2004 abgesandten
Einspruchsentscheidung vom 05.04.2004 als unbegründet zurück. Nach seiner
Ansicht hat die Gewinnerhöhung i.H. von 6 v.H. für die 1999 gebildete Rücklage für
zwei, für die im Jahr 2000 gebildete Rücklage für ein Jahr zu erfolgen, da sich die
Bildung oder Auflösung einer Ansparrücklage stets erst bei der Gewinnermittlung
am Schluss eines Wirtschaftsjahres auswirke. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Mit der Klage vom 04.05.2004 macht der Kläger weiterhin geltend, der Gewinn
dürfe nur in dem von ihm berechneten Umfang erhöht werden, da die
Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG eine Ist-Rechnung sei, bei der § 11
EStG Anwendung finde und daher ein Gewinnzuschlag zu unterbleiben habe, wenn
eine Rücklage unterjährig aufgelöst werde. Dazu führt er das Urteil des
Finanzgerichts (FG) Bremen vom 12.08.2002 1 K 245/01 (juris) sowie Lambrecht in
Kirchhof / Söhn / Mellinghoff, EStG-Kommentar, § 7g EStG Rdnr. G 13, Meyer in
Hermann / Heuer / Raupach, Kommentar zum EStG und
Körperschaftsteuergesetz, § 7g EStG Anm. 127 und Drenseck in Schmidt, EStG-
Kommentar, 23. Aufl., § 7g EStG Rz. 26 an.
Er beantragt,
den Gewinnfeststellungsbescheid vom 16.12.2003 dahingehend zu ändern, dass
der Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG um 10.543 DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung ist der Gewinnzuschlag stets für ein volles Wirtschaftsjahr
vorzunehmen, wenn die Ansparrücklage ohne begünstigte Investition aufgelöst
wird (FG Münster vom 20.09.2001 2 K 7625/00 G,F, Entscheidungen der
Finanzgerichte -EFG- 2002, 387 – zum Rumpfwirtschaftsjahr), da sich die
gewinnmindernde Bildung der Ansparrücklage erst bei der Gewinnermittlung am
Schluss des Wirtschaftsjahres auswirke. Das gelte entsprechend für die Auflösung.
Der Stundungseffekt bestehe deshalb für das volle Wirtschaftsjahr. Daher seien die
Zufluss- und Abflusszeitpunkte fiktiv auf das Wirtschaftsjahr zu beziehen,
unabhängig davon, ob es sich um eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder Abs.
3 EStG handele. Dazu wird weiter auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
06.03.2003 IV R 23/01 Bundessteuerblatt - BStBl - II 2004, 187 verwiesen, in dem
der BFH unter Bezug auf sein Urteil vom 26.10.1989 IV R 83/88 (BStBl II 1990, 290)
ausgeführt hat, dass eine Ansparrücklage nicht während eines Wirtschaftsjahres
aufgelöst werden kann und sich der Zuschlag von 6 v.H. auf ein volles
Wirtschaftsjahr bezieht.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Dem Senat hat die Einkommensteuerakte des Klägers für die Jahre 2000 und 2001
vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht einen Gewinnzuschlag gemäß § 7g Abs. 5 EStG auf die
in den Jahren 1999 und 2000 gebildeten Rücklagen jeweils auch für das Jahr 2001
berechnet.
Der in dem vom Kläger angeführten Urteil des FG Bremen vom 12.08.2002 1 K
245/01 vertretenen Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.
Denn die sogenannte Ansparrücklage nach § 7g EStG bewirkt einen
Steuerstundungseffekt. Wird die Investition, für die sie gebildet wurde, nicht
vorgenommen, so soll der Gewinnzuschlag von 6 v.H. diesen Stundungseffekt
pauschalierend ausgleichen. Die Formulierung, dass der Gewinnzuschlag gemäß §
7g Abs. 5 EStG zu berechnen ist „für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die
Rücklage bestanden hat,“ kann bei diesem Zweck nur so verstanden werden, dass
dafür auf die steuerliche Auswirkung der gebildeten Rücklage abgestellt wird (vgl.
Drenseck in Schmidt, a.a.O., § 7g Rz. 25; zum gleichgestalteten § 6b EStG:BFH-
Urteil vom 15.03.2000 I R 17/99, BStBl II 2001, 251 m.w.N.; FG Hamburg Urteil vom
24.10.1991 I 73/89, EFG 1992, 319; ebenso zu § 6b EStG Glanegger in Schmidt,
a.a.O., EStG § 6b Rz. 98 u.a).
Die Steuerstundungswirkung endet erst mit der Veranlagung für das
Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage aufgelöst wird, da erst mit dem
Jahresabschluss, gleich ob dieser in einem Bestandsvergleich oder in einer
Einnahme-Überschuss-Rechnung besteht, der entsprechende Betrag steuerlich
erfasst wird.
Dementsprechend hat auch der BFH in seinem Urteil vom 06.03.2003 IV R 23/01
(BStBl II 2004, 187) im Fall eines Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn – wie der
Kläger – nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat, im Zusammenhang mit der
nachträglichen Bildung einer Ansparrücklage unter Bezug auf das BFH-Urteil vom
26.10.1989 IV R 83/88, (BStBl II 1990, 290) zu dem insoweit gleich lautenden § 6b
Abs. 6 EStG ausgeführt, dass eine gebildete Ansparrücklage nicht während eines
Wirtschaftsjahres aufgelöst werden kann und der Zuschlag von 6 v.H. sich auf ein
volles Wirtschaftsjahr bezieht. Dem ist die Literatur im Wesentlichen gefolgt (vgl.
Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 7g EStG Rdnr. F 7; Meyer in
Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 7g EStG Anm. 127). Die Beschränkung auf
volle Wirtschaftsjahre soll nur sicherstellen, dass nicht bereits für das Jahr der
Rücklagenbildung ein Zuschlag vorgenommen wird (vgl. BFH-Urteil vom
26.10.1989 IV R 83/88, BStBl II 1990, 290; FG Hamburg Urteil vom 24.10.1991 I
73/89, EFG 1992, 319; FG Münster Urteil vom 20.09.2001 2 K 7625/00 G,F, EFG
2002, 387)
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Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zuzulassen, da
der BFH zur Frage der unterjährigen Auflösung einer Rücklage nach § 7g EStG nur
inzident, bei der Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Rücklage,
entschieden hat.
Da die Klage abzuweisen war, folgt die Kostenentscheidung aus § 135 Abs. 1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.