Urteil des FG Hessen vom 12.09.2007
FG Frankfurt: treu und glauben, schutzwürdiges interesse, gesellschafter, anzeige, vertretung, stempel, steuerberater, auszahlung, urkunde, gesellschaftsvertrag
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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2003
Aktenzeichen:
5 K 1918/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 46 Abs 3 AO, § 709 BGB, §
714 BGB
Die Wirksamkeit einer Abtretungsanzeige
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
Die Klägerin ist eine Sozietät zweier Steuerberater in der Rechtsform einer
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Der Wirtschaftsprüfer und
Steuerberater A wird in aktuellen Briefköpfen (so auch in der Klageschrift) unter
dem Hinweis weiterhin aufgeführt, dass die Gesellschaftereigenschaft nur bis 1998
bestand.
Die Klägerin beriet die Eheleute E steuerlich. Zur Sicherung des Honoraranspruchs
der Klägerin traten die Eheleute E ihre Erstattungsansprüche aus den
Einkommensteuerveranlagungen 2001 und 2002 begrenzt auf 712,70 € am
26.11.2003 an die Klägerin ab. Die Klägerin sandte die Abtretungsanzeige auf
amtlichem Formular an das Finanzamt, wo diese am 19.12.2003 einging. Unter II.
des Formulars (hier war der Abtretungsempfänger mit Name/Firma und Anschrift
zu bezeichnen) wurden keinerlei Angaben gemacht. Unter VI. 2. des Formulars
(hier war die Unterschrift des Abtretungsempfängers zu erbringen) wurde seitens
der Klägerin der Stempel "A B C" nebst Adressangabe und Angabe der
Telefonnummer angebracht. In den Stempel hinein geschrieben wurde eine nicht
lesbare Unterschrift. Auf die Abtretungsanzeigen wird Bezug genommen.
Die Einkommensteuererklärungen der Eheleute E für die Jahre 2001 und 2002
gingen beim Finanzamt am 14.01.2004 ein. Neben der Unterschrift der Eheleute
ist in dem hierfür vorgesehenen Feld jeweils maschinenschriftlich angegebenen,
dass bei der Anfertigung der Steuererklärung die Wirtschaftsprüfer und
Steuerberater "A B C" unter Adressangabe und Angabe der Telefonnummer
mitwirkten. Auf die vom Finanzamt eingereichten Fotokopien (Anlage zum
Schriftsatz vom 10.08.2007) wird verwiesen.
Am 30.12.2003 teilte das Finanzamt den Eheleuten E schriftlich mit, dass die
Abtretungsanzeige vom "19.12.2003" unwirksam sei, weil der
Abtretungsempfänger nicht eindeutig bezeichnet sei. Ermittlungen im Hinblick auf
den Abtretungsempfänger fanden nach dem Akteninhalt nicht statt, eine
Mitteilung über die Unwirksamkeit der Abtretungsanzeige an den
Abtretungsempfänger unterblieb. Das Finanzamt zahlte die
Steuererstattungsbeträge in der Folgezeit an die Eheleute E aus.
Mit Schriftsatz vom 23.02.2005 beantragte die Klägerin beim Finanzamt die
Auszahlung eines Betrages in Höhe von 712,70 €. Dies lehnte das Finanzamt mit
Verfügung vom 02.03.2005 ab, da die Abtretungsanzeige nicht wirksam erteilt
worden sei. Am 11.04.2005 erließ das Finanzamt auf Antrag der Klägerin einen
Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), wonach die
Abtretungsanzeige unwirksam gewesen und eine Auszahlung der
Erstattungsbeträge zu Recht an die Eheleute E erfolgt sei.
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Finanzamt wies den Einspruch vom
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Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Finanzamt wies den Einspruch vom
15.04. 2005 mit Entscheidung vom 20.06.2005 als unbegründet zurück.
Mit der nunmehr erhobenen Klage ist die Klägerin der Auffassung, der
angefochtene Abrechnungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung
sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Vielmehr sei das Finanzamt zur
Auszahlung von 712,20 € verpflichtet. Die Anzeige sei dem Finanzamt am
19.12.2003 zugegangen. Bereits am 30.12.2003 habe das Finanzamt den
Eheleuten E die Auffassung mitgeteilt, die Abtretungsanzeige sei unwirksam. An
die Klägerin habe sich das Finanzamt dagegen nicht gewandt. Schon deshalb
könne sich das Finanzamt nicht auf die Unwirksamkeit der Anzeige berufen. Im
Übrigen sei die Abtretungsanzeige tatsächlich wirksam. Denn der
Abtretungsempfänger sei der Anzeige problemlos zu entnehmen. Hierbei sei es
ohne Bedeutung, dass in dem für die Angabe vorgesehenen Formularfeld keine
Angaben gemacht worden seien. Der Abtretungsempfänger sei im Rahmen der
Unterschrift der Klägerin aus dem beigefügten Stempel eindeutig zu entnehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Finanzamt unter Aufhebung des Abrechnungsbescheides vom 11.04.2005 in
der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.06.2005 zu verpflichten, an die
Klägerin einen Betrag von 712,20 € auszuzahlen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die Abtretungsanzeige der Klägerin
den Abtretungsempfänger nicht ausreichend erkennen lasse, die Anzeige deshalb
unwirksam sei.
Wegen des Gegenstands der gerichtlichen Erörterung wird auf das
Sitzungsprotokoll verwiesen.
Dem Gericht lag ein Band Finanzamtsakten vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Die Abtretungsanzeige wurde von der Klägerin nicht ordnungsgemäß
unterschrieben. Die Abtretung ist unwirksam.
Gemäß § 46 Abs. 3 ist die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen der
zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des
Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und
es Abtretungsgrundes auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen.
Die Anzeige ist vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger zu
unterschreiben.
Damit unterliegt die Abtretungsanzeige der gesetzlichen Schriftform. Ein
Formverstoß bei der erforderlichen Unterschrift macht die Anzeige unwirksam, das
Finanzamt muss sie nicht beachten (vergleiche z.B. BFH-Urteil vom 13.03.1997 VII
R 36/96, BFH/NV 1997, 366). Dem steht nicht entgegen, dass Verstöße gegen die
amtliche (von der Verwaltung vorgegebene) Form regelmäßig durch Auslegung
des Erklärungswillens geheilt werden können (z.B. BFH-Urteil vom 5.10.2004 VII R
37/03, BStBl II 2005, 238).
Die Klägerin (GbR) hat die Abtretungsanzeige als Abtretungsempfänger nicht
wirksam unterschrieben. Bei der Abtretungsanzeige nach § 46 AO handelt es sich
zwar um ein Rechtsgeschäft des öffentlichen Rechts. Die Frage, wann eine
gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift wirksam vorgenommen wurde, unterliegt
allerdings einer einheitlichen, rechtsübergreifenden Betrachtungsweise.
Gemäß § 709 Abs. 1 BGB steht die Führung der Geschäfte einer GbR den
Gesellschaftern grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Die Gesellschafter vertreten die
Gesellschaft gemeinschaftlich. Nur wenn einem Gesellschafter im
Gesellschaftsvertrag die Befugnis zur Geschäftsführung eingeräumt wurde, ist er
im Zweifel auch ermächtigt, die anderen Gesellschafter Dritten gegenüber zu
vertreten (§ 714 BGB).
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Die Vertretung einer GbR betrifft die Frage, ob und inwieweit ein Gesellschafter
nach außen mit unmittelbarer Wirkung für die Gesellschaft handeln kann. Ist ein
Handeln in Schriftform gefordert, so ist auch die Ableistung einer wirksamen
Unterschrift (Abtretungsanzeige) ein Unterfall der Vertretung der GbR. In der
mündlichen Verhandlung legte Steuerberater C dar, die Klägerin habe keinen
offiziellen (im Gesellschaftsvertrag bestellten) Geschäftsführer. Vielmehr gingen
die Gesellschafter davon aus, ohne dass schriftliche Vereinbarungen getroffen
worden wären, dass jeder für sich die Gesellschaft vertreten könne. Die einzelne
Unterschrift unter der Abtretungsanzeige sollte demnach auch mit Wirkung für den
anderen Gesellschafter erfolgen.
Für die Einhaltung der Schriftform ist es indes erforderlich, dass alle Erklärenden
die schriftliche Willenserklärung unterzeichnen. Die Wahrung der gesetzlichen
Schriftform setzt bei einer GbR voraus, dass nach dem Inhalt der Urkunde die
Unterschrift des handelnden Gesellschafters auch die Erklärung des nicht
unterzeichnenden Gesellschafters deckt, sie also auch in dessen Namen erfolgte.
Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert der Urkunde selbst. Die gesetzliche
Schriftform ist nur gewahrt, wenn der rechtsgeschäftliche Vertretungswille in der
Urkunde selbst Ausdruck gefunden hat (vergleiche Urteil des
Bundesarbeitsgerichts vom ein 20.04.2005 2 AZR 162/04, NJW 2005, 2572; Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 16.07.2003 XII ZR 65/02, NJW 2003, 3053).
Dies ist im Streitfall zu verneinen. Der Stempel, dem die Unterschrift auf der
Abtretungsanzeige beigefügt war, führt die Namen "A, B, C" an. Im Übrigen enthält
die Abtretungsanzeige keine weiteren Angaben zum Abtretungsempfänger,
insbesondere nicht in dem dafür vorgesehenen Feld des Formulars. Deshalb war
davon auszugehen, die GbR werde entsprechend der gesetzlichen Regelung von
allen Gesellschaftern gemeinschaftlich vertreten. Mangels eines Zusatzes zur
Unterschrift wie "in Vertretung" oder dgl. war diese unwirksam.
Das Finanzamt hätte sich auch nicht durch weitere Ermittlungen Klarheit über eine
mögliche Geschäftsführungsbefugnis oder ein sonstiges Recht zur Vertretung des
Unterzeichnenden verschaffen müssen (Rückruf, Anforderung des
Gesellschaftsvertrags oder sonstiger Vollmachten; Nachweis einer nur mündlichen
Bevollmächtigung). Denn der vom Gesetzgeber vorgeschriebene Formzwang
bezweckte gerade die Vermeidung solcher Nachforschungen.
Nach alledem hatte das Finanzamt die unwirksame Abtretungsanzeige nicht zu
beachten.
2. Das Finanzamt ist auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§
242 BGB gilt grundsätzlich auch im Steuerrecht) verpflichtet, die
Abtretungsanzeige zumindest gegenüber der Klägerin als wirksam gelten zu
lassen, damit diese einen Anspruch auf Auszahlung des begehrten
Erstattungsbetrages erhält.
Die entsprechend vorgetragene Auffassung der Klägerin hätte zur Folge, dass der
Fehler in der Unterschrift aufgrund eines Verhaltens von Angehörigen der Behörde
korrigiert würde, obwohl doch die Klägerin in Kenntnis aller Umstände diesen Fehler
selbst hätte erkennen und vermeiden müssen. Ein schutzwürdiges Interesse der
Klägerin an diesem Ergebnis, dem das Interesse der Allgemeinheit an einem
zutreffend erzielten Steueraufkommen entgegenstünde, besteht nicht. Für eine
Anwendung der zwischen den Beteiligten bislang diskutierten Rechtsprechung
(BFH-Urteil vom 05.10.2004 VII R 37/03, BStBl II 2005, 238 unter Hinweis auf den
nicht veröffentlichten Teil des BFH-Urteils vom 24.03.1983 V R 8/81 sowie die
Rechtsprechung der Finanzgerichte - so auch des Hessischen Finanzgerichts 13 K
4708/92) besteht kein Raum.
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.