Urteil des FG Hessen vom 31.03.2009
FG Frankfurt: treibgas, flüssiggas, verwaltungsbehörde, mineralölsteuer, steuersatz, konstitutive wirkung, grobe fahrlässigkeit, bedingter vorsatz, steuerhinterziehung, abgabenordnung
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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2001, 2002, 2003,
2004
Aktenzeichen:
7 K 416/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 169 Abs 2 S 2 AO, § 370 Abs
1 Nr 2 AO, § 378 Abs 1 AO, §
153 Abs 3 AO, § 2 Abs 1 Nr 7
MinöStG
(Abgabe begünstigt bezogenen Flüssiggases zu einem
anderen als dem bewilligten Zweck - Weitergabe von
Treibgas als Heizgas - Verkürzung von Mineralölsteuer -
schuldhaftes Handeln)
Tatbestand
Der Kläger hatte seit dem 1. Dezember 1970 in A ein Gewerbe angemeldet,
dessen Tätigkeit von ihm als Agentur für technische Gase, Handel mit
Schweißartikeln, Fuhrunternehmen bezeichnet wurde. Am 20. Dezember 2005
suchte der zuständige Steueraufsichtsbeamte den Kläger in dessen
Geschäftsräumen auf. Er stellte fest, dass im Kalenderjahr 2004 neben Flüssiggas
in Form von Heizgas auch Flüssiggas in Form von Treibgas, und zwar abgefüllt auf
Gasflaschen mit 11 kg Inhalt, abgegeben worden war. Für diesen vorgenannten
Zeitraum lagen indes keine Bezüge an Treibgas, sondern lediglich für Heizgas vor.
Daraus zog die Verwaltungsbehörde den Schluss, dass im Kalenderjahr 2004 als
Heizgas versteuert bezogenes Flüssiggas teilweise als Treibgas abgegeben worden
war. Der Übergang von der Steueraufsicht zur Außenprüfung wurde mündlich
mitgeteilt, eine schriftliche Dokumentation lässt sich in den Verwaltungsunterlagen
nicht finden. Weil sich der Verdacht auf ein steuerstrafrechtlich relevantes
Verhalten ergab, unterbrach die Verwaltungsbehörde zunächst die Prüfung. Am
23. Januar 2006 wurde gegen den Kläger das steuerstrafrechtliche
Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die anschließend getroffenen Feststellungen ergeben sich im Einzelnen aus dem
Prüfungsbericht vom 24. November 2006. Danach hat der Kläger das jeweils als
Heizgas vorversteuert bezogene Flüssiggas in den nachstehend aufgeführten
Mengen als Treibgas abgegeben:
(bei 38 Abgabemonaten ergibt dies eine durchschnittliche monatliche
Abgabemenge vom ca. 602 kg, sodass sich eine durchschnittliche Jahresmenge
von 7.228 kg ergibt).
Mit Schreiben vom 8. März 2007 teilte die Strafsachenstelle des für diesen
Teilbereich zuständigen Hauptzollamtes B dem Prozessbevollmächtigten des
Klägers mit, dass sein Mandant in einem der Steueraufsichtsmaßnahme
vorausgehenden Gespräch dazu befragt worden sei, ob er mit Treibgas handele.
Daraufhin habe dieser entgegnet, dass dies seit mehreren Jahren nicht mehr der
Fall sei. Dazu erklärte der Prozessbevollmächtigte in seiner Stellungnahme vom
16.04.2007, dass aus diesem Vorgespräch nicht vollständig korrekt zitiert worden
sei. Der Kläger habe die Prüfer sinngemäß dahingehend unterrichtet, dass so gut
wie kein Treibgas mehr verkauft werde. Diese Aussage spiegele lediglich wider,
dass der diesbezügliche Absatz des Klägers seit Jahren rückläufig sei.
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Die für die Durchführung des Besteuerungsverfahrens zuständige
Verwaltungsbehörde, das Hauptzollamt C, erließ unter dem 22. Mai 2007 in
Auswertung des genannten Prüfungsberichtes den angegriffenen Steuerbescheid.
Darin wurden die Mineralölsteuerbeträge für die Jahre 2000 bis einschließlich 2006
festgesetzt. Der bereits bei Bezug des als Heizgas ermäßigt versteuerten
Flüssiggases entrichtete Mineralölsteuerbetrag wurde dabei angerechnet. Dies
führte zu einer Steuerfestsetzung in Höhe von 44.540,44 EUR.
Mit dem Einspruch wird dieser Bescheid in Höhe von 36.753,69 EUR angegriffen.
Mit Bescheid vom 29. August 2007 hob die Verwaltungsbehörde die für das Jahr
2000 festgesetzte Mineralölsteuer wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung auf.
Im Übrigen blieb der ursprüngliche Steuerbescheid unverändert.
Mit dieser Maßgabe blieb der Einspruch des Klägers erfolglos.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Ziel, die Festsetzung der über den Betrag
von 7.786,75 EUR hinausgehenden Abgaben als rechtswidrig aufheben zu lassen,
weiter.
Der Kläger ist der Auffassung, über den genannten Betrag hinaus sei eine
Abgabenerhebung nicht mehr zulässig, weil die Abgaben durch Eintritt der
Festsetzungsverjährung erloschen seien. Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO greife die
längere Festsetzungsfrist von 10 bzw. 5 Jahren nur ein, eine Steuer
hinterzogen bzw. leichtfertig verkürzt worden sei. Damit habe der Gesetzgeber
ausdrücklich eine Teilverjährung anerkannt, was so auch von den Kommentaren
übereinstimmend gesehen würde. Dies lasse sich auch aus einem Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 26.02.2008 (Deutsches Steuerrecht 2008, Seite 1281,
1284) entnehmen, wenn es darin heiße, dass nur diejenige Steuerart bzw.
derjenige anteilige Steuerbetrag, die tatsächlich Gegenstand einer
Steuerhinterziehung seien, nach 10 Jahren verjähren würden. Daraus folge, dass
nach der zunächst vorzunehmenden Prüfung, ob eine Steuerhinterziehung oder
eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliege, weiterhin zu klären sei, ob sich der
Vorsatz des Steuerpflichtigen bzw. sein pflichtwidriges Unterlassen hinsichtlich des
objektiven und subjektiven Tatbestandes auf die volle entstandene Steuer beziehe
oder ob dies nicht der Fall sei. Im Falle der leichtfertigen Steuerverkürzung sei
damit zu klären, ob sich das hier geforderte subjektive Merkmal der Leichtfertigkeit
auf die volle entstandene Steuer beziehe.
Auch wenn es nach den steuerrechtlichen Vorschriften unbestreitbar sei, dass
infolge der Abgabe des als Heizgas ermäßigt vorversteuert bezogenen
Flüssiggases als Treibgas die Mineralölsteuer in Höhe des gesetzlichen
Regelsatzes entstanden sei, so habe sich darauf jedenfalls nicht die Kenntnis des
Klägers bezogen. Dem Kläger sei lediglich bekannt gewesen, dass es einerseits
den ermäßigten Steuersatz für Flüssiggas und andererseits den ermäßigten
Steuersatz für Treibgas gibt. Dies sei dem Kläger aus seinem Geschäftsalltag als
Flüssiggashändler bekannt gewesen. Es ergäbe sich bereits aus den Einkaufs- und
Verkaufspreisen. Nach dieser Lebenserfahrung liege die Annahme, die Abgabe von
Heizgas als Treibgas führe zur Verpflichtung, die Differenz zwischen diesen beiden
ermäßigten Steuersätzen nach zu entrichten, jedenfalls nicht fern. Der fiskalische
Schaden bestehe genau in dieser Differenz. Bei ordnungsgemäßem Handeln wäre
eben diese Differenz an den Fiskus mehr entrichtet worden. Eine über die Differenz
zwischen Heiz- und Treibgassteuern hinausgehende steuerliche Konsequenz
seiner Handlungen hätte sich dem Kläger daher auch nicht aufdrängen müssen.
Irgendwelche Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass der Kläger vor
Einleitung der Außenprüfung Kenntnis gehabt hätte, dass die Mineralölsteuer zum
Regelsteuersatz entstünde, seien nicht ersichtlich. Für derartige Umstände läge im
Übrigen die Beweislast bei der beklagten Verwaltungsbehörde. Dieser seien aber
vielmehr gegenteilige sichere Erkenntnisse dahingehend bekannt, dass der Kläger
gerade nicht über entsprechende Kenntnisse verfügt habe. Denn nach Beginn der
Außenprüfung hätten der Kläger und seine Ehefrau den Außenprüfer Z geradezu
bedrängt, dass er ihnen die sich aus den Prüfungsergebnissen ergebenden
steuerlichen Konsequenzen erläutern sollte. Aus den in diesem Zusammenhang
geführten Gesprächen habe sich für den Z unzweideutig ergeben, dass der Kläger
und seine Ehefrau keinerlei Kenntnis davon gehabt hätten, dass Mineralölsteuer
zum Regelsteuersatz entstehen würde. Zum Beweis hierfür werde die
Vernehmung des Z als Zeuge beantragt. Selbst wenn man daher davon ausgehen
wollte, dass dem Kläger der Vorwurf einer Steuerhinterziehung gemacht werden
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wollte, dass dem Kläger der Vorwurf einer Steuerhinterziehung gemacht werden
könnte, so könne unproblematisch ein subjektiver Tatbestand dahingehend
unterstellt werden, dass nur die Differenz zwischen Heizgassteuer und
Treibgassteuer hinterzogen werden sollte. Ein darüber hinausgehender Vorsatz
habe nicht vorgelegen. Entsprechend sei es auch zu bewerten, wenn dem Kläger
eine leichtfertige Steuerhinterziehung zur Last fallen sollte.
Es sei zudem darauf hinzuweisen, dass nach Einschätzung des
Prozessbevollmächtigten des Klägers, der in einem Mineralölverband tätig ist, im
Flüssiggashandel in der täglichen betrieblichen Praxis der Regelsteuersatz
überhaupt keine Rolle spiele. Denn stets sei entweder der Heizgas- oder der
Treibgassteuersatz anwendbar oder es dürfe sogar steuerfrei abgegeben werden.
Flüssiggas vorversteuert zum Regelsteuersatz werde in der Praxis überhaupt nicht
angeboten bzw. verkauft. Praktiker in der Flüssiggasbranche hätten daher zumeist
weder über die Höhe des Regelsteuersatzes noch zu dessen Bedeutung
Kenntnisse.
Der Kläger beantragt, den Mineralölsteuerbescheid vom 22.05.2007 in der
Fassung vom 29.08.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.01.2008
unter Aufhebung im Übrigen auf 7.786,75 EUR herabzusetzen sowie hilfsweise im
Falle der Klageabweisung die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe im Rahmen seines Unternehmens im Zeitraum vom 01.01.2000
bis zum 28.02.2006 unter anderem Flüssiggas (Heizgas), das zum mittelbaren
oder unmittelbaren Verheizen bestimmt und zum ermäßigten Steuersatz des § 3
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b Mineralölsteuergesetz versteuert gewesen sei,
bezogen. Die Bezugsrechnungen hätten den Hinweis erhalten, dass dieses
Heizgas nur zum mittelbaren oder unmittelbaren Verheizen abgegeben werden
dürfe. Trotzdem habe der Kläger es teilweise als Treibgas an seine Kunden
verkauft, ohne dies vorher einer Finanzbehörde gemäß § 153 Abs. 3
Abgabenordnung anzuzeigen.
Das zunächst gegen den Kläger eingeleitete Steuerstrafverfahren sei vom
Hauptzollamt B im Mai 2007 in ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des
Verdachts der leichtfertigen Steuerverkürzung übergeleitet worden.
Die Mineralölsteuer in Höhe von 7.786,75 EUR hätte der Kläger am 01.06.2007
gezahlt.
Mit Schreiben vom 18.06.2007 hätte das Hauptzollamt B das Bußgeldverfahren bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens ausgesetzt.
Der vom Kläger geltend gemachte Einwand der Teilverjährung beruhe letztlich auf
einem fehlerhaften Verständnis der einerseits für Heizgas und andererseits für
Treibgas vorgesehenen ermäßigten Steuersätze. Entgegen der Auffassung des
Klägers gäbe es im Mineralölsteuergesetz nicht die Möglichkeit der
Steuerentstehung in Höhe der Differenz zwischen der Steuer bei Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes für als Heizgas vorgesehenes Flüssiggas einerseits und
der ermäßigten Steuer bei Verwendung des Flüssiggases als Treibgas, wenn
Heizgas entgegen seiner erlaubten Verwendung zweckwidrig als Treibgas
abgegeben würde. Vielmehr entstehe die Steuer in Fällen der nicht der Erlaubnis
entsprechenden Verwendung des Flüssiggases zum Regelsteuersatz nach § 2
Abs. 1 Nr. 7 Mineralölsteuergesetz. In Höhe dieser Differenz sei der Kläger seinen
steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen und habe eine leichtfertige
Steuerverkürzung begangen, sodass in Folge der so verlängerten
Festsetzungsfrist vor Erlass des Steuerbescheides keine Festsetzungsverjährung
eingetreten gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung überreichte der Sitzungsvertreter der beklagten
Verwaltungsbehörde eine unter dem 16. September 2008 gefertigte schriftliche
Stellungnahme des damaligen Prüfungsbeamten Z zu den Gerichtsakten. Der
Inhalt dieser Stellungnahme wurde verlesen. Der Prozessbevollmächtigte des
Klägers hielt an seinem Antrag, Herrn Z als Zeugen persönlich vor dem Senat zu
hören, fest.
Ausweislich des Sitzungsprotokolles gab er dazu als Beweisthema an, der Kläger
und seine Ehefrau hätten bei erstmaligem Erscheinen des
Steueraufsichtsbeamten Z keine Kenntnis von der Entstehung von Mineralölsteuer
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Steueraufsichtsbeamten Z keine Kenntnis von der Entstehung von Mineralölsteuer
zum Regelsteuersatz bei mit dem ermäßigten Steuersatz als Heizgas
vorversteuert bezogenen Flüssiggas, das als Treibgas abgegeben wurde, gehabt.
Dies solle durch Vernehmung des Zeugen belegt werden.
Mit dem am 7. Mai 2009 bei Gericht eingegangenen Schreiben übersandte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers den gemäß Schreiben vom 6. Mai 2009 bei
der Verwaltungsbehörde gestellten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung
gemäß § 163 AO aus Billigkeitsgründen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet, denn soweit die Abgabenfestsetzung
streitgegenständlich ist, verletzt sie den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger wendet sich ausschließlich gegen die Mineralölsteuerfestsetzung für die
Kalenderjahre 2001 bis 2004. Dabei greift er die durch die beklagte
Verwaltungsbehörde erfolgte Abgabenberechnung und -festsetzung nur
hinsichtlich eines Teilbetrages an, weil er der Auffassung ist, dieser sei durch
Verjährung erloschen. Dazu beruft er sich darauf, dass der ihm zu machende
steuerstrafrechtliche oder bußgeldrechtliche Vorwurf in subjektiver Hinsicht nur
den Differenzbetrag zwischen den Steuersätzen umfasse, die für die Verwendung
von Flüssiggas als Heizgas oder als Treibgas festgelegt seien.
Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze.
Gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist für Verbrauchsteuern
und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr. Sie beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2
AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig
verkürzt worden ist. Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO hinterzieht Steuern, wer die
Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis
lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht
gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Straftatbestand der
Steuerhinterziehung kann nur vorsätzlich begangen werden, d.h. die Verkürzung
muss vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen desjenigen, der die unrichtigen bzw.
unvollständigen Angaben gemacht oder die steuererheblichen Angaben
unterlassen hat, geschehen. Dabei handelt vorsätzlich auch derjenige, der es für
möglich hält, dass er den Tatbestand des § 370 Abgabenordnung verwirklicht oder
dies billigt oder billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Der Wille muss sich
dabei auf die Verwirklichung des Straftatbestandes in Kenntnis seiner
Tatbestandsmerkmale beziehen (vgl. dazu z.B. Urteil des Finanzgerichts
Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2004 Aktenzeichen 2 K 1000/03 in Deutsches
Steuerrecht E 2004, 1444 ff.).
Gemäß § 378 Abs. 1 Abgabenordnung handelt ordnungswidrig, wer als
Steuerpflichtiger eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig
begeht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige die ihm
zumutbare Sorgfalt in einem besonders großen Ausmaß außer Acht lässt. Die
zwischen dem bedingten Vorsatz und der groben Fahrlässigkeit liegende
Grenzziehung erfolgt üblicherweise dergestalt, dass der mit bedingtem Vorsatz
Handelnde die Tatbestandsmerkmale kennt und den Erfolgseintritt in Kauf nimmt,
wohingegen im Falle der groben Fahrlässigkeit zwar die Tatbestandsmerkmale
ebenfalls bekannt sind, der Täter indes darauf vertraut, dass der Erfolg schon nicht
eintreten werde.
Der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung ist verwirklicht
worden. Ausweislich der von der beklagten Verwaltungsbehörde in dem
Steueränderungsbescheid vom 29. August 2007 gefertigten Aufstellung gab der
Kläger in den Jahren 2001 bis 2006 (2005 und 2006 sind nicht mehr
streitbefangen) die in der tabellarischen Aufstellung angegebenen Mengen
Flüssiggas als Treibgas ab. Es steht ferner fest, dass der Kläger dieses Treibgas als
zu dem für Heizgas vorgesehenen ermäßigten Steuersatz bezogen hatte. Im
Rahmen der mineralölsteuerrechtlichen allgemein erteilten Erlaubnis war es dem
Kläger daher nur gestattet, das so vorversteuert bezogene Flüssiggas zu
Heizzwecken, also zu dem vorgesehenen begünstigten Zweck, weiter zu geben.
Gemäß § 153 Abs. 3 Abgabenordnung hat derjenige, der Waren, für die eine
Steuervergünstigung unter einer Bedingung gewährt worden ist, und der diese
Waren in einer Weise verwenden will, die der Bedingung nicht entspricht, dies
vorher der Finanzbehörde anzuzeigen. Dieser Anzeigepflicht ist der Kläger nicht
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vorher der Finanzbehörde anzuzeigen. Dieser Anzeigepflicht ist der Kläger nicht
nachgekommen, sodass er das Hauptzollamt als die zuständige Finanzbehörde
über die steuerlich erhebliche Tatsache einer anderweitigen Verwendung des
begünstigt bezogenen Flüssiggases in Unkenntnis gelassen hat. Als Inhaber der
allgemein erteilten Erlaubnis oblag dem Kläger auch diese Pflicht.
Gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 3 Mineralölsteuergesetz ist in Folge der Abgabe des als
Heizgas vorversteuerten Flüssiggases als Treibstoff die Steuer nach dem
zutreffenden Steuersatz des § 2 Mineralölsteuergesetz entstanden. Hierfür war
auch das Verhalten bzw. Unterlassen des Klägers kausal. Da die entstandene
Steuer weder festgesetzt werden konnte noch entrichtet wurde, ist der
Verkürzungserfolg gemäß § 370 Abs. 4 Abgabenordnung eingetreten.
Dem Kläger ist ferner zumindest der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu machen.
Der Kläger macht geltend, er habe nichts davon gewusst, dass bei einer Abgabe
des Flüssiggases zu einem anderem als dem von der Bewilligung vorgesehenen
Zweck die Mineralölsteuer in Höhe des Regelsteuersatzes entstehen würde. Er sei
vielmehr davon ausgegangen, dass es nur um die Differenz zwischen dem
ermäßigten Steuersatz für Heizgas sowie dem ebenfalls ermäßigten Steuersatz
für Treibgas gehen könne.
Dieser Einwand ist unerheblich.
Der Bundesfinanzhof hat bereits in seinem Urteil vom 19. November 1959
(IV 108/59U in Bundessteuerblatt III 1960, 30 – hier zitiert nach Juris –) für den
Umfang der Verjährungsunterbrechung in Zusammenhang mit
Steuerhinterziehung festgestellt, dass entscheidend weder der vielfach gar nicht
vorhandene oder gar nicht feststellbare Unterbrechungswille des Beteiligten noch
seine rechtliche Vorstellung über die Auswirkungen des einzelnen Vorgangs seien.
Bei der Verjährungsunterbrechung handele es sich nach Grund und Umfang
vielmehr um eine Folge, die sich unabhängig von dem Willen der Beteiligten im
Anschluss an die genannten Vorgänge unmittelbar aus dem Gesetz ergäbe. Es
komme daher nicht auf die rechtliche Vorstellung über das Ausmaß der nach
seiner Erklärung zu erwartenden Steuerfestsetzung an. In seinem Urteil vom
21.02.1992 (Aktenzeichen VI R 141/88 in Bundessteuerblatt II 1992, 565) weist der
Bundesfinanzhof darauf hin, dass die Annahme einer Steuerhinterziehung keine
Feststellungen darüber voraussetze, dass sich der Steuerpflichtige konkrete
Vorstellungen gemacht hätte. Er müsste das Unrechtmäßige seiner Tat nicht in
rechtstechnischer Beurteilung erkannt haben, sondern es reiche aus, wenn dies
entsprechend allgemeiner Bewertung in seiner Gedankenwelt geschehen sei. Das
Finanzgericht Rheinland-Pfalz führt in dem bereits zitierten Urteil vom 8. Juni 2004
insoweit aus, dass vorsätzliches Handeln bereits dann vorliegt, wenn der Täter
anhand einer unter Umständen laienhaften Bewertung der Umstände erkenne,
dass ein Steueranspruch existiere, auf den er einwirkt. Wird das Vorliegen der
vorstehend genannten Bedingungen bejaht, so führt dies zu dem Ergebnis, dass
dem Betreffenden der Vorwurf einer vorsätzlich begangenen Steuerhinterziehung
zu machen ist.
Die beklagte Verwaltungsbehörde hat lediglich den milderen Vorwurf der grob
fahrlässigen Steuerverkürzung erhoben.
Der Senat ist aufgrund des Akteninhalts und unter Berücksichtigung des Vortrags
in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gekommen, dass diese
Bewertung der Verwaltungsbehörde jedenfalls nicht zum Nachteil des Klägers
falsch ist. Denn der Kläger hat die ihm obliegenden und auch zumutbaren
Sorgfaltspflichten in einem besonderen Ausmaß verletzt.
Zu dieser Überzeugung ist der Senat aufgrund der nachstehenden Überlegungen
gekommen:
Der Kläger beschäftigte sich bereits seit Jahrzehnten mit dem An- und Verkauf von
Flüssiggas als Heizgas und als Treibgas. Zu einem von seinem
Prozessbevollmächtigten nicht konkret benannte aber früheren Zeitpunkt als dem,
in dem die dem streitgegenständlichen Steuerbescheid zugrunde liegenden
Feststellungen getroffen wurden, gab es aus emissionsschutzrechtlichen Gründen
Probleme mit der dafür zuständigen Behörde. Dies führte zu eingeschränkten
Lagermöglichkeiten für Flüssiggas im Betrieb des Klägers. Die prüfenden Beamten
der beklagten Verwaltungsbehörde fanden demgemäß im Prüfungszeitpunkt nur
noch als Heizgas vorversteuert bezogenes Flüssiggas in den auf dem
Betriebsgrundstück befindlichen Lagertanks vor.
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Eine dem begünstigten Zweck entsprechende Abgabe war daher auf die als
Heizgas beschränkt. Erlaubtermaßen kam daneben mangels entsprechender
Bezüge bzw. Abgabe einer Anzeige gem. § 153 Abs. 3 AO eine Verwendung des
Flüssiggases als Treibgas nicht in Betracht.
Da die Abgabe von Treibgas angeblich seit Jahren rückläufig gewesen sein soll,
macht der Prozessbevollmächtigte des Klägers geltend, sein Mandant hätte
keinen direkten Vorsatz, eine Steuer zu hinterziehen, gehabt. Die „konkrete
Handlungsweise“ sei „aus den eingeschränkten Lagermöglichkeiten durch
Auflagen der Emissionsschutzbehörden entstanden“. Daraus ergibt sich, dass der
Kläger wusste, dass es bezüglich der unterschiedlichen Verwendungsbereiche des
Flüssiggases unterschiedliche Steuersätze gibt. Das wird im Übrigen auch nicht
von ihm in Abrede gestellt.
Er wusste auch, dass ihm nur noch Heizgas zur Verfügung stand. Wenn er dann
trotz Kenntnis der unterschiedlichen Steuersätze und der verschiedenen erlaubten
Verwendungszwecke sich über diese gesetzlich vorgegebene Trennung
eigenmächtig hinwegsetzt, so verletzt er damit die ihm als Erlaubnisinhaber
obliegende Sorgfaltspflichten in einem besonders großen Ausmaß.
Die weitergehende Behauptung des Klägers, er habe keine Vorstellung darüber
gehabt, dass bei Abgabe von als Heizgas vorversteuert bezogenem Flüssiggas als
Treibgas der hohe Regelsteuersatz und nicht etwa der ebenfalls vergünstigte
Steuersatz für Treibgas entstehen würde, hat er auch nicht ansatzweise durch
objektivierbare Tatsachen unterlegt. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass ein
Vortrag zu nicht vorhandenen inneren Tatsachen schwierig ist. Andererseits steht
aber fest, dass der Kläger die steuerrechtlichen Vorgaben dem Grunde nach
gekannt hat. Da es einer genauen Kenntnis der steuerlichen Vorschriften weder
nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs noch nach der
strafrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (vgl. dazu nur Urteil vom
24.10.2002 5 StR 600/01 in NJW 2003, Seite 446, 451) bedarf, fällt insoweit ins
Gewicht, dass die Angaben des Prozessbevollmächtigten sich durchgängig im
Ungefähren halten. Dies zeigt sich bereits in dem ersten Schriftsatz vom
24.04.2006, in dem der Prozessbevollmächtigte mitteilt, dass „wir keinerlei
Erkenntnisse dahingehend“ haben, „dass unsere Mandanten überhaupt ein
Hinterziehungsvorsatz getroffen hat“. Soweit tatsächliche Angaben wie etwa der
Hinweis auf eine bei der Emissionsschutzbehörde getätigte Anfrage, gemacht
werden, fehlen präzise Angaben. Dem Senat war es insoweit verwehrt, den
Sachverhalt weiter aufzuklären.
Der Kläger hat sich zwar als Beweis für seine fehlende Kenntnis auf das Zeugnis
des Zollbeamten Z berufen. Der Senat konnte aber aus verschiedenen Gründen
davon absehen, diesen Beweis zu erheben. Zum einen entspricht das
Beweisthema nicht dem Inhalt der Erklärung des als Zeugen benannten Beamten.
Denn danach wirkten der Kläger und seine Ehefrau „sichtlich betroffen“ als der
Beamte ihnen mitteilte, dass die Steuer in Höhe des Regelsteuersatzes
entstanden sei. Die weiteren Ausführungen werden von dem Beamten selbst als
subjektive Einschätzung bezeichnet, stellen also eine Schlussfolgerung dar. Der
Senat geht davon aus, dass die Angaben zutreffend sind. Dies bedeutet allerdings
nur, dass der Kläger und seine Ehefrau in der Tat betroffen waren und sich für den
Beamten aus dieser Betroffenheit eine gewisse Schlussfolgerung ergeben hat.
Über den vorhandenen oder nicht vorhandenen Kenntnisstand des Klägers in
mineralölsteuerrechtlicher Hinsicht besagt dies hingegen nichts.
Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers zu Protokoll gegebene
Beweisthema ist als solches ungeeignet, um den erforderlichen Nachweis zu
führen. Denn ob eine Person Kenntnis von etwas hat oder nicht, ist eine innere
Tatsache, die dem Beweis nicht zugänglich ist. Hierzu bedarf es vielmehr der
Darlegung von äußeren Tatsachen, die, wenn sie bewiesen sind, den Rückschluss
auf das Vorliegen der inneren Tatsache zulassen. Derartige äußere Tatsachen hat
der Prozessbevollmächtigte weder vorgetragen noch entsprechende Beweise
angeboten.
Der Kläger kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass etwa die Beweislast
bei der Verwaltungsbehörde läge und deswegen durch sie nachgewiesen werden
müsste, dass der Kläger über die entsprechenden Kenntnisse verfügt hätte. Denn
insoweit verkennt der Kläger, dass die Verwaltungsbehörde ihm lediglich grobe
Fahrlässigkeit vorwirft. Als jahrzehntelanger Gewerbetreibender mit technischen
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Fahrlässigkeit vorwirft. Als jahrzehntelanger Gewerbetreibender mit technischen
Gasen war der Kläger nach seiner persönlichen Situation in der Lage, sich um die
mit einer ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung erforderlichen Fragen zu
kümmern. Dies war ihm auch zumutbar. Er kannte darüber hinaus die
eingeschränkte Befugnis zur Weitergabe der steuervergünstigten Flüssiggase je
nach ihrem Verwendungszweck. Wenn er sich dann trotz der auf den
Lieferantenrechnungen befindlichen Warnhinweise nicht an die Bedingungen hält,
dann muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er insoweit die ihm
obliegende Sorgfalt gröblich verletzt. Denn bei den steuerlich hoch belasteten
Waren wie z.B. Mineralöl drängt es sich auf, dass unrechtmäßige Verwendungen
nicht folgenlos bleiben können. Wer sich darum nicht kümmert, kann sich nicht
anschließend auf die möglicherweise bestehende Unkenntnis der Einzelheiten der
steuerrechtlichen Regelungen berufen wollen.
Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit bezieht sich auch auf den aus dem Gesetz
herzuleitenden Steueranspruch. Wenn der Kläger dazu meint, aus der
Gesetzesformulierung „soweit“ herleiten zu können, dass entgegen der
gesetzlichen Systematik des Mineralölsteuerrechtes eine im Gesetz nicht
vorgesehene Teilbetragsregelung eintreten könnte, so scheitert dies an der
Gesetzesstruktur. Denn das Mineralölsteuergesetz kennt nur den Regelsteuersatz
oder z.B. die Vergünstigung für den Einsatz von Flüssiggas als Heizgas oder aber
für den Einsatz als Treibgas. Das Gesetz enthält hingegen keine Regelung
dahingehend, dass etwa bei einer Verwendung von als Heizgas vorversteuert
bezogenem Flüssiggas als Treibgas nur ein Differenzbetrag entstehen würde. Eine
Verwendung außerhalb des erlaubten Zweckes führt durchgängig zur Entstehung
der Steuer zum Regelsteuersatz. Denn der Erlaubnis kommt nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs konstitutive Wirkung zu. Dass vorliegend
nicht eine Einzelerlaubnis erteilt werden musste, sondern vielmehr im Rahmen
einer allgemeinen Erlaubnis diese Verwendung bewilligt wurde, ändert daran
nichts. Dieses vom Kläger als Heizgas vorversteuert bezogene Flüssiggas durfte
nach der diesem Vorgang zugrunde liegenden allgemeinen Erlaubnis nur zum
Zwecke des Verheizens, nicht hingegen als Treibgas eingesetzt bzw. abgegeben
werden. Für diese Abgabe fehlte es an der entsprechenden Erlaubnis, sodass dies
zum Ausschluss der Steuerbegünstigung führt, auch wenn das Flüssiggas zu
einem begünstigten Zweck verwendet wird (vgl. Bundesfinanzhof, Beschl. v. 8.
März 2004 VII B 150/03 in BFH/NV 2004, 981).
Die Festsetzungsfrist war mithin gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO noch nicht
abgelaufen. Der Senat brauchte sich daher nicht mit der Frage auseinander zu
setzen, ob durch die Steueraufsichtsmaßnahme im Dezember 2005
möglicherweise die während des Kalenderjahres 2004 entstandene Mineralölsteuer
auch schon hinsichtlich des Ablaufs der Festsetzungsfrist gehemmt sein könnte.
Die Höhe des durch die beklagte Verwaltungsbehörde festgesetzten
Steuerbetrages ist jedenfalls nicht zum Nachteil des Klägers falsch. Wie sich aus
der tabellarischen Übersicht ergibt, die dem Steueränderungsbescheid vom 29.
August 2007 beigefügt ist, hat die Verwaltungsbehörde jeweils den Steuerbetrag
angerechnet, der bereits für das als Heizgas vorversteuert bezogene Flüssiggas
geleistet worden war. Eine solche Anrechnung ist zwar im Mineralölsteuergesetz
(im Gegensatz zum Energiesteuergesetz) nicht vorgesehen, da sich dies indes
ausschließlich zu Gunsten des Klägers auswirkt und dem Senat eine Verböserung
verwehrt ist, verbleibt es dabei.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger gemäß § 135 Abs. 1 FGO zu tragen.
Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil er die hier maßgeblichen Fragen durch
die zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als geklärt ansieht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.