Urteil des FG Hessen vom 18.05.2010

FG Frankfurt: holding, europäische union, eugh, niederlassungsfreiheit, hinzurechnung, mehrheitsbeteiligung, eingliederung, gewerbesteuer, muttergesellschaft, anerkennung

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 8.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1999
Aktenzeichen:
8 K 1160/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 2 GewStG 1999, §
8 Nr 1 GewStG 1999, § 14 Nr 3
KStG 1999, § 14 Nr 2 KStG
1999, § 14 Nr 1 KStG 1999
(Grenzüberschreitende Organschaft - Keine
Verfahrensverbindung bei unterschiedlichem
Verfahrensstadium)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist das Vorliegen einer gewerbesteuerlichen Organschaft zwischen der X
GmbH – im Folgenden: Holding bzw. Klägerin - und der T - im Folgenden: GmbH -
im Veranlagungszeitraum 1999 und und daraus folgend die bislang vom
Finanzamt erfolgte hälftige Hinzurechnung von Dauerschuldentgelten nach § 8 Nr.
1 GewStG in Höhe von DM. Die Klägerin klagt als Rechtsnachfolgerin der GmbH,
die im Jahr 2003 auf die Klägerin verschmolzen wurde. Sie hat sich inzwischen
umfirmiert.
Sowohl die Holding als auch die GmbH gehören zur ... Gruppe. Seit dem
01.01.1999 war die C-plc - im Folgenden: plc – mit Sitz und Geschäftsleitung in
Großbritannien zu 100 v.H. Anteilseigner der inländischen Klägerin. Die Holding
wurde 1998 gegründet und ins Handelregister eingetragen. Sie war im Streitjahr
mit 96,5 v.H. der Anteile Mehrheitsgesellschafterin der im Jahre 1995 gegründeten
T, 3,5 v. H. hielt die zum Konzern gehörende Z Ltd. in . Daneben bestand
eine Beteiligung der Holding mit 25,5 v.H. an der Z AG, Schweiz - im Folgenden:
AG -. Die übrigen Anteile an der AG wurden von der Plc gehalten.
Gegenstand des Unternehmens der 199. gegründeten GmbH ist der Aufbau und
Betrieb von Telekommunikationsnetzen und –infrastruktur sowie die Erbringung
von Telekommunikationsdienstleistungen jeder Art.
Alleiniger Geschäftsführer der Holding für die Zeit von 1998 bis 2002 war Herr H -
im Folgenden: H -, der seit Gründung der GmbH daneben auch deren
Geschäftsführer war. Auf der Ebene der Konzernspitze der …. Gruppe war das
sogenannte Senior Management Board - im Folgenden: SMB – angesiedelt,
dessen Aufgabe die strategische Führung der gesamten Gruppe war. Es umfasste
1999 …. Personen, die sich neben dem Chief Executive Officer (CEO) sowie Chief
Finanzial Officer (CFO) auch aus den für die Leitung der Tochtergesellschaften
Verantwortlichen zusammensetzten. Damit war im Streitjahr auch H Mitglied des
SMB. Seit Mitte 2001 war H zusätzlich noch Mitglied des Verwaltungsrats der AG,
der insgesamt aus … Personen bestand.
In den Vorjahren hatte die GmbH Darlehen bei der Plc aufgenommen, die zum
01.01.1999 die Holding als Darlehensgeber übernahm. Ab diesem Zeitpunkt
gewährte die Holding der GmbH Darlehen mit einer Laufzeit von mehr als zwölf
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gewährte die Holding der GmbH Darlehen mit einer Laufzeit von mehr als zwölf
Monaten. Zum 31.12.1999 belief sich der Darlehensstand auf insgesamt … DM. Im
Streitjahr fielen dafür Darlehenszinsen in Höhe von … DM an.
Die GmbH gab eine Gewerbesteuererklärung für 1999 ab. Der
Gewerbesteuermessbetrag wurde erklärungsgemäß mit nach § 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid
vom ...2001 auf 0 DM festgesetzt. Gleichzeitig erging ein Bescheid über die
gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.1999.
Für den Prüfungszeitraum 1996 bis 2000 fanden sowohl bei der Holding als auch
bei der GmbH Betriebsprüfungen statt. Auf deren in den
Betriebsprüfungsberichten vom ...2003 niedergelegten Feststellungen wird hiermit
Bezug genommen. Insbesondere wird auf Tz. 26 des Berichts der Holding
verwiesen, der die Ablehnung der seit 1999 erklärten gewerbesteuerlichen
Organschaft wegen Fehlens der wirtschaftlichen Eingliederung der GmbH in die
Holding zum Inhalt hat.
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und änderte mit
Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes
auf den 31.12.1999 vom … 2003 den ursprünglichen Bescheid dahingehend ab,
dass er u. a. Dauerschuldzinsen i.H.v. … DM dem Gewerbeertrag der GmbH
hinzurechnete und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf … DM festsetzte; der
Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Den hiergegen fristgerecht
erhobenen Einspruch begründete die Klägerin wie folgt:
Die GmbH sei in die geschäftsleitende Holding wirtschaftlich eingegliedert. Nach
der Rechtsprechung (BFH-Beschluss vom 05. Juni 1996 I B 113/96, BFH/NV 1996,
928; Finanzgericht München, Urteil vom 18.09.2001 6 K 2182/94, EFG 2003, 721)
sei die Eingliederung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Eine
gewerbesteuerliche Organschaft dürfe daher nicht deshalb verneint werden, weil
die wirtschaftliche Eingliederung zu Beginn möglicherweise weniger stark
ausgeprägt gewesen sei und sich erst in der Folgezeit weiter verstärkt habe. Es sei
grundsätzlich ausreichend, dass die wirtschaftliche Eingliederung bereits
ansatzweise erkennbar sei und sich – wie vorliegend - erst in den nachfolgenden
Wirtschaftsjahren weiter verstärke. Nach dem BFH-Urteil vom 17.12.1969 (I
252/64, BStBl II 1970, 257) könne ein herrschendes Unternehmen, dessen Firma
im Handelsregister eingetragen sei und das die einheitliche Leitung über mehrere
Kapitalgesellschaften in einer durch äußere Merkmale erkennbaren Form ausübe
(geschäftsleitende Holding), Organträger sein. Dies sei bei der Holding in Bezug
auf die GmbH und die AG der Fall, da sie eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH
sowie eine weitere Beteiligung an der AG halte. Aus der Rechtsprechung ergebe
sich nicht, dass die Obergesellschaft neben einer Mehrheitsbeteiligung eine
weitere Mehrheitsbeteiligung halten müsse. Aus der gesetzlichen
Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG ergebe sich im Umkehrschluss
gerade, dass eine Minderheitsbeteiligung widerlegbares Indiz, nicht aber
Voraussetzung für ein Abhängigkeitsverhältnis sei. Dies bestätige auch der
Beschluss des OLG Karlsruhe vom 11.12.2003, wonach auch dann eine
Abhängigkeit bestehen könne, wenn nur eine unter 50 % liegende Beteiligung des
beherrschenden Unternehmens an dem abhängigen bestehe. Dazu sei
erforderlich, dass das beherrschende Unternehmen die Möglichkeit der
beständigen und umfassenden Einflussnahme auf das abhängige Unternehmen
habe, d.h. wenn das beherrschende Unternehmen in der Lage sei, dem
abhängigen Unternehmen für dessen Geschäftsführer Weisungen zu erteilen und
deren Befolgung zu erzwingen oder es zumindest in der Lage sei, auf längere Sicht
Konsequenzen herbeizuführen. Die Abhängigkeit der AG von der Holding ergebe
sich aus der faktischen Leitungsmacht der Holding, die sich aus der Mitgliedschaft
des Herrn H im SMB ergebe. Aufgrund seiner Kenntnisse des zentraleuropäischen
Raums sei er maßgeblich verantwortlich für die Aufstellung von Richtlinien und
Weisungen gewesen. Die AG habe fachlich und disziplinarisch Herrn H berichtet.
Dessen Einfluss habe sich schließlich durch die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat
der AG ab 2001 noch verstärkt.
Grund für die Errichtung der Holding sei gewesen, dass die Holding weitere
Gesellschaften erwerbe und zur Realisierung von Synergieeffekten einheitlich leite
und integriere. Die in den Jahren 1998 – 2000 unternommenen Versuche seien
jedoch nicht erfolgreich gewesen. Innerhalb der deutschen Gruppe sollte sie
Dienstleistungen für alle Beteiligungen erbringen und somit eine eigene
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Dienstleistungen für alle Beteiligungen erbringen und somit eine eigene
gewerbliche Tätigkeit ausüben. Nach den erforderlichen Vorbereitungen habe sie
im Jahre 2000 begonnen, Dienstleistungen an die GmbH zu erbringen und diese
auch in Form von Managementumlagen der GmbH belastet. Insbesondere habe
die Holding der GmbH Anweisungen in den Bereichen Aufbauorganisation,
Budgetplanung und Budgetgenehmigung für die Geschäftsjahre,
Investitionsplanung und Investitionsgenehmigungen, Einführung neuer Produkte
und Produktvarianten, Preisgestaltungen, Marketing, Einführung neuer Techniken,
Vorgabe von organisatorischen und technischen Maßnahmen zur Sicherstellung
des Netzbetriebs der einzelnen Stadtnetze der GmbH sowie im Bereich
Personalentscheidungen erteilt und auch bei der Umsetzung beraten. Nach
allgemeiner Auffassung beginne die gewerbliche Betätigung bereits mit den
Vorbereitungen und nicht erst mit der Aufnahme der eigentlich werbenden
Tätigkeit.
Selbst wenn man eine Gewerblichkeit der Holding verneine, so sei die Holding
dennoch als Organträgerin anzuerkennen, weil sich die gewerbliche Plc ihrer
bediene, um die Eingliederungsmerkmale zu vermitteln. Nach dem BFH-Urteil vom
22.04.1998 (I R 132/97, BStBl II 1998, 687) reiche die mittelbare wirtschaftliche
Eingliederung der Enkelgesellschaft in die Muttergesellschaft grundsätzlich zur
Anerkennung aus. Es sei dann nicht auf die zwischengeschaltete
Tochtergesellschaft, sondern auf die Obergesellschaft abzustellen und die
Tochtergesellschaft trotz fehlender werbender Tätigkeit als Organträgerin in der
Organkette anzusehen. Wäre die Plc danach eine inländische Muttergesellschaft,
wären alle Eingliederungsvoraussetzungen der GmbH in die Holding gegeben und
das Organschaftsverhältnis zwischen Holding und GmbH anzuerkennen. Im
Ergebnis würde der Gewerbeertrag der GmbH der Holding zugerechnet und von
der GmbH an die Holding gezahlte Zinsen nicht als Dauerschuldzinsen hälftig
hinzugerechnet.
Die Nichtanerkennung der Organschaft zwischen Holding und GmbH, nicht aber
der Plc zur Holding als weiterer Schritt, stelle einen Verstoß gegen Art. 43, 48 des
Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische
Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften -EG- und
gegen das Diskriminierungsverbot des Art. XX Abs. 4 des Abkommens zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien
und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung --DBA GBR-- dar.
Der EuGH habe in seinem Urteil vom 12.12.2002 (C 324/00 „Langhorst-Hohorst“,
DB 2002, 2690) entschieden, dass eine vom Sitz der Muttergesellschaft abhängige
unterschiedliche Behandlung der gebietsansässigen Tochtergesellschaft eine
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle. Auch im Urteil vom 16.07.1998
(C 246/96 „ICI“, IStR 1998, 467) habe der EuGH die Versagung der Vorteile einer
Gruppenbesteuerung nach britischem oder schwedischem Recht lediglich aus dem
Grund, dass Gesellschaften der Unternehmensgruppe in anderen Mitgliedsstaaten
ansässig seien, als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gewertet. Die
Gewerbesteuer sei zwar grundsätzlich eine auf das Inland beschränkte Steuer.
Hierin liege aber nach dem Urteil des EuGH vom 26.10.1999 (C 294/97
„Eurowings“, IStR 1999, 691) kein Freibrief für Diskriminierungen der
Staatsangehörigen und Gesellschaften anderer Mitgliedsstaaten.
Ferner liege im Streitfall eine „andere Besteuerung“ der Holding und der GmbH
aufgrund der Ansässigkeit des Mutterunternehmens in Großbritannien i.S.d. Art.
XX Abs. 4 DBA GBR vor. Sowohl die Niederlassungsfreiheit wie auch das
Diskriminierungsverbot würde es gebieten, für die Zwecke der deutschen
Gewerbesteuer die Gewerbeerträge der GmbH als inländische Organgesellschaft
auf der Ebene der Holding zusammenzufassen und der deutschen Gewerbesteuer
zu unterwerfen. Sinn der gewerbesteuerlichen Organschaft sei nach der
Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 09.10.1974 – I R 5/73, BStBl II 1975, 1798,
Urteil vom 27.06.1990 I R 183/85, BStBl II 1990, 916) u. a., die Ergebnisse der
betroffenen Unternehmen zusammenzuführen und die mehrfache Erfassung
wirtschaftlich gleicher Erträge zu vermeiden. Die Anerkennung der Organschaft der
Holding zur Plc und damit die Verlagerung des Gewerbesteuerertrags über die
Grenze würden von ihr, der Klägerin, nicht erstrebt. Insofern sei auch nicht die
Argumentation des BMF-Schreibens vom 08.12.2004 IV B 4 –SD 1301 USA- 12/04
(BStBl I 2004, 1181) einschlägig, da die Erzielung von sog. „weißen Einkünften“
nicht beabsichtigt sei und auch nicht Art. XX Abs.1, sondern im Streitfall Art. XX
Abs. 4 DBA GBR berührt sei.
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Mit Einspruchsentscheidung vom ...2006 wies der Beklagte den Einspruch mit der
Begründung zurück, ein Organträger müsse eine eigene gewerbliche Tätigkeit
ausüben. Es genüge nicht, dass eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr lediglich durch das abhängige Unternehmen stattfinde. Bei der Holding
handele es sich auch nicht um eine geschäftsleitende Holding, da es vorliegend an
der Leitung einer weiteren Organgesellschaft fehle. Denn neben der
Mehrheitsbeteiligung an der GmbH habe die Holding nur eine weitere Beteiligung
mit (nur) 25,5 v.H. an der AG gehalten. Die AG sei aufgrund der
Minderheitsbeteiligung nicht finanziell in die Holding eingegliedert gewesen,
weshalb es an einer zweiten Organgesellschaft fehle.
Doch auch nach der ursprünglichen Definition der geschäftsleitenden Holding
durch den BFH sei das Vorliegen einer zweiten „beherrschten Kapitalgesellschaft“
vorliegend zu verneinen. Zum einen fehle es an einer Beherrschung der AG
mangels Mehrheitsbeteiligung, zum anderen an der erforderlichen Kombination
aus Beteiligung und personeller Verflechtung. Denn Herr H sei im Streitjahr nicht
an der Leitung der AG beteiligt gewesen.
Auch ein Verstoß gegen Art. XX Abs. 4 GBR bzw. Art. 43 EG liege nicht vor. Zwar
sei der Klägerin zuzugeben, dass die Holding und die GmbH
gewerbesteuerrechtlich schlechter gestellt würden als wenn die Plc ihren Sitz in
Deutschland hätte. Eine europarechtliche Pflicht zu Harmonisierung der
Gewerbesteuer als direkte Steuer bestehe nach gegenwärtigem
Gemeinschaftsrecht nicht. Allerdings müssten die Mitgliedsstaaten jegliche
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen. Das
Gewerbesteuerrecht lasse bei Organschaften die Hinzurechnung von
Dauerschuldzinsen entfallen, wenn diese Zinsen innerhalb des Organkreises
gezahlt würden. Die Anerkennung einer Organschaft über die Grenze würde zu
einer Verlagerung der Erträge führen. Wenn die Verweigerung der
Organträgerfähigkeit für Gesellschaften im Ausland zu einem anderen steuerlichen
Ergebnis führe als bei einer Tochtergesellschaft eines inländischen Organträgers,
so sei dies keine Diskriminierung, sondern Folge der Aufteilung der
Besteuerungsrechte. Auch ein Verstoß gegen Art. XX Abs. 4 DBA GBR liege nicht
vor. Würde eine Organschaft zur Plc anerkannt, wäre der Ertrag der GmbH der
inländischen Besteuerung entzogen. Eine Nichtbesteuerung des Ertrages eines
inländischen Unternehmens sei aber nicht Zweck des Diskriminierungsverbotes.
Soweit die Klägerin die Verlagerung des Gewerbeertrags auf die Holding
beanspruche, entspräche dies nicht einer nach dem DBA gebotenen
Gleichbehandlung.
Hiergegen wendet sich die Klägerin im Wege der fristgerecht erhobenen Klage.
Sie vertritt unter Bezugnahme auf ihre Schriftsätze in dem Verfahren wegen des
Gewerbesteuermessbetrags 1999 die Auffassung, dass zwischen der Klägerin und
der T GmbH im Streitjahr eine gewerbesteuerliche Organschaft im Sinne von § 2
Abs. 2 GewStG bestanden habe. Eine Nichtanerkennung der Organschaft verstoße
gegen Art. 43 und Art. 48 EG und gegen das Diskriminierungsverbot des Art. XX
Abs. 4 DBA GBR. § 2 Abs 2 Satz 2 GewStG müsse dahingehend
abkommenskonform ausgelegt werden, dass die GmbH sowie die Holding als
Mitglieder eines Organkreises und die Holding wie ein Organträger zu behandeln
seien. Die GmbH müsse als Betriebsstätte der Holding behandelt und der
Gewerbeertrag der Holding zugerechnet werden. Dies gelte auch, soweit die
gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit tangiert werde. Für die
Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen fehle es an einem Rechtfertigungsgrund.
Da keine grenzüberschreitende Berücksichtigung von Gewinnen bzw. Verlusten
angestrebt werde, sei das Territorialitätsprinzip nicht tangiert. Eine
Steuerfluchtgefahr komme von vornherein nicht in Betracht. Die Versagung der
Wirkungen der gewerbesteuerlichen Organschaft könne auch nicht mit der inneren
Konsistenz des Gewerbesteuerrechts (Kohärenz) gerechtfertigt werden. Die
mangelnde Gewerbesteuerpflicht eines Organträgers im Ausland dürfe die
Behandlung inländischer Gesellschaften als Mitglieder eines Organkreises nicht
ausschließen. Im Inland bestehe eine wirtschaftliche Unternehmenseinheit, die
auch als solche zu besteuern sei. Es werde daher angeregt, das Verfahren
auszusetzen und die Vorlage zum EuGH zu beschließen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
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den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999 vom ...2001, den geänderten Bescheid vom
. .2003 sowie die Einspruchsentscheidung vom ...2006 aufzuheben;
hilfsweise,
den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1999 unter Änderung des
Bescheides vom ...2003 um … DM bisher hinzugerechneter Dauerschuldzinsen zu
erhöhen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung der
Auffassung, eine Organschaft zwischen der Holding und der GmbH läge nicht vor.
Auch nach Gemeinschaftsrecht und unter Berücksichtigung des DBA GBR sei die
Anerkennung einer grenzüberschreitenden Organschaft nicht möglich.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.
Dem Gericht lagen die den Streitfall betreffenden Verwaltungsakten sowie die Akte
des Verfahren 8 K 3137/06 vor.
Entscheidungsgründe
I. Eine Verbindung dieses Verfahrens mit dem Verfahren wegen des
Gewerbesteuermessbetrags 1999 kam nicht in Betracht.
Nach § 73 Abs. 1 FGO kann das Gericht mehrere bei ihm anhängige Verfahren zur
gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden. Eine derartige
Verbindung setzt voraus, dass beide Verfahren bei gleichem Verfahrensstadium
mit einer einheitlichen Entscheidung abgeschlossen werden können (vgl. Koch in
Gräber, FGO 6. Auflage 2006, § 73, Rz 7, 8; Brandis in Tipke-Kruse, FGO, § 73 Tz 5,
jeweils m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das Verfahren wegen der
gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den
31.12.1999 ruhte, während im Verfahren wegen des Gewerbesteuermessbetrags
1999 mündliche Verhandlung anberaumt war. Erst in der mündlichen Verhandlung
haben die Beteiligten sich mit der Aufnahme dieses Verfahrens, das nach dem
Beschluss vom 09.11.2006 bis zum Abschluss des Verfahrens wegen des
Gewerbesteuermessbetrags 1999 ruhen sollte, einverstanden erklärt. Damit waren
sowohl eine Verbindung zur mündlichen Verhandlung als auch zur gemeinsamen
Entscheidung nicht möglich, weil im Verfahren wegen der gesonderten Feststellung
des vortragsfähigen Gewerbeverlustes keine mündliche Verhandlung
stattgefunden hat und die beiden Urteile „mit mündlicher Verhandlung“ und „ohne
mündliche Verhandlung“ mit den unterschiedlichen verfahrensrechtlichen
Vorschriften zu ergehen hatten.
II. Die Klage ist nicht begründet.
1. Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999 sind nicht aufzuheben, da keine
gewerbesteuerliche Organschaft besteht. Das Finanzamt hat daher zu Recht den
vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.1999 gesondert festgestellt. Wegen
der Begründung wird insoweit auf das Urteil des Senats vom selben Tage in der
Gewerbesteuermessbetragssache 1999 (8 K 3137/06) verwiesen.
2. Auch dem hilfsweisen Antrag auf Nichthinzurechnung der Dauerschuldzinsen
war nicht zu entsprechen.
Da im Streitfall keine Organschaft zwischen der Holding und der GmbH vorliegt,
sind nach § 8 Nr. 1 GewStG die Hälfte der Entgelte für Dauerschulden dem
Gewerbeertrag zuzurechnen bzw. im Streitfall, da es um die Feststellung des
vortragsfähigen Verlusts geht, vom Verlust abzuziehen.
a) Die Berufung auf das Diskriminierungsverbot des
Doppelbesteuerungsabkommens mit Großbritannien steht dieser Auffassung nicht
entgegen.
Gem. Art. XX Abs. 4 DBA GBR dürfen Unternehmen eines der Gebiete, deren
Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar, einer in dem anderen
Gebiet ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder der
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Gebiet ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder der
Kontrolle dieser Personen unterliegt, in dem erstgenannten Gebiete keiner
Besteuerung oder einer damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen
werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit
zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen des
erstgenannten Gebietes unterworfen sind oder unterworfen werden können. Diese
Regelung entspricht Art. 24 Abs. 5 OECD-MA.
Unter „ähnlichen“ Unternehmen sind solche zu verstehen, die einen
vergleichbaren Sachverhalt verwirklichen, ohne dass die diskriminierende
Beteiligung bzw. Kontrolle von Personen besteht, die in dem anderen
Vertragsstaat ansässig sind (Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 24
OECD-MA, Rz. 98). Untersagt ist damit eine andere oder benachteiligende
Besteuerung, die tatbestandlich an die Beteiligung eines nichtansässigen
Gesellschafters anknüpft (Rust in Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 5. Aufl. 2008,
Art. 24 Rdn. 165).
Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus dieser Bestimmung nicht, dass die
inländischen Gesellschaften, die GmbH und die Holding, gewerbesteuerlich so
behandelt werden müssten, als wenn die Plc im Inland ansässig wäre. Dies wäre
kein vergleichbarer Sachverhalt. Vergleichbar im Streitfall wäre, wenn die Plc nach
wir vor in Großbritannien, die Gesellschafter der Plc aber im Inland ansässig wären
und wenn dann tatbestandlich eine andere Besteuerung greifen würde.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Gewerbesteuerlich ist es für die Anerkennung einer
Organschaft mit deren steuerlichen Folgen ohne Bedeutung, wem die Beteiligung
zuzurechnen ist. Entscheidend ist allein, ob nach § 2 Abs. 1 GewStG der
Gewerbebetrieb selbst im Inland betrieben wird. Die Richtigkeit der Auffassung der
Klägerin unterstellt, müssten dann, wenn in Deutschland ansässige Gesellschafter
eine Gesellschaft mit Sitz in Großbritannien gründeten, diese in den „Genuss“
einer Organschaft kommen, obwohl nach ganz überwiegender Auffassung eine
Organschaft „über die Grenze“ nicht in Betracht kommt.
b) Die Hinzurechnung der Entgelte für Dauerschulden nach § 8 Nr. 1 GewStG ist
auch mit dem Gemeinschaftsrecht nicht unvereinbar.
Der Klägerin ist zuzugestehen, dass dann, wenn die Plc sich in Deutschland
befände, die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 GewStG wegen der an die Holding
gezahlten Zinsen entfallen würde. Denn bei der Ermittlung des Gewerbeertrags
einer Organgesellschaft unterbleibt eine Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen,
wenn es sich um Zinsen für Schulden zwischen Gesellschaften desselben
Organkreises handelt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 6. November
1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73). Die Klägerin ist daher der
Auffassung, die Niederlassungsfreiheit des Art. 43, 48 EG (jetzt Art. 49, 54 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- i.d.F. des
Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und
des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) gebiete eine der
Organschaft vergleichbare Besteuerung für die in Deutschland bestehenden
Gesellschaften.
Die Anwendung der gewerbesteuerlichen Grundsätze der Organschaft scheitert
aber an dem Vorliegen einer Organschaft zwischen den beiden im Inland liegenden
Gesellschaften und der Tatsache, dass die Darlehensverhältnisse, auf denen die
im Streitfall hinzugerechneten Dauerschuldzinsen beruhen, ausschließlich
zwischen diesen beiden Gesellschaften bestehen. Damit hat der unmittelbare
Sachverhalt, an den die Besteuerung durch die Gewerbesteuer anknüpft, keinen
grenzüberschreitenden Charakter, wie es für die Anwendung des Art. 43, 48 EG
(jetzt Art. 49, 54 AEUV) erforderlich ist. Der erforderliche Auslandsbezug zu einem
anderen EG-Mitgliedstaat fehlt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des EuGH,
dass die Grundfreiheiten auf rein interne Sachverhalte eines Mitgliedstaats nicht
anwendbar sind (vgl. die Nachweise im BFH-Urteil vom 15.07.2005 I R 21/04, BFHE
210, 43, BStBl II 2005, 716, unter II.2). Wie in den Fällen anderer in Deutschland
ansässiger Unternehmen, bei denen die Voraussetzung einer Organschaft nicht
gegeben sind, ist der Gewerbeertrag im Streitfall um die Dauerschuldzinsen zu
erhöhen. Die nur mittelbare Beteiligung des Plc an der GmbH ist nicht geeignet,
einen Auslandsbezug herzustellen.
Die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge kann auch nicht aus den von ihr
zitierten EuGH-Urteilen hergeleitet werden, weil sie mit dem hier zu
entscheidenden Streitfall nicht vergleichbar sind.
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Im Fall „Eurowings“ (EuGH-Urteil vom 26. Oktober 1999 C 294/97, DB 1999, 2246)
bestand ein Mietvertrag zwischen einer in Deutschland ansässigen AG als
Leasingnehmer und einem irischen Unternehmen. Wie auch im Fall Lankhorst-
Hohorst (EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C 324/00, DB 2002, 2690) war hier
ein unmittelbarer Auslandsbezug vorhanden.
Soweit der EuGH im Übrigen entschieden hat, dass die Versagung von Vorteilen
aus einer Gruppenbesteuerung lediglich aus dem Grunde, dass ein Teil der
Gesellschaften der Unternehmensgruppe in anderen Mitgliedsstaaten als die
Obergesellschaft ansässig ist, gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, folgt
auch daraus keine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin. In fast allen diesen dem
EuGH vorgelegten Fällen ging es um Rechtsstreitigkeiten, bei denen die
Muttergesellschaft die Vorteile der Gruppenbesteuerung begehrte (EuGH-Urteile
vom 16. Juli 1996 C-264/96 „ICI“, IStR 1998, 467; vom 13. Dezember 2005 C
446/03 Marks & Spencer, Slg. 2005, I – 10837; vom 27. November 2008 C 418/07
„Société Papillon“, IStR 2009, 66).
Im Streitfall dagegen ist die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH und damit
als Organgesellschaft der Plc und nicht als Muttergesellschaft der Auffassung, es
müssten bei ihr oder der Holding die entsprechenden steuerlichen Auswirkungen
einer Organschaft berücksichtigt werden. Dies kann aus der vorgenannten
Rechtsprechung nicht gefolgert werden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Sie dient der
Fortbildung des Rechts, da die Frage, ob und ggf. bei welchem
Besteuerungssubjekt im Rahmen einer „grenzüberschreitenden Organschaft“ aus
gemeinschaftsrechtlichen Gründen gewerbesteuerliche Folgerungen zu ziehen
sind, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.