Urteil des FG Hessen vom 25.06.2009

FG Frankfurt: steuerbetrag, richterliche rechtsfortbildung, vorsteuerabzug, steuerrecht, verzicht, steuersatz, einspruch, form, unternehmer, anschrift

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
2005, 2006
Aktenzeichen:
6 K 565/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 14c Abs 2 S 1 UStG 2005, §
33 UStDV 2005, § 19 UStG
2005, § 14 Abs 4 Nr 8 UStG
2005, Art 21 Abs 1 Buchst d
EWGRL 388/77
(Anwendbarkeit des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG auf
Kleinbetragsrechnungen eines Kleinunternehmers -
Gesonderter Ausweis eines Steuerbetrages - Auslegung
einer Norm über den Gesetzeswortlaut hinaus - Ausweitung
des gesetzlichen Tatbestandes nur durch Gesetzgeber)
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anwendbarkeit des § 14c Abs. 2 Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf Kleinbetragsrechnungen im Sinne des § 33 der
Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) eines Kleinunternehmers.
Die Klägerin betreibt unter der Bezeichnung „Großhandel sowie Importe für Waren
aller Art“ einen Handelsbetrieb. Mit diesem erzielt sie einen Jahresumsatz von
unter 1.000,- €, wobei die einzelnen Verkäufe nur ausnahmsweise den Betrag von
50,- € übersteigen. Beginnend mit der Umsatzsteuererklärung 1991 -
eingegangen beim Beklagten (dem Finanzamt - FA-) am 5. März 1993 - machte
die Klägerin nur noch Angaben zur Besteuerung von Kleinunternehmern.
In den Streitjahren stellte die Klägerin über die von ihr erbrachten Leistungen
Rechnungen auf sogenannten „Quittungsblöcken“ aus. Auf diesen ist das
Ausstellungsdatum, Menge und Art der gelieferten Gegenstände sowie das Entgelt
und der darauf entfallende Steuerbetrag für die Lieferung in einer Summe
verzeichnet. Jede Rechnung enthält den Zusatz „In diesem Betrag sind 16 % MWSt
enthalten.“ bzw. den Zusatz „In diesem Betrag sind 7 % MWSt enthalten.“
Nachdem die Klägerin keine Umsatzsteuererklärung für 2005 abgegeben hatte,
schätze das FA die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Umsatzsteuer 2005
mit Bescheid vom 27. Juli 2006 auf 49,52 € fest. Es war der Ansicht, die Klägerin
habe durch gesonderten Umsatzsteuerausweis in ihren Rechnungen auf die
Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet. Ihre
Umsätze unterlägen damit der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften
des Umsatzsteuergesetzes. Die Höhe der Schätzung orientiere sich an den
Angaben in der Gewinnermittlung.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 17. August 2006 Einspruch ein.
Gleichzeitig reichte sie eine Umsatzsteuererklärung 2005 und am 31. Mai 2007
auch eine Umsatzsteuererklärung 2006 ein. In beiden Steuererklärungen machte
die Klägerin weiterhin nur Angaben zur Besteuerung der Kleinunternehmer. Gegen
den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 14. August 2007 durch den das FA die
Umsatzsteuer 2006 auf 51,70 € festsetzte, legte die Klägerin am 14. September
2007 Einspruch ein.
Ihre Einsprüche begründete die Klägerin wie folgt: Sie habe bislang keine
Umsatzsteuererklärung eingereicht, da sie hierzu nicht aufgefordert worden wäre.
Auch sei sie als Kleinunternehmerin nicht umsatzsteuerpflichtig. Soweit sie im
Rahmen ihrer Gewinnermittlung die Umsätze mit Betrag und Umsatzsteuer
aufgegliedert habe, sei dies aus alter Gewohnheit geschehen und nicht als
7
8
9
10
11
12
13
14
aufgegliedert habe, sei dies aus alter Gewohnheit geschehen und nicht als
Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu werten.
Entscheidend seien vielmehr die Angaben in der Umsatzsteuererklärung. Auch
würden die von ihr ausgestellten Rechnungen einer Anwendung des § 19 UStG
nicht entgegenstehen, da diese nur die Angaben für Rechnungen über
Kleinbeträge enthielten und folglich kein unberechtigter Steuerausweis vorliege.
Mit seinen Entscheidungen vom 22. Januar 2009 erhöhte das FA die Umsatzsteuer
2005 auf 81,06 € und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück. Die
Klägerin schulde die in den Rechnungen ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2
UStG, da sie in ihren Rechnungen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen habe.
Der in den Rechnungen enthaltene Hinweis, im Rechnungsbetrag seien 7 % bzw.
16 % Umsatzsteuer enthalten, reiche aus, da es sich im Streitfall lediglich um
Kleinbetragsrechnungen im Sinne des § 33 der
Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) gehandelt habe. Zwar sehe § 14
Abs. 4 Nr. 8 UStG grundsätzlich vor, dass in Rechnungen - neben anderen
Angaben - der anzuwendende Steuersatz und der auf das Entgelt entfallende
Steuerbetrag anzugeben seien (sogenannter gesonderter Steuerausweis), bei
Kleinbetragrechnungen bis 100 € reiche die Angabe des anzuwendenden
Steuersatzes sowie des Entgelts und des darauf entfallenen Steuerbetrages in
einer Summe jedoch aus. Der Leistungsempfänger könne bei solchen Rechnungen
auch einen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen (§ 35 Abs. 1 UStDV).
Entsprechend sehe Abschnitt 190d Abs. 1 Satz 5 der Umsatzsteuerrichtlinien
(UStR) vor, dass diese Angaben in einer Kleinbetragsrechnung einen gesonderten
Steuerausweis im Sinne des § 14c UStG darstellten. Nach Überprüfung der
vorgelegten Rechnungen schulde die Klägerin für das Jahr 2005 Umsatzsteuer in
Höhe von 81,06 € und für das Jahr 2006 Umsatzsteuer in Höhe von 44,72 €. Für
2005 werde die Umsatzsteuer daher auf 81,06 € festgesetzt; eine Entscheidung
zum Nachteil der Klägerin sei möglich, da das FA auf diese Möglichkeit im
Einspruchsverfahren hinwiesen habe. Eine Änderung des Umsatzsteuerbescheides
2006 habe dagegen zu unterbleiben, da die zutreffende Steuer von der
festgesetzten Steuer um weniger als 10,- € abweiche (§ 1 Abs. 2
Kleinbetragsverordnung).
Mit ihrer Klage vom 26. Februar 2009 verfolgt die Klägerin ihr Rechtschutzbegehren
weiter. Sie ist der Ansicht, hinsichtlich der Form der Rechnungerteilung verbiete §
19 UStG dem Kleinunternehmer lediglich in Rechnungen Umsatzsteuersteuer
gesondert auszuweisen. Folglich beziehe sich § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG allein auf §
14 Abs. 4 UStG, nicht aber auf § 14 Abs. 6 UStG bzw. auf § 33 UStDV. Damit wäre
es ihr als Unternehmerin, die zur Rechnungsausstellung verpflichtet sei, nicht
möglich Kleinbetragsrechnungen im Sinne § 33 UStDV auszustellen, ohne die
hieraus resultierende Umsatzsteuer zu schulden. Infolgedessen sei § 14c Abs. 2
UStG auf Kleinbetragsrechnungen eines Kleinunternehmers nicht anwendbar.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 27. Juli
2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2009
dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 0,- € festgesetzt wird sowie
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2009 den
Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 14. August 2007 dahingehend zu ändern, dass
die Umsatzsteuer auf 0,- € festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise - im Unterliegensfalle - die
Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchentscheidungen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist begründet.
Der Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 27. Juli 2006 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2009 sowie der Umsatzsteuerbescheid
2006 vom 14. August 2007 und die Einspruchentscheidung vom 22. Januar 2009
sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1
der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
a) Die Klägerin schuldet die festgesetzte Umsatzsteuer nicht nach § 14c Abs. 1
Satz 1 UStG, da sie in ihren Rechnungen die Umsatzsteuer nicht gesondert
ausgewiesen hat.
15
16
17
18
19
20
Gemäß § 14c Abs. 2 UStG schuldet derjenige, der in einer Rechnung einen
Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis nicht
berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), den ausgewiesenen Betrag. Die
Vorschrift dient der Umsetzung des Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie; heute: Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG
des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - Mehrwertsteuer-
SystemRL -), wonach Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die diese
Steuer in einer Rechnung ausweist.
aa) Die Klägerin hat zwar Rechnungen in Form von Kleinbetragsrechnungen
erstellt, da die Voraussetzungen § 33 UStDV im Streitfall erfüllt sind. Insbesondere
enthalten die Rechnungen Namen und Anschrift des leistenden Unternehmers (§
33 Satz 1 Nr. 1 UStDV) Zwar sind diese Angaben in den Durchschriften der
Rechnungen nicht enthalten, der Senat geht aber davon aus, dass die Originale
durch Stempelaufdruck o.ä. mit Namen und Anschrift des Leistenden versehen
wurden.
bb) Die Klägerin hat in diesen Rechnungen jedoch keinen Steuerbetrag gesondert
ausgewiesen, da - nach der Überzeugung des Senates - allein die Angabe des
Steuersatzes bzw. von Entgelt und Steuerbetrag in einer Summe in einer
Kleinbetragsrechnung keinen gesonderten Umsatzsteuerausweis im Sinne des §
14c Abs. 2 UStG darstellt.
Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck
kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut
der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese
hineingestellt ist (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteil des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1,
299, 312; Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 29. März 2001 IV R 49/99,
Bundessteuerblatt - BStBl - II 2001, 437 m.w.N.). Entscheidend für die Auslegung
im Streitfall ist der Wortlaut der Vorschrift, insbesondere bei einem Vergleich der
verwendeten Formulierung in den §§ 14c Abs. 2, 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG und §
33 UStDV. Denn es liegt nah, einen Ausdruck mit jeweils dem selben Sinn zu
verbinden, wenn ein Steuergesetz ein und denselben Ausdruck in verschiedenen
Vorschriften verwendet, die zudem gewisse sachliche Berührungspunkte haben
(vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1976 IV R 209/74, BStBl II 1976, 288). In § 14 Abs. 4
Satz 1 Nr. 8 UStG differenziert der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen dem
anzuwendenden Steuersatz und dem auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag.
Der Steuerbetrag nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG muss als Geldbetrag
genannt und - beispielweise durch die Bezeichnung „Steuer“ - als Steuerbetrag
gekennzeichnet sein (Stadie in Rau/ Dürrwächter/ Flick/ Geist, § 14, Rdnr. 460). Die
Angabe des Steuersatzes in den von der Klägerin ausgestellten
Kleinbetragsrechnungen erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
Es besteht auch keine Veranlassung, den Begriff des „gesonderten Ausweises
eines Steuerbetrages“ in § 14c Abs. 2 UStG weiter zu verstehen, als in § 14 Abs. 4
Nr. 8 UStG und auch auf die Angabe eines Steuersatzes in einer
Kleinbetragsrechnung zu erstrecken. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich weder die
europarechtlich Vorgabe des Art. 21 Abs 1 Buchst. d der 6. EG-Richtlinie (Art. 203
Mehrwertsteuer-SystemRL), der für die Steuerschuld auch an den Ausweis der
Mehrwertsteuer anknüpft, noch Entstehungsgeschichte und Zweck des § 14c Abs.
2 UStG (§ 14 Abs. 3 UStG a.F.). Ferner belegt die Formulierung des Abschnitt 190d
Abs. 1 Satz 5 UStR, dass selbst die Verwaltung dem angegebenen Steuersatz
lediglich „die Wirkung des gesonderten Ausweises einer Steuer“ zuschreibt.
cc) Auch eine Auslegung des § 14c Abs. 2 UStG über den Wortlaut hinaus, kommt
im Streitfall nicht in Betracht. Da es Ziel einer Auslegung ist, den wirklichen
Gesetzessinn zu erforschen, ist eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes
zwar nicht unzulässig, soweit sie nicht im Widerspruch zum erkennbaren Willen des
Gesetzgebers tritt (vgl. Drüen in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 4, Rdnr. 266 mit Verweis
auf höchstrichterliche Rechtsprechung). Denn zur Gewährung eines umfassenden
Rechtschutzes ist ein Richter sogar verpflichtet, eine dem Gesetzeszweck
befolgende Rechtsfolge zu gewinnen, selbst wenn sie dem Wortlaut widerspricht.
Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass sich ein Rechtsanwender an die Stelle des
demokratisch legitimierten Gesetzgebers setzt. Der Wille des Gesetzgebers kann
deshalb nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen
hinreichend klaren Ausdruck gefunden hat. Zwischen einer vom Richter
auszufüllenden „planwidrigen Regelungslücke“ und dem „rechtsfreien Raum“, der
21
22
23
24
auszufüllenden „planwidrigen Regelungslücke“ und dem „rechtsfreien Raum“, der
von Gesetzgeber bewusst nicht erfasst worden ist, ist infolgedessen streng zu
differenzieren (Lang in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, § 5, Rdnr. 54, 63). Im
Steuerrecht ist darüber hinaus auch zu beachten, dass es sich um einen Bereich
der Eingriffsverwaltung handelt, in dem nur dann in die Rechte des Bürgers
eingegriffen werden darf, wenn dies (vorab) gesetzlich bestimmt ist. Hieraus folgt,
dass eine teleologische Extension, d.h. eine Auslegung über den Gesetzeswortlaut
hinaus, nur in besonderen Fällen zulässig ist, beispielsweise wenn eine wortgetreue
Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis, einem der wirtschaftlichen Vernunft
widersprechenden Ergebnis oder einem so unsinnigen Ergebnis führen würde, dass
es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (Drüen in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 4,
Rdnr. 380 mit Verweis auf die Rechtsprechung des BFH).
Im Streitfall ist aber für den Senat nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber durch
die Regelung des § 14c Abs. 2 UStG auch eine Umsatzsteuerschuld für die Angabe
eines Steuersatzes in einer Kleinbetragsrechnung durch einen Nichtunternehmer
bzw. Kleinunternehmer normieren wollte. Vielmehr spricht sogar gegen eine solche
Einbeziehung der Kleinbetragsrechnungen in den Anwendungsbereich des § 14c
Abs. 2 UStG, dass der Gesetzgeber zwar die Anwendung des § 14 Abs. 4 UStG für
Kleinunternehmer ausdrücklich in § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG versagt, die
Kleinbetragsrechnungen hierbei aber nicht einbezieht. Die Nichteinbeziehung der
Kleinbetragsrechnungen führt auch nicht zu einem sinnwidrigen oder der
wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis. Der Senat verkennt hierbei
nicht, dass durch die vorgenommene Auslegung die Möglichkeit besteht, dass die
Leistungsempfänger einen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen (§ 35 Abs. 1
UStDV), denen keine Umsatzsteuerschuld zugrunde liegt. Dies kann unter
Umständen auch zu Missbrauch und Umsatzsteuerausfällen führen. Jedoch kann
allein die Korrelation zwischen einem eventuellen Vorsteuerabzug beim
Leistungsempfänger und der Umsatzsteuerschuld des Leistenden - auch unter
Berücksichtigung des Neutralitätsgebots der Umsatzsteuer - nicht zu einer
Ausweitung des Tatbestandes führen. Hierzu bedarf es einer konkreten Regelung
durch den Gesetzgeber, die weder durch richterliche Rechtsfortbildung noch durch
eine Richtlinie der Verwaltung ersetzt werden kann (im Ergebnis so auch Müller,
Berichtigung von Kleinbetragsrechnungen i.S. des § 33 UStDV, in Entscheidungen
der Finanzgerichte - EFG -, Beilage zu Heft 20/1998, S. 80 am Ende).
dd) Soweit man die Angabe des Steuersatzes in einer Kleinbetragsrechnung für
eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG für ausreichend hält, wäre es für die
Klägerin nicht möglich, Kleinbetragsrechnungen zu erstellen, ohne die
Umsatzsteuer hieraus zu schulden. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG
ist jeder Unternehmer - d.h. auch ein Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG -
zivilrechtlich verpflichtet, Rechnungen auszustellen, soweit er einen Umsatz an
einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erbringt. Diese Rechnung
muss grundsätzlich die Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalten, bei den
Rechnungen eines Kleinunternehmers jedoch ohne die Angabe des gesonderten
Steuerausweises (§ 19 Abs. 4 Satz 4 UStG i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG). Die
Vorschrift über die Besteuerung von Kleinunternehmern enthält jedoch keine
vergleichbare Regelung für das Ausstellen von Kleinbetragsrechnungen. Daher
erfüllt ein Kleinunternehmer seine Verpflichtung aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz
2 UStG durch Ausstellen einer Kleinbetragsrechnung nur dann, wenn diese alle
Voraussetzungen des § 33 UStDV erfüllt. Die vorgesehenen Vereinfachung des
Besteuerungsverfahrens nach § 14 Abs. 6 Nr. 3 UStG i.V.m. § 33 UStDV könnten
Kleinunternehmern in diesem Fall nicht in Anspruch nehmen.
b) Die Klägerin schuldet die Umsatzsteuer auch nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG, da sie auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1
UStG nicht verzichtet hat. Zwar ist ein Verzicht im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1
UStG grundsätzlich auch konkludent möglich, erklärt werden kann der Verzicht
jedoch nur gegenüber dem Finanzamt (BFH-Urteil vom 19. Mai 1985 V R 167/82,
BStBl II 1986, 420). Unabhängig von der Frage, ob die Angabe des Steuersatzes in
einer Kleinbetragsrechnung als konkludente Verzichterklärung gewertet werden
kann, erfolgte diese jedenfalls nicht gegenüber dem Finanzamt. Gegenüber
diesem hat die Klägerin vielmehr stets ausdrücklich erklärt, sie wolle auf die
Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht verzichten.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten erfolgt gemäß § 151 Abs. 1
und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung.
25
26
3. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache und zur
Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.
4. Der Senat hielt es für ermessensgerecht, gemäß § 94a Satz 1 FGO den
Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage zu
entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von den
Beteiligten nicht beantragt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.