Urteil des FG Hessen vom 29.11.2007
FG Frankfurt: verdeckte gewinnausschüttung, treu und glauben, tantieme, unternehmen, geschäftsführer, angemessenheit, gesellschafter, einspruch, mittelwert, abschlag
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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahre:
1995, 1996, 1997,
1998, 1999
Aktenzeichen:
4 K 2898/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 3 S 2 KStG 1991, § 8
Abs 3 S 2 KStG 1996, § 8 Abs
3 S 2 KStG 1999
Höhenmäßige Begrenzung der Geschäftsführergehälter bei
zu erwartenden Gewinnsteigerungen
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
Die Beteiligten streiten um die Angemessenheit von Geschäftsführergehältern.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das die Entwicklung, die Produktion und
den Vertrieb von industriellen Bildverarbeitungssystemen zum Gegenstand hat. Es
handelt sich um eine relativ junge Branche mit hohen Wachstumsraten. Seit ihrer
Gründung mit notariellem Vertrag vom 08.02.1985 wuchs die Klägerin
überdurchschnittlich. Das Stammkapital der Klägerin von zunächst 500.000 DM
wurde am 21.02.1986 auf 1 Mio. DM erhöht. Seit 1988 ist Herr D alleiniger
Gesellschafter. Gleichzeitig war er in den Streitjahren alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer.
In den Streitjahren waren bei der Klägerin stetige Umsatz- und
Gewinnsteigerungen zu verzeichnen. Im Einzelnen ergaben sich folgende Umsätze
und Gewinne:
Die Anzahl der Arbeitnehmer stieg von 45 in 1995 auf 85 Arbeitnehmer in 1999.
Nach Aussage des Geschäftsführers der Klägerin wurde der Grundstein zum Erfolg
des Unternehmens bereits zu Beginn der 90er Jahre durch verhältnismäßig hohe
Entwicklungsaufwendungen für Produkte gelegt, die in den Streitjahren und den
Folgejahren Marktreife erlangten. Die Innovationskraft des Unternehmens zeige
sich dabei in mehreren Auszeichnungen für den Betrieb in den auf die Streitjahre
folgenden Jahren.
Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer in dem Unternehmen erhielt Herr D neben
einem Grundgehalt eine betriebliche Altersversorgung sowie einen betrieblichen
PKW zur privaten Mitbenutzung. Ab 09.02.1987 wurde dem Geschäftsführer eine
gewinnabhängige Tantieme von 10 % gezahlt, die ab 01.01.1991 auf 25 % erhöht
wurde. Im Einzelnen handelte es sich in den Streitjahren um folgende
Gehaltsbestandteile:
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Im Rahmen einer Außenprüfung überprüfte das Finanzamt die Angemessenheit
der Geschäftsführergehälter und gelangte ausgehend von den sich aus der
Kienbaum-Studie für 1999 ergebenden externen Vergleichsgehältern zu dem
Ergebnis, dass in den Streitjahren die Gehälter zum Teil als unangemessen hoch
anzusehen seien. Im Einzelnen legte das Finanzamt den Mittelwert der
Tabellenwerte des 9. Dezils für Fremdgeschäftsführer ausgehend von Umsatz und
Beschäftigtenzahl des Unternehmens der Klägerin zugrunde und ermittelte die
angemessenen Gehälter in den Vorjahren durch einen Abschlag von jeweils 3 %
pro Jahr. Sodann teilte es den ermittelten Wert nach dem Verhältnis 75 %
Grundgehalt und 25 % angemessene Tantieme auf und qualifizierte den
übersteigenden Betrag als verdeckte Gewinnausschüttung. Danach ergaben sich
verdeckte Gewinnausschüttungen von 133.260 DM in 1995, 211.964 DM in 1996,
214.238 DM in 1997, 260.588 DM in 1998 und 339.965 DM in 1999. Das Finanzamt
erließ sodann aufgrund der Außenprüfung am 25.10.2002 entsprechende
Änderungsbescheide. Gegen diese Bescheide wandte sich die Klägerin mit dem
Einspruch. Sie verwies auf die Leistungen des Geschäftsführers und die hohe
Ertragsfähigkeit des Unternehmens sowie die Ungeeignetheit der
Gehaltsstrukturuntersuchungen als Vergleichsmaßstab. Im Rahmen der
Einspruchsentscheidung änderte das Finanzamt seine Beurteilung dahingehend
ab, dass es bei den Gehaltsstrukturuntersuchungen die Tabelle mit den höchsten
Werten im 9. Dezils ausgehend von der Arbeitnehmerzahl zugrunde legte. Auf
diese Tabellenwerte gewährte es einen weiteren Zuschlag von 20 % wegen
überdurchschnittlicher Ertragsfähigkeit des Unternehmens und richtete ausgehend
von der so ermittelten angemessenen Gesamtausstattung die Berechnung der
verdeckten Gewinnausschüttung nicht mehr an der 75:25-Relation zwischen
Grundgehalt und Tantieme aus. Davon ausgehend verminderte das Finanzamt die
anzusetzende verdeckte Gewinnausschüttung auf 78.148 DM in 1995, 154.175 DM
in 1996, 135.301 DM in 1997,
213.177 DM in 1998 und 371.300 DM in 1999 und wies den Einspruch im Übrigen
durch Einspruchsentscheidung vom 29.08.2006 zurück. Dagegen wendet sich die
Klägerin mit der vorliegenden Klage.
Die Klägerin meint, die in den Streitjahren gezahlte Geschäftsführervergütung sei
angemessen. Sie verweist darauf, dass es sich um ein außerordentlich
ertragsreiches Unternehmen mit hohen Wachstumsraten und einer hohen
Kapitalverzinsung handele. Auch sei bei der Gehaltsbemessung durch das
Finanzamt die besondere Leistung des Alleingesellschafter-Geschäftsführers nicht
hinreichend berücksichtigt worden. Neben seiner leitenden Tätigkeit im
Unternehmen übe er bei der Vermittlung von Großaufträgen im In- und Ausland
Handelsvertretertätigkeiten aus, die sich in der Höhe der Tantieme und der
Gesamtausstattung entsprechend niederschlagen müssten. Die Verantwortung für
die Anbahnung von Großaufträgen und deren Umsetzung liege allein bei der
Geschäftsleitung. Des Weiteren würde, da die Steuererklärungen bereits durch den
Innendienst des Finanzamtes im Rahmen der Veranlagung geprüft worden seien
und sich diese Prüfung auch auf die Pensionsrückstellungen und die
Tantiemevereinbarungen erstreckt habe, ein Abweichen von den Werten für die
veranlagungsnahen Folgejahre gegen Treu und Glauben verstoßen. Sofern man
die Höhe des Gehaltes mit anderen Betrieben vergleiche, sei die Kienbaumstudie
als alleinige Erkenntnisquelle nicht geeignet. Vielmehr müsse insbesondere auch
die BBE-Studie mit herangezogen werden. Auch müsse der Versuch der
Eingruppierung eines Betriebes in Strukturuntersuchungen scheitern, weil mit
Durchschnittswerten verglichen werde, die aus einer sehr geringen Zahl von
Unternehmen abgeleitet würde. Die Umstände des Einzelfalles würden dabei nicht
hinreichend berücksichtigt. Auch wiesen Unternehmen einer Branche wie die der
Klägerin, die den technischen Durchbruch suchten, andere Strukturen auf, als
etablierte Branchen mit Serienfertigungsorganisation. Durch überdurchschnittliche
Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen seien die Umsätze noch
vergleichsweise niedrig.
Die Klägerin beantragt,
die Körperschaftsteuerbescheide 1995 bis 1999, die Bescheide über die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG
zum 31.12.1995-31.12.1999 und die Gewerbesteuermessbescheide 1995-1999
jeweils vom 25.10.2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom
29.08.2006 dahingehend abzuändern, dass die Geschäftsführergehälter in den
Streitjahren als angemessen angesehen und nicht teilweise als verdeckte
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Streitjahren als angemessen angesehen und nicht teilweise als verdeckte
Gewinnausschüttung qualifiziert werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist darauf, dass ausgehend von den Vergleichswerten der
Kienbaumstudien die gezahlten Gehälter ein der Tätigkeit des Gesellschafter-
Geschäftsführers entsprechendes angemessenes Gehalt übersteigen.
Dem Gericht haben sieben Bände Verwaltungsakten zur Steuernummer xxxx
vorgelegen, sie waren Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das Finanzamt hat zutreffend einen Teil des Gehaltes des Gesellschafter-
Geschäftsführers als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert. Zur Begründung
wird insoweit auf die ausführliche und zutreffende Stellungnahme des Finanzamtes
in der Einspruchsentscheidung vom 29.08.2006 verwiesen (§ 105 Abs. 5 FGO).
Gegen die Heranziehung von Gehaltsstrukturuntersuchungen zur Beurteilung der
Angemessenheit des Geschäftsführergehalts bestehen keine rechtlichen
Bedenken (vgl. BFH-Beschluss vom 14.7.1999 I B 91/98, BFH/NV 1999, 1645). Sie
bieten einen einigermaßen repräsentativen und verlässlichen Überblick über die
gezahlten Geschäftsführergehälter (BFH-Urteil vom 18.12.2002 I R 85/01 BFH/NV
2003, 822).
Soweit das Finanzamt bei den als Vergleichsmaßstab herangezogenen
Kienbaumtabellen nicht beachtet hat, dass darin Gehaltszuschläge für eine
gewährte betriebliche Altersversorgung nicht berücksichtigt sind, so dass die
Tabellenwerte bei der Vergleichsbeurteilung um die Höhe der Altersversorgung zu
erhöhen sind, führt dies im Streitfall im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung.
Durch den vom Finanzamt vorgenommenen 20%igen Zuschlag auf die
Tabellenwerte, für den das Gericht in dieser Höhe keine Veranlassung sieht, ist der
anzusetzende Erhöhungsbetrag für die Altersversorgung hinreichend
ausgeglichen. Die hohe Ertragsfähigkeit des Unternehmens und die
Leistungsfähigkeit des Geschäftsführers sind durch die Heranziehung der Werte
aus dem oberen Dezil der Tabellen für Fremdgeschäftsführer bereits hinreichend
berücksichtigt. Da erfahrungsgemäß in erfolgreichen ertragsstarken Unternehmen
höhere Geschäftsführergehälter gezahlt werden, spiegeln sich diese bereits in dem
oberen Dezil der Tabellen der Gehaltsstrukturuntersuchungen wider. Selbst wenn
man bei der Gehaltsbemessung die besonderen Leistungsmerkmale des Dr. D als
Allein-Geschäftsführer in Form von dessen unternehmerischer Kreativität und dem
Geschäftserfolg im Vertriebsbereich mit einem Zuschlag von 10 % auf die
obersten Tabellenwerte berücksichtigt, was das Gericht für angemessen erachtet,
werden die im Streitfall für die Altersversorgung gezahlten Beträge kompensiert.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Finanzamt bei der Heranziehung der
Gehaltsstrukturuntersuchungen zugunsten der Klägerin Tabellenwerte ausgehend
von der Betriebsgröße des Unternehmens gemessen an den Umsätzen und der
Arbeitnehmerzahl von 1999 zugrunde gelegt hat, obwohl nach der Rechtsprechung
für die Beurteilung der Angemessenheit der Gesamtausstattung eines
Gesellschafter-Geschäftsführers grundsätzlich die Umstände und Erwägungen
maßgebend sind, die im Zeitpunkt der Gehaltsvereinbarung vorgelegen haben und
angestellt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 27.2.2003 I R 80-81/01, BFH/NV 2003,
1346). Aufgrund der nahezu eingetretenen Verdoppelung der Umsatz- und
Arbeitnehmerzahlen nur in den Streitjahren führt dies im Streitfall zu erheblichen
Verschiebungen zugunsten der Klägerin. Legt man z.B. die Tabellenwerte
ausgehend von dem Umsatz in 1996 bzw. der Arbeitnehmer aus diesem Jahr
zugrunde, so ergibt sich nach Tabelle Nr. 10 der Kienbaumstudie 1996 für
Fremdgeschäftsführer im 9. Dezil ein Vergleichswert von 376.000 DM, der selbst
bei einem 10%igen Zuschlag noch erheblich unter dem vom Finanzamt
angesetzten und zurückgerechneten Wert aus 1999 liegt.
Soweit die Höhe des Gesamtgehaltes insbesondere in 1999 entscheidend durch
die Tantiemezahlung beeinflusst ist, ist zu berücksichtigen, dass es die Klägerin
insoweit versäumt hat, durch eine höhenmäßige Begrenzung der Tantieme eine
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insoweit versäumt hat, durch eine höhenmäßige Begrenzung der Tantieme eine
angemessene Gesamtausstattung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu
gewährleisten. Eine solche höhenmäßige Begrenzung wäre im vorliegenden Fall
angezeigt gewesen, da wie der Geschäftsführer selbst ausführte, durch
überproportionale Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu Beginn der 90er Jahre
damit zu rechnen war, dass bei Produktionsreife der entwickelten Produkte
zukünftig erhebliche Gewinnsteigerungen eintreten würden. Demzufolge hätte
ausgehend von der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
im vorliegenden Streitfall bereits bei Vereinbarung der Tantieme eine
höhenmäßige Begrenzung vereinbart werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom
27.02.2003 I R 80-81/01, BFH/NV 2003, 1346). Hinzu kommt, dass es sich bei dem
Unternehmensbereich der Klägerin um eine recht junge Branche handelt, der wie
auch die Entwicklung zeigt, ein erhebliches Entwicklungspotential innewohnt. Auch
hätte die Höhe des Tantieme-Anteils an der Gesamtausstattung von mehr als 25
% in den ersten Jahren nach Vereinbarung der Tantieme im Streitfall Anlass sein
müssen, das Gesamtgehalt zu überprüfen und in diesem Rahmen eine
höhenmäßige Begrenzung der Tantieme vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom
19.11.2003 I R 42/03, BFH/NV 2004, 669).
Soweit die Klägerin auf die Heranziehung weiterer Gehaltsstrukturuntersuchungen,
beispielhaft der BBE-Studie verweist, ohne konkrete Vergleichszahlen zu
benennen, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Ausgehend von dem von
der Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz, dass als Vergleichsmaßstab die
Gehälter von Fremdgeschäftsführern heranzuziehen sind (FG Kassel, Urteil vom
27.03.1998 4 K 3409/96, EFG 1998, 1538) liegen die nach der BBE-Studie
ermittelten Werte, die die Altersversorgung mit umfassen, unterhalb der vom
Finanzamt angesetzten Vergleichswerte. So weisen die Tabellen 5 und 6 der BBE-
Studie 1996 für Fremdgeschäftsführer in Unternehmen mit überdurchschnittlicher
Ertragslage bei vergleichbaren Umsatz- und Beschäftigtenzahlen im oberen
Quartal Vergleichswerte von 296.340 DM bzw. 282.842 DM aus. In der
synoptischen Darstellung der einzelnen Vergleichswerte nach Branchen geordnet,
ergeben sich im Dienstleistungsbereich bei den Einstufungskriterien:
Fremdgeschäftsführer, entsprechenden Umsatz- und Beschäftigtenzahlen sowie
überdurchschnittlicher Ertragslage Vergleichsgehälter zwischen 187.450 DM und
287.400 DM in den Branchen: Metall, Maschinen Anlagebau; sonst. produzierendes
Gewerbe und Elektronik, EDV.
Ein Änderungsverbot der ursprünglichen Bescheide nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben besteht entgegen der Ansicht der Klägerin im Hinblick auf die
Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsführergehälter nicht. Die bloße
Nichtbeanstandung der Geschäftsführergehälter durch den Innendienst im
Veranlagungsverfahren begründet insoweit keinen Vertrauenstatbestand.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.