Urteil des FG Hamburg vom 14.08.2013
FG Hamburg: klagerücknahme, fax, akte, verhinderung, zustellung, einzelrichter, unternehmen, versicherung, haus, gleichstellung
1
2
3
4
5
6
7
9
8
Gerichtskostengesetz: Gerichtskostenentstehung vor Rücknahme-Ankündigung
1. Die (nach späterer Klagerücknahme ermäßigte) Gerichtskosten-Verfahrensgebühr entsteht mit
Klageeinreichung bei der Eingangsstelle unabhängig davon, ob nach dem Eingang eine Rücknahme
angekündigt wird, um eine Eintragung der Klage oder die Aktenanlegung und -bearbeitung zu verhindern.
2. Über eine allenfalls denkbare Nichtberechnung von Gerichtskosten bei vorherigem Eingang der
Rücknahme war nicht zu entscheiden.
3. Die Gerichtskosten-Erinnerung ist nicht fristgebunden.
FG Hamburg 3. Senat, Beschluss vom 14.08.2013, 3 KO 177/13
§ 3 GKG, § 6 Abs 1 Nr 5 GKG, § 9 Abs 2 Nr 2 GKG, § 21 GKG, § 66 GKG
Gründe
A.
Die Erinnerung richtet sich gegen den Gerichtskostenansatz für die am Donnerstag 4. Juli 2013 per Fax
eingegangene und am nächsten Tag per Fax zurückgenommene Klage.
I.
1. Nach Faxeingang am Donnerstag 4. Juli 2013 um 13.00 Uhr auf der Präsidialgeschäftsstelle des FG (FG-A
Bl. 1 ff.) ist die Klage am selben Tag an die Geschäftsstelle des für die Klage zuständigen 5. Senats
weitergeleitet und dort ebenfalls am selben Tag eingetragen worden (FG-A Aktenstammblatt).
2. Mit Verfügungsentwurf vom selben Tag wegen der erforderlichen Bestimmung der Klagebegründungsfrist
ist die Akte an den stellvertretenden Senatsvorsitzenden weitergeleitet worden. Dieser hat am 5. Juli 2013
neben der Klagezustellung an das beklagte Finanzamt die Gewährung der Klagebegründungsfrist bis zum 20.
August 2013 und die Wiedervorlage der Akte für den 28. August 2013 verfügt.
3. In Papierform ist die Klage am Freitag 5. Juli 2013 bei der Gemeinsamen Annahmestelle bei dem
Amtsgericht Hamburg (Sievekingplatz, Ziviljustizgebäude) und nach Weitertransport bei der Gemeinsamen
Annahmestelle im Haus der Gerichte (St. Georg) jeweils mit Eingangsstempel-Uhrzeit "8-9 Uhr" eingegangen.
Von letzterer Annahmestelle im Hause ist die in Papierform wiederholte Klage durch den zuständigen
Bediensteten des FG abgeholt und über die Präsidialgeschäftsstelle zu der zuständigen
Senatsgeschäftsstelle gebracht worden. Die Senatsgeschäftsstelle hat die in Papierform wiederholte Klage
dem bereits vorhandenen Aktenzeichen zugeordnet und mit diesem versehen zur Akte gegeben.
4. Die Klagerücknahme ist am Freitag 5. Juli 2013 per Fax um 9.43 Uhr in der Präsidialgeschäftsstelle
eingegangen und anschließend auf die Senatsgeschäftsstelle gebracht worden (FG-A Bl. 10 f.).
5. Vor Ausführung der richterlichen Verfügung betreffend Gewährung einer Klagebegründungsfrist hat die
Senatsgeschäftsstelle die Klagerücknahme wieder mit der Akte dem stellvertretenden Senatsvorsitzenden
vorgelegt. Dieser hat am Montag 8. Juli 2013 in seiner Verfügung die Klagebegründungsfrist nebst
Wiedervorlagefrist gestrichen (FG-A Bl. 9). Zugleich hat er die Einstellung des Klageverfahrens beschlossen
(FG-A Bl. 12). Wie auch die Klagezustellung für das beklagte Finanzamt ist der Beschluss am selben Tag an
die Beteiligten abgesandt worden (FG-A Bl. 9, 12).
6. Die Kostenbeamtin hat am 17. Juli 2013 unter Hinweis auf §§ 3, 34, 52 GKG nach einem Streitwert von
3.106 Euro die infolge Klagerücknahme auf den 2,0-fachen Satz ermäßigte Gebühr angesetzt, das heißt 194
Euro (FG-A Vorblatt).
II.
1. Mit der am 2. August 2013 eingegangenen Gerichtskosten-Erinnerung tragen die Kläger vor:
Von der Gerichtskosten-Erhebung sei Abstand zu nehmen. Nach der Klageeinreichung per Fax habe die
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten am nächsten Tag ab 9.00 Uhr, noch vor dem Faxen der
Klagerücknahme und danach bis ca. 13.30 Uhr, vielfach erfolglos versucht, sich telefonisch mit dem FG
unter der Nummer 42843-... in Verbindung zu setzen, um die Anlegung einer Prozessakte zu verhindern. Die
Telefonzentrale des FG sei nicht besetzt gewesen (Glaubhaftmachung durch beigefügte eidesstattliche
Versicherung).
B.
I.
Die Erinnerung ist gemäß § 66 GKG ohne Fristbindung zulässig (Beschlüsse LG Aurich vom 03.01.2013 11
KLs I 26/80 -W-, AGS 2013, 196; OLG Koblenz vom 06.03.2012 14 W 124/12, NJW-RR 2012, 891; vom
09.12.2004 14 W 814/04, BauR 2005, 447; FG Hamburg vom 18.12.2010, Juris).
II.
1. Die gemäß § 66 GKG eingelegte Gerichtskosten-Erinnerung gegen den Gerichtskostenansatz für die per
Fax am 4. Juli 2013 um 13.00 Uhr eingegangene und am 5. Juli 2013 um 9.43 Uhr zurückgenommene Klage
ist unbegründet. Die Verfahrensgebühr für die finanzgerichtliche Klage ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 GKG mit
deren Einreichung beim FG entstanden. Zu Recht hat die Kostenbeamtin den infolge der Klagerücknahme
nach GKG-KV Nr.61111 ermäßigten Gebührensatz berechnet.
Auf Anrufe oder Anrufversuche nach der Klageeinreichung zwecks Ankündigung einer Klagerücknahme oder
zwecks Verhinderung einer Eintragung oder Aktenanlegung kommt es ebenso wenig an wie auf die
Weiterleitung der eingereichten Klage von der Eingangs- bzw. Präsidialgeschäftsstelle an die Geschäftsstelle
des zuständigen Senats oder wie auf die dortige Eintragung, Aktenanlegung, Eingangsverfügung oder wie auf
die Zustellung. Insoweit ist der einschlägigen und fachlich unbestrittenen Kommentierung zu folgen
(Hartmann, Kostengesetze, 42. A., § 6 GKG Rz. 5; vgl. insoweit OLG München, Beschluss vom 14.08.1996
11 W 1689/96, MDR 1996, 1075), auch wenn das erkennende Gericht sich nicht der im Kommentar zitierten
Rechtsprechung zur doppelten Eintragung und Berechnung einer wiederholt eingereichten Klage anschließt
(entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.05.1999 10 W 45/99, MDR 1999, 485; stattdessen vgl. FG
Hamburg, Urteile vom 09.02.2012 3 K 232/11, Juris Rz. 52; vom 28.06.2007 3 K 237/06, EFG 2008, 768,
DStRE 2008, 1284 jeweils m. w. N.).
2. Nicht zu entscheiden ist im Streitfall über die allenfalls denkbare Nichtberechnung von Gerichtskosten für
eine Klage bei vorherigem Eingang der Rücknahme (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2012 2 W 247/12,
MDR 2012, 1378; insoweit entgegen OLG München, Beschluss vom 14.08.1996 11 W 1689/96, MDR 1996,
1075).
III.
Da zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Gerichtskosten-Nichterhebung gemäß § 21 GKG nicht
ersichtlich sind, wird seitens des Kostenspruchkörpers von der Einholung einer diesbezüglichen
Entscheidung des insoweit zuständigen, mit der Klage befasst gewesenen 5. Senats abgesehen.
IV.
Die Gerichtskostenfreiheit des Erinnerungsverfahrens und die Nichterstattung außergerichtlicher Kosten
folgen aus § 66 Abs. 8 GKG.
Die Entscheidung ergeht durch den originären Einzelrichter des Kostensenats des FG gemäß § 66 Abs. 6
GKG (FG Hamburg, Beschluss vom 29.07.2011 3 KO 130/11, Rpfleger 2012, 157, Juris Rz. 35 f. m. w. N.; a.
A. BFH vom 1. September 2005 III 1/05, BFH/NV 2006, 92 zur dortigen Besetzung).
Die Unanfechtbarkeit ergibt sich aus § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 128 Abs. 4 FGO.