Urteil des FG Hamburg vom 13.06.2013
FG Hamburg: eugh, unternehmen, vertrauensschutz, china, verordnung, kommission, produktion, olaf, beweislast, bestätigung
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Zollrecht: Vertrauensschutz bei Nacherhebung von Einfuhrabgaben - Fehlende Überprüfbarkeit
eines Ursprungszeugnisses
Begehrt ein Abgabenschuldner Vertrauensschutz gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK gegen die
Nacherhebung von Einfuhrabgaben in einem Fall, in dem die zuständige Behörde des Drittstaats bei einer
nachträglichen Prüfung nicht überprüfen kann, ob das von ihr ausgestellte Ursprungszeugnis auf einer
richtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, weil Letzterer seine Produktion eingestellt
hat, trägt der Abgabenschuldner die Beweislast dafür, dass das Ursprungszeugnis auf der Grundlage
einer richtigen Darstellung beruht (im Anschluss an EuGH-Urteil vom 08.11.2011, C-438/11).
NZB, Az.: VII B 132/13
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 13.06.2013, 4 K 184/12
Art 220 Abs 1 ZK, Art 220 Abs 2 Buchst b ZK, Art 220 Abs 1 EWGV 2913/92, Art 220 Abs 2 Buchst b EWGV
2913/92, Art 94 EWGV 2454/93, Art 94 ZKDV, Art 80 Buchst a ZKDV, Art 80 Buchst a EWGV 2454/93
Tatbestand
(Überlassen von Datev)
Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben durch das beklagte Hauptzollamt und
macht Vertrauensschutz geltend.
1. Die Klägerin ließ in der Zeit von Februar 2007 bis September 2007 mit 11 Zollanmeldungen Schuhe in den
zollrechtlich freien Verkehr der Europäischen Union überführen. Als Versender war jeweils angegeben die "A
Co. Ltd, Taiwan" (im Folgenden A), als Empfänger die Klägerin. Die Klägerin beantragte die
Präferenzbehandlung unter Vorlage von Ursprungszeugnissen, die auf dem Formblatt A ausgestellt waren.
Die sieben vorgelegten Ursprungszeugnisse wiesen in zwei Fällen die Fa. B ..., Macau (Anmeldungen vom
06.02.2007) und im Übrigen die Firma C, Macau, als Hersteller und Macau als Ursprungsland aus.
Das beklagte Hauptzollamt akzeptierte die beantragte Präferenzbehandlung und erhob jeweils lediglich den
Präferenzzoll auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 980/2005 des Rates vom 27.06.2005 über ein
Schema allgemeiner Zollpräferenzen.
Das beklagte Hauptzollamt veranlasste die Einleitung von Nachprüfungsersuchen gemäß Art. 94 Zollkodex-
Durchführungsverordnung (ZK-DVO), nachdem es Hinweise erhalten hatte, dass bei der Einfuhr bestimmter
Waren mit Ursprung in China zu Unrecht Macau als Ursprungsland angeben werde, um eine zusätzliche
Einfuhrabgabe zu umgehen. Die zuständige Behörde in Macau bestätigte dem Beklagten, dass die
eingereichten Ursprungszeugnisse von ihr stammten. Auf weitere Nachfrage der deutschen Behörden teilte
sie jedoch mit, die inhaltliche Richtigkeit der ausgestellten Bescheinigungen nicht mehr überprüfen zu
können, weil die in den Ursprungszeugnissen vom Ausführer als Hersteller Genannten ihre Produktion
eingestellt und ihren Betrieb geschlossen hätten; die von der Klägerin vorgelegten Ursprungszeugnisse
wurden von der Behörde in Macau allerdings nicht für ungültig erklärt.
Mit drei Einfuhrabgabenbescheiden vom 21., 22. bzw. 25.08.2008 erhob das beklagte Hauptzollamt daraufhin
unter Hinweis auf Art. 220 Abs. 1 Zollkodex (ZK) die Differenz zwischen dem Präferenzzollsatz (3,5%) und
dem regulären Zollsatz (7%) mit der Begründung, dass eine nachträgliche Überprüfung der
Präferenznachweise keine Bestätigung des angegebenen Ursprungs der Waren ergeben habe.
2. Die Klägerin hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben, die am 25.02.2010 bei Gericht
eingegangen ist und in der sie sich vor allem auf Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK
beruft. Die Schließung der Herstellungsbetriebe und die dadurch bedingte Nichtnachprüfbarkeit der
Präferenznachweise stellten für sie als Einführer ein unvorhersehbares Ereignis und einen Akt höherer Gewalt
dar. Die Betriebsschließungen seien durch die Ausweitung der Antidumpingmaßnahmen auf die aus Macau
versandten Waren verursacht oder doch befördert worden. Ihre Folgen habe sie trotz Anwendung der
gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden können.
3. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Gerichts vom 22.06.2011 (zum seinerzeitigen
Aktenzeichen 4 K 42/10) entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom
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08.11.2012 (C-438/11), dass Art. 220 Abs. 2 Buchst b) ZK so auszulegen ist, dass in Fällen, in denen die
zuständige Behörde des Drittstaats deswegen nicht nachträglich überprüfen kann, ob das von ihr ausgestellte
Ursprungszeugnis auf einer richtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, weil die
Produktion im Drittland zwischenzeitlich eingestellt wurde, der Abgabenschuldner beweisen muss, dass
dieses Zeugnis auf der Grundlage einer richtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht.
4. Die Klägerin verfolgt ihr Klageziel auch nach Erlass des Urteils des EuGH weiter. Die Klägerin vertritt die
Ansicht, dass mit der Entscheidung des EuGH die in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK vorgesehene Beweislast
umgekehrt werde. Deswegen und wegen der faktischen Unmöglichkeit, nach einer Schließung des
Lieferbetriebs nachträgliche, aber gleichwohl aussagekräftige und eindeutige Beweismittel zu erlangen,
dürften keine zu hohen Anforderungen an die Beweisführung des Abgabenschuldners gestellt werden,
insbesondere wenn ihm - wie hier der Klägerin - kein Vorwurf unredlichen Verhaltens gemacht werde. Zu
berücksichtigen sei auch, dass die vom EuGH angesprochene Möglichkeit des Abgabenschuldners, bereits
im Vorfeld der Ausfuhr Nachweise über den präferentiellen Ursprung der jeweiligen Waren zu sammeln, in der
Praxis nicht umzusetzen und deswegen nur theoretischer Natur sei. Da bei der Schuhfabrikation
typischerweise Tausende von Schuhpaaren täglich hergestellt würden, sei eine Beweissicherung für jedes
einzelne Paar praktisch ausgeschlossen. Es könne daher vom Ausführer kein Beweis für den Ursprung der
konkret eingeführten Waren verlangt werden, der über allgemeine Nachweise bzw. Indizien für die Richtigkeit
der Angaben des Ausführers hinausgehe. Derartige Nachweise und Indizien seien im vorliegenden Fall jedoch
vorhanden bzw. von der Klägerin vorgelegt worden: Die streitgegenständlichen Präferenznachweise seien von
den Zollbehörden Macaus weder für ungültig erklärt noch eingezogen worden. Das lasse den Schluss zu,
dass die Behörden Macaus nicht der Meinung gewesen seien, die Nachweise seien zu Unrecht ausgestellt
worden. Aus der VO (EG) Nr. 1028/2007 vom 05.09.2007 (gemeint ist wohl die VO (EG) Nr. 388/2008 vom
29.04.2008, Rz. 7, 8) ergebe sich, dass das fragliche Unternehmen C tatsächlich Schuhe hergestellt habe. In
den Erwägungsgründen der VO sei nämlich festgehalten, dass dieses Unternehmen sich an einem
Untersuchungsverfahren der Kommission beteiligt und den entsprechenden Fragebogen beantwortet habe.
Das Unternehmen sei im Rahmen der Kontrolle durch die Kommission auch vor Ort besucht worden. Aus
dem von der Klägerin vorgelegten Visit Report des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) vom
29.10.2008 ergebe sich zudem - in Übereinstimmung mit der Erklärung, die die Klägerin von ihrem
Geschäftspartner A erhalten habe (Anl. K 6) - eindeutig, dass C eine umfangreiche Schuhproduktion in
Macau betrieben habe. In Würdigung dieser Beweismittel und Indizien sei davon auszugehen, dass die
Ursprungszeugnisse auf der Grundlage einer richtigen Darstellung der Fakten seitens des Ausführers
beruhten.
Die Klägerin beantragt,
die drei Einfuhrabgabenbescheide vom 21., 22. und 25.08.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung
vom 01.02.2010 aufzuheben.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verteidigt die angefochtenen Bescheide. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass die
Ursprungsbescheinigungen der Behörden Macaus auf einer richtigen Darstellung der Fakten durch den
Ausführer basierten.
5. Außer den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen liegt dem Gericht ein Ordner des Beklagten mit den
Verwaltungsvorgängen vor, der die in der vorgehefteten Übersicht aufgelisteten Teilbände A bis D enthält.
Die Beteiligten haben jeweils - der Beklagte in seiner Klagerwiderung vom 09.04.2010 und die Klägerin in
ihren Schriftsätzen vom 21.02.2011 und vom 17.01.2013 - auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung erfolgt gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, weil die angefochtenen Nacherhebungsbescheide rechtmäßig sind.
1. Rechtsgrundlage für die Nacherhebung ist Art. 220 Abs. 1 ZK.
Die Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt. Bei der Einfuhr der Waren wurden die Einfuhrabgaben
zunächst unter Zugrundelegung einer Präferenz für Waren aus Macau unzutreffend niedrig festgesetzt. Die
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Abgaben waren zu niedrig festgesetzt worden, denn es steht nicht positiv fest, dass die
streitgegenständlichen Schuhe ihren Ursprung in Macau hatten, was Voraussetzung für die
Präferenzgewährung gewesen ist.
Die zollbegünstigte Einfuhr der Waren erfolgte auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 980/2005 des
Rates vom 27.06.2005 über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 17 dieser
Verordnung sind die entsprechenden Regelungen des Zollkodex und seiner Durchführungsvorschriften
anzuwenden im Hinblick auf die Ursprungsregeln, auf die Bestimmung des Begriffs der Ursprungserzeugnisse
und auf die damit verbundenen Verfahren und Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen zur
Sicherstellung, dass die Vorteile dieser Verordnung nur den dafür vorgesehenen Empfängern zu Gute
kommen. Der Nachweis der Ursprungseigenschaft wird - wie bei der Klägerin geschehen - durch Vorlage des
Formblatts A geführt (Art. 80 Buchst. a) ZK-DVO). Sofern - wie hier - begründete Zweifel an der Echtheit des
Papiers, der Ursprungseigenschaft der betreffenden Erzeugnisse oder der Erfüllung der übrigen
Voraussetzungen dieses Abschnitts bestehen, sind die Behörden allerdings nach Art. 94 Abs. 1 ZK-DVO
berechtigt, ein förmliches Prüfungsverfahren nach Art. 94 ZK-DVO einzuleiten. Hier hatte die Kommission
hinreichende Anscheinsbeweise dafür, dass die gegenüber den Einfuhren von Schuhen aus China geltenden
Antidumpingmaßnahmen durch Umladung und/oder bloße Montage der untersuchten Ware in der
Sonderverwaltungsregion Macau umgangen wurden, wie sich aus dem Inhalt der VO (EG) Nr. 1028/2007 der
Kommission vom 05.09.2007 ergibt, auf die Bezug genommen wird. Lässt sich bei einer nachträglichen
Prüfung keine Bestätigung für die im Ursprungszeugnis enthaltene Angabe über den Warenursprung finden,
ist die Ware unbekannten Ursprungs und das Zeugnis demnach zu Unrecht ausgestellt und der Vorzugstarif
zu Unrecht gewährt worden (EuGH, Urteil in dieser Sache vom 08.11.2012, C-438/11, Rz. 18).
Das im März bzw. April 2008 an die zuständigen Stellen in Macau gerichtete Nachprüfungsersuchen hat
tatsächlich keine Bestätigung für den macanesischen Ursprung der Schuhe erbracht, denn es wurde von der
dortigen Behörde dahingehend beantwortet, dass die vorgelegten Ursprungszeugnisse zwar echt seien, ihre
inhaltliche Richtigkeit aber nicht bestätigt werden könne.
Da die Klägerin zu ihren Gunsten auch keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Art. 94 Abs. 5 Satz
2 letzter Halbsatz ZK-DVO geltend machen kann, ist somit ein Nacherhebungsfall gegeben.
2. Die Klägerin kann keinen Vertrauensschutz beanspruchen.
a. Gemäß Art. 220 Abs. 2 ZK erfolgt die nachträgliche buchmäßige Erfassung insbesondere aus Gründen
des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht in jedem Fall, in dem keine oder eine zu niedrige
buchmäßige Erfassung erfolgte oder Abgaben erstattet wurden. Vertrauensschutz wird durch Art. 220 Abs. 2
Buchst b) ZK gewährt, wenn die Nichterhebung der zutreffenden Abgaben darauf zurückzuführen ist, dass die
zuständigen Behörden sich geirrt haben, der Abgabenschuldner gutgläubig in dem Sinne gehandelt hat, dass
er den Irrtum der Zollbehörden nicht hat erkennen können, und er außerdem alle für die Zollerklärung
geltenden Bestimmungen beachtet hat. Wenn die Behörden des Ausfuhrstaats unrichtige
Ursprungszeugnisse nach Formblatt A ausgestellt haben, ist deren Ausstellung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst.
b) Unterabs. 2 und 3 ZK als Irrtum dieser Behörden anzusehen, sofern die Unrichtigkeit der Zeugnisse nicht
auf einer unrichtigen Darstellung der Fakten durch den Ausführer beruht. Wurden die Zeugnisse indes auf der
Grundlage falscher Erklärungen des Ausführers ausgestellt, müssen die Einfuhrabgaben nacherhoben
werden, sofern nicht offensichtlich ist, dass die Behörden, die solche Zeugnisse ausgestellt haben, wussten
oder hätten wissen müssen, dass die Waren die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht
erfüllten.
Nach dem in dieser Sache ergangenen Urteil des EuGH vom 08.11.2012 (C-438/11) trägt der
Abgabenschuldner die Beweislast dafür, dass das Ursprungszeugnis auf der Grundlage einer richtigen
Darstellung der Fakten seitens des Ausführers beruht, wenn die nachträgliche Prüfung der
Produktionsumstände deswegen ergebnislos bleibt, weil die Produktion zwischenzeitlich eingestellt worden
ist.
b. Die Klägerin vermag den nach dieser Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Nachweis, dass die
Ursprungszeugnisse nicht auf der Grundlage unrichtiger Angaben des Ausführers erteilt worden sind, nicht -
auch nicht auf der Grundlage eines von der Klägerin geforderten verminderten Beweiserfordernisses - zu
führen.
aa) Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass die Präferenznachweise von den Behörden Macaus nicht
für ungültig erklärt oder eingezogen worden sind, ist nach Ansicht des Senats für den von der Klägerin zu
führenden Beweis ohne Bedeutung. Denn, indem die Behörden auf Nachfrage ausschließlich erklären, die
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Ursprungsbescheinigungen nicht verifizieren zu können, verweigern sie die Übernahme jeglicher Gewähr für
ihre inhaltliche Richtigkeit. Das erkennende Gericht weist in diesem Zusammenhang auch auf die
Ausführungen des EuGH in dem zitierten Urteil vom 08.11.2012 hin (C-438/11, Rz. 34, 36), nach denen ein
im Rahmen der Einfuhr erfolgtes Anerkenntnis der drittländischen Ursprungszeugnisse durch die
Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten keine Bindungswirkung entfaltet, sofern es - wie im vorliegenden Fall -
um Präferenzregelungen geht, die nicht durch ein internationales Abkommen geschaffen wurden, bei dem die
Union auf der Grundlage gegenseitiger Pflichten gegenüber einem Drittstaat gebunden ist, sondern durch
einen autonomen Rechtsakt der Union.
bb) Die von der der Klägerin vorgelegte "confirmation" der Fa. "A Co. Ltd." beinhaltet nicht mehr als die bloße
Behauptung des Geschäftspartners der Klägerin, die Ware sei macanesischen Ursprungs. Dieses Papier
genügt den Anforderungen an einen nachvollziehbaren, überprüfbar und verantwortlich erstellten Nachweis
nicht. Würde eine derartige Bescheinigung zum Nachweis genügen, würde das Nachweiserfordernis faktisch
aufgegeben werden.
cc) Soweit die Klägerin meint, die Mitteilung der Behörden Macaus belege, dass die als Hersteller
angegebenen Unternehmen in Macau Betriebsstätten unterhalten hätten - weil sie sonst keinen Betrieb hätten
schließen können - und sich dies für einen Teil der streitgegenständlichen Einfuhren jedenfalls auch aus der
ausdrücklichen Nennung der "C, Macau" als kooperierendes Unternehmen in der VO (EG) Nr. 388/2008 und
in dem OLAF-Bericht ergebe, kann ihr nicht gefolgt werden. Es mag zugunsten der Klägerin unterstellt
werden, dass die ausführenden Unternehmen in Macau jeweils einen Betrieb unterhalten haben, in dem im
Rahmen einer Schuhherstellung gearbeitet worden ist. Damit steht jedoch noch keinesfalls fest, dass die von
der Klägerin konkret eingeführten Schuhe dort tatsächlich verarbeitet worden sind oder dass gegebenenfalls
eine solche Verarbeitung stattgefunden hat, die den Anforderungen genügt, um nach den maßgeblichen
Zollvorschriften einen macanesischen Ursprung zu begründen. Hierfür genügt nämlich nicht, dass überhaupt
irgendein Verarbeitungsbeitrag geleistet wird. Insoweit genügt an dieser Stelle eine Verweisung auf VO (EG)
Nr. 388/2008. In den Erwägungsgründen dieser Verordnung ist ausgeführt, dass in dem
Untersuchungszeitraum eine beträchtliche Menge an Schuhen aus der VR China in Macau nur umgeladen
worden sei. Soweit daneben noch eine größere Menge an Schuhen in Macau montiert worden sein soll, könne
nicht ausgeschlossen werden, dass diese Montageleistung nicht genüge, um zollrechtlich einen Ursprung in
Macau zu begründen. Detailliert wird in der VO (EG) Nr. 388/2008 geschildert, es seien die Verhältnisse bei
den kooperierenden Unternehmen in Macau überprüft worden (Erwägungsgründe Rz. 44 ff.) und dabei sei
deutlich geworden, dass für alle Unternehmen der weitaus größte Teil der Wertsteigerung gemessen an den
Herstellkosten in der VR China erfolgt sei und nicht in Macau. In allen Fällen seien die aus der VR China
bezogenen Teile bereits soweit verarbeitet gewesen, dass die Montage in Macau lediglich im Einsatz von
Maschinen und Arbeitskräften für das Zusammenkleben und die Endbearbeitung der Schuhe bestanden habe.
Vor diesem Hintergrund indiziert der Umstand, dass eines der beiden Unternehmen sogar mit der
Kommission kooperiert hat, nicht, dass in dem Betrieb dieses Unternehmens Schuhe in
ursprungsbegründender Weise produziert worden sind, sondern legt in Verbindung mit den zitierten
Erwägungsgründen der Verordnung eher das Gegenteil nahe. Dasselbe gilt für den von der Klägerin
vorgelegten OLAF-Bericht vom 29.10.2008, in dem es heißt, das OLAF-Team habe das Gelände des bereits
eingestellten Betriebs des Unternehmens C besichtigt und es sei ihm von einem Miteigentümer des
Unternehmens erklärt worden, das Unternehmen habe nie fertiges Schuhwerk aus China importiert. Die in
dem Bericht sodann zitierten Zahlenangaben, nach denen in dem Betrieb 50-60 Arbeiter in Arbeitstagen mit
12-13 Stunden jeweils 4.000 - 5.000 Paar Schuhe täglich hergestellt haben sollen, sind kein Indiz für eine
ursprungsbegründende Produktion. Nach diesen Zahlen hätte auf jeden Schuh nur die sehr geringe
Zeitspanne von rund fünf Minuten für die gesamte Bearbeitung und das Handling zur Verfügung gestanden.
Dass in dieser kurzen Zeit eine ursprungsbegründende Bearbeitung der offenbar aus der VR China bezogenen
(Vor)Erzeugnisse erfolgen konnte, ist sehr zweifelhaft.
3. Der Senat kann auf der Grundlage der verbindlichen Auslegung des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK durch
den EuGH, durch die er sich gebunden sieht und die er sich zu eigen macht, auf einen Nachweis durch die
Klägerin nicht verzichten, mag durch diese Rechtsprechung auch der durch Art. 220 Abs. 2 ZK gewährte
Vertrauensschutz auf ein geringes Maß beschränkt werden. Dabei ist sich der Senat bewusst, dass die
Ausführungen des EuGH durchaus kritisch gesehen werden (vgl. Gellert, AW-Prax 2013, 122, 123 f.).
Die von der Klägerin geltend gemachten tatsächlichen Schwierigkeiten der Nachweisführung hat der EuGH in
seiner Urteilsbegründung angesprochen und berücksichtigt (selbst wenn die vom EuGH angesprochenen
weiteren Nachweise, sich auf eine überholte Rechtslage beziehen mögen, wie Gellert a. a. O. moniert). In
seinem Urteil führt der EuGH u. a. aus, dass sich aus der Tatsache, dass dem Abgabenschuldner die
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Beweislast dafür auferlegt wird, dass der Ausführer zutreffende Angaben gemacht hat, zwar Nachteile für den
Abgabenschuldner ergeben können, u. a. wenn er gutgläubig Waren eingeführt hat und deren Ursprung erst
später bei einer nachträglichen Prüfung in Frage gestellt wird. Ein umsichtiger und mit der Rechtslage
vertrauter Wirtschaftsteilnehmer muss jedoch bei der Einschätzung der Vorteile, die sich aus dem Handel mit
präferenzbegünstigten Waren ergeben können, auch die Risiken berücksichtigen und sie als Teil der
normalen Unzuträglichkeiten des Geschäftslebens in Kauf nehmen (EuGH a. a. O., Rz. 39 f.).
Die Ansicht der Klägerin, dass auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH von Einführern ein
tatsächlich unmöglicher Nachweis verlangt werde, ist nicht zutreffend. Aus ihrem Vortrag ergibt sich
keinesfalls, dass sie ihre Möglichkeiten, gegebenenfalls im Vorfeld der Einfuhr neben den formularmäßigen
Ursprungsbescheinigungen noch substantielle Nachweise über die Produktionstiefe der Betriebe der
Ausführer anzufordern, ausgeschöpft oder überhaupt genutzt hat.
Letztlich ist festzustellen, dass das Urteil des EuGH vom 08.11.2012 eine konsequente Fortführung seiner
vorherigen Rechtsprechung (vgl. insoweit das Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats in
dieser Sache, FG Hamburg, Beschluss vom 22.06.2011, 4 K 42/10) zu einer eher restriktiven, von der Norm
aber noch gedeckten Handhabung des Vertrauenstatbestands ist.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Revision, § 115 Abs. 2 FGO, liegen nicht vor.