Urteil des FG Hamburg vom 19.09.2012

FG Hamburg: einreihung, kabel, ware, zubehör, anmerkung, verordnung, kommission, leiter, zollrechtliche tarifierung, widerruf

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Zoll - Gemeinsamer Zolltarif: Widerruf verbindlicher Zolltarifauskunft für Zubehörteil für
Videospielgerät
1. Der Widerruf einer verbindlichen Zolltarifauskunft, deren gewöhnliche Gültigkeitsdauer nach Art. 12 Abs.
4 ZK nach Klageerhebung gegen den Widerruf abläuft, hat sich dann nicht erledigt, wenn die Aufhebung
des Widerrufs unmittelbare Rechtswirkung für den Bestand von Einfuhrabgaben entfalten kann.
2. Die Verordnung (EG) Nr. 1142/2008 der Kommission vom 13.11.2008 zur Einreihung von bestimmten
Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. Nr. L 308/11) kann nicht als Auslegungshilfe für die Einreihung
von Zubehörteilen für Videospielgeräte herangezogen werden, die sich wegen ihrer technischen
Zusammensetzung und Funktion als gänzlich andersartig darstellen als das der Einreihungsverordnung
zugrunde liegende Kabel
3. Die Begründung einer Einreihungsverordnung kann jedenfalls dann nicht als Auslegungshilfe für den
Anwendungsbereich der Einreihungsverordnung herangezogen werden, wenn die Begründung den
Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs widerspricht.
Rev., Az.: VII R 39/12
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 19.09.2012, 4 K 89/10
Art 9 Abs 1 ZK, Art 12 Abs 2 ZK, Art 12 Abs 4 ZK, ABl Nr L 308/11 EGV 1142/2008, Kap 85 Pos 8504 KN, Kap 85
Pos 8544 UPos 8544 4290 KN, Kap 95 UPos 9504 1000 00 KN, Kap 95 UPos 9504 9090 00 KN, Anh 1 EWGV
2658/87
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf verbindlicher Zolltarifauskünfte.
Die Klägerin führt Produkte der Unterhaltungselektronik zum Vertrieb in Europa ein. Die Oberfinanzdirektion A
erteilte der Klägerin diverse verbindliche Zolltarifauskünfte betreffend verschiedene Zubehörteile für
Unterhaltungselektronik der Marke B, die sie jeweils als "erkennbares Zubehör für ein (tragbares)
elektronisches Gesellschaftsspiel" in die Warennummer 9504 9090 00 (verbindliche Zolltarifauskünfte vom
14.08.2003, 08.10.2003, 25.08.2004, 13.10.2005 und 20.06.2006) bzw. als "erkennbares Zubehör für
Videospiele von der mit einem Fernsehempfangsgerät verwendeten Art" in die Warennummer 9504 1000 00
(verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.02.2007) einreihte. Dabei handelt es sich im Einzelnen insbesondere um
die folgenden zwei verbindlichen Zolltarifauskünfte:
Verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 betreffend das Produkt "B-1" (Artikel-Nr. ...), die Ware wird u. a.
wie folgt beschrieben:
"Zubehör, ..., im Wesentlichen bestehend aus einem Gleichrichter zum Umwandeln des eingehenden
Wechselstroms in eine für das Videospielgerät verwendbare Gleichstromspannung. Das Zubehör dient der
externen Stromversorgung eines Spielgerätes und kann aufgrund des Anschlusses erkennbar nur für das B-1
... verwendet werden."
Verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.02.2007 betreffend das Produkt "B-2" (Artikel-Nr. ...), die Ware wird u. a.
wie folgt beschrieben:
"Es handelt sich um einen Adapter (13,5 x 5,5 x 4,5 cm), der als Gleichrichter zum Umwandeln des
eingehenden Wechselstroms in eine für das Videospielgerät verwendbare Gleichstromspannung dient. Neben
dem Standard-Netzstecker für die externe Stromversorgung besitzt der Adapter ein Kabel mit einem speziellen
Stecker, der ausschließlich zum Anschluss an eine "B-3-Konsole" bestimmt und geeignet ist."
Am 13.11.2008 erging die Verordnung (EG) Nr. 1142/2008 der Kommission zur Einreihung von bestimmten
Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. Nr. L 308/11) - im Folgenden: VO Nr. 1142/2008 -. Danach ist eine
wie folgt beschriebene Ware in den KN-Code 8544 42 90 (Kabel und andere isolierte elektrische Leiter, auch
mit Anschlussstücken) einzureihen:
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"Kabel, mit einer Länge von etwa 250 cm, ausschließlich mit einem Videospielgerät der Position 9504
verwendet. Das Kabel ist an einem Ende mit einem spezifischen Anschluss für das Videospielgerät und am
anderen Ende mit fünf Anschlussstücken zur Verbindung mit einem Monitor oder einem Fernsehgerät
ausgestattet. Die Daten können über das Kabel vom Videospielgerät an den Monitor oder das Fernsehgerät
übertragen und je nach Inhalt auf dem Bildschirm als Videospiel, Video oder Foto angezeigt oder als Ton
wiedergegeben werden.",
und zwar mit der folgenden Begründung:
"Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur
sowie dem Wortlaut der KN-Codes 8544, 854442 und 85444290. Die Einreihung in die Position 9504 als
Zubehör eines Videospielgeräts ist ausgeschlossen, da die Position 8544 die genauere Warenbeschreibung
enthält, die sich auf Kabel und andere elektrische Leiter bezieht. Daher ist die Ware in KN-Code 85444290 als
elektrischer Leiter mit Anschlussstücken einzureihen."
Der zwischenzeitig auf Behördenseite zuständig gewordene Beklagte widerrief mit Bescheid vom 23.01.2009 -
neben zwei weiteren, nicht streitgegenständlichen verbindlichen Zolltarifauskünften betreffend andere B-
Produkte - die verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.02.2007 und mit Bescheid vom 27.04.2009 ferner die
verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 14.08.2003, 08.10.2003, 25.08.2004, 13.10.2005 und 20.06.2006 jeweils
gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der
Gemeinschaften vom 12.10.1992 (ABl. Nr. L 302/1, ber. ABl. 1993 Nr. L 79/84, ABl. 1996 Nr. L 97/38 und Nr. L
321/23, m. spät. Änd.) - im Folgenden: ZK -. Zur Begründung führte er aus, die in der verbindlichen
Zolltarifauskunft vertretene Tarifauffassung könne nicht mehr aufrechterhalten werden, im Bescheid vom
27.04.2009 zusätzlich unter Hinweis darauf, dass gemäß VO Nr. 1142/2008 Kabel - auch mit spezifischen
Anschlussstücken für ein Videospielgerät - der Position 8544 zugewiesen würden.
Die Klägerin legte am 26.02.2009 gegen den Widerrufsbescheid vom 23.01.2009 und am 28.05.2009 gegen den
Widerrufsbescheid vom 27.04.2009 jeweils Einspruch ein. Zu deren Begründung trug sie zunächst jeweils vor,
dass die Kabel und Adapter mit spezifischen Anschlüssen ausgestattet seien, die nur mit den jeweiligen B-
Produkten, nicht jedoch mit anderen Standardgeräten kompatibel seien, insbesondere um einen hohen
Sicherheitsstandard zu gewährleisten und Fälschungen zu vermeiden. Mit Schreiben ihrer
Prozessbevollmächtigten trug sie weiter vor, dass die Einreihungsverordnung stets nur für die begutachtete
Ware gelte, die Anlass zu der Verordnung gebe. Darüber hinaus habe die Verordnung nur für identische Waren
Normcharakter und nur ausnahmsweise komme eine entsprechende Anwendung für fast identische Waren in
Betracht. Für nur ähnliche Waren sei eine entsprechende Anwendung der Einreihungsverordnung nicht
zulässig, da diese vorliegend eine sehr spezifische Warenbeschreibung enthalte. Eine Einreihungsverordnung
dürfe nicht die Tragweite einer Position oder Unterposition ändern, sonst halte sie sich nicht im Rahmen der
Ermächtigungsnorm und verstoße gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Kombinierte Nomenklatur. Da
die Waren der verbindlichen Zolltarifauskünfte nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften gänzlich
andersartig seien, komme eine unmittelbare bzw. entsprechende Anwendung der Einreihungsverordnung nicht
in Betracht.
Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010 zurückgewiesen. Zur Begründung führte
der Beklagte aus, die in den widerrufenen verbindlichen Zolltarifauskünften aufgeführten Waren beträfen
verschiedene Kabel, die sich in ihren Anschlussstücken und Längen von den in der Verordnung genannten
Kabeln unterschieden, so dass die verbindlichen Zolltarifauskünfte nicht gemäß Art. 12 Abs. 5 lit. a) i) ZK in
unmittelbarer Anwendung der VO Nr. 1142/2008 ungültig geworden seien. Alle betreffenden Kabel besäßen
jedoch jeweils ein Ende mit einem spezifischen Anschluss für ein Videospielgerät und ein Ende, das mit einem
Netzstecker oder Anschlussstück zur Verbindung mit weiteren Geräten ausgestattet sei. Es handele sich um
ähnliche, vergleichbare Waren, die in den wesentlichen Beschaffenheitsmerkmalen mit denen der VO Nr.
1142/2008 übereinstimmten und somit im Sinne des Zolltarifrechts einheitlich einzureihen seien. Gemäß den
Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sei für die Einreihung von
Waren neben den Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln grundsätzlich der Wortlaut der Position bzw.
Unterposition maßgebend. Auch die VO Nr. 1142/2008 führe als Begründung für die Einreihung an, dass die
Einreihung in die Position 9504 als Zubehör eines Videospielgeräts ausgeschlossen sei, da die Position 8544
die genauere Warenbeschreibung enthalte, die sich auf Kabel und andere elektrische Leiter beziehe. Die
Position 8544 umfasse demnach aufgrund des genaueren Wortlauts sämtliche Kabel unabhängig davon, wie
speziell deren Anschlussstücke gestaltet seien. Trotz einer Erkennbarkeit, Notwendigkeit und
Ausschließlichkeit für Videospielgeräte der Position 9504 seien sämtliche Kabel daher nunmehr der Position
8544 zuzuweisen.
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Mit ihrer am 28.04.2010 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie
wiederholt die Einspruchsbegründung und trägt weiter vor, dass folgende Merkmale der Warenbeschreibung der
VO Nr. 1142/2008 wesentlich seien: Es müsse sich um ein Kabel von einer gewissen Länge zur
ausschließlichen Verwendung mit einem Videospielgerät handeln, das über entsprechende
Anschlüsse/Anschlussstücke als Verbindung zwischen dem Videospielgerät und einem Monitor oder
Fernsehgerät zur Übertragung von Daten vom Videospielgerät zur Wiedergabe auf dem Monitor/Fernsehgerät
als Bild oder Ton diene. Die streitgegenständlichen Produkte wiesen eine Übereinstimmung mit diesen
Merkmalen nicht annähernd auf. Die als Stromadapter zu qualifizierenden Produkte B-2 Adapter und B-1
Adapter stellten jeweils eine Verbindung des Videospielgerätes nicht mit einem Monitor/Fernsehgerät zur
Datenübertragung, sondern mit einer Steckdose zur externen Stromversorgung mittels eines in den
Zubehörteilen eingebauten Stromgleichrichters dar. In der VO Nr. 1142/2008 komme auch keine allgemeine
Tarifauffassung zum Ausdruck, wonach sämtliche Kabel der Position 8544 zuzuweisen seien. Die
merkmalgenaue Warenbeschreibung schließe dies aus, zudem fehle der Kommission dazu die Kompetenz.
Hinsichtlich des Aufhebungsbegehrens bezüglich des Widerrufs der verbindlichen Zolltarifauskunft vom
20.06.2006 sei darauf hinzuweisen, dass diese verbindliche Zolltarifauskunft eine gewöhnliche Geltungsdauer
gemäß Art. 12 Abs. 4 ZK bis zum 19.06.2012 und mithin bis über zwei Jahre nach Klageerhebung gehabt
habe. Zwischen Widerruf und Ablauf der Gültigkeitsdauer habe sie, die Klägerin, Waren, die Gegenstand dieser
verbindlichen Zolltarifauskunft gewesen seien, eingeführt, zuletzt im Jahr 2011. Die Zollanmeldungen seien
aufgrund des Widerrufs dieser verbindlichen Zolltarifauskunft mit einer anderen Einreihung erfolgt mit der Folge,
dass Einfuhrzoll angefallen sei. Insgesamt seien bei derartigen Einfuhrvorgängen seit September 2009 deutlich
mehr als 30.000 EUR Einfuhrzoll angefallen, dessen Erstattung nach Art. 236 ZK nunmehr beantragt werde.
Hinsichtlich des diesbezüglich hilfsweise geltend gemachten Feststellungsbegehrens sei darauf hinzuweisen,
dass zu befürchten sei, dass die unzutreffende Rechtsauffassung des Beklagten auch in weiteren Verfahren zu
besorgen sei. Zudem sei damit zu rechnen, dass im Verfahren um die Erstattung von Zoll das zuständige
Hauptzollamt an der von dem Beklagten vertretenen Tarifierungs- und Rechtsauffassung festhalten werde. Es
widerspräche dem Gebot effektiven Rechtsschutzes, wenn sie, die Klägerin, ohne eine Sachentscheidung über
das Feststellungsbegehren auf einen unter Umständen jahrelangen Rechtsstreit im Erstattungsverfahren
verwiesen werde, in dem die Sach- und Rechtsfragen des hiesigen Verfahrens wiederholt zu klären wären.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. den Bescheid vom 23.01.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010, soweit darin
die verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.02.2007 widerrufen wird, aufzuheben,
2. den Bescheid vom 27.04.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010, soweit darin
die verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 widerrufen wird, aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Bescheid vom 27.04.2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
30.03.2010, soweit darin die verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 widerrufen wird, rechtswidrig
war,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, dass die in der VO Nr. 1142/2008
genannten Einreihungsregeln für alle Waren in gleicher Weise zuträfen, so dass der Sinn der
Einreihungsverordnung auf ähnliche Waren, die im Zolltarif genauer beschrieben seien als unter Position 9504,
zu übertragen sei. Die streitgegenständlichen Kabel unterschieden sich lediglich in ihren Anschlussstücken und
Längen von dem in der Einreihungsverordnung genannten Kabel. Der Positionswortlaut der Position 8544
(Kabel und andere isolierte elektrische Leiter, auch mit Anschlussstücken) sei stets genauer und damit
zutreffender als der der Position 9504 unter Zuhilfenahme der Anmerkung 3 zu Kapitel 95 (Zubehör zu
Gesellschaftsspiel). Diese Auffassung sei auch auf weiteres Zubehör der Position 9504 ausgedehnt worden,
beispielsweise für Kopfhörer und Akkus. Auch das Ergebnis der 17. Sitzung des Ausschusses für den
Zollkodex vom 30.09. - 02.10.2009 zeige diese Einreihungstendenz der EU-Kommission (ErlKN Position 9504
(NEH) Rz. 01.0 ff. - für Autoladekabel als Stromrichter der Position 8504 und Spielekonsole-Schutzhülle als
Etui der Position 4202). Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Feststellungsantrages bezüglich des
Widerrufs der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 sei kein berechtigtes Feststellungsinteresse zu
erkennen. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten verbindlichen
Zolltarifauskunft könne nicht aus der Absicht hergeleitet werden, die Erstattung von Zoll zu erlangen, den die
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Klägerin infolge der angeblich rechtsirrigen Tarifauffassung der Verwaltung bei früheren Einfuhren entrichtet
habe, vielmehr sei dann Rechtsschutz durch Anfechtung der maßgeblichen Steuerbescheide zu suchen (unter
Hinweis auf BFH, Urteil vom 11.10.1998, VII K 4/87).
In einem Erörterungstermin am 31.07.2012 ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten durch die
Berichterstatterin erörtert und sind Warenproben der den streitgegenständlichen Widerrufsbescheiden zugrunde
liegenden Waren in Augenschein genommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.
Im Erörterungstermin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.08.2012 hat die Klägerin die Klage insoweit
zurückgenommen, als sie ursprünglich beantragt hatte, den Bescheid vom 27.04.2009 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010 auch insoweit aufzuheben, als darin die verbindlichen
Zolltarifauskünfte vom 14.08.2003 und vom 08.10.2003 - die jeweils andere B-Zubehörprodukte betreffen -
widerrufen werden. Mit Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.08.2012 sowie des
Beklagten vom 03.09.2012 haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache
für erledigt erklärt, als die Klägerin ursprünglich ferner beantragt hatte, den Bescheid vom 27.04.2009 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010 auch insoweit aufzuheben, als darin die verbindlichen
Zolltarifauskünfte vom 25.08.2004 und vom 13.10.2005 - die jeweils wiederum andere Nintendo-
Zubehörprodukte betreffen - widerrufen werden.
Mit Beschluss vom 19.09.2012 hat das Gericht die Klage betreffend die Aufhebung der mit Bescheid vom
27.04.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010 widerrufenen verbindlichen
Zolltarifauskünfte vom 14.08.2003 und 08.10.2003 abgetrennt (Az.: 4 K 154/12). Mit Beschluss vom
19.09.2012 hat das Gericht die Klage betreffend die Aufhebung der mit Bescheid vom 27.04.2009 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010 widerrufenen verbindlichen Zolltarifauskünfte vom 25.08.2004 und
13.10.2005 ebenfalls abgetrennt (Az. 4 K 155/12).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sachakten des Beklagten (1 Hefter Antragsverfahren, 1 Hefter
Einspruchsverfahren) und die Gerichtsakte einschließlich der Warenproben Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.
II.
Die sowohl mit dem Klagantrag zu 1. als auch mit dem Klagantrag - Hauptantrag - zu 2. jeweils als
Anfechtungsklage zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
1.
Der mit dem Klagantrag zu 1. angefochtene Widerrufsbescheid vom 23.01.2009 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010, soweit darin die verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.02.2007
widerrufen wird, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Als Rechtsgrundlage für den Widerruf der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 20.02.2007 kommt allein die
Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 ZK in Betracht. Danach wird eine begünstigende Entscheidung widerrufen, wenn in
anderen als den in Art. 8 bezeichneten Fällen eine oder mehrere Voraussetzungen für ihren Erlass nicht erfüllt
waren oder nicht mehr erfüllt sind. Bei einer verbindlichen Zolltarifauskunft handelt es sich um eine
begünstigende Entscheidung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 ZK (BFH, Urteil vom 11.03.2004, VII R 20/01, in:
juris). Im Streitfall waren jedoch die Voraussetzungen für den Erlass der verbindliche Zolltarifauskunft vom
20.02.2007 weder von Anfang an nicht erfüllt - was im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist -
noch sind die Voraussetzungen für ihren Erlass nicht mehr erfüllt.
Streitig ist insoweit allein, ob die von der Oberfinanzdirektion A als erteilende Zollbehörde in der verbindlichen
Zolltarifauskunft vom 20.02.2007 vorgenommene Einreihung der Ware "B-2" (Artikelnummer ...) in die Position
9504, Unterposition 9504 1000 00, der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87
des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen
Zolltarif (ABl. Nr. L 256/1, m. spät. Änd.)) - im Folgenden: KN -unter Berücksichtigung der VO Nr. 1142/2008
als unzutreffend anzusehen ist, weil sich vor dem Hintergrund der VO Nr. 1142/2008 die Einreihung in die
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Position 8544, Unterposition 8544 4290, als die nunmehr - d. h. nach dem für die Beurteilung der
Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung maßgeblichen Datum der Einspruchsentscheidung (vgl. BFH, Urteil
vom 11.03.2004, VII R 20/01, in: juris) - allein zutreffende Einreihung darstellt. Dies ist im Ergebnis zu
verneinen, die Ware ist in die Position 9504, Unterposition 9504 1000 00, KN einzureihen. Im Einzelnen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofes (vgl.
etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047 Rn. 13; BFH, Urteile vom 18.12.2001,
VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98, und
vom 23.07.1998, VII R 36/97, jeweils in: juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung
von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der
Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen
Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten
Nomenklatur - im Folgenden: AV -). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist,
richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten
Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und
Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen
Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die
Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 09.12.1997, Rs. C-143/96, EuGHE
1997, I-7039 Rn. 14, und vom 19.05.1994, Rs. C-11/93, EuGHE 1994, I-1945 Rn. 11 und 12). Auf den
Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in
den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom
14.11.2000, VII R 83/99, und vom 05.10.1999, VII R 42/98, jeweils in: juris; Beschluss vom 24.10.2002, VII B
17/02, in: juris).
Für die zunächst zu klärende Frage, in welche Position die Ware einzureihen ist, sind nach AV 1 Satz 2
maßgebend der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in
den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist - die
AV 2 bis 5. Danach ist die Ware in die Position 9504 einzureihen.
Aus dem Wortlaut der Position 9504 ergibt sich, dass diese u. a. Gesellschaftsspiele erfasst. Nach der
Anmerkung 1 m) zu Kapitel 95 (Spielzeuge, Spiele, Unterhaltungsartikel und Sportgeräte; Teile davon und
Zubehör) gehören zu Kapitel 95 u. a. nicht elektrische Transformatoren (Position 8504), nach der Anmerkung 3
zu Kapitel 95 werden vorbehaltlich der Anmerkung 1 zu Kapitel 95 Teile und Zubehör, erkennbar ausschließlich
oder hauptsächlich für Waren dieses Kapitels bestimmt, wie diese Waren eingereiht. Unstreitig handelt es sich
bei dem Produkt "B-2" um ein Zubehörteil für ein B-Videospielgerät. Im Rahmen der Inaugenscheinnahme der
Warenprobe im Erörterungstermin wurde festgestellt, dass es sich bei dem "B-2" um ein technisches
Zubehörteil handelt, das sowohl einen Transformator als auch einen Stromgleichrichter enthält. Letzterer dient
dazu, die Wechselstromspannung in eine für das Videospielgerät erforderliche Gleichstromspannung
umzuwandeln. Dazu sind verschiedene Bauteile erforderlich, die die entsprechende Spannung erzeugen und
aufrechterhalten. Das Zubehörteil ist nur in Verbindung mit einem spezifischen Videospielgerät von B
verwendbar. Damit handelt es sich zum einen um Zubehör zu einem Gesellschaftsspiel, hier zu einem
Videospiel von der mit einem Fernsehempfangsgerät verwendeten Art, Unterposition 9504 1000 000. Des
Weiteren ist die Einreihung als Zubehör zu einem Gesellschaftsspiel nicht nach der Anmerkung 1 m) zu Kapitel
95 ausgeschlossen, da es sich nach den Feststellungen des Gerichts nicht um einen elektrischen
Transformator im Sinne der Position 8504 handelt, sondern um eine elektrotechnische Ware, die neben einem
Transformator vor allem einen elektrischen Stromrichter, hier einen Stromgleichrichter, enthält. Die Position
8504 umfasst "Elektrische Transformatoren, elektrische Stromrichter (z. B. Gleichrichter) sowie Drossel- und
andere Selbstinduktionsspulen". Da nur Transformatoren unter Bezugnahme auf die Position 8504, nicht jedoch
Stromrichter nach der Anmerkung 1 m) zu Kapitel 95 ausgeschlossen werden, ist davon auszugehen, dass
Waren, die sich - wie hier - auch und in erster Linie als Stromrichter darstellen, nicht von Anmerkung 1 m) zu
Kapitel 95 ausgeschlossen werden, auch wenn sie daneben einen Transformator enthalten (vgl. insoweit auch
AV 3 b), wonach Waren, die aus verschiedenen Bestandteilen bestehen, die nach der AV 3 a) nicht eingereiht
werden können, nach dem Bestandteil eingereiht werden, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn
dieser Bestandteil ermittelt werden kann).
Demgegenüber ist eine Einreihung in eine Position des Kapitels 85 (Elektrische Maschinen, Apparate, Geräte
und andere elektrotechnische Waren, Teile davon, Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Bild- und
Tonaufzeichnungs- oder Wiedergabegeräte, für das Fernsehen, Teile und Zubehör für diese Geräte), sei es dort
nun Position 8504 (Elektrische Transformatoren, elektrische Stromrichter (z. B. Gleichrichter) sowie Drossel-
und andere Selbstinduktionsspulen) oder - wie der Beklagte meint - Position 8544 (Isolierte (auch lackisolierte
oder elektrolytisch oxidierte) Drähte, Kabel (einschließlich Koaxialkabel) und andere isolierte elektrische Leiter,
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auch mit Anschlussstücken; Kabel aus optischen, einzeln umhüllten Fasern, auch elektrische Leiter enthaltend
oder mit Anschlussstücken versehen) gemäß der Anmerkung 1 p) zu Abschnitt XVI (Kapitel 84, 85)
ausgeschlossen. Denn danach heißt es, dass zu Abschnitt XVI Waren des Kapitels 95 nicht gehören.
Eine Einreihung in die Position 8544 bzw. 8504 als die eine genauere Warenbeschreibung als die Position 9504
enthaltende Position nach Maßgabe der AV 3 a) Satz 1 scheidet aus, da die AV 3 gemäß AV 1 nur dann
maßgebend für die Einreihung ist, wenn in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder
Kapiteln nichts anderes bestimmt ist. Letzteres ist nach oben stehenden Ausführungen aber gerade der Fall.
Die VO Nr. 1142/2008 steht dem nach vorstehenden Ausführungen gefundenen Ergebnis nicht entgegen.
Einreihungsverordnungen gelten (unmittelbar) stets nur für die begutachtete Ware, die Anlass zu der
Verordnung gegeben hat; eine gänzlich andersartige Zusammensetzung einer zu tarifierenden Ware schließt es
darüber hinaus aus, eine Einreihungsverordnung als Argumentationshilfe heranzuziehen (vgl. EuGH, Urteil vom
17.05.2001, Rs. C-119/99, EuGHE 2001, I-3981, Rn. 19; BFH, Urteile vom 21.11.2002, VII R 57/01, und vom
30.07.2003, VII R 40/01, jeweils in: juris, m. w. N.). Das im Anhang zur VO Nr. 1142/2008 beschriebene,
ausschließlich mit einem Videospielgerät der Position 9504 verwendete Kabel ist - was zwischen den
Beteiligten auch nicht streitig ist - nicht mit dem Produkt "B-2" identisch. Insbesondere ist das in der VO Nr.
1142/2008 beschriebene Kabel mit Anschlussstücken zur Verbindung mit einem Monitor oder Fernsehgerät
ausgestattet und dient zur Übertragung von Daten vom Videospielgerät an den Monitor oder das Fernsehgerät
zwecks Anzeige oder Wiedergabe der Daten als Bild oder Ton. Demgegenüber ist das Produkt "B-2", das zwar
auch mit einem Kabel und Anschlussstücken, die u. a. zum Anschluss an ein Videospielgerät der Position
9504 vorgesehen sind, ausgestattet ist, nicht mit weiteren Anschlussstücken versehen, die zur Verbindung mit
einem Monitor oder Fernsehgerät und zur Übertragung von Daten vom Videospielgerät an den Monitor oder das
Fernsehgerät zwecks Anzeige oder Wiedergabe der Daten als Bild oder Ton dienen. Vielmehr ist das Produkt
"B-2" mit einem Transformator und einem Stromgleichrichter sowie einem Anschlussstück für eine Steckdose
ausgestattet und dient - ausschließlich - dem Anschluss des Videospielgeräts an eine externe Stromquelle
zwecks Versorgung des Videospielgeräts mit einer für das Videospielgerät geeigneten Stromspannung. Es
fehlt damit sowohl an einer Vergleichbarkeit der elektrotechnischen Komponenten der Zubehörteile als auch an
einer Vergleichbarkeit bezüglich der im Zusammenhang mit dem Betrieb des Videospielgeräts zu leistenden
Funktion der Zubehörteile. Die damit gänzlich andersartige Zusammensetzung und Funktionsweise des in der
VO Nr. 1142/2008 beschriebenen Kabels und des Produkts "B-2" schließt es aber auch aus, die VO Nr.
1142/2008 als Argumentationshilfe heranzuziehen, weil es sich bei der streitgegenständlichen Ware noch nicht
einmal um eine dem in der Einreihungsverordnung in Rede stehenden Kabel ähnliche Ware handelt. Dass der
mit der VO Nr. 1142/2008 getroffenen Einreihung die Begründung zugrunde liegt, dass die Einreihung des
Kabels in die Position 9504 als Zubehör eines Videospielgeräts ausgeschlossen sei, da die Position 8544 die
genauere Warenbeschreibung enthalte, die sich auf Kabel und andere elektrische Leiter beziehe, und daher die
Ware in KN-Code 85444290 als elektrischer Leiter mit Anschlussstücken einzureihen sei, kann, entgegen der
Auffassung des Beklagten, nicht rechtfertigen, die VO Nr. 1142/2008 als maßgebliche Auslegungshilfe auch für
die Einreihung des Produkts "B-2" heranzuziehen. Zwar ist, um im Rahmen der Auslegung einer
Einreihungsverordnung deren Anwendungsbereich zu bestimmen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Union u. a. die Begründung der Verordnung zu berücksichtigen (EuGH, Urteile vom
13.07.2006, Rs.: C-14/05, vom 04.03.2004, Rs.: C-130/02, und vom 17.05.2001, Rs.: C-119/99, jeweils in:
juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.10.1997, Rs.: C-67/95, in: juris, dort: Rn. 26). Die für die
Auslegung des Anwendungsbereichs herangezogene Begründung bezieht sich danach jedoch, wie den
Ausführungen im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 09.10.1997, Rs.: C-67/95, Rn. 26,
entnommen werden kann, auf die Ausgestaltung und Funktionsweise der begutachteten Ware im
Zusammenhang mit dem Bedeutungsinhalt der in Betracht kommenden, voneinander abzugrenzenden
Tarifpositionen und erlaubt von daher Rückschlüsse auf die Eigenschaften der von der Einreihungsverordnung
erfassten Ware. Aus der im genannten Urteil angeführten Begründung der Einreihungsverordnung geht nämlich
hervor, dass die Einreihung eines elektronischen Drucksystems in die bestimmte Unterposition davon abhängt,
wie der Druck hergestellt wird, und dies wird sodann näher erläutert: Herstellung des Drucks nur aufgrund von
digitalen Daten und nicht aufgrund von einer Originaldruckvorlage. Demgegenüber kann nach Auffassung des
Senats vorliegend allein die Begründung der Einreihungsverordnung VO Nr. 1142/2008 nicht den Geltungs- und
Anwendungsbereich der Einreihungsverordnung, der sich im Ausgangspunkt maßgeblich durch die
Beschreibung der der Einreihungsverordnung zugrunde liegenden konkreten Ware definiert, bestimmen. Zum
einen enthält die Begründung der VO Nr. 1142/2008 - anders als bei der dem Urteil des EuGH vom 09.10.1997
zugrunde liegenden Einreihungsverordnung - keine näheren Erläuterungen zu der Wareneigenschaft des Kabels
bzw. Zubehörteils im Zusammenhang mit der für einschlägig gehaltenen Tarifnummer. Vor allem aber kann
nach Auffassung des Senats die Begründung einer Einreihungsverordnung nicht den Geltungs- und
Anwendungsbereich einer Einreihungsverordnung vorgeben, wenn sie, wie hier, dem durch die AV 1
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vorgegebenen Anwendungsvorrang des Wortlauts der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN
widerspricht. Wie oben ausgeführt, ist eine Einreihung in die Position 8544 oder eine für das jeweilige
Zubehörteil zu einem Videospielgerät jeweils passende andere Position aus dem Kapitel 85 nach Maßgabe der
AV 1 wegen Anmerkung 1 p) zu Abschnitt XVI ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Union ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission eine Tarifierungsverordnung nach
Stellungnahme des Ausschusses für den Zollkodex erlässt, wenn die Einreihung eines bestimmten
Erzeugnisses in die KN Schwierigkeiten bereiten oder zu unterschiedlichen Meinungen führen kann; nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs hat der Rat der Kommission, die mit den Zollsachverständigen der
Mitgliedstaaten zusammenarbeitet, ein weites Ermessen bei der näheren Bestimmung des Inhalts der
Tarifpositionen, die für die Einreihung einer bestimmten Ware in Frage kommen, eingeräumt; dennoch hat die
Kommission aufgrund ihrer Befugnis zum Erlass von Maßnahmen gemäß Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr.
2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den
Gemeinsamen Zolltarif (ABl. Nr. L 256/1, m. spät. Änd.) - im Folgenden: VO Nr. 2658/87 - nicht das Recht, den
Inhalt oder die Tragweite der Tarifpositionen zu ändern (vgl. nur EuGH, Urteile vom 04.03.2004, Rs.: C-130/02,
und vom 13.07.2006, Rs.: C-14/05, jeweils in: juris, m. w. N.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Senat
zwar keine Veranlassung, dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung
vorzulegen, ob die VO Nr. 1142/2008 im Einklang mit der KN, hier insbesondere der AV 1 und der Anmerkung
1 p) zu Abschnitt XVI, steht, weil aufgrund der vorstehend aufgezeigten gänzlichen Andersartigkeit der zu
betrachtenden Waren eine Anwendung der VO Nr. 1142/2008 als Auslegungshilfe ohnehin nicht in Betracht
kommt und die Rechtmäßigkeit der VO Nr. 1142/2008 damit für das vorliegende Verfahren nicht
entscheidungserheblich ist. Jedoch führt die genannte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union dazu, dass der Senat der Begründung der VO Nr. 1142/2008 keine dahin gehende Bedeutung
beizumessen vermag, dass damit im Auslegungswege auch die streitgegenständliche Ware in den
Anwendungsbereich der VO Nr. 1142/2008 einzubeziehen wäre. Denn ein derartiger Auslegungsansatz würde
hier im Ergebnis dazu führen, dass aufgrund des offensichtlichen Widerspruchs zu AV 1 und der Anmerkung 1
p) zu Abschnitt XVI die der Kommission nach Art. 9 der VO Nr. Nr. 2658/87 eröffnete Befugnis zum Erlass von
Einreihungsverordnungen überschritten würde. Da die vom Senat vorgenommene Auslegung des
Anwendungsbereichs der VO Nr. 1142/2008 nach Auffassung des Senats aufgrund der vorstehenden, an der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs orientierten Erwägungen auch nicht zweifelhaft ist, besteht
auch insoweit, als es um die Auslegung der VO Nr. 1142/2008 geht, keine Veranlassung zu einer Vorlage an
den Gerichtshof der Europäischen Union.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch die in den Erläuterungen zur KN zu Position 9504 (NEH) Rz.
01.0 -10.0 wiedergegebene Stellungnahme des Ausschusses für den Zollkodex zur Einreihung der Bestandteile
eines Sets von Zubehör für Videospielkonsolen keine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Abgesehen davon,
dass die Nationalen Entscheidungen und Hinweise lediglich als Verwaltungsanweisung anzusehen sind und nur
unverbindlichen Charakter haben (vgl. BFH, Urteil vom 09.05.2000, VII R 14/99, in: juris, dort: Rn. 18), ergeben
sich aus der genannten Stellungnahme für die im vorliegenden Rechtsstreit zu treffende
Einreihungsentscheidung keine weiterführenden Erkenntnisse. Denn die in der Stellungnahme genannten
Waren sind entweder nicht dem Kapitel 85 zuzuordnen und unterfallen damit nicht der im vorliegenden
Rechtsstreit maßgeblich zu berücksichtigenden Anmerkung 1 p) zu Abschnitt XVI - betrifft: Schutzhülle, Stifte,
Tasche aus Spinnstoffen - oder sie sind, soweit sie dem Kapitel 85 zuzuordnen sind, aufgrund anderer, für den
durch den Senat zu entscheidenden Fall im Ergebnis nicht maßgeblichen Gesichtspunkte aus dem Bereich
des Kapitels 95 ausgenommen worden. Dies betrifft zum einen den Kopfhörer, bei dem die Stellungnahme nur
auf die AV 1 Bezug nimmt und nach der Warenbeschreibung nicht erkennbar ist, dass der Kopfhörer
ausschließlich oder hauptsächlich nur mit der Videospielkonsole zu verwenden und daher als Zubehör gemäß
Anmerkung 3 zu Kapitel 95 anzusehen wäre, und zum zweiten den Stromrichter, bei dem die Stellungnahme
auf Anmerkung 1 m) zu Kapitel 95 verweist, welche jedoch, wie oben ausgeführt, nach Auffassung des Senats
für Stromrichter nicht einschlägig ist.
2.
a)
Der Klagantrag zu 2. ist mit dem Hauptantrag zulässig. Der angefochtene Widerrufsbescheid vom 27.04.2009
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010, soweit darin die verbindliche Zolltarifauskunft vom
20.06.2006 widerrufen wird, hat sich insbesondere trotz des mittlerweile eingetretenen Ablaufs der
gewöhnlichen Geltungsdauer der widerrufenen verbindlichen Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 - vom Zeitpunkt
ihrer Erteilung an gerechnet sechs Jahre, Art. 12 Abs. 4 Satz 1, 1. Alt ZK, mithin Ablauf am 19.06.2012 - nicht
erledigt, so dass das für das geltend gemachte Aufhebungsbegehren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der
Klägerin gegeben ist. Von dem Widerrufsbescheid geht zwar insoweit keine rechtliche Beschwer mehr für die
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Klägerin aus, als zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der gerichtlichen Entscheidung die begehrte
Aufhebung des Widerrufs keine Wirkungen für die Zukunft mehr entfalten und der Klägerin insoweit auch keinen
rechtlichen Vorteil mehr für zukünftig beabsichtigte Einfuhren entsprechender Waren bringen würde. Ein für das
Rechtsschutzbedürfnis ausreichender rechtlicher Vorteil der Klägerin ist vorliegend aber unter dem
Gesichtspunkt gegeben, dass mit der begehrten Aufhebung des Widerrufs die widerrufene verbindliche
Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 mit Wirkung für die Vergangenheit, mithin rückwirkend für den Zeitraum ab
Widerruf bis zum Zeitpunkt des Ablaufs ihrer gewöhnlichen Geltungsdauer, wieder aufleben würde. Die Klägerin
hat auf in diesem Zeitraum, u. a. bis zuletzt im Jahr 2011, stattgefundene und wegen von der verbindlichen
Zolltarifauskunft abweichender Tarifierung mit Einfuhrabgaben verbundene Einfuhrvorgänge betreffend Waren,
die Gegenstand der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 sind, verwiesen und dazu exemplarisch
einen Einfuhrabgabenbescheid vom 08.12.2010 vorgelegt. Die entsprechenden Einfuhrabgabenbescheide sind
von der Klägerin zwar nicht angefochten und damit bestandskräftig worden, jedoch wird nach Angaben der
Klägerin nunmehr Erstattung der Einfuhrabgaben nach Art. 236 ZK - was vorliegend auch noch fristgerecht
innerhalb der zu beachtenden Frist von drei Jahren nach Mitteilung der Einfuhrabgaben möglich ist, vgl. Art.
236 Abs. 2, 1. Unterabs. ZK - beantragt. In diesem Zusammenhang kann ein Wiederaufleben der verbindlichen
Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ihrer gewöhnlichen
Gültigkeitsdauer eine unmittelbare Rechtswirkung zugunsten der Klägerin nach Art. 12 Abs. 2 ZK entfalten.
Nach Art. 12 Abs. 2 ZK bindet die verbindliche Zolltarifauskunft die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten
hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der Waren. Aufgrund dieser rechtlichen Bindung kann der Berechtigte
verlangen, dass bei der Erledigung der Zollförmlichkeiten die Einreihung der Ware in die Zollnomenklatur nach
Maßgabe der Auskunft erfolgen muss (vgl. Reiche, in: Witte, Zollkodex, 5. Aufl. 2009, Art. 12 Rn. 13). Die
genannte unmittelbare Rechtswirkung für die Klägerin ist auch nicht auf das Rechtsverhältnis der Beteiligten
des vorliegenden Klageverfahren begrenzt, sondern wirkt unmittelbar auch gegenüber den - mit dem Beklagten
im vorliegenden Verfahren nicht identischen - Hauptzollämtern, die über die Erstattungsanträge der Klägerin zu
entscheiden haben. Insofern vermag auch die von dem Beklagten - allerdings im Zusammenhang mit dem
Hilfsantrag der Klägerin - angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Verneinung eines berechtigten
Interesses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten verbindlichen Zolltarifauskunft allein
aufgrund der Absicht, die Erstattung von Zoll zu verlangen, der infolge der angeblich rechtsirrigen
Tarifauffassung der Verwaltung bei früheren Einfuhren entrichtet wurde, weil Rechtsschutz diesbezüglich durch
Anfechtung der maßgebenden Steuerbescheide zu suchen sei (BFH, Urteil vom 11.10.1988, VII K 4/87, in:
juris, dort: Rn. 10 f.), keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Denn anders als bei der Fallgestaltung,
die dem genannten Urteil des Bundesfinanzhofs zugrunde lag, geht es vorliegend nicht darum, eine etwaige
Rechtsposition aus der gerichtlichen Klärung einer Rechtsfrage im Zusammenhang mit einer rückwirkend mit
Wirkung für die Vergangenheit rechtstechnisch nicht mehr aufhebbaren bzw. erteilbaren verbindlichen
Zolltarifauskunft (bei Erledigung eines Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsbegehrens hinsichtlich der Erteilung
einer verbindlichen Zolltarifauskunft) abzuleiten, um diese Rechtsposition in einem anderen Rechtsverhältnis
für die Klärung dortiger, vergleichbarer Rechtsfragen als Argumentationshilfe heranzuziehen. Es geht vielmehr
darum, dass die mit einer bereits erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft verbundene begünstigende
Rechtsposition des Inhabers einer Zolltarifauskunft durch einen Widerruf - zunächst - entzogen worden ist,
jedoch im Fall der Aufhebung des Widerrufs aufgrund eben dieser vorhandenen Rechtsposition die relevanten
Rechtswirkungen in dem entsprechenden Gültigkeitszeitraum der erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft vollen
Umfangs und unmittelbar erneut Geltung beanspruchen, und zwar in jedem die zolltarifliche Einreihung
betreffenden Rechtsverhältnis, mithin auch in einem etwaigen Verfahren auf Erstattung von Zoll, vgl. insoweit
Art. 236 Abs. 1, 1. Unterabs. 1, 2. Alt. i. V. m. Art. 217 Abs. 1, Unterabs. 2 lit. b), Art. 220 Abs. 2 ZK (vgl.
dazu auch Huchatz, in: Witte, a. a. O., Art. 236 Rn. 26). Aufgrund der aufgezeigten unmittelbaren und aktuell
relevanten Rechtswirkungen einer möglichen Aufhebung des Widerrufs der verbindlichen Zolltarifauskunft vom
20.06.2006 hat sich das Aufhebungsbegehren der Klägerin mithin nicht erledigt. Die Frage, inwieweit die
Klägerin ein berechtigtes Interesse an der hilfsweise beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit des
Widerrufs der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 hat - sei es mit Blick auf die beabsichtigten
Erstattungsverfahren nach Art. 236 ZK, sei es mit Blick auf das möglicherweise zu besorgende Festhalten des
Beklagten an seiner Rechtsauffassung in zukünftigen Verfahren auf Erteilung einer verbindlichen
Zolltarifauskunft für ähnliche Waren - braucht der Senat indes vorliegend nicht zu klären.
b)
Der mit dem Klagantrag zu 2. angefochtene Widerrufsbescheid vom 27.04.2009 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.03.2010, soweit darin die verbindliche Zolltarifauskunft vom 20.06.2006
widerrufen wird, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die für die mit der verbindlichen Zolltarifauskunft vom 20.06.2006 zutreffend erfolgte Einreihung der Ware "B-1"
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(Artikelnummer ...) maßgeblichen Erwägungen entsprechen denen zum Produkt "B-2", da es sich auch hier
nach der Inaugenscheinnahme im Erörterungstermin um ein Zubehörteil für ein Videospielgerät mit
Transformator und Stromgleichrichter handelt. Insofern kann, mit dem einzigen Unterschied, dass als
zutreffende Unterpositionsnummer vorliegend wegen der Art des zugehörigen Videospiels nicht die
Unterposition 9504 1000 00, sondern die Unterposition 9504 9090 00 (Gesellschaftsspiele, andere, andere -
erkennbares Zubehör für ein tragbares elektronisches Gesellschaftsspiel) zu bestimmen ist, auf die obigen
Ausführungen unter 1. verwiesen werden.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen
grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Auslegung der VO Nr. 1142/2008 zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO.