Urteil des FG Hamburg vom 23.11.2012

FG Hamburg: zucker, ware, überprüfung, verordnung, gesellschafter, importeur, anforderung, kommission, markt, zollamt

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Zollrecht: Verfall einer Sicherheit für Zucker-Zusatzzoll
1. Die gemäß Art. 38 Abs. 2 VO (EG) Nr. 951/2006 i. V. m. Art. 27 Abs. 1 VO (EG) Nr. 318/2006
vorzunehmende Plausibilitätsprüfung dient der Feststellung, ob der angemeldete cif-Einfuhrpreis
unplausibel ist.
2. Die Überprüfung ist einzelfallbezogen vorzunehmen.
3. Zum Maßstab der "Zufriedenheit der Behörde" gemäß Art. 38 Abs. 4 Satz 1 VO (EG) 951/2006.
4. Dass das Einfuhrgeschäft mit einem wirtschaftlichen Verlust abgeschlossen worden ist, kann ein Indiz
für fehlende Plausibilität sein, reicht aber bei Vorliegen einer hinreichenden Erklärung für den Verlust
allein nicht aus, um die bei Einfuhr geleistete Sicherheit verfallen zu lassen.
Rev., Az.: VII R 45/12
FG Hamburg 4. Senat, Urteil vom 23.11.2012, 4 K 91/11
Art 27 Abs 1 EGV 318/2006, Art 27 Abs 2 EGV 318/2006, Art 36 EGV 951/2006, Art 38 Abs 2 EGV 951/2006, Art
38 Abs 4 EGV 951/2006
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Sache darüber, ob der im Zusammenhang mit der Erhebung von Zusatzzoll von
der Klägerin angegebene Zucker-Einfuhrpreis plausibel ist und der Beklagte deswegen den Teil der von der
Klägerin geleisteten Sicherheit freizugeben hat, der über den auf der Grundlage des angegebenen Preises
unstreitig berechneten Zusatzzoll hinausgeht.
I.
Der Fall hat folgenden rechtlichen Hintergrund:
Auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20.02.2006 über die gemeinsame
Marktorganisation für Zucker (VO 318/2006) und der Verordnung (EG) Nr. 951/2006 der Kommission vom
30.06.2006 mit Durchführungsbestimmungen zur VO 318/2006 des Rates für den Zuckerhandel mit Drittländern
(VO 951/2006) kann bei der Einfuhr von Zucker neben dem festen Zoll noch zusätzlicher Einfuhrzoll berechnet
und erhoben werden. Art. 27 Abs. 1 VO 318/2006 regelt, dass zur Vermeidung oder Behebung von Nachteilen
für den Gemeinschaftsmarkt die Einfuhr von Zucker von der Zahlung eines zusätzlichen Einfuhrzolls abhängig
gemacht wird, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, es sei denn, es steht nicht zu befürchten, dass die
Einfuhren eine Störung des Gemeinschaftsmarktes verursachen, oder die Auswirkungen in keinem Verhältnis
zum angestrebten Ziel stehen. Gemäß Art. 27 Abs. 2 VO 318/2006 kann ein zusätzlicher Einfuhrzoll erhoben
werden auf Einfuhren, die zu Preisen erfolgen, die unter dem der Welthandelsorganisation von der
Gemeinschaft mitgeteilten Preisen liegen ("Auslösungspreis"). Der Zusatzzoll wird anhand des Preises
bestimmt, zu dem der jeweilige Zucker eingeführt wird ("cif-Einfuhrpreis"). Weiter bestimmt die Vorschrift, dass
diese Einfuhrpreise überprüft werden unter Zugrundelegung eines "repräsentativen Preises" des betreffenden
Erzeugnisses auf dem Weltmarkt oder dem Gemeinschaftsmarkt.
Die Höhe des zu erhebenden Zusatzzolls ist in Art. 39 VO 951/2006 bestimmt. Er ist gestaffelt und richtet sich
nach der Höhe der Differenz zwischen dem cif-Einfuhrpreis und dem Auslösungspreis, und beträgt gemäß Art.
37 VO 951/2006 53,10 €/100 kg für den streitgegenständlichen Zucker des KN-Codes 1701 9910. Auf dieser
Grundlage berechnete sich der Zusatzzoll etwa für den Fall eines cif-Einfuhrpreises von 41,20 €/100 kg -
diesen Preis hat die Klägerin angemeldet - unstreitig auf 1,977 €/100 kg. Nach den Vorschriften ist der vom
Einführer angemeldete cif-Einfuhrpreis zudem einer Überprüfung zu unterziehen, falls er höher ist als der
"repräsentative Zuckerpreis". Der repräsentative Zuckerpreis ist in Art. 36 Abs. 2 VO 951/2006 definiert und
betrug gemäß Verordnung (EG) Nr. 842/2008 der Kommission vom 27. August 2008 zur Änderung der im
Zuckersektor für bestimmte Erzeugnisse geltenden repräsentativen Preise und der Beträge der zusätzlichen
Einfuhrzölle gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1109/2007 für das Wirtschaftsjahr 2007/08 zum maßgeblichen
Zeitpunkt EUR 28,20 €/100 kg. Art. 38 Abs. 2 VO 951/2006 bestimmt, dass der Importeur gegebenenfalls
bestimmte Nachweise vorzulegen hat und die Behörde weitere Ermittlungen anstellen kann. Liegt ein zu
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überprüfender Einfuhrfall vor, muss der Importeur bei der Einfuhr eine Sicherheit hinterlegen und zwar in Höhe
des auf der Grundlage des repräsentativen Preises berechneten Zusatzzolls, auf den der ohnehin zu
entrichtende und auf der Grundlage des angegebenen cif-Einfuhrpreises berechnete Zusatzzoll angerechnet
wird, Art. 38 Abs. 3 VO 951/2006. Diese Sicherheit wird gemäß Art. 38 Abs. 4 VO 951/2006 freigegeben - und
es bleibt bei dem aufgrund seiner Angaben zunächst errechneten Zusatzzoll -, "sofern der Nachweis für die
Veräußerungsbedingungen zur Zufriedenheit der zuständigen Behörden erbracht wird. Andernfalls verfällt die
Sicherheitsleistung durch Zahlung der zusätzlichen Einfuhrzölle."
II.
1. Die Klägerin wurde 2007 von drei großen Zuckerunternehmen, einem deutschen, einem französischen und
einem britischen, als gemeinsame Organisation für Einfuhr von Bio-Rohrzucker aus Drittländern und dessen
Vertrieb in der EU gegründet. Dem Beschluss ihrer Gesellschafter entsprechend hat die Klägerin ihre
Geschäftstätigkeit bereits zum ... 2009 wieder eingestellt.
2. Mit Vertrag vom ... 2008 kaufte die deutsche Niederlassung der Klägerin von ihrer britischen
Gesellschafterin die streitgegenständlichen 88.000 kg "Bio-Rohrzucker" mit Ursprung in Indien. Der Kaufpreis
betrug laut vorgelegter Handelsrechnung 412,00 €/t cif Hamburg und wurde - zwischen den Beteiligten
unstreitig - von der Klägerin beglichen.
Die Klägerin führte den streitgegenständlichen, sich seinerzeit im Zolllagerverfahren befindenden Zucker
förmlich ein. Im Zuge der Betriebseinstellung der Klägerin wurde der von der Klägerin zwischenzeitlich
eingeführte und sodann entsprechend eingelagerte Zucker - zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig - von
ihrer deutschen Gesellschafterin zu einem Preis von EUR 902,97 €/t übernommen. Der Klägerin waren bis zur
Weiterveräußerung noch Kosten für die Einfuhrabgaben und daneben für die Einlagerung und das Handling in
Höhe von 37,136 €/t und für die Lagerung für den Zeitraum von 18 Monaten in Höhe von 85,75 €/t entstanden.
3. Den Antrag, den Zucker aus dem vorangegangenen Zolllagerverfahren in den zollrechtlich freien Verkehr zu
überführen, stellte die Klägerin im August 2008 beim Zollamt A des Beklagten.
Das Zollamt setzte am 28.08.2008 den Drittlandszoll in Höhe von EU 419,00 €/t und Einfuhrumsatzsteuer fest
und forderte eine Sicherheit von 6,61 €/100 kg, insgesamt 5.815,80 €. Die Rechtmäßigkeit der Erhebung und
der Berechnung der Einfuhrabgaben und der Sicherheit ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Aufgrund der Anforderung des Beklagten vom 11.12.2008 (BA Bl. 12) nach Art. 38 Abs. 2 VO 951/2006 wurden
dem Beklagten von der Klägerin verschiedene Unterlagen über den Zucker vorgelegt.
Mit Bescheid vom 08.12.2009 erklärte der Beklagte die Abgabenfestsetzung vom 28.08.2008 für
abgeschlossen und die geleistete Sicherheit für verfallen mit der Begründung, der Nachweis über die
Veräußerungsbedingungen sei nicht erbracht worden.
4. Die Klägerin erhob unter dem 09.12.2009 Einspruch.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.04.2011 als unbegründet zurück. Die
Klägerin habe den Zucker nicht zu Bedingungen abgesetzt, die den angegebenen Einfuhrpreis von 412,00 €/t
bestätigten, denn der bereinigte Erlös von (902,97 €/t Veräußerungspreis abz. 419,00 €/t Drittlandszoll abz.
37,16 €/t Handling etc. abz. 85,75 €/t Lagerkosten =) 361,084 €/t liege unterhalb des angegebenen
Einfuhrpreises. Deswegen sei der zunächst nur als Sicherheit geleistete Zusatzzoll zu Recht abschließend
festgesetzt worden. Die EU-Kommission fordere grundsätzlich - unabhängig von der konkreten Frage des
Zusatzzolls für Zucker -, dass die vorgelegten Nachweise eindeutig, nachprüfbar und möglichst
fälschungssicher seien. Deshalb sei im vorliegenden Fall nur auf die erste Weiterverkaufsrechnung sowie den
Nachweis der bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten abzustellen. Auf Unwägbarkeiten oder
Besonderheiten, die Interpretationen oder der individuellen Wertung des prüfenden Zollbeamten zugänglich
seien, könne es bei der Frage der gleichmäßigen Besteuerung nicht ankommen. Risiken und gegebenenfalls
zusätzliche Kosten, die sich daraus ergäben, dass sich der ursprünglich kalkulierte Preis tatsächlich nicht
erzielen lasse, habe der Anmelder bzw. Einführer zu tragen und nicht der Gemeinschaftshaushalt. Wegen der
weiteren Einzelheiten ihres Inhalts wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
III.
Die Klägerin hat am 30.05.2011 Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Meinung, dass durch den Nachweis der Veräußerung des Zuckers der Nachweis gemäß
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Art. 38 Abs. 4 VO 951/2006 erbracht worden sei, dass der von ihr angegebene cif-Einfuhrpreis plausibel sei.
Die Frage der Plausibilität sei anhand des Zwecks der Überprüfung zu beantworten, die dazu diene,
rechtsmissbräuchliche Preisgestaltungen zum Zwecke der Umgehung zusätzlicher Einfuhrzölle aufzudecken.
Eine nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr eintretende negative Preisentwicklung, die dazu führe,
dass der Zucker nicht profitabel weiterverkauft werden könne, schließe die Plausibilität des angegebenen
Einfuhrpreises nicht aus. Im konkreten Fall sei sie - ebenso wie ihre Gesellschafter - zunächst davon
ausgegangen, dass auf dem europäischen Markt eine große Nachfrage nach Biozucker bestehen und diese
Nachfrage weiter steigen würde. Entgegen ihren Erwartungen habe sich der Markt für Biozucker in der EU
jedoch negativ entwickelt. Darin liege der Grund dafür, dass sie - die Klägerin - unter anderem den
streitgegenständlichen Zucker nicht planmäßig binnen drei Monaten habe weiterveräußern können und
unerwartet hohe Lagerungskosten entstanden seien.
Die Klägerin beantragt, das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2009 und der
Einspruchsentscheidung vom 27.04.2011 zu verpflichten, die Freigabe der im Bescheid vom 08.12.2009
bezeichneten Sicherheit in Höhe von 4.077,04 Euro zu erklären.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung.
Er führt ergänzend aus, dass durch den im Rahmen der Prüfung durchzuführenden Vergleich von Einfuhr- und
Veräußerungspreisen festgestellt werden solle, ob der angemeldete Einfuhrpreis realistisch gewesen sei. Dem
liege die Annahme zu Grunde, dass ein objektiver und vernünftiger Kaufmann kein Geschäft durchführe, das
ihm einen Verlust beschere.
Dem Beklagten sei nicht bekannt, aus welchen Gründen die Klägerin ihr operatives Geschäft zum ... 2009
eingestellt und den streitgegenständlichen Zucker zusammen mit weiterer Ware zu Pauschalpreisen an ihren
deutschen Gesellschafter veräußert habe. Möglicherweise sei dieser Preis anhand von Durchschnittskosten
ermittelt worden. Dann wäre die Ausgestaltung des Veräußerungsvertrags und nicht allein die Höhe der
Lagerkosten des streitgegenständlichen Zuckers ursächlich dafür, dass der um die tatsächlich angefallenen
Kosten bereinigte Veräußerungspreis den Einfuhrpreis nicht bestätige. Im konkreten Fall sei in die
Plausibilitätsprüfung neben dem angemeldeten Einkaufspreis jedenfalls der Drittlandszoll und auch der nicht
erstattungsfähige Zusatzzoll von 19,77 €/t sowie die Einlagerungs- und Handlungskosten zu berücksichtigen.
Der erzielte Veräußerungspreis habe damit lediglich etwas mehr als drei Monate Lagerkosten abgedeckt,
weswegen der angegebene Einkaufspreis nicht plausibel sei. Es sei nicht in das Ermessen der Behörde
gestellt, die Lagerkosten für den Zeitraum der 15 Monate, die über die kalkulierte Lagerdauer von drei Monaten
hinausgingen, zu berücksichtigen, denn diese Kosten wirkten sich unmittelbar auf den Preis der Ware aus. Art.
38 Abs. 4 VO 951/2006 sei weder eine Billigkeits- noch eine Ermessenvorschrift, die es der Zollbehörde
erlauben würde, einzelne Kostenfaktoren, die für die Berechnung des Veräußerungserlöses einzubeziehen
seien, bei der abschließenden Beurteilung der Plausibilität des angegebenen Einfuhrpreises zu berücksichtigen
oder eben unberücksichtigt zu lassen. Lediglich hinsichtlich der Prüfungstiefe und der Art und Weise der
Nachweisführung für angegebene oder ersichtliche Kosten habe die Behörde einen Entscheidungsspielraum.
Etwaige Härten habe der Verordnungsgeber bewusst in Kauf genommen.
Wegen des zu errechnenden Verlustes halte er - der Beklagte - den Vortrag der Klägerin für nicht überzeugend
und den Nachweis zur Plausibilität des Einfuhrpreises daher nicht zu seiner Zufriedenheit geführt. Selbst wenn
er - der Beklagte - einen Ermessenspielraum hätte, wären die geltend gemachten Gründe für die begehrte
Nichtbeachtung der Lagerkosten nicht ausreichend. Die Lagerkosten seien Folge einer bewussten
Entscheidung der Klägerin. Hätte sie den Zucker selbst gelagert oder unmittelbar an einen Käufer
weitergeliefert, wären diese Kosten nicht entstanden. Die Gründe für ein wirtschaftliches oder
unwirtschaftliches Verhalten des Einführers könnten keine Auswirkungen auf die Prüfung der Plausibilität
haben.
IV.
Dem Gericht lag neben den Schriftsätzen der Beteiligten mit Anlagen die Verwaltungsakte des Beklagten in
Form eines Stehordners mit 192 Blatt vor.
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 23.11.2012 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet.
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Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass die entsprechend den gesetzlichen Regeln, Art. 36 Abs. 2, Art.
38 Abs. 3 VO 951/2006 i. V. m. Art. 27 VO 318/2006, bei der Einfuhr erhobene Sicherheit wieder freigegeben
wird, soweit sie den auf der Grundlage des angegebenen cif-Einfuhrpreises festzusetzenden Zusatzzoll von
1,977 €/t übersteigt. Der Bescheid vom 08.12.2009 ist rechtswidrig, soweit mit ihm die Freigabe des
übersteigenden Betrags abgelehnt und auch dieser Betrag als Zusatzzoll festgesetzt worden ist.
Entsprechendes gilt für die Einspruchsentscheidung.
I.
Ob die Sicherheit freigegeben wird, richtet sich nach Art. 38 Abs. 4 VO 951/2006 i. V. m. Art. 27 Abs. 2, 3. UA
VO 318/2006. Nach Art. 27 VO 318/2006 sind die vom Einführer angegebenen cif-Einfuhrpreise zu überprüfen.
Rechtsprechung oder Literatur zur Anwendung der Vorschriften finden sich nicht.
Der Senat stimmt mit den Beteiligten überein, dass im Rahmen der vom Beklagten vorzunehmenden
Plausibilitätsprüfung festgestellt werden soll, ob der angemeldete Einfuhrpreis unrealistisch gewesen ist. Eine
inhaltliche Vorgabe für die gegebenenfalls durchzuführende Prüfung bzw. ein ausdrücklicher Maßstab für sie
findet sich in den anzuwendenden Vorschriften nicht. Art. 38 Abs. 2 VO 951/2006 gibt allerdings vor, dass
bestimmte Nachweise zwingend vorzulegen sind. Es ist festzustellen, dass es sich bei den dort genannten
Nachweisen ausschließlich um solche handelt, die mit dem Ankauf der Ware durch den Importeur im
Zusammenhang stehen. Nach Art. 38 Abs. 2 a. E. VO 951/2006 können die Behörden weitere Unterlagen
anfordern, müssen dies aber nicht, wenn sie es nicht als notwendig erachten. Aus dem Umstand, dass diese
Regelung den Behörden die Entscheidung über die Anforderung weiterer Unterlagen überträgt, ergibt sich, dass
Gegenstand der Überprüfung und damit Maßstab für die "Zufriedenheit" der Behörden nach Durchführung der
Prüfung ist, ob der angegebene Preis unplausibel ist. Im umgekehrten Fall, bei dem also positiv seine
Plausibilität festgestellt werden müsste, wäre es dem Importeur zu überlassen, welche Unterlagen er vorlegt.
Weiterhin ist festzustellen, dass die Vorschrift den Nachweis der Bedingungen der Weiterveräußerung der Ware
nicht generell vorschreibt. Der Frage, ob es vor diesem Hintergrund schon zweifelhaft ist, ob mit dem in Art. 38
Abs. 4 VO 951/2006 genannten "Nachweis für die Veräußerungsbedingungen" überhaupt die Bedingungen für
die Weiterveräußerung der Ware durch den Einführer angesprochen werden oder aber für die Veräußerung der
Ware an den Einführer, soll hier nicht weiter nachgegangen werden, weil auch unter Berücksichtigung der für
die Weiterveräußerung vorgelegten Nachweise der Einfuhrpreis plausibel ist (dazu weiter unten).
Zunächst ist jedoch weiterhin festzustellen, dass die Verordnung den Behörden nicht nur nicht vorgibt, unter
welchen Voraussetzungen es an der erforderlichen Plausibilität fehlt, sondern auch, dass der
Verordnungsgeber offenbar nicht davon ausgegangen ist, dass sich diese nach einem festen Schema aus
einer bestimmten Rechenoperation - etwa der Kalkulation eines Veräußerungserlöses - ergibt. Dies folgt zum
einen bereits daraus, dass, wenn auch die Vorlage gewisser Nachweisen zwingend vorgeschrieben ist, den
Behörden das Recht einräumt wird, weitere, allerdings nicht näher bezeichnete Informationen und Unterlagen
anzufordern. Die nähere Bestimmung "wenn sie diese als notwendig erachten" zeigt, dass der Prüfungsumfang
individuell für den konkreten Fall zu bestimmen ist, und ist damit zugleich ein deutlicher Hinweis darauf, dass
die Plausibilitätsprüfung - ebenso wie die Anforderung von Unterlagen - nicht schematisch zu erfolgen hat. Dies
ergibt sich zum anderen auch aus der Formulierung in Art. 38 Abs. 4 VO 951/2006, nach der die Sicherheit
freizugeben ist, sofern der Nachweis für die Veräußerungsbedingungen "zur Zufriedenheit der zuständigen
Behörde" erbracht wird. Hätte der Verordnungsgeber - wie der Beklagte meint - bestimmen wollen, dass der
Nachweis dann nicht erbracht ist, wenn sich aus den Unterlagen ergibt, dass die Weiterveräußerung des
eingeführten Zucker unter Zugrundelegung des angegebenen Einfuhrpreises kalkulatorisch zu einem
Verlustgeschäft geführt hat, wäre zu erwarten gewesen, dass ein solch konkreter Prüfungsmaßstab - wie in
anderen Regelungsbereichen auch üblich - in einer entsprechende Regelung ausdrücklich normiert worden wäre
und nicht die unübliche, eine Einzelfallprüfung naheliegende Formulierung von der "Zufriedenheit" der prüfenden
Behörde gewählt worden wäre. Gegen die Maßgeblichkeit einer - wie von dem Beklagten durchgeführten -
schematischen Prüfung, bei der der kalkulatorische Verlust zwingend zur Erhebung eines weiteren Zusatzzolls
führt, spricht insbesondere der - auch von den Beteiligten übereinstimmend erkannte - Regelungszweck der
Prüfungsvorschriften. Gemäß Art. 27 Abs. 1 VO 318/2006 wird die Einfuhr von Zucker zur Vermeidung oder
Behebung von Nachteilen für den Gemeinschaftsmarkt von der Zahlung eines zusätzlichen Einfuhrzolls
abhängig gemacht, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, es sei denn - wie es dort ausdrücklich heißt -,
eine Störung des Gemeinschaftsmarktes durch die Einfuhren stehe nicht zu befürchten. Da - wie auch der
Beklagte ausführt - die Überprüfung also dazu dient, unzutreffende Angaben von Einfuhrpreisen festzustellen,
bedarf es einer materiellen Würdigung der in Art. 38 Abs. 2 VO 951/2006 hierfür genannten Beweismittel. Der in
Abs. 4 der Vorschrift genannte Maßstab der "Zufriedenheit" verlangt eine Beurteilung des Einzelfalls und seine
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Anwendung kann vom Gericht voll überprüft werden.
Aus dem Regelungszweck ergibt sich ferner, dass es bei der Plausibilitätsprüfung entscheidend auf den
Zeitpunkt der Einfuhr ankommt. Von daher erklärt sich auch, dass die zwingend vorzulegenden Nachweise nur
die Zeit bis zur erfolgten Einfuhr betreffen. Anders als der Beklagte meint, wird ein zunächst plausibler
Einfuhrpreis nicht aufgrund von Umständen unplausibel, die sich erst nach der Einfuhr ergeben. Dabei kommt
es nicht darauf an, ob diese Umstände sich für den Einführer als höhere Gewalt darstellen, ob sie von ihm
beeinflusst werden konnten oder ob er sie sogar selbst verschuldet hat. Der Zusatzzoll dient nicht dazu, etwa
Fehleinschätzungen des Einführers oder sein schlechtes Wirtschaften mit der eingeführten Ware zu ahnden.
Dies ergibt sich schon daraus, dass in diesen Fällen nicht im Sinne von Art. 27 Abs. 1 VO 318/2006 zu
befürchten steht, dass die Einfuhren eine Störung des Gemeinschaftsmarktes verursachen.
II.
Bei der Überprüfung der Plausibilität kann allerdings in dem Umstand, dass sich aus den vorgelegten
Unterlagen ein rechnerischer Verlust des Geschäfts ergibt, ein Indiz dafür gesehen werden, dass der
angegebene cif-Einfuhrpreis unzutreffend ist. Dieses Indiz kann jedoch vom Einführer entkräftet werden.
Hier hat die Klägerin eine nachvollziehbare Erklärung dafür gegeben, warum sie mit dem Zucker einen Verlust
erwirtschaftet hat. Das Geschäft mit dem streitgegenständlichen Zucker und vorliegend sogar der
Geschäftszweck der Klägerin selbst basiere auf einer bestimmten Prognose für das Geschäftsfeld Biozucker,
die sich als unzutreffend herausstellte.
Der Beklagte hat diese Erläuterung der Sache nach nicht in Frage gestellt und sie auch nicht zum Anlass
genommen, entsprechend seiner Ermächtigung in Art. 38 Abs. 2 a. E. VO 951/2006 hierzu weitere
Informationen oder Unterlagen anzufordern. Auch das Gericht würde hierfür keine Notwendigkeit erachten.
Den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, aufgrund seiner Kenntnisse aus anderen Verfahren
halte er es für denkbar, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Zucker um mangelhafte Ware gehandelt
habe, weswegen der Klägerin ein Minderungsanspruch gegenüber dem Verkäufer zugestanden haben könnte,
woraus sich im Ergebnis ein niedrigerer als der angegebene Einfuhrpreis ergeben würde, hält der erkennende
Senat für unerheblich. Dabei handelt es sich um nicht mehr als hypothetische Möglichkeiten, aufgrund derer es
der Beklagte jedenfalls nicht für notwendig erachtet hat, weitere Informationen und Unterlagen gemäß Art. 38
Abs. 2 a. E. VO 951/2006 anzufordern, und mit denen der Beklagte schon deshalb seinen Mangel an
Zufriedenheit i. S. v. Art. 38 Abs. 4 Satz 1 VO 951/2006 nicht begründen kann und nicht begründet hat. Allein,
dass ein Sachverhalt vorstellbar ist, der die Plausibilität des angegebenen Einfuhrpreises in Frage stellen
könnte, macht diesen Einfuhrpreis noch nicht unplausibel. Im Übrigen ist festzuhalten, dass - unabhängig von
der Richtigkeit etwaiger Marktprognosen - bei einer dreimonatigen Lagerzeit die Plausibilitätsprüfung nach dem
vom Beklagten angewendeten Maßstab positiv ausgefallen wäre und den angegebenen Einfuhrpreis bestätigt
hätte. Der Beklagte hat für die Behauptung der Klägerin, dass eine Lagerzeit von nicht mehr als drei Monaten
realistisch gewesen wäre, ebenfalls keine weiteren Informationen oder Unterlagen angefordert - auch nicht nach
entsprechendem Hinweis des Gerichts. Im Übrigen sähe auch das Gericht - selbst unter Berücksichtigung des
Umstands, dass im Rahmen der Korrespondenz der Beteiligten im Verwaltungsverfahren von Klägerseite auch
einmal von einer neunmonatigen Lagerdauer die Rede gewesen ist (Bl. 79 des Verwaltungsvorgangs) - keinen
begründeten Anlass, ohne Weiteres an der Richtigkeit dieser Einschätzung zur Länge der typischen, regulären
Lagerzeit zu zweifeln.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte offenbar davon ausgeht, dass die Klägerin den
streitgegenständlichen Zucker im Zuge der von ihren Gesellschaftern zum ... 2009 beschlossenen Aufgabe
ihrer Geschäftstätigkeit zusammen mit weiterer Ware an ihren deutschen Gesellschafter zu einem bloß
kostendeckenden Pauschalpreis abgegeben habe, der sich nach Durchschnittswerten von Einkaufspreisen und
Lagerzeiten bestimmt habe. Vor diesem Hintergrund könnte aus dem Umstand, dass vom Erwerber für den Teil
der Ware, den die Klägerin zu einem frühen Zeitpunkt erworben und daher überdurchschnittlich lange gelagert
hat, kein kostendeckender Preis gezahlt worden ist, ohnehin kein Rückschluss auf eine mangelnde Plausibilität
des angegebenen Einkaufspreises gezogen werden.
Da es außer dem Verlust, den die Klägerin mit der streitgegenständlichen Ware erwirtschaftet hat, offenbar
keine weiteren Indizien dafür gibt, dass der angegebene Einfuhrpreis unzutreffend gewesen ist, ist
festzustellen, dass die Überprüfung der Nachweise keinen Grund für eine mangelnde Zufriedenheit des
Beklagten gibt und die Sicherheit daher freizugeben ist.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage des
Prüfungsmaßstabs in Art. 38 VO 951/2006, deren Beantwortung der erkennende Senat allerdings nicht für
zweifelhaft hält und die er deswegen dem EuGH nicht zur Vorabentscheidung vorlegt.