Urteil des EuGH vom 08.06.2006

Verordnung, Entschädigung, Kommission, Lizenz

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)
8. Juni 2006
)
„Sorten – Höhe der dem Inhaber eines gemeinschaftlichen Schutzrechts zu zahlenden
angemessenen Entschädigung – Artikel 5 Absätze 2, 4 und 5 der Verordnung (EG)
Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 – Begriff des
‚Entschädigungsbetrag[s , der] deutlich niedriger [ist] als der Betrag, der … für die
Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz … verlangt wird‘“
In den verbundenen Rechtssachen C‑7/05 bis C‑9/05
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom
Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidungen vom 11. Oktober 2004, beim
Gerichtshof eingegangen am 14. Januar 2005, in den Verfahren
Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH
gegen
Ulrich Deppe,
Hanne-Rose Deppe,
Thomas Deppe,
Matthias Deppe,
Christine Urban (geborene Deppe)
Siegfried Hennings
Hartmut Lübbe
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter
J. Makarczyk, P. Kūris (Berichterstatter), G. Arestis und J. Klučka,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12.
Januar 2006,
Januar 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt K. von
Gierke,
– von U. Deppe, H.-R. Deppe, T. Deppe, M. Deppe und C. Urban (C‑7/05) sowie S.
Hennings (C‑8/05) und H. Lübbe (C‑9/05), vertreten durch Rechtsanwalt M.
Miersch,
– der deutschen Regierung, vertreten durch C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Doherty
und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. Februar
2006
folgendes
Urteil
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung des Artikels 5 Absätze 2, 4
und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die
Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über
den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 173, S. 14) in der Fassung der Verordnung
(EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 (ABl. L 328, S. 6) (im
Folgenden: Verordnung Nr. 1768/95).
2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Saatgut-
Treuhandverwaltungs GmbH (im Folgenden: STV), einer Vereinigung von Inhabern
gemeinschaftlicher Sortenschutzrechte (im Folgenden: Inhaber), einerseits und Ulrich
Deppe, Hanne-Rose Deppe, Thomas Deppe, Matthias Deppe und Christine Urban,
Erben des verstorbenen Landwirts Dieter Deppe, sowie den Landwirten Siegfried
Hennings und Hartmut Lübbe andererseits über die Begleichung von
Entschädigungsansprüchen für den Nachbau geschützten Saatguts.
Rechtlicher Rahmen
3 Gemäß Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über
den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227, S. 1, im Folgenden: Grundverordnung)
wurde ein gemeinschaftlicher Sortenschutz als einzige und ausschließliche Form des
gemeinschaftlichen gewerblichen Rechtsschutzes für Pflanzensorten geschaffen.
4 Artikel 14 Absatz 1 der Grundverordnung sieht eine Ausnahme vom gemeinschaftlichen
Sortenschutz vor:
„Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 2 können Landwirte zur Sicherung der
„Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 2 können Landwirte zur Sicherung der
landwirtschaftlichen Erzeugung zu Vemehrungszwecken im Feldanbau in ihrem eigenen
Betrieb das Ernteerzeugnis verwenden, das sie in ihrem eigenen Betrieb durch Anbau
von Vermehrungsgut einer unter den gemeinschaftlichen Sortenschutz fallenden Sorte
gewonnen haben, wobei es sich nicht um eine Hybride oder eine synthetische Sorte
handeln darf.“
5 Artikel 14 Absatz 3 vierter Gedankenstrich der Grundverordnung betrifft die finanziellen
Bedingungen, unter denen Landwirte, die nicht Kleinlandwirte sind, dieses Sonderrecht
in Anspruch nehmen können. Diese Landwirte sind verpflichtet, „dem Inhaber des
Sortenschutzes eine angemessene Entschädigung zu zahlen, die deutlich niedriger sein
muss als der Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial
derselben Sorte in Lizenz verlangt wird; die tatsächliche Höhe dieser angemessenen
Entschädigung kann im Laufe der Zeit Veränderungen unterliegen, wobei berücksichtigt
wird, inwieweit von der Ausnahmeregelung gemäß Absatz 1 in Bezug auf die betreffende
Sorte Gebrauch gemacht wird“.
6 Die Verordnung Nr. 1768/95 enthält nach ihrem Artikel 1 die
Durchführungsbestimmungen hinsichtlich der Bedingungen für die Wirksamkeit der
Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Grundverordnung.
7 Artikel 2 der Verordnung Nr. 1768/95 sieht vor:
„(1) Die in Artikel 1 genannten Bedingungen sind von dem Sortenschutzinhaber, der
insoweit den Züchter vertritt, und von dem Landwirt so umzusetzen, dass die legitimen
Interessen des jeweils anderen gewahrt bleiben.
(2) Die legitimen Interessen sind dann als nicht gewahrt anzusehen, wenn eines oder
mehrere Interessen verletzt werden, ohne dass der Notwendigkeit eines vernünftigen
Interessenausgleichs oder der Verhältnismäßigkeit der effektiven Umsetzung der
Bedingung gegenüber ihrem Zweck Rechnung getragen wurde.“
8 Artikel 5 dieser Verordnung lautet:
„(1) Die Höhe der dem Sortenschutzinhaber zu zahlenden angemessenen
Entschädigung gemäß Artikel 14 Absatz 3 vierter Gedankenstrich der Grundverordnung
kann zwischen dem [I]nhaber und dem betreffenden Landwirt vertraglich vereinbart
werden.
(2) Wurde ein solcher Vertrag nicht geschlossen oder ist ein solcher nicht anwendbar,
so muss der Entschädigungsbetrag deutlich niedriger sein als der Betrag, der im selben
Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz derselben Sorte der
untersten zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen Kategorie verlangt wird.
Gibt es in dem Gebiet des Betriebs des Landwirts keine Erzeugung von
Vermehrungsmaterial in Lizenz der betreffenden Sorte und liegt der vorgenannte Betrag
gemeinschaftsweit nicht auf einheitlichem Niveau, so muss die Entschädigung deutlich
niedriger sein als der Betrag, der normalerweise für den vorgenannten Zweck dem Preis
für Vermehrungsmaterial der untersten zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen
Kategorie beim Verkauf derselben Sorte in derselben Region zugeschlagen wird, sofern
Kategorie beim Verkauf derselben Sorte in derselben Region zugeschlagen wird, sofern
er nicht höher ist als der vorgenannte, im Aufwuchsgebiet des Vermehrungsmaterials
übliche Betrag.
(3) Die Höhe der Entschädigung gilt als deutlich niedriger im Sinne des Artikels 14
Absatz 3 vierter Gedankenstrich der Grundverordnung und des vorstehenden Absatzes,
wenn sie nicht den Betrag übersteigt, der erforderlich ist, um als ein das Ausmaß der
Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung bestimmender Wirtschaftsfaktor ein
vernünftiges Verhältnis zwischen der Lizenznutzung von Vermehrungsmaterial und dem
Nachbau des Ernteguts der betreffenden, dem gemeinschaftlichen Sortenschutz
unterliegenden Sorten herbeizuführen oder zu stabilisieren. Dieses Verhältnis ist als
vernünftig anzusehen, wenn es sicherstellt, dass der Sortenschutzinhaber insgesamt
einen angemessenen Ausgleich für die gesamte Nutzung seiner Sorte erhält.“
9 Mit der am 24. Dezember 1998 in Kraft getretenen Verordnung Nr. 2605/98 wurden dem
genannten Artikel 5 der Verordnung Nr. 1768/95 in seiner ursprünglichen Fassung
insbesondere folgende Absätze angefügt:
„(4) Ist im Falle von Absatz 2 die Höhe der Entschädigung durch Vereinbarungen
zwischen Vereinigungen von Sortenschutzinhabern und von Landwirten – mit oder ohne
Beteiligung von Aufbereitervereinigungen – festgesetzt, die in der Gemeinschaft auf
gemeinschaftlicher, nationaler oder regionaler Ebene niedergelassen sind, so werden
die vereinbarten Beträge in den betreffenden Gebieten und für die betreffenden Arten als
Leitlinien für die Festsetzung der Entschädigung verwendet, wenn diese der Kommission
zusammen mit den einschlägigen Bedingungen schriftlich von bevollmächtigten
Vertretern der entsprechenden Vereinigungen mitgeteilt und daraufhin im ‚Amtsblatt‘ des
Gemeinschaftlichen Sortenamts veröffentlicht wurden.
(5) Liegt im Falle von Absatz 2 keine Vereinbarung im Sinne von Absatz 4 vor, so
beläuft sich die Entschädigung auf 50 % des Betrags, der für die Erzeugung des
Vermehrungsmaterials in Lizenz gemäß Absatz 2 verlangt wird.
Hat ein Mitgliedstaat der Kommission jedoch vor 1. Januar 1999 den unverzüglich
bevorstehenden Abschluss einer Vereinbarung gemäß Absatz 4 zwischen den
betreffenden Vereinigungen auf nationaler oder regionaler Ebene mitgeteilt, so beläuft
sich die Entschädigung in dem betreffenden Gebiet und für die betreffende Art auf 40 %
anstelle des vorstehenden Prozentsatzes von 50 %, jedoch nur hinsichtlich der
Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung vor der Umsetzung der Vereinbarung und
nicht nach dem 1. April 1999.
(6) Hat ein Landwirt im Fall von Absatz 5 während des betreffenden Zeitraums von der
landwirtschaftlichen Ausnahmeregelung für mehr als 55 % seiner gesamten Erzeugung
der betreffenden Sorte Gebrauch gemacht, so ergibt sich die Höhe der Entschädigung
aus der in dem betreffenden Gebiet und für die betreffende Sorte geltenden
Entschädigung, wenn diese Sorte in dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß der
einzelstaatlichen Sortenschutzregelung geschützt wäre, es ein einzelstaatliches System
mit einer solchen Entschädigung gibt und die Höhe der Entschädigung 50 % des Betrags
überschreitet, der für die Erzeugung des Vermehrungsmaterials in Lizenz gemäß Absatz
2 verlangt wird. Gibt es eine solche Staffelung im Rahmen der nationalen Regelung
2 verlangt wird. Gibt es eine solche Staffelung im Rahmen der nationalen Regelung
nicht, so finden die Bestimmungen von Absatz 5 unabhängig vom
Verwendungsverhältnis Anwendung.“
10 Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1768/95 bestimmt:
„Unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 2 entsteht die individuelle Pflicht des
Landwirts zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung zum Zeitpunkt der
tatsächlichen Nutzung des Ernteguts zu Vermehrungszwecken im Feldanbau.
Der Sortenschutzinhaber kann Zeitpunkt und Art der Zahlung bestimmen. Er darf jedoch
keinen Zahlungstermin bestimmen, der vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Pflicht
liegt.“
Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen
11 Der Bundesgerichtshof ist mit Revisionen befasst, die STV gegen Berufungsurteile
eingelegt hat, mit denen ihre gegen die Erben von Herrn Dieter Deppe sowie die Herren
Hennings und Lübbe erhobene Forderung nach einer zusätzlichen Entschädigung
zurückgewiesen wurde.
12 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat sich zu der Frage, was unter einer
„deutlich niedrigeren“ Entschädigung im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung
Nr. 1768/95 zu verstehen ist und nach welchen Maßstäben diese Entschädigung zu
bemessen ist, bislang weder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte noch in der
Literatur eine einheitliche Linie entwickelt.
13 In Artikel 5 der Verordnung Nr. 1768/95 sei nicht geregelt, wem in dem Fall, dass ein
Vertrag zwischen dem Inhaber und dem nachbauenden Landwirt nicht zustande komme,
die Befugnis zur Bestimmung der Entschädigung zustehen solle. Da der Inhaber nach
Artikel 6 dieser Verordnung den Zeitpunkt und die Art der Zahlung der ihm geschuldeten
Entschädigung bestimmen könne, könnte anzunehmen sein, dass ihm auch die Befugnis
zustehe, die Höhe der Entschädigung zu bestimmen.
14 Nach demselben Artikel 5 schuldeten die Beklagten der Ausgangsverfahren für den von
ihnen vorgenommenen Nachbau eine angemessene Entschädigung, die mangels einer
Vereinbarung zwischen den entsprechenden Parteien deutlich niedriger sein müsse als
der Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz
derselben Sorte der untersten zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen Kategorie
verlangt werde (im Folgenden: Lizenzgebühr). „Deutlich niedriger“ bedeute stets einen
fühlbaren Abschlag gegenüber der Lizenzgebühr. Im Wirtschaftsleben werde die
Herabsetzung eines Entgelts um 20 % als erheblicher Nachlass angesehen.
15 Fraglich sei, nach welchen Maßstäben die Angemessenheit der Entschädigung bei
gesetzlicher Veranlagung zu bemessen sei. Unter Bezugnahme auf die Verordnung
Nr. 2605/98 meint das vorlegende Gericht, aus der Heranziehung der Vereinbarungen
zwischen Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten als Leitlinie könne zu folgern
sein, dass dem Inhaber bei der Bestimmung der von dem nicht vertraglich gebundenen
Landwirt geschuldeten Entschädigung ein gewisser Rahmen vorgegeben sei, ohne dass
Landwirt geschuldeten Entschädigung ein gewisser Rahmen vorgegeben sei, ohne dass
die einzelnen Bemessungsregeln übernommen werden müssten. Demnach könnte man
unter Zugrundelegung des Kooperationsabkommens von 1996, das als Leitlinie
maßgebend sein könnte, einen Satz von 80 % der Lizenzgebühr für zertifiziertes Saatgut
als angemessen ansehen.
16 Aus der einer Vereinbarung zwischen berufsständischen Vereinigungen zuerkannten
Leitlinienfunktion könne aber auch gefolgert werden, dass die wesentlichen
Kernelemente dieser Vereinbarung auch bei der gesetzlichen Veranlagung übernommen
werden sollten. Dieser Ansatz hätte zur Folge, dass sich zwischen der Berechnung auf
der Grundlage der Vereinbarung und der Berechnung aufgrund des Gesetzes im
Ergebnis keine wesentlichen Unterschiede ergäben.
17 Das Kooperationsabkommen von 1996 sei allerdings erst am 16. August 1999 im
Amtsblatt des Gemeinschaftlichen Sortenamts (im Folgenden: Amt) veröffentlicht worden.
Das vorlegende Gericht fragt sich, ob die formalen Anforderungen des Artikels 5 der
Verordnung Nr. 1768/95 auch auf bereits vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98
wirksam abgeschlossene Kooperationsabkommen anzuwenden seien.
18 Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof in den drei Ausgangsverfahren
beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist dem Erfordernis für die Bemessung einer Nachbauentschädigung im Sinne von
Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95, sie müsse „deutlich niedriger“
als der Betrag sein, der im selben Gebiet für die Erzeugung von
Vermehrungsmaterial derselben Sorte in Lizenz verlangt wird, auch dann genügt,
wenn die Vergütung pauschal mit 80 % dieses Betrages bemessen wird?
2. Enthält Artikel 5 Absätze 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der Fassung
der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 eine wertmäßige Festlegung für die Höhe der
Nachbauentschädigung bei gesetzlicher Veranlagung?
Falls ja: Gilt diese Festlegung als Ausdruck eines allgemeinen Gedankens auch für
Nachbauhandlungen, die vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2605/98
erfolgten?
3. Schließt die Leitlinienfunktion einer Vereinbarung zwischen Vereinigungen von
Sortenschutzinhabern und Landwirten im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der
Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 ein,
dass diese bei gesetzlicher Veranlagung in ihren wesentlichen Kernelementen
(Berechnungsparameter) auch dann übernommen wird, wenn dem
Sortenschutzinhaber bei der Berechnung der gesetzlichen Vergütung nicht alle in
der Sphäre des Nachbauers liegenden für die Berechnung auf Grundlage der
Vereinbarung erforderlichen Parameter bekannt sind und ihm insoweit auch ein
Anspruch auf Mitteilung der entsprechenden Tatsachen gegen den Landwirt nicht
zusteht?
Falls ja: Setzt eine solche Vereinbarung, soweit sie Leitlinienfunktion in diesem
Sinne ausüben soll, für ihre Wirksamkeit die Einhaltung der in Artikel 5 Absatz 4 der
Sinne ausüben soll, für ihre Wirksamkeit die Einhaltung der in Artikel 5 Absatz 4 der
Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98
bestimmten Anforderungen auch dann voraus, wenn sie vor Inkrafttreten dieser
Verordnung geschlossen wurde?
4. Setzt Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der Fassung der
Verordnung (EG) Nr. 2605/98 eine obere Grenze der Entschädigung für vertragliche
und/oder gesetzliche Entschädigungsregelungen?
5. Kann eine Vereinbarung zwischen berufsständischen Vereinigungen als Leitlinie
im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 in der Fassung
der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 herangezogen werden, wenn sie den
Entschädigungssatz von 50 % des Betrages gemäß Artikel 5 Absatz 5 der
Verordnung (EG) Nr. 2605/98 überschreitet?
19 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 26. Januar 2005 sind die
Rechtssachen C‑7/05 bis C‑9/05 zu gemeinsamem schriftlichem und mündlichem
Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zur ersten Frage
20 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob
eine auf 80 % der Lizenzgebühr festgelegte Entschädigung dem Erfordernis genügt,
dass die entsprechende Entschädigung nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung
Nr. 1768/95 „deutlich niedriger“ als die Lizenzgebühr sein muss.
21 Einleitend ist festzustellen, dass es für die Bestimmung der Vergütung des Inhabers drei
Möglichkeiten gibt: zunächst Abschluss eines Vertrages zwischen dem Inhaber und dem
Landwirt nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1768/95, sodann Abschluss von
Vereinbarungen zwischen Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten nach Artikel
5 Absatz 4 dieser Verordnung und schließlich, hilfsweise, Bemessung eines
Entschädigungsbetrags anhand bestimmter, in Artikel 5 Absätze 2 und 5 dieser
Verordnung aufgestellter Vorgaben.
22 Da im vorliegenden Fall kein Vertrag und keine Vereinbarung bestehen, ist die dritte in
der vorstehenden Randnummer dieses Urteils genannte Möglichkeit heranzuziehen.
23 Wie die Kommission in ihren Erklärungen ausführt, sind verschiedene Fallgestaltungen
zu unterscheiden, je nachdem, ob es um Sachverhalte vor oder nach dem Inkrafttreten
der Verordnung Nr. 2605/98 geht.
24 Was die erstgenannten Fallgestaltungen anbelangt, so ergibt sich aus dem Wortlaut des
Artikels 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1768/95, dass die legitimen Interessen des
Inhabers und des Landwirts nur dann als gewahrt angesehen werden können, wenn der
„Notwendigkeit eines vernünftigen Interessenausgleichs oder der Verhältnismäßigkeit
der effektiven Umsetzung der Bedingung gegenüber ihrem Zweck“ Rechnung getragen
wurde.
25 Außerdem gibt Artikel 5 Absatz 3 der genannten Verordnung als ausschlaggebendes
25 Außerdem gibt Artikel 5 Absatz 3 der genannten Verordnung als ausschlaggebendes
Kriterium für eine „deutlich niedrigere“ Höhe der Entschädigung das Erfordernis vor, ein
vernünftiges Verhältnis zwischen der Lizenznutzung von Vermehrungsmaterial und dem
Nachbau des Ernteguts der geschützten Sorten herbeizuführen oder zu stabilisieren.
26 Im Übrigen verweist Artikel 5 Absatz 2 dieser Verordnung als Bezugsgröße auf den
„Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz
derselben Sorte der untersten zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen Kategorie
verlangt wird“.
27 Für Fallgestaltungen, in denen es um Sachverhalte nach dem Inkrafttreten der
Verordnung Nr. 2605/98 geht, legt Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 die den
Inhabern zu zahlende Entschädigung auf 50 % der Lizenzgebühr fest und sah für eine
Übergangszeit sogar einen Satz von 40 % vor, um einen Anreiz zum Abschluss von
Vereinbarungen zwischen Inhabern und Landwirten zu schaffen.
28 Daraus folgt, dass der für die Berechnung der den Inhabern zu zahlenden
Entschädigung pauschal auf 80 % der Lizenzgebühr festgesetzte Satz zu hoch ist und
dass zur Bestimmung des anwendbaren Satzes auf die Verhältnisse in Bezug auf die
streitigen Sorten und in der betreffenden Region abzustellen ist.
29 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass im Fall der Inanspruchnahme der
Ausnahme für die Landwirtschaft nach Artikel 14 Absatz 3 der Grundverordnung die
pauschale Entschädigung in Höhe von 80 % des Betrages der Lizenzgebühr nicht der
Voraussetzung genügt, dass – vorbehaltlich der Beurteilung der anderen erheblichen
Umstände der einzelnen Ausgangsrechtsstreitigkeiten durch das nationale Gericht –
diese Entschädigung im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1768/95
„deutlich niedriger“ sein muss als der Betrag, der für die Erzeugung von
Vermehrungsmaterial in Lizenz verlangt wird.
Zur zweiten Frage
30 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob –
was die Festlegung der Ansprüche des Inhabers betrifft – Artikel 5 Absätze 4 und 5 der
Verordnung Nr. 1768/95 die Regeln enthält, nach denen die Höhe seiner Entschädigung
bemessen werden kann.
31 Erstens geht aus dem Wortlaut des genannten Absatzes 4 klar hervor, dass die Regeln,
nach denen die Höhe dieser Entschädigung bemessen werden kann, in die zwischen
Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten geschlossenen Vereinbarungen
aufzunehmen sind und als Leitlinien dienen, wenn diese Vereinbarungen der
Kommission mitgeteilt und vom Amt veröffentlicht worden sind.
32 Zweitens legt Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 den Betrag der
entsprechenden Entschädigung dann, wenn keine Vereinbarung vorliegt, auf 50 % des
Betrages der Lizenzgebühr fest, wobei entsprechend der siebten Begründungserwägung
der Verordnung Nr. 2605/98 als einziger Vorbehalt eine mögliche Anpassung
entsprechend einer nationalen Staffelung vorgesehen ist.
33 Das vorlegende Gericht möchte weiter wissen, ob diese Regeln Ausdruck eines
33 Das vorlegende Gericht möchte weiter wissen, ob diese Regeln Ausdruck eines
allgemeinen, vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 anwendbaren
Grundsatzes sind.
34 Die Kommission macht geltend, dass es dem Grundsatz der Rechtssicherheit
zuwiderliefe, die Bestimmungen dieser Verordnung rückwirkend auf Sachverhalte vor
ihrem Inkrafttreten anzuwenden.
35 Dazu ist darauf zu verweisen, dass die Bestimmungen des Artikels 5 Absätze 4 und 5
der Verordnung Nr. 1768/95 mit der Verordnung Nr. 2605/98 eingefügt wurden und
keinen ausdrücklichen Hinweis enthalten, der ihre rückwirkende Anwendung auf
Vorgänge vor dem Inkrafttreten der letztgenannten Verordnung ermöglichen würde.
36 Doch können die Absätze 4 und 5 des Artikels 5 der Verordnung Nr. 1768/95, indem sie
diese Vorschrift ergänzen und sich ausdrücklich auf sie beziehen, als Anhaltspunkt für
die Bemessung des Betrages der Entschädigung für vor ihrem Inkrafttreten aufgetretene
Sachverhalte dienen.
37 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Kriterien, nach denen der Betrag
der Entschädigung des Inhabers bemessen werden kann, in Artikel 5 Absätze 4 und 5
der Verordnung Nr. 1768/95 definiert werden. Diese Kriterien sind nicht rückwirkend
anwendbar, können aber als Anhaltspunkt für die Berechnung der entsprechenden
Entschädigung in Bezug auf einen Nachbau vor dem Inkrafttreten der Verordnung
Nr. 2605/98 dienen.
Zur dritten und zur fünften Frage
38 Mit diesen beiden Fragen begehrt das vorlegende Gericht Auskunft über die Bedeutung
und den Inhalt einer zwischen Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten
geschlossenen Vereinbarung.
39 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass eine solche Vereinbarung nach Artikel 5 Absatz
4 der Verordnung Nr. 1768/95 in dem betreffenden Gebiet als Leitlinie für die
Festsetzung der Entschädigung verwendet wird, wenn die vereinbarten
Entschädigungsbeträge der Kommission zusammen mit den einschlägigen
Bedingungen mitgeteilt und daraufhin im Amtsblatt des Amtes veröffentlicht wurden.
40 Weiterhin geht aus Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 klar hervor, dass die
entsprechende Entschädigung 50 % der Lizenzgebühr beträgt, wenn keine Vereinbarung
zwischen Vereinigungen von Inhabern und Landwirten vorliegt.
41 Folglich ist dieser Satz von 50 % nicht der einzige, den die betreffenden Parteien bei
der Aushandlung einer solchen Vereinbarung für die Entschädigung festlegen können.
42 Schließlich ist angesichts der Bestimmungen der Verordnung Nr. 2605/98, die nicht
zwischen vor und nach ihrem Inkrafttreten geschlossenen Vereinbarungen unterscheidet,
festzustellen, dass eine Vereinbarung, die von Vereinigungen von Inhabern und von
Landwirten vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 geschlossen wurde, nur
dann als Leitlinie dienen kann, wenn in Bezug auf diese Vereinbarung die erwähnten
dann als Leitlinie dienen kann, wenn in Bezug auf diese Vereinbarung die erwähnten
förmlichen Voraussetzungen der Mitteilung und der Veröffentlichung erfüllt sind.
43 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte und die fünfte Frage zu
antworten, dass eine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Inhabern und von
Landwirten im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1768/95 nur dann mit
allen ihren Parametern als Leitlinie dienen kann, wenn sie der Kommission mitgeteilt und
im Amtsblatt des Amtes veröffentlicht wurde, was auch dann gilt, wenn die Vereinbarung
vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 geschlossen wurde. Eine solche
Vereinbarung kann für die Entschädigung einen anderen Satz festlegen als den
hilfsweise in Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 vorgesehenen.
Zur vierten Frage
44 Mit dieser Frage ersucht der Bundesgerichtshof den Gerichtshof im Wesentlichen um
Klärung, ob der in Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 genannte Prozentsatz
von 50 % eine obere Grenze für die Bemessung der Entschädigung darstellt.
45 Erstens ist festzustellen, dass dieser Artikel 5 Absatz 5 nur dann Anwendung findet,
wenn keine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten
vorliegt.
46 Zweitens ist, wie der Generalanwalt in Nummer 55 seiner Schlussanträge ausgeführt
hat, aus dem Wortlaut dieser Bestimmung abzuleiten, dass der angegebene Wert
verbindlich ist und keine bloße Ober- oder Untergrenze darstellt. Die Tatsache, dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber im zweiten Unterabsatz dieser Vorschrift eine
Ausnahmeregelung vorgesehen hat, steht dieser Feststellung nicht entgegen, da diese
Ausnahmeregelung nur für eine begrenzte Zeit galt und dazu bestimmt war, einen Anreiz
für den raschen Abschluss von Vereinbarungen zwischen Vereinigungen von Inhabern
und von Landwirten vor dem 1. April 1999 zu schaffen.
47 Folglich ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Entschädigung des Inhabers,
wenn keine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Inhabern und von Landwirten
vorliegt, nach Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95 nach einem festen Satz zu
bemessen ist, der weder eine obere noch eine untere Grenze darstellt.
Kosten
48 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem
bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
1 . Im Fall der Inanspruchnahme der Ausnahme für die Landwirtschaft nach
Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli
1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz genügt die pauschale
1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz genügt die pauschale
Entschädigung in Höhe von 80 % des Betrages, der im selben Gebiet für die
Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz derselben Sorte der untersten
zur amtlichen Zertifizierung zugelassenen Kategorie verlangt wird, nicht der
Voraussetzung, dass – vorbehaltlich der Beurteilung der anderen erheblichen
Umstände der einzelnen Ausgangsrechtsstreitigkeiten durch das nationale
Gericht – diese Entschädigung im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der
Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die
Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG)
Nr. 2100/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission
vom 3. Dezember 1998 „deutlich niedriger“ sein muss als der Betrag, der für
die Erzeugung von Vermehrungsmaterial in Lizenz verlangt wird.
2 . Die Kriterien, nach denen der Betrag der Entschädigung des Inhabers eines
gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts bemessen werden kann, werden in
Artikel 5 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 1768/95 in der Fassung der
Verordnung Nr. 2605/98 definiert. Diese Kriterien sind nicht rückwirkend
anwendbar, können aber als Anhaltspunkt für die Berechnung der
entsprechenden Entschädigung in Bezug auf einen Nachbau vor dem
Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 dienen.
3
. Eine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Inhabern und von
Landwirten im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1768/95 in der
Fassung der Verordnung Nr. 2605/98 kann nur dann mit allen ihren
Parametern als Leitlinie dienen, wenn sie der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften mitgeteilt und im Amtsblatt des Gemeinschaftlichen
Sortenamts veröffentlicht wurde, was auch dann gilt, wenn die Vereinbarung
vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2605/98 geschlossen wurde. Eine
solche Vereinbarung kann für die Entschädigung einen anderen Satz
festlegen als den hilfsweise in Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung Nr. 1768/95
in der Fassung der Verordnung Nr. 2605/98 vorgesehenen.
4 . Wenn keine Vereinbarung zwischen Vereinigungen von Inhabern und von
Landwirten vorliegt, ist die Entschädigung des Inhabers eines
gemeinschaftlichen Sortenschutzrechts nach Artikel 5 Absatz 5 der
Verordnung Nr. 1768/95 in der Fassung der Verordnung Nr. 2605/98 nach
einem festen Satz zu bemessen, der weder eine obere noch eine untere
Grenze darstellt.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Deutsch.