Urteil des EuGH vom 18.01.2005
EuGH: kommission, verordnung, vertrag von amsterdam, vertrag über die europäische union, schengen, visa, handbuch, rat der europäischen union, kontrolle, einheitliche europäische akte
WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Plenum )
18. Januar 200
„Verordnungen (EG) Nrn. 789/2001 und 790/2001 – Visapolitik – Grenzkontrollen und Überwachung der
Grenzen – Artikel 202 EG – Dem Rat vorbehaltene Durchführungsbefugnisse – Den Mitgliedstaaten
vorbehaltene Aktualisierung – Spezifität der Fälle – Begründungspflicht“
In der Rechtssache C-257/01
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am 3. Juli 2001,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
unterstützt durch
Königreich der Niederlande,
Streithelfer,
gegen
Rat der Europäischen Union,
Beklagter,
unterstützt durch
Königreich Spanien,
Luxemburg,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Plenum )
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas
und K. Lenaerts, der Richter C. Gulmann, J.-P. Puissochet und R. Schintgen (Berichterstatter), der Richterin
N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. April 2004,
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Nichtigerklärung der
Verordnung (EG) Nr. 789/2001 des Rates vom 24. April 2001, mit der dem Rat Durchführungsbefugnisse im
Hinblick auf bestimmte detaillierte Vorschriften und praktische Verfahren zur Prüfung von Visumanträgen
vorbehalten werden (ABl. L 116, S. 2), und der Verordnung (EG) Nr. 790/2001 des Rates vom 24. April 2001
zur Übertragung von Durchführungsbefugnissen an den Rat im Hinblick auf bestimmte detaillierte
Vorschriften und praktische Verfahren für die Durchführung der Grenzkontrollen und die Überwachung der
Grenzen (ABl. L 116, S. 5, im Folgenden zusammen: angefochtene Verordnungen).
2
Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofes vom 10. Oktober und 8. November 2001 sind das
Königreich Spanien und das Königreich der Niederlande als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des
Rates der Europäischen Union bzw. der Kommission zugelassen worden.
Rechtlicher Rahmen
3
Artikel 202 EG bestimmt:
„Zur Verwirklichung der Ziele und nach Maßgabe dieses Vertrags
–
…
–
…
–
überträgt der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur
Durchführung der Vorschriften, die er erlässt. Der Rat kann bestimmte Modalitäten für die Ausübung
dieser Befugnisse festlegen. Er kann sich in spezifischen Fällen außerdem vorbehalten,
Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben. Die oben genannten Modalitäten müssen den
Grundsätzen und Regeln entsprechen, die der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach
Stellungnahme des Europäischen Parlaments vorher einstimmig festgelegt hat.“
4
Artikel 62 EG, der zum Titel IV des Vertrages – „Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den
freien Personenverkehr“ – gehört, sieht vor:
„Der Rat beschließt nach dem Verfahren des Artikels 67 innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach
Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam
…
2.
Maßnahmen bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen der Mitgliedstaaten, mit denen
Folgendes festgelegt wird:
a)
Normen und Verfahren, die von den Mitgliedstaaten bei der Durchführung der
Personenkontrollen an diesen Grenzen einzuhalten sind;
b)
Vorschriften über Visa für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monaten einschließlich
i)
der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen
im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Drittländer, deren Staatsangehörige von
dieser Visumpflicht befreit sind;
ii)
der Verfahren und Voraussetzungen für die Visumerteilung durch die Mitgliedstaaten;
iii)
der einheitlichen Visumgestaltung;
iv)
der Vorschriften für ein einheitliches Visum.
…“
5
Artikel 64 Absatz 1 EG lautet:
„Dieser Titel berührt nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit.“
6
Artikel 67 Absatz 1 EG bestimmt:
„Der Rat handelt während eines Übergangszeitraums von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von
Amsterdam einstimmig auf Vorschlag der Kommission oder auf Initiative eines Mitgliedstaats und nach
Anhörung des Europäischen Parlaments.“
7
Nach Artikel 1 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen
Union, das durch den Vertrag von Amsterdam dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt wurde (im Folgenden: Protokoll), sind dreizehn
Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermächtigt, untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit im
Rahmen des Schengen-Besitzstands, wie er im Anhang des genannten Protokolls definiert wird, zu
begründen.
8
Der so definierte Schengen-Besitzstand umfasst u. a. das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnete
Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik
Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den
gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 13, im Folgenden: Übereinkommen von Schengen) sowie das am
19. Juni 1990 unterzeichnete Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (ABl.
2000, L 239, S. 19, im Folgenden: SDÜ) einschließlich der Beschlüsse des Exekutivausschusses, der durch
das SDÜ eingesetzt wurde.
9
Titel II des SDÜ enthält in seinen Kapiteln 2 und 3 die Vorschriften über das Überschreiten der Außengrenzen
und über Sichtvermerke.
10
Die Modalitäten zur Durchführung dieser Regelungen wurden in Bezug auf die Grenzkontrollen im
Gemeinsamen Handbuch festgelegt und in Bezug auf Visumanträge in der Gemeinsamen Konsularischen
Instruktion an die diplomatischen Missionen und die konsularischen Vertretungen, die von
Berufskonsularbeamten geleitet werden (ABl. 2002, C 313, S. 1, im Folgenden: GKI). Die endgültigen
Fassungen der GKI und des Gemeinsamen Handbuchs wurden vom Exekutivausschuss nach Artikel 132 SDÜ
und auf der Grundlage der Artikel 3 Absatz 1, 5 Absatz 1, 6 Absatz 3, 8, 12 Absatz 3 und 17 SDÜ mit dem
Beschluss vom 28. April 1999 bezüglich der Aufhebung von Altfassungen des Gemeinsamen Handbuchs und
der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion und Annahme der Neufassungen (SCH/Com-ex [99] 13) (ABl.
2000, L 239, S. 317, im Folgenden: Beschluss 99/13) erlassen.
11
Das Gemeinsame Handbuch und die GKI enthalten sowohl detaillierte normative Bestimmungen als auch
praktische Anleitungen, die sich zum einen an die Beamten richten, die die Kontrollen an den Außengrenzen
der Vertragsparteien durchführen, und zum anderen – im Hinblick auf die laufende Bearbeitung von
Visumanträgen – an die Konsularagenten der Vertragsparteien.
12
Hinsichtlich bestimmter Aspekte der GKI ist noch auf mehrere Beschlüsse des Exekutivausschusses zu
verweisen. Es handelt sich um die Beschlüsse vom 16. Dezember 1998 (SCH/Com-ex [98] 56) (ABl. 2000,
L 239, S. 207, im Folgenden: Beschluss 98/56) und vom 28. April 1999 (SCH/Com-ex [99] 14) (ABl. 2000,
L 239, S. 298, im Folgenden: Beschluss 99/14) zur Schaffung eines Handbuchs visierfähiger Dokumente.
Überdies wurde mit dem Beschluss des Exekutivausschusses vom 21. November 1994 (SCH/Com-ex [94] 15
rev.) (ABl. L 239, S. 165, im Folgenden: Beschluss 94/15) ein automatisiertes Verfahren zur Konsultation der
zentralen Behörden gemäß Artikel 17 Absatz 2 SDÜ eingeführt.
13
Nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Protokolls ist der Schengen-Besitzstand für die in Artikel 1 des
Protokolls aufgeführten dreizehn Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages von
Amsterdam sofort anwendbar. Dieselbe Bestimmung sieht vor, dass der Rat für die Ausübung der Befugnisse
des Exekutivausschusses an dessen Stelle tritt.
14
Nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 2 des Protokolls erließ der Rat am 20. Mai 1999 den Beschluss
1999/436/EG zur Festlegung der Rechtsgrundlagen für die einzelnen Bestimmungen und Beschlüsse, die den
Schengen-Besitzstand bilden, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Vertrages zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrages über die Europäische Union (ABl. L 176, S. 17). Aus
Artikel 2 in Verbindung mit Anhang A dieses Beschlusses ergibt sich, dass die Artikel 62 EG und 63 EG die
neuen Rechtsgrundlagen für den Beschluss 99/13 darstellen und die Artikel 62 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer
ii EG, 62 EG und 62 Absatz 2 Buchstabe b EG jeweils die neue Rechtsgrundlage für die Beschlüsse 98/56,
99/14 und 94/15.
15
Artikel 1 Absatz 1 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten
für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23, im
Folgenden: zweiter Komitologiebeschluss) lautet:
„Außer in spezifischen und begründeten Fällen, in denen der Basisrechtsakt dem Rat die unmittelbare
Ausübung von Durchführungsbefugnissen vorbehält, werden diese der Kommission entsprechend den
einschlägigen Bestimmungen des Basisrechtsakts übertragen. In diesen Bestimmungen werden die
Hauptbestandteile der so übertragenen Befugnisse festgelegt.“
16
Im Anschluss an den Erlass des Beschlusses 1999/436 wurde es für zweckmäßig erachtet, in einem
Gemeinschaftsrechtsakt die Verfahren festzulegen, nach denen die Maßnahmen zur Durchführung und
Aktualisierung des Gemeinsamen Handbuchs und der GKI zu treffen waren.
17
Zu diesem Zweck billigte der Rat die Verordnungen Nrn. 789/2001 und 790/2001 auf der Grundlage von
Artikel 62 Nummern 2 und 3 EG bzw. der Artikel 62 Nummer 2 Buchstaben a und b EG sowie 67 Absatz 1 EG.
18
Nach der zweiten bis vierten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und der zweiten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001 müssen bestimmte, in der GKI und im Gemeinsamen
Handbuch sowie in den entsprechenden Anlagen enthaltene „detaillierte Vorschriften und praktische
Verfahren“ für die Prüfung von Visumanträgen sowie die Durchführung der Grenzkontrollen und die
Überwachung der Außengrenzen „regelmäßig geändert und aktualisiert werden, um den operativen
Anforderungen der … zuständigen [Behörden] zu genügen“.
19
Dazu werden mit den angefochtenen Verordnungen zwei Verfahren eingeführt. Zum einen ist jeweils in
Artikel 1 vorgesehen, dass der Rat bestimmte, dort aufgelistete Vorschriften einstimmig ändern kann. Zum
anderen wird in Artikel 2 der Verordnungen jeweils ein Verfahren eingeführt, nach dem die Mitgliedstaaten
die Änderungen, die sie an bestimmten Vorschriften oder Teilen der aufgeführten Anlagen der GKI und des
Gemeinamen Handbuchs vornehmen möchten, dem Generalsekretär des Rates mitteilen, der diese
Änderungen anschließend den Mitgliedern des Rates und der Kommission mitteilt.
Die Verordnung Nr. 789/2001
20
In der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 heißt es:
„Da die Mitgliedstaaten eine wichtige Funktion bei der Festlegung der Visumpolitik haben, die den sensiblen
politischen Charakter dieses Bereichs – insbesondere hinsichtlich der politischen Beziehungen zu
Drittländern – zum Ausdruck bringt, behält sich der Rat das Recht vor, während des in Artikel 67 Absatz 1 des
Vertrags genannten Übergangszeitraums von fünf Jahren die oben genannten detaillierten Vorschriften und
praktischen Verfahren einstimmig festzulegen, zu ndern und zu aktualisieren, bis er die Bedingungen
geprüft hat, unter denen der Kommission derartige Durchführungsbefugnisse nach Ablauf des
Übergangszeitraums übertragen würden.“
21
Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 789/2001 bestimmt:
„(1) Der Rat ändert einstimmig auf Initiative eines seiner Mitglieder oder auf Vorschlag der Kommission
erforderlichenfalls die Teile II, III, V, VI, VII und VIII der GKI sowie deren Anlage 2 (abgesehen von der Liste B
und der Visumpflicht hinsichtlich der in Liste A aufgeführten Länder, bei denen keine vorherige Konsultation
durchgeführt werden muss) und die Teile I und III der Anlage 3 der GKI sowie deren Anlagen 6, 10, 11, 12,
13, 14 und 15.
(2) Der Rat ändert einstimmig auf Initiative eines seiner Mitglieder oder auf Vorschlag der Kommission
erforderlichenfalls die Einleitung und die Teile I, II und III des Schengener Konsultationsnetzes (Pflichtenheft)
sowie die Anlagen 2, 2A, 3, 4, 5, 7 und 8 dieses Dokuments.“
22
Die Bestimmungen der GKI, die der Rat nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 789/2001 ändern kann, betreffen
folgende Bereiche:
–
die für einen Visumantrag für einen Aufenthalt von nicht mehr als drei Monaten zuständige
Auslandsvertretung (Teil II der GKI);
–
die Entgegennahme eines Visumantrags für einen Aufenthalt von nicht mehr als drei Monaten (Teil III
der GKI);
–
die Bearbeitung und Entscheidung des Antrages (Teil V der GKI);
–
das Ausfüllen der Visummarke (Teil VI der GKI);
–
die Verwaltung und Organisation der Visumstelle (Teil VII der GKI);
–
die Zusammenarbeit der Konsulate vor Ort (Teil VIII der GKI);
–
die Regelung des Reiseverkehrs von Inhabern von Diplomaten-, Amts- oder Dienstpässen sowie von
Passierscheinen, die einige zwischenstaatliche internationale Organisationen ihren Beamten
ausstellen (Anlage 2 zur GKI mit Ausnahme der Liste B und der Visumpflicht hinsichtlich der in der Liste
A aufgeführten Länder, bei denen keine vorherige Konsultation durchgeführt werden muss);
–
die gemeinsame Liste der Drittstaaten, deren Angehörige ein Visum für den Flughafentransit für alle
Mitgliedstaaten benötigen, die Vertragsparteien des Übereinkommens von Schengen sind (im
Folgenden: Schengener Staaten), wobei diese Visumpflicht ebenfalls für Personen gilt, die im Besitz
der von diesen Drittstaaten ausgestellten Reisedokumente sind (Anlage 3 Teil 1 zur GKI);
–
die Liste der Aufenthaltstitel von Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, bei denen die
betreffenden Personen bei Vorlage des Dokuments von der Flughafentransitvisumpflicht befreit
sind (Anlage 3 Teil 3 zur GKI);
–
die Liste der Honorarkonsuln, die in Ausnahmefällen und vorübergehend zur Erteilung von Visa
ermächtigt sind (Anlage 6 zur GKI);
–
die Vorschriften zum Ausfüllen der maschinenlesbaren Zone (Anlage 10 zur GKI);
–
die visierfähigen Reisedokumente (Anlage 11 zur GKI);
–
die den Verwaltungskosten für die Bearbeitung des Visumantrags entsprechenden Gebühren (in
Euro) (Anlage 12 zur GKI);
–
die Hinweise zum Ausfüllen der Visummarke (Anlage 13 zur GKI);
–
die Grundsätze und Verfahren der Unterrichtung der Vertragsparteien bei der Erteilung räumlich
beschränkter Visa, bei der Annullierung, Aufhebung und Verringerung der Gültigkeitsdauer
einheitlicher Visa und bei der Erteilung nationaler Aufenthaltstitel (Anlage 14 zur GKI);
–
die Muster der durch die Vertragsstaaten erstellten harmonisierten Formulare zum Nachweis einer
Einladung, einer Verpflichtungserklärung oder einer Aufnahmebescheinigung (Anlage 15 zur GKI).
23
Im Übrigen sieht die zehnte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 vor:
„Ferner muss ein Verfahren vorgesehen werden, mit dem die Mitglieder des Rates und der Kommission
unverzüglich unterrichtet werden über alle Änderungen der Tabelle visierfähiger Dokumente, der Übersicht
über die Vertretung bei der Erteilung von Schengen-Visa in Drittstaaten, in denen nicht alle Schengen-
Staaten vertreten sind, der Anlagen 6 und 9 des Schengener Konsultationsnetzes (Pflichtenheft) und
derjenigen Anlagen der GKI, die vollständig oder teilweise aus Listen mit Sachinformationen bestehen, die
von allen Mitgliedstaaten entsprechend den derzeit von ihnen angewandten Regelungen geliefert werden
müssen und die daher nicht durch einen Rechtsakt des Rates festgelegt, geändert oder aktualisiert werden
können.“
24
Artikel 2 der Verordnung bestimmt:
„(1) Jeder Mitgliedstaat teilt dem Generalsekretär des Rates die Änderungen mit, die er an Teil III von Anlage
1, Liste A von Anlage 2 (abgesehen von der Visumpflicht hinsichtlich der in dieser Liste aufgeführten Länder,
bei denen eine vorherige Konsultation durchgeführt werden muss) und Liste B von Anlage 2, Teil II von
Anlage 3 und den Anlagen 4, 5, 7 und 9 der GKI, an der Tabelle der visierfähigen Dokumente, an der
Übersicht über die Vertretung bei der Erteilung von Schengen-Visa in Drittstaaten, in denen nicht alle
Schengen-Staaten vertreten sind, und an den Anlagen 6 und 9 des Schengener Konsultationsnetzes
(Pflichtenheft) vornehmen möchte.
(2) Will ein Mitgliedstaat eine Änderung an den Anlagen 4, 5B, 5C, 7 oder 9 der GKI vornehmen, so legt er
den anderen Mitgliedstaaten zunächst einen Änderungsvorschlag vor und gibt ihnen Gelegenheit, zu diesem
Vorschlag Stellung zu nehmen.
(3) Nach den Absätzen 1 und 2 vorgenommene Änderungen gelten ab dem Zeitpunkt als wirksam, zu dem
sie vom Generalsekretär den Mitgliedern des Rates und der Kommission mitgeteilt werden.“
25
Die Bestimmungen der GKI, die die Mitgliedstaaten nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 789/2001 ändern
können, betreffen folgende Bereiche:
–
die Liste der Staaten, deren Angehörige in einem oder mehreren Schengener Staaten generell
visumpflichtig sind, während Angehörige dieser Staaten, die Inhaber von Diplomaten-, Amts- oder
Dienstpässen sind, nicht der Visumpflicht unterliegen (Anlage 2 Liste A zur GKI mit Ausnahme der
Visumpflicht hinsichtlich der in dieser Liste aufgeführten Länder, bei denen eine vorherige
Konsultation durchgeführt werden muss);
–
die Liste der Staaten, deren Angehörige in einem oder mehreren Schengener Staaten generell nicht
visumpflichtig sind, während Angehörige dieser Staaten, die Inhaber von Diplomaten-, Amts- oder
Dienstpässen sind, der Visumpflicht unterliegen (Anlage 2 Liste B zur GKI);
–
die gemeinsame Liste der Drittstaaten, deren Angehörige nur in einigen Schengener Staaten ein
Visum für den Flughafentransit benötigen, wobei diese Visumpflicht ebenfalls für Personen gilt, die im
Besitz der von diesen Drittstaaten ausgestellten Reisedokumente sind (Anlage 3 Teil II zur GKI);
–
die Liste von Dokumenten, die die visafreie Einreise ermöglichen (Anlage 4 zur GKI);
–
die Liste der Fälle, bei denen nach Artikel 17 Absatz 2 SDÜ vor der Erteilung des Visums die zentralen
Behörden der betroffenen Vertragspartei zu konsultieren sind (Anlage 5A zur GKI);
–
die Liste der Fälle, bei denen nach Artikel 17 Absatz 2 SDÜ vor der Erteilung des Visums die zentralen
Behörden der anderen Vertragsparteien zu konsultieren sind (Anlagen 5B und 5C zur GKI);
–
die jährlich von den nationalen Behörden für den Grenzübertritt festgelegten Richtbeträge (d. h. die
für den Lebensunterhalt hinreichenden Mittel) (Anlage 7 zur GKI);
–
die Informationen, die von den Behörden gegebenenfalls in das Feld „Anmerkungen“ der Visummarke
einzutragen sind (Anlage 9 zur GKI);
–
bestimmte Aspekte hinsichtlich des automatisierten Konsultationsverfahrens für die Erteilung von Visa
(Anlagen 6 und 9 zum „Schengener Konsultationsnetz [Pflichtenheft]“).
Die Verordnung Nr. 790/2001
26
Die fünfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001, die fast wörtlich mit der achten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 übereinstimmt, sieht vor:
„Da die Mitgliedstaaten eine besonders wichtige Funktion in Bezug auf die Entwicklung einer Grenzpolitik
haben, die den sensiblen Charakter dieses Bereichs zum Ausdruck bringt, zu dem insbesondere die
politischen Beziehungen zu Drittländern gehören, behält sich der Rat während des in Artikel 67 Absatz 1 des
Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft genannten Übergangszeitraums von fünf Jahren das
Recht vor, die detaillierten Vorschriften und praktischen Verfahren einstimmig festzulegen, zu ändern und zu
aktualisieren, bis er geprüft hat, unter welchen Bedingungen derartige Durchführungsbefugnisse nach
Ablauf des Übergangszeitraums der Kommission übertragen würden.“
27
Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung bestimmt:
„Der Rat ändert einstimmig auf Initiative eines seiner Mitglieder oder auf Vorschlag der Kommission
erforderlichenfalls Teil I Nummern 1.2, 1.3, 1.3.1, 1.3.3, 2.1, 3.1.2, 3.1.3, 3.1.4, 3.2.4, 4.1, 4.1.1, 4.1.2 und
Teil II Nummern 1.1, 1.3, 1.4.1, 1.4.1a, 1.4.4, 1.4.5, 1.4.6, 1.4.7, 1.4.8, 2.1, 2.2.2, 2.2.3, 2.2.4, 2.3, 3.1, 3.2,
3.3.1, 3.3.2, 3.3.3, 3.3.4, 3.3.5, 3.3.6, 3.3.7, 3.3.8, 3.4, 3.5, 4.1, 4.2, 5.2, 5.3, 5.4, 5.5, 5.6, 6.4, 6.5, 6.6, 6.7,
6.8, 6.9, 6.10 und 6.11 des Gemeinsamen Handbuchs sowie dessen Anlage 9.“
28
Die Bestimmungen des Gemeinsamen Handbuchs, die der Rat nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 790/2001
ändern kann, betreffen folgende Bereiche:
–
den Grenzübertritt an zugelassenen Grenzübergangsstellen (Teil I Nr. 1.2 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
den Grenzübertritt außerhalb dieser Stellen (Teil I Nrn. 1.3, 1.3.1 und 1.3.3 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
die nach Ländern geordnete Liste der für das Überschreiten der Außengrenzen als gültig anerkannten
Dokumente sowie der visierfähigen Dokumente (Teil I Nr. 2.1 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die in Anlage 6 zum Gemeinsamen Handbuch enthaltene technische Beschreibung der Visamarke (Teil
I Nr. 3.1.2 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die in Anlage 7 zum Gemeinsamen Handbuch vorgesehenen Muster von Visamarken für verschiedene
mögliche Eintragungen (Teil I Nr. 3.1.3 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Vorschrift, dass „[d]ie Vordrucke in der Marke … in Englisch, Französisch und den jeweiligen
nationalen Sprachen abgefasst [sind]“ (Teil I Nr. 3.1.4 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Vorschrift, dass „[d]ie Grundsätze und das Verfahren der Unterrichtung der Vertragsparteien bei
der Erteilung räumlich beschränkter Visa, bei der Annullierung, Aufhebung und Verringerung der
Gültigkeitsdauer einheitlicher Visa und bei der Erteilung nationaler Inlandstitel … sich aus der Anlage
8a [ergeben]“ (Teil I Nr. 3.2.4 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
der Nachweis oder die Glaubhaftmachung der Einreisegründe, die geltend gemacht werden können
(Teil I Nrn. 4.1, 4.1.1 und 4.1.2 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die zur Durchführung der Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen berechtigten Bediensteten (Teil II
Nr. 1.1 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Kontrollmodalitäten (Teil II Nr. 1.3 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
bestimmte detaillierte Bestimmungen über die Modalitäten der Einreiseverweigerung (Teil II Nrn. 1.4.1,
1.4.1a sowie 1.4.4 bis 1.4.8 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die detaillierten Bestimmungen über die Anbringung von Stempeln (Teil II Nr. 2.1 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
bestimmte detaillierte Bestimmungen über die Überwachung der Außengrenzen außerhalb der
Grenzübergangsstellen und der für sie festgesetzten Öffnungszeiten (Teil II Nrn. 2.2.2, 2.2.3 und 2.2.4
des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Liste der zu registrierenden Informationen (Teil II Nr. 2.3 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Kontrolle des Straßenverkehrs (Teil II Nr. 3.1 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Kontrolle des Eisenbahnverkehrs (Teil II Nr. 3.2 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
das Verfahren zur Bestimmung des Ortes der Personenkontrolle einschließlich der Kontrolle des
Handgepäcks im internationalen Zivilluftverkehr (Teil II Nr. 3.3.1 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
zusätzliche Modalitäten zur Personenkontrolle im internationalen Zivilluftverkehr (Teil II Nrn. 3.3.2,
3.3.3, 3.3.4 und 3.3.5 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
das Kontrollverfahren auf Landeplätzen (Teil II Nr. 3.3.6 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Vorschrift, dass „[z]ur Vermeidung von Gefahren … eine Überprüfung von Reisenden solcher
Binnenflüge auf Verkehrsflughäfen und Landeplätzen erfolgen [muss], bei denen nicht zweifelsfrei
feststellbar ist, ob sie ausschließlich von und nach dem Gebiet der Vertragsparteien ohne Landung
auf dem Gebiet eines Drittstaates stattgefunden haben“ (Teil II Nr. 3.3.7 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
die Kontrolle des Seeschiffsverkehrs mit Ausnahme von regelmäßigen Fährverbindungen,
Vergnügungsschifffahrt, Küstenfischerei und Binnenschifffahrt (Teil II Nr. 3.4 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
die Kontrolle der Schifffahrt auf Binnengewässern (Teil II Nr. 3.5 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
der Informationsaustausch (Teil II Nr. 4.1 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Entsendung von Verbindungsbeamten (Teil II Nr. 4.2 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die Erteilung eines Visums an der Grenze (Teil II Nrn. 5.2 bis 5.6 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Piloten und anderem Flugpersonal (Teil II Nr. 6.4
des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Seeleuten (Teil II Nr. 6.5 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Inhabern von Diplomaten-, Amts- und
Dienstpässen (Teil II Nr. 6.6 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Grenzarbeitnehmern (Teil II Nr. 6.7 des
Gemeinsamen Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Minderjährigen (Teil II Nr. 6.8 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Gruppenreisen (Teil II Nr. 6.9 des Gemeinsamen
Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Ausländern, die an der Grenze einen Asylantrag
stellen (Teil II Nr. 6.10 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die besonderen Vorschriften über die Kontrolle von Mitgliedern internationaler Organisationen (Teil II
Nr. 6.11 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
das Muster der Visa für den längerfristigen Aufenthalt (Anlage 9 zum Gemeinsamen Handbuch).
29
Die siebte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001, die analog zur zehnten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 abgefasst ist, lautet:
„Ferner muss ein Verfahren vorgesehen werden, mit dem die Mitglieder des Rates und die Kommission
unverzüglich über alle Änderungen derjenigen Anlagen des Gemeinsamen Handbuchs unterrichtet werden,
die vollständig oder teilweise aus Listen mit Sachinformationen bestehen, die von allen Mitgliedstaaten
entsprechend den derzeit von ihnen angewandten Regelungen bereitgestellt werden müssen und die daher
nicht durch einen Rechtsakt des Rates festgelegt, geändert oder aktualisiert werden können.“
30
Artikel 2 der Verordnung Nr. 790/2001 bestimmt:
„(1) Jeder Mitgliedstaat teilt dem Generalsekretär des Rates mit, welche Änderungen er an Teil I Nummer
1.3.2 und an den Anlagen 1, 2, 3, 7, 12 und 13 des Gemeinsamen Handbuchs vornehmen will.
(2) Nach Absatz 1 vorgenommene Änderungen gelten ab dem Zeitpunkt als wirksam, zu dem sie vom
Generalsekretär den Mitgliedern des Rates und der Kommission mitgeteilt werden.“
31
Die Bestimmungen des Gemeinsamen Handbuchs, die die Mitgliedstaaten nach Artikel 2 der Verordnung
Nr. 790/2001 ändern können, betreffen folgende Bereiche:
–
die Vorschrift, dass „Staatsangehörige des Königreichs Belgien, des Königreichs Dänemark, der
Republik Frankreich, des Großherzogtums Luxemburg und des Königreichs der Niederlande …
berechtigt [sind], an jeder beliebigen Stelle in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen,
einzureisen“ (Teil I Nr. 1.3.2 des Gemeinsamen Handbuchs);
–
die zugelassenen Grenzübergangsstellen im Sinne des Teils I Nummer 1.2 des Gemeinsamen
Handbuchs (Anlage 1 zum Gemeinsamen Handbuch);
–
die Muster der Visamarke im Sinne des Teils I Nummer 3.1.3 des Gemeinsamen Handbuchs (Anlage 7
zum Gemeinsamen Handbuch);
–
die Muster von Einlegeblättern, d. h. die Genehmigungen, die Visa ersetzen (Anlage 12 zum
Gemeinsamen Handbuch);
–
die Muster von Ausweisen, die vom Außenministerium ausgestellt werden (Anlage 13 zum
Gemeinsamen Handbuch).
32
Die Anlagen 2 und 3 zum Gemeinsamen Handbuch, auf die Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 790/2001
Bezug nimmt, wurden durch die Entscheidung 2002/352/EG des Rates vom 25. April 2002 zur Überarbeitung
des Gemeinsamen Handbuchs Teil I (ABl. L 123, S. 47) aufgehoben.
Zur Klage
33
Die Kommission stützt ihre Klage auf zwei Gründe. Erstens sei gegen Artikel 202 EG und Artikel 1 des zweiten
Komitologiebeschlusses verstoßen worden, indem sich der Rat in den Artikeln 1 der angefochtenen
Verordnungen in missbräuchlicher Weise und ohne hinreichende Begründung Durchführungsbefugnisse
vorbehalten habe. Zweitens sei gegen Artikel 202 EG verstoßen worden, indem den Mitgliedstaaten in den
Artikeln 2 der angefochtenen Verordnungen die Befugnis verliehen werde, selbst bestimmte Nummern der
GKI und bestimmte, die GKI ergänzende Beschlüsse des Exekutivausschusses sowie einige Nummern des
Gemeinsamen Handbuchs zu ändern.
Vorbringen der Parteien
34
Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes macht die
Kommission geltend, dass der Rat nicht nachgewiesen habe, dass die in den angefochtenen Verordnungen
vorgesehenen Durchführungsmaßnahmen einen derart spezifischen Charakter aufwiesen, dass er die
Wahrnehmung von Durchführungsbefugnissen durch den Rat rechtfertigen könne. Aus der achten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und aus der fünften Begründungserwägung der
Verordnung Nr. 790/2001 ergebe sich, dass der Rat eine „generische“ Begründung gegeben habe, die eher
einen ganzen Bereich der GKI und des Gemeinsamen Handbuchs als eine spezifische Maßnahme abdecken
könne.
35
In den genannten Begründungserwägungen werde nämlich weder die Natur noch der Inhalt der fraglichen
Durchführungsbefugnisse näher dargelegt, mit denen die Notwendigkeit der Ausübung dieser Befugnisse
durch den Rat selbst nachgewiesen würde, da der bloße Verweis auf die Visumpolitik und die Überwachung
der Grenzen im Allgemeinen nicht ausreichen könne, um den spezifischen Charakter der zu treffenden
Maßnahmen zu belegen.
36
Ebenso könne eine Rechtfertigung mit der „wichtigen“ oder „besonders wichtigen Rolle der Mitgliedstaaten“,
die sich nur darauf beziehen könne, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen des Titels IV des Vertrages
legislative Initiativen ergreifen könnten, und mit dem sensiblen Charakter – insbesondere auf der Ebene der
politischen Beziehungen zu Drittländern – der Fragen in Bezug auf die Überwachung der Grenzen und die
Erteilung von Visa, der gerade die wichtige Rolle der Mitgliedstaaten erkläre, für jede
Durchführungsmaßnahme gelten, die im Rahmen des genannten Titels IV erlassen werde.
37
Schließlich werde durch die Bezugnahme auf den Übergangszeitraum von fünf Jahren nach Artikel 67 Absatz
1 EG und die Zusage des Rates, zu prüfen, „unter welchen Bedingungen derartige Durchführungsbefugnisse
nach Ablauf des Übergangszeitraums der Kommission übertragen würden“, klar bestätigt, dass sich der Rat
die Durchführungsbefugnisse nicht aufgrund der Natur oder des Inhalts der Basisrechtsakte vorbehalten
habe, sondern deshalb, weil diese unter den Titel IV des Vertrages fielen.
38
Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes trägt die Kommission vor, dass der Rat unabhängig vom
spezifischen Charakter der Durchführungsmaßnahmen die in Artikel 253 EG vorgesehene Begründungspflicht
missachtet habe. Mit einer Begründung, die zum einen auf die institutionellen Besonderheiten des Titels IV
des Vertrages und zum anderen auf den sensiblen Charakter der betreffenden Politiken gestützt werde,
lasse sich die Entscheidung des Rates, sich die in den angefochtenen Verordnungen vorgesehenen
Durchführungsbefugnisse vorzubehalten, nicht rechtfertigen.
39
Zu den institutionellen Besonderheiten des Titels IV des Vertrages trägt die Kommission vor, dass
Sachgebiete wie die Außengrenzen, das Asylrecht, die Einwanderung und die justizielle Zusammenarbeit in
Zivilsachen, die zuvor zum Titel VI des Vertrages über die Europäische Union gehört hätten,
„vergemeinschaftet“ worden seien.
40
Zwar seien die Mitgliedstaaten befugt, während eines in Artikel 67 Absatz 1 EG vorgesehenen
Übergangszeitraums legislative Initiativen zu ergreifen, und Artikel 68 EG enthalte Bestimmungen, die
hinsichtlich des Verfahrens nach Artikel 234 EG Abweichungen vorsähen. Doch dürften die besonderen oder
abweichenden Bestimmungen des Titels IV des EG-Vertrags den Rückgriff auf die nach Artikel 202 EG
eingeführten „Komitologie“-Verfahren nicht verwehren.
41
Im Übrigen macht die Kommission geltend, dass sie, auch wenn der sensible Charakter der Bereiche
Überwachung der Grenzen und Visaerteilung anerkannt werde müsse, in der Lage sei, derartige
Gegenstände zu behandeln, und jedenfalls nicht tätig werden dürfe, ohne die Mitgliedstaaten nach den
„Komitologie“-Verfahren an der Entscheidung zu beteiligen. Die Kommission betont die institutionelle Rolle,
die ihr der Vertrag hinsichtlich der Beziehungen zu Drittländern zuerkenne, insbesondere im Stadium der
Verhandlung von externen Abkommen. Auch seien bestimmte Aspekte der Visapolitik, insbesondere die
Bezeichnung der Staaten, deren Angehörige ein Visum benötigten, bereits vor der Annahme des Vertrages
von Amsterdam in den gemeinschaftlichen Rahmen gefallen. Schließlich beträfen die genannten Bereiche
nur Verfahrens- und Formfragen.
42
Der Rat führt einleitend aus, dass es sich bei der GKI und dem Gemeinsamen Handbuch um hybride
Instrumente in dem Sinne handele, dass sie beide zugleich Bestimmungen legislativer, exekutiver und
tatsächlicher Natur enthielten. Dieser Besonderheit werde in den angefochtenen Verordnungen Rechnung
getragen, indem darin zur Änderung der GKI und des Gemeindsamen Handbuchs drei verschiedene
Verfahren vorgesehen würden. Nach der elften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und
der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001 könnten die normativen Bestimmungen nur
entsprechend den einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrags geändert werden; die Bestimmungen
exekutiver Natur könnten nur entsprechend dem jeweils in Artikel 1 der angefochtenen Verordnungen
genannten Verfahren geändert werden, und nur die Änderungen dieser Bestimmungen könnten als
Durchführungsmaßnahmen angesehen werden; schließlich könnten die Informationen tatsächlicher Natur
nur entsprechend dem jeweils in Artikel 2 der angefochtenen Verordnungen vorgesehenen Verfahren
geändert werden.
43
Der Rat führt einleitend weiter aus, dass die GKI und das Gemeinsame Handbuch zahlreiche inhaltliche
Gemeinsamkeiten aufwiesen, da die für Visa und die für die Überwachung der Grenzen zuständigen
Behörden im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgabe häufig dieselben Informationen konsultieren müssten, was die
Ähnlichkeit der mit den angefochtenen Verordnungen eingerichteten Verfahren erkläre.
44
Zur Entgegnung auf den ersten Klagegrund führt der Rat aus, dass in der achten Begründungserwägung
der Verordnung Nr. 789/2001 und in der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001 klar
angegeben werde, dass sich der Vorbehalt von Durchführungsbefugnissen spezifisch auf die Änderung von
bestimmten „detaillierten Vorschriften und praktischen Verfahren“ in der GKI und im Gemeinsamen
Handbuch beziehe. Die Natur und der Inhalt dieser Bestimmungen würden noch genauer in den
vorausgehenden Begründungserwägungen beschrieben, d. h. in der ersten, der zweiten und der fünften
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 sowie in der ersten und in der zweiten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001. Folglich habe die angeführte Begründung keinen
allgemeinen Charakter und könne nicht die Gesamtheit der im Rahmen des Titels IV des Vertrages
getroffenen Maßnahmen abdecken. Dazu führt der Rat aus, dass er bereits eine große Zahl von
Rechtsakten – auch im Bereich Visa – auf der Grundlage dieses Titels erlassen habe, ohne sich
Durchführungsbefugnisse vorbehalten zu haben.
45
Der Rat trägt vor, dass die Erwägungen, aus denen er sich im vorliegenden Fall Durchführungsbefugnisse
vorbehalten habe, dieselben seien, die die Verfasser des Vertrages von Amsterdam dazu veranlasst hätten,
den Mitgliedstaaten während eines Anfangszeitraums von fünf Jahren im Rahmen des Titels IV des EG-
Vertrags ein Initiativrecht zuzuerkennen. Dieselben Gründe hätten den Rat auch dazu bewegt, vorzusehen,
dass Änderungen und Aktualisierungen der fraglichen Maßnahmen nur einstimmig beschlossen werden
könnten.
46
Der Rat betont insoweit, dass der Schengen-Besitzstand erst unmittelbar vor dem Erlass der angefochtenen
Verordnungen in den Rahmen der Europäischen Union einbezogen worden sei und dass der Gemeinschaft
gerade erst neue Befugnisse in den Bereichen Visapolitik und Grenzkontrollen zuerkannt worden seien.
47
Der Rat habe, gerade weil die Entscheidung, sich bestimmte Durchführungsbefugnisse vorzubehalten, die
Ausnahme und nicht die Regel darstelle, trotz der Sensibilität der Materie angegeben, dass er prüfen werde,
unter welchen Bedingungen derartige Befugnisse nach Ablauf des in Artikel 67 Absatz 1 EG vorgesehenen
Übergangszeitraums von fünf Jahren der Kommission übertragen würden. Der Rat führt aus, dass die Frist
von drei Jahren bis zum Ablauf dieses Zeitraums eine angemessene Zeit sei, um ihm die Beurteilung zu
erlauben, ob die Erwägungen, die ihn ursprünglich dazu veranlasst hätten, sich Durchführungsbefugnisse
vorzubehalten, noch zuträfen.
48
Der Rat bestreitet, dass er sich Durchführungsbefugnisse deshalb vorbehalten habe, weil die fraglichen
Maßnahmen unter den Titel IV des Vertrages fielen. Im Übrigen habe er seit dem Inkrafttreten des Vertrages
von Amsterdam zahlreiche Maßnahmen in den von diesem Titel erfassten Bereichen erlassen, die
„Komitologie“-Bestimmungen enthielten.
Würdigung durch den Gerichtshof
49
Einleitend ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 1 Absatz 1 des zweiten Komitologiebeschlusses außer in
spezifischen und begründeten Fällen, in denen der Basisrechtsakt dem Rat die unmittelbare Ausübung von
Durchführungsbefugnissen vorbehält, diese der Kommission übertragen werden. Damit übernimmt diese
Bestimmung nur die Anforderungen, die in den Artikeln 202 dritter Gedankenstrich EG und 253 EG genannt
werden.
50
Dazu hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 24. Oktober 1989 in der Rechtssache 16/88 (Kommission/Rat,
Slg. 1989, 3457, Randnr. 10) ausgeführt, dass sich der Rat nach den Änderungen des Artikels 145 EG-
Vertrag (jetzt Artikel 202 EG) durch die Einheitliche Europäische Akte nur in spezifischen Fällen vorbehalten
kann, Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben, wobei diese Entscheidung ausführlich zu begründen ist.
51
Das bedeutet, dass der Rat entsprechend der Natur und dem Inhalt des umzusetzenden oder zu ändernden
Basisrechtsakts eine ordnungsgemäße Begründung für eine Ausnahme von der Regel geben muss, dass es
im System des Vertrages, wenn auf Gemeinschaftsebene Maßnahmen zur Durchführung eines
Basisrechtsakts zu treffen sind, Aufgabe der Kommission ist, diese Befugnis auszuüben.
52
Im vorliegenden Fall hat der Rat in der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und in
der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001 ausdrücklich Bezug genommen auf die
wichtige Rolle der Mitgliedstaaten auf den Gebieten Visa und Überwachung der Grenzen und auf die
Sensibilität dieser Bereiche, insbesondere hinsichtlich der politischen Beziehungen zu Drittländern.
53
Unbestreitbar sind diese Erwägungen sowohl allgemein als auch knapp. Analysiert man sie jedoch in dem
Zusammenhang, in den sie zu stellen sind, so lassen sie die Rechtfertigung für den Durchführungsvorbehalt
zugunsten des Rates klar erkennen und ermöglichen dem Gerichtshof die Ausübung seiner Kontrolle.
54
Erstens ist nämlich festzustellen, dass vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam – zwei Jahre vor
dem Erlass der angefochtenen Verordnungen – die Visapolitik – vorbehaltlich der in Artikel 100c Absatz 1 EG-
Vertrag (aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) vorgesehenen Bestimmung der Drittländer, deren
Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein
müssen – und die Politik in Bezug auf die Außengrenzen gänzlich außerhalb der Zuständigkeit der
Gemeinschaft lagen und von den im Rahmen des Titels VI des Vertrages über die Europäische Union
eingerichteten Verfahren erfasst wurden.
55
Zweitens enthält der Titel IV des EG-Vertrags in den Artikeln 67 EG und 68 EG hinsichtlich der Verfahren zur
Erarbeitung des abgeleiteten Rechts und der Vorabentscheidung abweichende oder besondere
Bestimmungen mit evolutivem Charakter. Artikel 67 Absätze 1 und 2 EG sieht einen Übergangszeitraum von
fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam vor, in dem der Rat grundsätzlich
einstimmig auf Vorschlag der Kommission oder auf Initiative eines Mitgliedstaats und nach Anhörung des
Europäischen Parlaments handelt. Nach Ablauf dieses Zeitraums wird der Rat ausschließlich auf Vorschlag
der Kommission gesetzgebend tätig und kann einstimmig beschließen, dass auf alle Bereiche oder Teile der
Bereiche, die unter den Titel IV fallen, das Verfahren des Artikels 251 EG anzuwenden ist und dass die
Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gerichtshofes angepasst werden.
56
Bestimmungen dieser Art zeugen von der Spezifität der in den angefochtenen Verordnungen behandelten
Materie, die bis zum 1. Mai 1999 im Wesentlichen den im Rahmen des Titels VI des Vertrages über die
Europäische Union eingerichteten Verfahren unterlag, da die Verfasser des EG-Vertrags der Kommission in
diesem Bereich nicht sofort ein Initiativmonopol einräumen wollten.
57
Drittens haben die jeweils in Artikel 1 der angefochtenen Verordnungen abschließend aufgeführten
Bestimmungen einen deutlich umrissenen Inhalt. Auch wenn sie einen bedeutenden Teil der GKI und des
Gemeinsamen Handbuchs darstellen, erschöpfen sie doch den Bereich Visa und Überwachung der
Außengrenzen in keiner Weise.
58
Viertens ergibt sich aus der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und der fünften
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001, dass der Rat zugesagt hat, zu prüfen, unter welchen
Bedingungen die mit diesen Verordnungen vorbehaltenen Durchführungsbefugnisse nach einem
Übergangszeitraum von drei Jahren auf die Kommission übertragen werden können.
59
Aus allen diesen Gründen, die aus den Begründungserwägungen der angefochtenen Verordnungen und aus
deren Kontext hinreichend hervorgehen, ist der Schluss zu ziehen, dass der Rat vernünftigerweise davon
ausgehen konnte, dass ein spezifischer Fall vorlag, und die Entscheidung, sich vorübergehend die Befugnis
zur Durchführung einer Reihe von in der GKI und im Gemeinsamen Handbuch abschließend aufgeführten
Bestimmungen vorzubehalten, nach Artikel 253 EG ordnungsgemäß begründet hat.
60
Der Umstand allein, dass die achte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und die fünfte
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001 fast wörtlich übereinstimmen, kann dieses Ergebnis
nicht in Frage stellen, da zwischen den Bereichen Visa und Grenzkontrollen gerade unbestreitbar enge
Verbindungen bestehen.
61
Daher ist der erste von der Kommission für ihre Klage vorgebrachte Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
62
Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Kommission geltend, dass das jeweils in Artikel 2 der angefochtenen
Verordnungen vorgesehene Verfahren zur Änderung oder Aktualisierung der GKI und des Gemeinsamen
Handbuchs durch die Mitgliedstaaten gegen Artikel 202 EG verstoße. Denn diese Bestimmung, die dem Rat
nur ermögliche, sich Durchführungsbefugnisse vorzubehalten oder sie der Kommission zu übertragen, lasse
ein solches Verfahren nicht zu.
63
Auch wenn das genannte Verfahren Sachinformationen betreffe, die die Mitgliedstaaten besäßen, so seien
diese Informationen in Rechtsinstrumenten enthalten, für die nach dem Beschluss 1999/436 Bestimmungen
des EG-Vertrags die Rechtsgrundlage darstellten, so dass Änderungen dieser Rechtsinstrumente den
normalen institutionellen Regeln genügen müssten.
64
Der Rat entgegnet, dass die Änderungen, die nach Artikel 2 der angefochtenen Verordnungen an der GKI
und am Gemeinsamen Handbuch vorgenommen würden, nicht als Durchführungsmaßnahmen einzustufen
seien, sondern zu einem Mechanismus des Austauschs von Informationen gehörten. Denn es handele sich,
wie sich aus der zehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und aus der siebten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001 ergebe, um tatsächliche Informationen, die nur von
den einzelnen Mitgliedstaaten bereitgestellt werden könnten. Folglich sei Artikel 202 EG nicht einschlägig.
Würdigung durch den Gerichtshof
65
Aus Artikel 2 der angefochtenen Verordnungen ergibt sich klar, dass jeder Mitgliedstaat ungeachtet der
verwendeten Verben „wollen“ und „mögen“ selbst – manchmal in Abstimmung mit den anderen
Mitgliedstaaten – den Inhalt bestimmter Vorschriften oder Anlagen der GKI und des Gemeinsamen
Handbuchs ändern kann. Denn nach der zehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 789/2001 und
der siebten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 790/2001 werden „die Mitglieder des Rates und die
Kommission unverzüglich über alle Änderungen … unterrichtet“, was impliziert, dass die Änderungsbefugnis
den Mitgliedstaaten zusteht.
66
Dazu ist festzustellen, dass Artikel 202 dritter Gedankenstrich EG zwar die Frage der einheitlichen Umsetzung
der Basisrechtsakte des Rates oder des Rates und des Europäischen Parlaments und damit die Aufteilung
der Durchführungsbefugnisse zwischen dem Rat und der Kommission regelt, nicht aber die
Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten.
67
Zu prüfen ist, ob der Rat bei der Umsetzung bestimmter Vorschriften oder Anlagen der GKI und des
Gemeinsamen Handbuchs verpflichtet war, auf die gemeinschaftlichen Verfahren zurückzugreifen, oder ob
die Befugnis zur Änderung dieser Vorschriften oder Anlagen auf die Mitgliedstaaten übertragen werden
konnte, ohne gegen das Gemeinschaftsrecht zu verstoßen.
68
Der Rat macht geltend, dass die Vorschriften, die die Mitgliedstaaten ändern können, nur
Sachinformationen enthielten, die allein die Mitgliedstaaten in zweckdienlicher Weise zur Verfügung stellen
könnten.
69
Dazu ist daran zu erinnern, dass die GKI und das Gemeinsame Handbuch vom Exekutivausschuss zu einer
Zeit erlassen wurden, zu der die betreffende Materie in den Bereich der intergouvernementalen
Zusammenarbeit fiel. Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen der Europäischen Union ab dem
Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam führte als solche nicht dazu, ihnen sofort die Zuständigkeiten zu
nehmen, zu deren Ausübung sie nach den genannten Rechtsakten im Hinblick auf ihre ordnungsgemäße
Anwendung befugt waren.
70
In diesem besonderen und vorübergehenden Kontext in Erwartung der Entwicklungen des Schengen-
Besitzstands im rechtlichen und institutionellen Rahmen der Europäischen Union kann dem Rat nicht zum
Vorwurf gemacht werden, dass er ein Verfahren eingeführt hat, nach dem die Mitgliedstaaten die
Änderungen mitteilen, die sie allein oder in Abstimmung mit den anderen Mitgliedstaaten an bestimmten
Vorschriften der GKI oder des Gemeinsamen Handbuchs vornehmen können, deren Inhalt ausschließlich von
den Informationen abhängt, über die nur sie verfügen. Eine solche Rüge könnte nur dann Erfolg haben,
wenn belegt würde, dass dieses Verfahren der wirkungsvollen oder ordnungsgemäßen Anwendung der GKI
oder des Gemeinsamen Handbuchs Abbruch täte.
71
Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission, die nicht bestritten hat, dass die Informationen, die in den
Bestimmungen enthalten sind, die die Mitgliedstaaten ändern können, tatsächlicher Art sind und dass sie
nur von den Mitgliedstaaten in zweckmäßiger Weise zur Verfügung gestellt werden können, für die einzelnen
Bestimmungen nicht nachgewiesen und nicht einmal zu belegen versucht hat, dass auf ein Verfahren
einheitlicher Aktualisierung der GKI und des Gemeinsamen Handbuchs zurückgegriffen werden müsste, um
deren ordnungsgemäße Anwendung zu garantieren. Sie hat in ihrer Erwiderung lediglich als Beispiel die
Anlagen 4 und 5 zur GKI geprüft.
72
Daher ist der Gerichtshof der Auffassung, dass er seine Kontrolle auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit
des Artikels 2 der Verordnung Nr. 789/2001 hinsichtlich der Anlagen 4 und 5 der GKI, die allein von der
Kommission in ihren Schriftsätzen geprüft wurden, zu beschränken hat.
73
Aus Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 789/2001 ergibt sich insoweit, dass ein Mitgliedstaat, wenn er eine
Änderung insbesondere an den Anlagen 4, 5B und 5C der GKI vornehmen möchte, zunächst den anderen
Mitgliedstaaten einen entsprechenden Vorschlag vorlegt, zu dem diese Stellung nehmen können.
74
Was zum einen die Anlage 4 zur GKI betrifft, die eine Liste der Dokumente enthält, die von den einzelnen
Mitgliedstaaten ausgestellt werden und zur visafreien Einreise berechtigen, so macht die Kommission
geltend, dass Angehörige von Drittstaaten, die Inhaber eines von einer Vertragspartei ausgestellten
Aufenthaltstitels oder vorläufigen Aufenthaltstitels sind, sich nach Artikel 21 Absätze 1 und 2 SDÜ aufgrund
dieses Dokuments und eines von derselben Vertragspartei ausgestellten Reisedokuments während eines
Zeitraums von höchstens drei Monaten frei innerhalb der Schengen-Zone bewegen können.
75
Zwar trifft es zu, dass sich eine Änderung der Liste der Anlage 4 zur GKI unmittelbar auf die Bedingungen
auswirkt, unter denen Artikel 21 Absätze 1 und 2 SDÜ anwendbar ist, doch bestimmt dessen Absatz 3, dass
„[d]ie Vertragsparteien … dem Exekutivausschuss [an dessen Stelle nach Artikel 2 Absatz 1 des Protokolls
der Rat getreten ist] die Liste der Dokumente [übermitteln], die sie als Aufenthaltserlaubnis oder vorläufigen
Aufenthaltstitel und als Reisedokument im Sinne dieses Artikels ausstellen“.
76
Angesichts dieser Bestimmung und in Ermangelung einer anderen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung,
die die Regelung des SDÜ vor dem Erlass der angefochtenen Verordnungen in diesem Punkt geändert
hätte, lässt nichts die Behauptung zu, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie dem Exekutivausschuss (oder dem
Rat) die Liste der fraglichen Dokumente übermittelt haben, nicht mehr befugt sind, die Art der Dokumente
festzulegen, die als Aufenthaltstitel oder als vorläufiger Aufenthaltstitel gelten.
77
Folglich hat die Kommission nicht belegt, dass eine Änderung der Anlage 4 der GKI den Rückgriff auf ein
einheitliches Aktualisierungsverfahren erforderlich macht.
78
Was zum anderen die Anlage 5 der GKI über die Fälle nach Artikel 17 Absatz 2 SDÜ betrifft, in denen die
Erteilung eines Visums von der Konsultation der zentralen Behörde der betroffenen Vertragspartei sowie ggf.
der zentralen Behörden der anderen Vertragsparteien abhängt, so ist erstens festzustellen, dass die
Konsultation der zentralen Behörde durch die mit der Bearbeitung des Visumantrags befasste
Auslandsvertretung nach Nummer 2.1 des Teils II der GKI „nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder
der innerstaatlichen Praxis in den darin vorgesehenen Fällen und unter Einhaltung der darin festgelegten
Form und Frist“ erfolgt. Die Anlage 5A zur GKI nennt gerade diese Fälle.
79
Die Kommission konnte jedoch nicht nachweisen, aus welchem Grund angesichts der Verweisung in Nummer
2.1 des Teils II der GKI auf innerstaatliches Recht und innerstaatliche Praxis der Rückgriff auf ein
einheitliches Verfahren zur Aktualisierung der Anlage 5A zur GKI für die ordnungsgemäße Anwendung der
genannten Vorschrift notwendig gewesen sein sollte.
80
Zweitens betrifft die Nummer 2.2 des Teils II der GKI die Fälle, in denen die mit einem Visumantrag befasste
Auslandsvertretung die Genehmigung ihrer eigenen zentralen Behörde einholen muss, die zuvor die
zuständigen zentralen Behörden einer oder mehrerer anderer Vertragsparteien konsultieren muss. Diese
Nummer sieht vor: „Bis der Exekutivausschuss [an dessen Stelle der Rat getreten ist] eine Liste der Fälle
erarbeitet, in denen die anderen zentralen Behörden zu konsultieren sind, gilt Anlage 5 Teil B dieser
Konsularischen Instruktion als vorläufige Liste.“
81
Die Kommission, die nicht bestreitet, dass es Sache jedes Mitgliedstaats ist, die Visumanträge festzulegen,
bei denen eine vorherige Konsultation der zentralen Behörden der anderen Vertragsparteien durchgeführt
werden muss, hat jedoch nicht nachgewiesen, aus welchem Grund der Rückgriff auf ein einheitliches
Verfahren für die ordnungsgemäße Anwendung der Nummer 2.2 des Teils II der GKI und insbesondere für die
Aktualisierung der Anlage 5B zur GKI erforderlich gewesen sein sollte, solange der Rat noch keine endgültige
Liste der Fälle gegenseitiger Konsultation erstellt hat.
82
Drittens betrifft die Nummer 2.3 des Teils II der GKI, die auf die in deren Anlage 5C aufgestellte Liste verweist,
die Fälle, in denen ein Visumantrag bei einer diplomatischen Mission oder einer konsularischen Vertretung
eines Schengen-Staats eingereicht wird, der in Vertretung eines anderen Schengen-Staats handelt.
83
Die Kommission hat nicht nachgewiesen und nicht einmal zu begründen versucht, dass der Rückgriff auf ein
einheitliches Verfahren für die ordnungsgemäße Anwendung der Nummer 2.3 des Teils II der GKI und
insbesondere für die Aktualisierung der Anlage 5C der GKI erforderlich gewesen wäre.
84
Folglich ist auch der zweite Klagegrund der Kommission zurückzuweisen.
85
Nach alledem ist die Klage der Kommission in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
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Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung sind der unterliegenden Partei auf Antrag die Kosten des
Verfahrens aufzuerlegen. Da der Rat die Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem
Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Plenum) für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Unterschriften.
–
Verfahrenssprache: Englisch.