Urteil des EuGH vom 17.03.2005

EuGH: kommission, gericht erster instanz, nummer, anwendbares recht, gesellschaft mit beschränkter haftung, verordnung, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, ungerechtfertigte bereicherung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)
17. März 2005
Inhaltsverzeichnis
I – Sachverhalt
A – Der Vertrag
1. Vertragsgegenstand
2. Vorgesehener Arbeitsablauf
3. Prüfung durch die Kommission
4. Finanzvorschriften
5. Erstattungen
6. Schiedsklausel
B – Durchführung des Vertrages
C – Die Zahlungen der Kommission und das Erstattungsverlangen
D – Die Auflösung von drei beklagten Gesellschaften
1. InterTeam
2. A-Consult
3. Ision
II – Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes
A – Rechtlicher Rahmen
B – Anwendbarkeit der Schiedsklausel
III – Zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen drei in Liquidation befindliche oder bereits liquidierte
Gesellschaften gerichtet ist
A – Rechtlicher Rahmen
1. Gemeinschaftsrecht
2. Nationales Recht
B – Zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen InterTeam gerichtet ist
C – Zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen A-Consult und Ision gerichtet ist
D – Zu den ergänzenden Anträgen der Kommission
IV – Zur Begründetheit der Klage, soweit sie gegen AMI Semiconductor, Intracom, Euram und Nordbank
gerichtet ist
A – Der auf Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des Vertrages gestützte Erstattungsanspruch
1. Zur gesamtschuldnerischen Haftung
2. Zur Berechnung des von der Kommission zu leistenden Finanzbeitrags
B – Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 812 BGB
V – Zur Widerklage von Intracom
Kosten
„Schiedsklausel – Bestimmung des Gerichts erster Instanz – Zuständigkeit des Gerichtshofes – Parteien in
Liquidation – Parteifähigkeit – Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 – Insolvenzverfahren – Rückforderung von
Vorschüssen – Rückerstattung aufgrund einer Vertragsklausel – Gesamtschuldnerische Haftung –
Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge“
In der Rechtssache C-294/02
betreffend eine Klage nach Artikel 238 EG, eingereicht am 12. August 2002,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Beistand von Rechtsanwalt R. Karpenstein, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
AMI Semiconductor Belgium BVBA
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Hallweger und R. Lutz,
A-Consult EDV-Beratungsgesellschaft mbH
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt E. Roehlich,
Intracom SA Hellenic Telecommunications & Electronic Industry
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Lienemeyer, U. Zinsmeister und D. Waelbroeck,
ISION Sales + Services GmbH & Co. KG
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Fialski und T. Delhey,
Euram-Kamino GmbH
M. Hallweger und R. Lutz,
HSH Nordbank AG,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Treibmann und E. Meincke,
und
InterTeam GmbH
M. Hallweger und R. Lutz,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter
K. Lenaerts, S. von Bahr und K. Schiemann (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2004,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. September 2004,
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Gesellschaft
belgischen Rechts AMI Semiconductor Belgium BVBA, vormals Alcatel Microelectronics NV (im Folgenden: AMI
Semiconductor), die Gesellschaft österreichischen Rechts A-Consult EDV‑Beratungsgesellschaft mbH (im
Folgenden: A-Consult), die Gesellschaft griechischen Rechts Intracom SA Hellenic Telecommunications &
Electronic Industry (im Folgenden: Intracom) sowie die vier Gesellschaften deutschen Rechts ISION Sales +
Services GmbH & Co. KG, vormals AllCon Gesellschaft für Kommunikationstechnologie mbH (im Folgenden:
Ision), Euram-Kamino GmbH (im Folgenden: Euram), HSH Nordbank AG, vormals Landesbank Kiel Girozentrale
(im Folgenden: Nordbank), und InterTeam GmbH (im Folgenden: InterTeam) (im Folgenden zusammen: die
Beklagten) als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr 317 214 Euro nebst Zinsen als Erstattung von
Vorschüssen zu zahlen, die sie in Erfüllung eines Vertrages gezahlt hat, der mit diesen Gesellschaften im
Rahmen des Esprit-Projekts Nr. 26927 „Electronic Commerce Fulfilment Service for the Electronics Industry
(ECFS/E)“ (im Folgenden: Projekt) geschlossen worden war (im Folgenden: Vertrag).
I – Sachverhalt
A –
2
Am 8. Juni 1998 schloss die Europäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, mit den Beklagten
einen Vertrag über die finanzielle Unterstützung der Beklagten für die Durchführung des Projekts.
3
Der Vertrag wurde in Englisch abgefasst. Nach seinem Artikel 10 unterliegt er deutschem Recht.
4
Die Beklagten waren nach Artikel 1 Nummer 1.1 des Vertrages verpflichtet, die in Anhang I dieses Vertrages
genannten Arbeiten bis zu dem Schlussabschnitt im 18. Monat als Gesamtschuldner gegenüber der
Kommission auszuführen („The shall carry out this contract jointly and severally towards the
Commission for the work set out in Annex I up to the milestone at month 18“).
5
Artikel 1 Nummer 1.2 des Vertrages lautet:
„Subject to force majeure (including strikes, lockouts and other events beyond the reasonable control of the
), the shall use reasonable endeavours to achieve the results intended for the
and to fulfil obligations of a defaulting r. A shall not be liable to take action
beyond its reasonable control or to reimburse money due from a defaulting unless it has
contributed to the default. Measures to be taken in the event of force majeure shall be agreed between the
contracting parties.“ (Vorbehaltlich höherer Gewalt [einschließlich Streiks, Aussperrungen und anderer
Ereignisse, die sich dem regulären Einfluss der Vertragspartner entziehen] bemühen sich die
in angemessener Weise, die zu erreichen und die Verpflichtungen eines
vertragsbrüchigen zu übernehmen. Kein haftet für Ereignisse, die sich
seinem regulären Einfluss entziehen, oder für Zahlungsverpflichtungen eines vertragsbrüchigen
, es sei denn, er selbst hat zur Vertragsverletzung beigetragen. Die Vertragsparteien
vereinbaren, welche Maßnahmen bei höherer Gewalt zu treffen sind.)
1. Vertragsgegenstand
6
Nach Artikel 1 Nummer 1.1 des Vertrages war dessen Gegenstand die Ausführung der in Anhang I des
Vertrages aufgeführten Arbeiten.
7
Nach der Projektzusammenfassung im ersten Abschnitt dieses Anhangs bestand das Ziel des Projekts darin,
den Verkauf überschüssiger Halbleiterkomponenten zwischen den Unternehmen der Elektronikindustrie
ohne Einschaltung eines Zwischenhändlers zu ermöglichen und damit die Transaktionskosten zu verringern.
Die Durchführung des Projekts sollte diese Situation erleichtern durch
das Zusammenbringen von Überangebot an und unbefriedigter Nachfrage nach Komponenten auf
einer globalen Plattform,
Unterstützung aller Geschäftsvorgänge im Zusammenhang mit den entstandenen Handelsgeschäften,
Erledigung von Frachttransporten und Deklarationsvorgängen zur Erfüllung von Kauf-
/Verkaufsverträgen und
Ausweitung des Gebrauchs von E-Commerce auf dem Gebiet der Elektronik.
Nach dieser Projektzusammenfassung sollte das Projekt der Elektronikindustrie ermöglichen,
die Gelegenheiten zum Handel auszuweiten und die Transaktionskosten durch Nutzung von
Technologien für den globalen Informationsaustausch zu senken;
grenzenlosen E-Commerce in einer globalisierten Wirtschaft einzusetzen.
Die drei Hauptziele wurden in der Zusammenfassung wie folgt aufgeführt:
Integration vielfältiger Schlüsseldienste für die Elektronikindustrie;
Schaffung geeigneter Schnittstellen für ein effizientes Börsensystem, das in professionelle IT-Anlagen
von künftigen Verwendern und Dienstleistern integriert werden kann;
Schaffung von Anreizen für einen erhöhten E-Commerce im Bereich der Elektronikindustrie
einschließlich der Entwicklung von Mitteln zur Belohnung für die Verwendung des Systems (bonus
component) und von Instrumenten zur quantitativen Erfassung der Verbesserung der Kosteneffizienz
infolge der Durchführung des Projekts.
2. Vorgesehener Arbeitsablauf
8
Nach Artikel 2 Absatz 1 des Vertrages hatte das Projekt eine Laufzeit von 18 Monaten, vom 1. Mai 1998 bis
Ende Oktober 1999.
9
Nach Anhang I Abschnitt 2 Titel 2 Nummer 2.2 des Vertrages waren die vorgesehenen Arbeiten zu acht
Arbeitsabschnitten (workpackages) zusammengefasst, die in insgesamt 29 Leistungen (deliverables)
münden sollten. Der erste Abschnitt sah folgende Leistungen vor:
„Workpackage 1 Specification of relevant business procedures
Task 1.1
Commercial
processes
at user sites
Components procurement processes
Excess inventory control & handling
QA processes (ISO 9000 etc.)
Alternate sourcing
Established payment methods
New payment methods
Task 1.2
Software
Interfaces
Interfaces to commercial Software employed by industrial users
Software interfaces: Banks
Software interfaces: Carriers
Definition of SAP-specific parameters
Task 1.3
Evaluation
of IT
environment
– PC, Workstation, LANs
– Operating Systems PC & networks
– Internet access, Intranets“.
10
In Anhang I Abschnitt 2 Titel 2 Nummer 2.2 des Vertrages befinden sich ferner Übersichten, in denen die
speziellen Aufgaben der Vertragspartner bei der Durchführung der einzelnen Arbeitsabschnitte festgelegt
sind.
11
Arbeitsabschnitt Nr. 1 sieht nach der Übersicht auf den Seiten 40 und 41 des Anhangs I des Vertrages
folgende Verteilung vor:
Task
Partner
Contribution
1.1
[AMI Semiconductor]
Intracom
A-Consult
Definition of all commercial processes at user sites relevant
to controlling, selling, excess inventory, and procuring
electronic material
1.2
[Nordbank]
Definition of interfaces required for cash transfer methods
and account control
[Euram]
Definition of interfaces required to determine freight costs,
place freight orders, trace freight orders
[AMI Semiconductor]
Intracom
A-Consult
Tabulation of details about required interfaces to
commercial software
InterTeam
Evaluation of IT environments of all project participants,
including prevalent standards
Independent evaluation of whether the architecture to be
used meets state-of-the-art standards
[Nordbank]
Co-operation with InterTeam in the analysis of the local IT
environment
[Euram]
Co-operation with InterTeam in the analysis of the local IT
environment
[AMI Semiconductor]
Intracom
A-Consult
Co-operation with InterTeam in the analysis of the local IT
environment
3. Prüfung durch die Kommission
12
Nach Anhang II Artikel 8 des Vertrages konnte sich die Kommission beim Vertragsmanagement von
Sachverständigen unterstützen lassen. Die Kommission war in diesem Fall verpflichtet, angemessene
Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Sachverständigen die ihnen gegebenen vertraulichen
Informationen weder weitergaben noch verwendeten. Nähere Informationen über diese Sachverständigen
sollten den Vertragspartnern der Kommission im Voraus mitgeteilt werden, und die Kommission sollte
Einwände, die die Vertragspartner aus legitimen geschäftlichen Gründen erhoben, angemessen
berücksichtigen.
4. Finanzvorschriften
13
In Artikel 3 des Vertrages wurden die erstattungsfähigen Vollkosten des Projekts auf 1 080 000 ECU
veranschlagt. In diesem Artikel war vorgesehen, dass der Beitrag der Kommission 50 % dieser Kosten bis zu
540 000 ECU decken sollte. Auf welcher Kostenbasis abgerechnet wurde, war Anhang I des Vertrages zu
entnehmen, und Anhang II Artikel 18 bis 20 des Vertrages enthielt genaue Kriterien für die Berechnung der
erstattungsfähigen Kosten.
14
Im Formblatt 1 auf Seite 6 des Anhangs I des Vertrages war die Aufteilung des erstattungsfähigen
Gesamtbetrags auf die Beklagten folgendermaßen aufgeschlüsselt:
– InterTeam: 153 500 ECU;
– Ision: 70 000 ECU;
– Euram: 40 000 ECU;
– Nordbank: 10 000 ECU;
– AMI Semiconductor: 97 000 ECU;
– Intracom: 68 000 ECU;
– A-Consult: 101 500 ECU.
15
Im Formblatt 5.3 auf den Seiten 56 und 57 des Anhangs I des Vertrages wird der für die einzelnen
Vertragspartner zur Erbringung jeder Leistung vorgesehene Aufwand in Arbeit pro Person/Monat angegeben.
16
Nach Artikel 4 des Vertrages sollte der Beitrag der Kommission wie folgt gezahlt werden:
Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 270 000 ECU binnen zwei Monaten nach der Unterzeichnung
durch die letzte vertragsschließende Partei;
Ratenzahlungen binnen zwei Monaten nach Genehmigung der verschiedenen Fortschrittsberichte und
der dazugehörigen Kostennachweise, wobei Vorschuss und Ratenzahlungen zusammen nicht mehr als
486 000 ECU ausmachen durften;
der fällige Restbetrag (Einbehalt von 54 000 ECU) war binnen zwei Monaten nach Genehmigung des
letzten Berichtes, der letzten Unterlage oder sonstiger Leistungen des Projekts und des
Kostennachweises für den letzten Berichtszeitraum zu zahlen.
17
Anhang II Artikel 23 Nummer 23.2 des Vertrages bestimmte, dass alle Zahlungen durch die Kommission als
Vorschüsse galten, bis die dazugehörigen Leistungen abgenommen oder – bei Fehlen eines
Leistungskatalogs – bis der Abschlussbericht genehmigt worden war.
5. Erstattungen
18
Nach Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des Vertrages verpflichteten sich die Vertragspartner für den Fall,
dass der von der Kommission insgesamt für das Projekt zu leistende Finanzbeitrag niedriger war als der
Gesamtbetrag der von ihr getätigten Zahlungen, der Kommission die Differenz unverzüglich zu erstatten.
19
Anhang II Artikel 5 Nummer 5.3 Buchstabe a Ziffer i gab der Kommission die Möglichkeit, den Vertrag
unverzüglich schriftlich zu kündigen, wenn sie zu einem Tätigwerden aufgefordert hatte, mit dem innerhalb
einer schriftlich gesetzten angemessenen Frist von nicht weniger als einem Monat der Nichterfüllung des
Vertrages abzuhelfen war, und dieser Aufforderung nicht in zufrieden stellender Weise nachgekommen
worden war.
20
Gemäß Anhang II Artikel 5 Nummer 5.4 des Vertrages sollte bei einer Kündigung die Beteiligung der
Gemeinschaft an den Kosten nur die Kosten der von der Kommission anerkannten Leistungen des Projekts
sowie die sonstigen geltend gemachten Kosten einschließlich von Zahlungsverpflichtungen umfassen, die
angemessen und vertretbar waren.
21
Nach derselben Bestimmung konnten im Fall einer Kündigung gemäß Anhang II Artikel 5 Nummer 5.3
Buchstabe a des Vertrages auf schriftlichen Antrag sämtlichen Rückzahlungsbeträgen für den Zeitraum
zwischen dem Erhalt der Mittel und ihrer Erstattung Zinsen zu einem Satz zugeschlagen werden, der um 2 %
über dem vom Europäischen Währungsinstitut für ECU-Transaktionen angewandten Satz lag.
6. Schiedsklausel
22
Anhang II Artikel 7 des Vertrages enthält eine Schiedsklausel mit folgendem Wortlaut:
„The Court of First Instance of the European Communities, and in the case of appeal, the Court of Justice of
the European Communities shall have exclusive jurisdiction in any dispute between the Commission and the
concerning the validity, application and interpretation of this contract.“ (Für Streitigkeiten
zwischen der Kommission und den Vertragspartnern über Gültigkeit, Anwendung und Auslegung dieses
Vertrages ist ausschließlich das Gericht erster Instanz und bei Einlegung eines Rechtsmittels der Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften zuständig.)
B –
23
Die Durchführung des Projekts begann im Mai 1998.
24
Am 15. Dezember 1998 legten die Vertragspartner der Kommission einen Bericht vor, der sich auf einen
Zeitraum von sechs Monaten bezog und die erreichten Ziele darstellte. In diesem Bericht erklärten sie, die
einzelnen Leistungen aus den Arbeitsabschnitten 1, 2 und 3 vollständig erfüllt zu haben.
25
Um die in den Berichten der Vertragspartner dargestellten Ergebnisse des Projekts nachvollziehen zu
können, schlug die Kommission die Einsetzung einer Prüfungsgruppe (Review Team) vor. Nachdem InterTeam
Informationen über die von der Kommission vorgeschlagenen Sachverständigen und deren Lebensläufe
erhalten hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 8. April 1999 ihr Einverständnis mit der Bestellung von zwei
der Kandidaten, Herrn Guida und Herrn Ouzounis.
26
Bei einem Treffen zwischen den Vertragspartnern und der Kommission am 11. Juni 1999 legte die
Prüfungsgruppe ihren ersten Prüfungsbericht vor. Darin stellte sie gravierende Mängel bei der Durchführung
des Projekts fest. Aufgrund dieser Erkenntnisse kündigte die Prüfungsgruppe die Aussetzung des Projekts
bis zum 1. Juli 1999 an und forderte die Beklagten auf, ihr alle erforderlichen Informationen zukommen zu
lassen, um zu belegen, dass die im Prüfungsbericht beanstandeten Durchführungsmängel beseitigt seien.
27
Mit Schreiben vom 18. Juni 1999 fasste die Kommission die bei dem Treffen vom 11. Juni 1999 gefassten
Beschlüsse zusammen. Bei dieser Gelegenheit setzte sie den Beklagten ferner eine Nachfrist gemäß Anhang
II Artikel 5 Nummer 5.3 Buchstabe a Ziffer i des Vertrages und drohte die Kündigung an. Mit Schreiben vom
29. Juni und 14. Juli 1999 beanstandete die Kommission erneut die Erfüllung der vertraglichen Pflichten der
Beklagten und forderte sie auf, innerhalb eines Monats die unterlassenen Arbeiten nachzuholen und die
festgestellten Mängel zu beseitigen.
28
Anfang Juli 1999 erstatteten die Vertragspartner der Kommission einen Bericht über einen Zeitraum von
zwölf Monaten, in dem die erreichten Ziele dargestellt wurden. Danach hatten die Beklagten das Projekt
vertragsgemäß durchgeführt.
29
Am 5. Juli 1999 legte die Prüfungsgruppe einen zweiten Prüfungsbericht vor, in dem die in dem
Jahresfortschrittsbericht enthaltenen Informationen und die weiteren von den Vertragspartnern
mitgelieferten ergänzenden Unterlagen berücksichtigt waren. Dieser Bericht enthielt eine grundlegende
Kritik aller Leistungen. Einige dieser als schlecht beurteilten Leistungen wurden jedoch akzeptiert.
30
Trotz einer erneuten umfassenden Darstellung der erreichten Ziele durch die Beklagten bei einem Treffen
am 8. September 1999 rückte die Prüfungsgruppe nicht von ihrem Ergebnis ab.
31
Mit an InterTeam gerichtetem Schreiben vom 21. Dezember 1999 kündigte die Kommission den Vertrag
rückwirkend zum 8. September 1999.
C –
32
Das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften
im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) hatte nach deren Artikel 2 Absatz 1 zur
Folge, dass jede Bezugnahme auf die Ecu durch eine Bezugnahme auf den Euro zum Kurs von 1 Euro für
1 Ecu ersetzt wurde.
33
Die Kommission zahlte vertragsgemäß folgende Beträge an die Beklagten:
270 000 Euro am 8. Juni 1998;
191 394 Euro am 6. Mai 1999 für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 1998.
Der Gesamtbetrag der Vorschüsse belief sich somit auf 461 394 Euro.
34
Am 21. Dezember 1999 richtete die Kommission ein Schreiben an die Beklagten mit der Aufforderung zur
Erstattung von 317 214 Euro entsprechend der Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Betrag von
461 394 Euro und dem Betrag von 144 180 Euro, der nach ihrer Berechnung den von ihr geschuldeten
Beitrag darstellt.
35
Nach der in der Klageschrift enthaltenen Tabelle verteilen sich diese Beträge (in Euro) laut Kommission wie
folgt auf die Beklagten:
A
B
C
D
InterTeam
153 500
300 934
29 491,36
271 443
A-Consult
101 500
61 823
40 960,23
20 862
[AMI Semiconductor]
97 000
26 743
26 214,55
529
Ision
70 000
39 926
31 129,77
8 797
[Euram]
40 000
21 606
21 606
Intracom
68 000
10 362
16 384,09
(6 022)
[Nordbank]
10 000
540 000
461 394
144 180
323 237
A = Höchstzuschuss laut Vertrag, B = tatsächlich ausgezahlter Betrag, C = anerkannter Zuschuss, D = zu
erstattender Betrag (B – C)
D –
1. InterTeam
36
Am 22. Dezember 1999 beschloss die Gesellschafterversammlung von InterTeam die Liquidation der
Gesellschaft. Am 17. Juli 2001 legte InterTeam ihre Bilanz zum 31. Dezember 1999 vor, die nach ihren
Angaben der Liquidationsbilanz entsprach. Diese Bilanz wies einen durch Eigenkapital nicht gedeckten
Fehlbetrag von 695 605,33 DM (entspricht 355 657,35 Euro) aus. Am 8. November 2001 wurde InterTeam im
Handelsregister gelöscht.
2. A-Consult
37
Am 10. Juli 2002 wurde über das Vermögen von A-Consult das Ausgleichsverfahren eröffnet und der
gegenwärtige Masseverwalter Rechtsanwalt E. Roehlich zum Ausgleichsverwalter dieser Gesellschaft bestellt.
38
A-Consult zog den Ausgleichsantrag in der Folge zurück, so dass gemäß den gesetzlichen österreichischen
Insolvenzbestimmungen das Ausgleichsverfahren eingestellt und am 25. Juli 2002 das
„Anschlusskonkursverfahren“ eröffnet wurde.
3. Ision
39
Am 19. Juli 2002 wurde über das Vermögen von Ision das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt
H. Fialski zum Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft bestellt.
II – Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes
A –
40
Artikel 238 EG lautet:
„Der Gerichtshof ist für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel zuständig, die in einem von der
Gemeinschaft oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag
enthalten ist.“
41
Artikel 225 Absatz 1 EG in der Fassung des Vertrages von Nizza hat folgenden Wortlaut:
„Das Gericht erster Instanz ist für Entscheidungen im ersten Rechtszug über die in den Artikeln 230, 232,
235, 236 und 238 genannten Klagen zuständig, mit Ausnahme derjenigen Klagen, die einer gerichtlichen
Kammer übertragen werden, und der Klagen, die gemäß der Satzung dem Gerichtshof vorbehalten sind. In
der Satzung kann vorgesehen werden, dass das Gericht erster Instanz für andere Kategorien von Klagen
zuständig ist.
Gegen die Entscheidungen des Gerichts erster Instanz aufgrund dieses Absatzes kann nach Maßgabe der
Bedingungen und innerhalb der Grenzen, die in der Satzung vorgesehen sind, beim Gerichtshof ein auf
Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel eingelegt werden.“
42
Artikel 51 der Satzung des Gerichtshofes bestimmte in der bis zum 31. Mai 2004 geltenden Fassung vor dem
Inkrafttreten des Beschlusses 2004/407/EG, Euratom des Rates vom 26. April 2004 zur Änderung der Artikel
51 und 54 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs (ABl. L 132, S. 5):
„Abweichend von der in Artikel 225 Absatz 1 des EG-Vertrags … vorgesehenen Regelung ist für Klagen der
Mitgliedstaaten, der Gemeinschaftsorgane und der Europäischen Zentralbank der Gerichtshof zuständig.“
Mitgliedstaaten, der Gemeinschaftsorgane und der Europäischen Zentralbank der Gerichtshof zuständig.“
B –
43
Die Schiedsklausel in Anhang II Artikel 7 des Vertrages, die in Randnummer 22 des vorliegenden Urteils
wiedergegeben ist, bestimmt nach ihrem Wortlaut das Gericht als in erster Instanz ausschließlich zuständig
für alle Streitigkeiten, die aus dem Vertrag entstehen können.
44
Das System der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Gericht und dem Gerichtshof, wie es im
Vertrag und in der diesem beigefügten Satzung des Gerichthofes festgelegt ist, sah jedoch zum Zeitpunkt
der Klageerhebung unstreitig nicht die Möglichkeit vor, dass das Gericht über Klagen entscheidet, die wie im
vorliegenden Fall von einem Gemeinschaftsorgan erhoben werden.
45
Aus diesem Grund ist die Klageschrift, nachdem sie ursprünglich bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht
worden war, nach Artikel 54 der Satzung des Gerichtshofes an dessen Kanzlei übermittelt worden.
46
Obwohl die Zuständigkeit des Gerichtshofes von den Parteien nicht in Frage gestellt wird, ist die
Anwendbarkeit der Schiedsklausel, wie die Generalanwältin zutreffend in Nummer 53 ihrer Schlussanträge
festgestellt hat, vom Gerichtshof von Amts wegen zu prüfen.
47
Somit stellt sich die Frage, ob die Benennung des Gerichts in einer Schiedsklausel zur Zuständigkeit des
Gerichtshofes nach Artikel 238 EG führen kann, der Zuständigkeiten speziell dem „Gerichtshof“ zuweist.
48
Dies ist aus folgenden Gründen zu bejahen.
49
Wie die Generalanwältin in Nummer 59 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich aus der Verwendung
des Begriffes „Gerichtshof“ im Vertrag, dass sich diese Bezeichnung nicht auf das eine oder das andere
Gemeinschaftsgericht bezieht, sondern auf das Gemeinschaftsorgan, das den Gerichtshof und das Gericht
umfasst. Die Nennung des „Gerichtshofes“ in Artikel 238 EG ist daher so zu verstehen, dass auf dieses
Organ verwiesen wird, und auf dieses muss sich ein Vertrag beziehen, damit dem einen oder dem anderen
Gemeinschaftsgericht eine Zuständigkeit zugewiesen werden kann.
50
Der Vertrag schreibt keine besondere Formel vor, die in einer Schiedsklausel zu verwenden ist. Daher ist
jede Formel, die darauf hinweist, dass die Parteien beabsichtigen, etwaige Streitigkeiten zwischen ihnen den
nationalen Gerichten zu entziehen und den Gemeinschaftsgerichten zu unterwerfen, als ausreichend
anzusehen, um die Zuständigkeit der Gemeinschaftsgerichte nach Artikel 238 EG herbeizuführen.
51
Dieses Kriterium wird durch eine Benennung des Gerichts klar erfüllt, ohne dass es erforderlich wäre, die
fragliche Klausel unter Berücksichtigung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts auszulegen.
52
Dass sich die Parteien bei ihrem Versuch, genau zu bestimmen, welches Gericht innerhalb des Organs
„Gerichtshof“ sich mit Streitigkeiten zwischen ihnen befassen sollte, geirrt haben und dass die
Schiedsklausel folglich teilweise unwirksam ist, ändert nichts daran, dass die Parteien klar ihre Absicht zum
Ausdruck gebracht haben, etwaige Streitigkeiten zwischen ihnen den nationalen Gerichten zu entziehen und
den Gemeinschaftsgerichten zu unterwerfen.
53
Der Gerichtshof ist daher dafür zuständig, über die Klage der Kommission und die Widerklage von Intracom
zu entscheiden.
III – Zur Zulässigkeit der Klage, soweit sie gegen drei in Liquidation befindliche oder bereits
liquidierte Gesellschaften gerichtet ist
54
Drei der Beklagten, nämlich InterTeam, A-Consult und Ision, halten die Klage, soweit diese sie betrifft, für
unzulässig und begründen dies in erster Linie damit, dass sie sich zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage
in verschiedenen Stadien des Insolvenzverfahrens befunden hätten.
A –
1. Gemeinschaftsrecht
55
Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1),
die gemäß den Artikeln 61 Buchstabe c EG und 67 Absatz 1 EG erlassen wurde, enthält u. a. folgende
Begründungserwägungen:
„(2)
Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes sind effiziente und wirksame
grenzüberschreitende Insolvenzverfahren erforderlich; die Annahme dieser Verordnung ist zur
Verwirklichung dieses Ziels erforderlich, das in den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in
Zivilsachen im Sinne des Artikels 65 des Vertrags fällt.
(3)
Die Geschäftstätigkeit von Unternehmen greift mehr und mehr über die einzelstaatlichen Grenzen
hinaus und unterliegt damit in zunehmendem Maß den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Da die
Insolvenz solcher Unternehmen auch nachteilige Auswirkungen auf das ordnungsgemäße
Funktionieren des Binnenmarktes hat, bedarf es eines gemeinschaftlichen Rechtsakts, der eine
Koordinierung der Maßnahmen in Bezug auf das Vermögen eines zahlungsunfähigen Schuldners
vorschreibt.
(4)
Im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes muss verhindert werden,
dass es für die Parteien vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem
Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung
anzustreben (sog. ‚forum shopping‘).
(8)
Zur Verwirklichung des Ziels einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren
mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig und angemessen, die Bestimmungen über den
Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht in diesem Bereich in einem
gemeinschaftlichen Rechtsakt zu bündeln, der in den Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar
gilt.“
56
Diese Verordnung enthält folgende Bestimmungen:
„Artikel 3
Internationale Zuständigkeit
(1) Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen
Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und
juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer
hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.
(2) Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaats,
so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt,
wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. Die Wirkungen dieses
Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses letzteren Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners
beschränkt.
Artikel 4
Anwendbares Recht
(1) Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen
das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird, nachstehend ‚Staat der
Verfahrenseröffnung‘ genannt.
(2) Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das
Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt insbesondere:
f)
wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner
Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten;
Artikel 16
Grundsatz [der Anerkennung der Insolvenzverfahren]
(1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Artikel 3 zuständiges Gericht eines
Mitgliedstaats wird in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der
Verfahrenseröffnung wirksam ist.
Dies gilt auch, wenn in den übrigen Mitgliedstaaten über das Vermögen des Schuldners wegen seiner
Eigenschaft ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet werden könnte.
(2) Die Anerkennung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 steht der Eröffnung eines Verfahrens nach
Artikel 3 Absatz 2 durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats nicht entgegen. …
Artikel 17
Wirkungen der Anerkennung
(1) Die Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 1 entfaltet in jedem anderen Mitgliedstaat, ohne
dass es hierfür irgendwelcher Förmlichkeiten bedürfte, die Wirkungen, die das Recht des Staates der
Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt und solange
in diesem anderen Mitgliedstaat kein Verfahren nach Artikel 3 Absatz 2 eröffnet ist.
(2) Die Wirkungen eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen in den anderen Mitgliedstaten nicht in
Frage gestellt werden. Jegliche Beschränkung der Rechte der Gläubiger, insbesondere eine Stundung oder
eine Schuldbefreiung infolge des Verfahrens, wirkt hinsichtlich des im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats
belegenen Vermögens nur gegenüber den Gläubigern, die ihre Zustimmung hierzu erteilt haben.
Artikel 40
Pflicht zur Unterrichtung der Gläubiger
(1) Sobald in einem Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, unterrichtet das zuständige Gericht
dieses Staates oder der von diesem Gericht bestellte Verwalter unverzüglich die bekannten Gläubiger, die in
den anderen Mitgliedstaaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz haben.
(2) Die Unterrichtung erfolgt durch individuelle Übersendung eines Vermerks und gibt insbesondere an,
welche Fristen einzuhalten sind, welches die Versäumnisfolgen sind, welche Stelle für die Entgegennahme
der Anmeldungen zuständig ist und welche weiteren Maßnahmen vorgeschrieben sind. In dem Vermerk ist
auch anzugeben, ob die bevorrechtigten oder dinglich gesicherten Gläubiger ihre Forderungen anmelden
müssen.“
2. Nationales Recht
57
Im deutschen Recht hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft u. a.
folgende Konsequenzen:
Nach § 80 der Insolvenzordnung (InsO) vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I 1994 S. 2866) in der auf den
Rechtsstreit anwendbaren Fassung steht die Verwaltung des Vermögens der Gesellschaft dem
Insolvenzverwalter zu. Dies schließt die Prozessführungsbefugnis ein, und dementsprechend hat die
Zustellung einer Klage gegen die Gesellschaft an den Insolvenzverwalter und nicht an die Gesellschaft
zu erfolgen.
Nach § 87 InsO können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen gegen die Gesellschaft nur nach den
Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Die Bestimmungen der §§ 174 ff. InsO treten daher
an die Stelle der im Zivilverfahrensrecht geregelten üblichen Rechtsbehelfe, und eine unmittelbar
gegen die Gesellschaft oder den Insolvenzverwalter gerichtete Rechtsverfolgung ist unzulässig.
58
Im österreichischen Recht untersagt § 6 Absatz 1 der Konkursordnung (KO) (RGBl. Nr. 337/1914) in der auf
den Rechtsstreit anwendbaren Fassung, nach der Konkurseröffnung Rechtsstreitigkeiten, welche die
Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezwecken, anhängig zu
machen oder fortzusetzen.
B –
59
Nach Auffassung von AMI Semiconductor, Euram und InterTeam ist die Klage unzulässig, soweit sie InterTeam
betrifft, da diese Gesellschaft am 8. November 2001, d. h. neun Monate vor Einreichung der Klage der
Kommission, im Handelsregister gelöscht worden sei und daher zu diesem Zeitpunkt ihre Rechtsfähigkeit
verloren habe.
60
Wie die Generalanwältin in Nummer 67 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine Klage gegen eine
Gesellschaft unzulässig, wenn diese Gesellschaft bei Erhebung der Klage nicht rechts- und parteifähig war.
Anwendbares Recht ist insoweit das Recht, das die Gründung der fraglichen Gesellschaft regelt, im
vorliegenden Fall also das deutsche Recht (vgl. Urteile vom 27. September 1988 in der Rechtssache 81/87,
Daily Mail and General Trust, Slg. 1988, 5483, Randnr. 19, und vom 5. November 2002 in der Rechtssache C-
208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919, Randnr. 81).
61
Unstreitig verliert nach deutschem Recht eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wie InterTeam
mit ihrer Auflösung ihre Parteifähigkeit; Voraussetzung dafür ist ihre Löschung im Handelsregister nach
Feststellung der Vermögenslosigkeit. Die Löschung begründet somit eine Vermutung der
Vermögenslosigkeit.
62
Zwar kann diese Vermutung grundsätzlich widerlegt werden, was zur Folge hätte, dass die gelöschte
Gesellschaft ihre Parteifähigkeit wiedererlangt, doch genügt die bloße Behauptung, dass eine gelöschte
Gesellschaft noch Vermögenswerte besitzt, entgegen dem Vorbringen der Kommission insoweit nicht. Die
Kommission hätte Tatsachen zur Stützung ihrer Behauptung darlegen müssen, indem sie z. B. die ihres
Erachtens weiter vorhandenen Vermögenswerte angibt und dabei zumindest deren ungefähren Wert und
deren rechtliche Grundlage sowie gegebenenfalls den betreffenden Schuldner nennt.
63
In Ermangelung dieser Angaben ist die Klage, soweit sie gegen InterTeam gerichtet ist, für unzulässig zu
erklären.
C –
64
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung waren Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser beiden
Gesellschaften nach dem jeweiligen nationalen Recht eröffnet worden.
65
Es ist unstreitig, dass nach den einschlägigen nationalen Vorschriften, d. h. § 6 KO bei A-Consult und § 87
InsO bei Ision, eine Klage wie die der Kommission unter diesen Umständen für unzulässig erklärt worden
wäre, wenn sie vor den nationalen Gerichten gegen diese Gesellschaften erhoben worden wäre.
66
Nach Artikel 238 EG in Verbindung mit der Schiedsklausel ist der Gerichtshof grundsätzlich dafür zuständig,
über Streitigkeiten zwischen den Parteien zu entscheiden.
67
Es stellt sich jedoch die Frage, auf welche Weise diese Zuständigkeit bezüglich einer Partei wahrzunehmen
ist, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Diese Frage ist nach dem vor dem
Gerichtshof geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen.
68
Da weder die Satzung des Gerichtshofes noch die Verfahrensordnung des Gerichtshofes besondere
Bestimmungen über die Behandlung von Klagen gegen Parteien enthalten, über deren Vermögen ein
Insolvenzverfahren eröffnet wurde, sind die anzuwendenden Regeln aus den gemeinsamen
verfahrensrechtlichen Grundsätzen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich abzuleiten.
69
Insoweit erweist sich, dass nach dem Verfahrensrecht der meisten Mitgliedstaaten ein Gläubiger seine
Forderungen nicht gesondert gegen eine Person gerichtlich geltend machen kann, die Gegenstand eines
Insolvenzverfahrens ist, sondern die Regeln des anwendbaren Verfahrens befolgen muss, und dass, werden
diese Regeln nicht beachtet, eine Klage unzulässig ist. Die Mitgliedstaaten sind ferner zur gegenseitigen
Beachtung der in ihrem Hoheitsgebiet eröffneten Verfahren verpflichtet. Dies ergibt sich aus der Verordnung
Nr. 1346/2000, die in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f vorsieht, dass die Auswirkungen der Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger durch das Recht des Staates der
Verfahrenseröffnung geregelt werden, im vorliegenden Fall das österreichische und das deutsche Recht.
Darüber hinaus wird nach den Artikeln 16 und 17 dieser Verordnung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
in einem Mitgliedstaat in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt und entfaltet dort die Wirkungen, die das
Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt.
70
Wie die Generalanwältin in den Nummern 84 und 85 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, sollen die
Bestimmungen der Verordnung Nr. 1346/2000, wie insbesondere aus der zweiten, der dritten, der vierten
und der achten Begründungserwägung der Verordnung hervorgeht, die Wirksamkeit und die geordnete
Koordinierung der Insolvenzverfahren innerhalb der Europäischen Union sicherstellen und auf diese Weise
eine gleichmäßige Verteilung der zur Verfügung stehenden Masse unter den Gläubigern gewährleisten. Die
Gemeinschaftsorgane hätten einen nicht zu rechtfertigenden Vorteil gegenüber den anderen Gläubigern,
wenn es ihnen möglich wäre, ihre Forderungen in Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten geltend zu
machen, während eine Rechtsverfolgung vor den nationalen Gerichten nicht möglich ist.
71
Die Kommission beruft sich zudem zu Unrecht auf Artikel 40 der Verordnung Nr. 1346/2000, indem sie im
vorliegenden Fall der Anwendung dieser Verordnung mit der Begründung widerspricht, dass von der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 10. Juli 2002 bis zur Unterrichtung über die Eröffnung am 23.
September 2002 zweieinhalb Monate vergangen seien. Erstens entfaltet nach Artikel 17 Absatz 1 der
Verordnung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in den anderen Mitgliedstaaten Wirkungen, ohne dass
eine Unterrichtung nach Artikel 40 der Verordnung erforderlich wäre. Zweitens sieht die Verordnung Nr.
1346/2000, selbst wenn die Unterrichtung der Kommission als verspätet angesehen werden kann, nicht vor,
dass eine solche Verspätung Auswirkungen auf die Anerkennung des Verfahrens in anderen Mitgliedstaaten
hat; ausgenommen ist ein etwaiger Anspruch auf Ersatz der durch eine verspätete Unterrichtung
entstandenen Schäden.
72
Demnach ist die Klage der Kommission, wie sie in der Klageschrift formuliert ist, für unzulässig zu erklären,
soweit sie gegen A-Consult und Ision gerichtet ist.
D –
73
In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission hilfsweise ergänzende Anträge gestellt, die darauf
gerichtet sind, dass ihre Klage, soweit sie gegen A-Consult und Ision gerichtet ist, so verstanden wird, dass
sie zum Gegenstand hat, die Begründetheit ihrer Forderungen festzustellen, damit sie diese in nationalen
Insolvenzverfahren geltend machen kann.
74
Diese ergänzenden Anträge sind offensichtlich unzulässig.
75
Erstens laufen sie Artikel 38 der Verfahrensordnung zuwider. Nach dieser Vorschrift haben die Parteien den
Streitgegenstand in der Klageschrift anzugeben. Auch wenn Artikel 42 der Verfahrensordnung unter
bestimmten Voraussetzungen das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel zulässt, kann eine
Partei im Laufe des Verfahrens nicht den Streitgegenstand selbst abändern (vgl. Urteile vom 25. September
1979 in der Rechtssache 232/78, Kommission/Frankreich, Slg. 1979, 2729, Randnr. 3, und vom 18. Oktober
1979 in der Rechtssache 125/78, GEMA/Kommission, Slg. 1979, 3173, Randnr. 26). Neue Anträge, die
erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, können nicht zugelassen werden, da andernfalls
den Beklagten die Möglichkeit genommen wird, ihre Antwort vorzubereiten, und so die Verteidigungsrechte
verletzt werden.
76
Zweitens gehen diese Anträge über die Zuständigkeiten hinaus, die dem Gerichtshof nach der
anwendbaren Schiedsklausel eingeräumt sind, die diese Zuständigkeit auf „Streitigkeiten zwischen der
Kommission und den Vertragspartnern“ beschränkt, während eine Klage auf Feststellung für die Zwecke
eines Insolvenzverfahrens auch andere Parteien involviert, nämlich die übrigen Gläubiger des in Konkurs
befindlichen Unternehmens. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass die Kommission kein Verfahren mit dem
Ziel angestrengt hat, diese Parteien in den vorliegenden Rechtsstreit einzubeziehen.
77
Schließlich gelten die Ausführungen in den Randnummern 68 bis 70 des vorliegenden Urteils auch für die
ergänzenden Anträge der Kommission, die aus diesem Grund für unzulässig zu erklären sind.
78
Folglich sind die ergänzenden Anträge der Kommission ebenfalls als unzulässig abzuweisen.
IV – Zur Begründetheit der Klage, soweit sie gegen AMI Semiconductor, Intracom, Euram und
Nordbank gerichtet ist
79
Die Kommission beruft sich für ihre Zahlungsanträge gegen die Beklagten auf zwei Rechtsgrundlagen. Zum
einen stützt sie sich auf den vertraglichen Erstattungsanspruch nach Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des
Vertrages. Zum anderen macht sie eine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten im Sinne von § 812
des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geltend, wonach, „[w]er durch die Leistung eines anderen oder in
sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, … ihm zur Herausgabe
verpflichtet [ist]“.
A –
80
Nach Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des Vertrages sind die Vertragspartner für den Fall, dass die für das
Projekt getätigten Zahlungen den von der Kommission insgesamt zu leistenden Finanzbeitrag übersteigen,
verpflichtet, die Differenz zwischen den Zahlungen und dem Beitrag unverzüglich zu erstatten.
81
Die Anwendung dieser Bestimmung wirft insbesondere zwei Fragen auf. Erstens ist festzustellen, ob die in
dieser Bestimmung vorgesehene Erstattungspflicht eine Gesamtschuld ist oder ob eine Erstattung nur von
Vertragspartnern verlangt werden kann, die tatsächlich Mittel von der Kommission erhalten haben. Zweitens
ist die Berechnung des von der Kommission insgesamt zu leistenden Finanzbeitrags zu prüfen.
1. Zur gesamtschuldnerischen Haftung
82
Der Ausdruck „die Vertragspartner“ wird auf Seite 2 des Vertrages so definiert, dass er gemeinsam die
sieben Beklagten bezeichnet, die den Vertrag mit der Kommission geschlossen haben. Die genauen Folgen
der Verwendung dieses Ausdrucks in Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des Vertrages sind gleichwohl
Gegenstand lebhafter Debatten zwischen den Parteien gewesen.
83
Nach Ansicht der Kommission belegt die Verwendung dieses Ausdrucks, dass die in dieser Bestimmung
vorgesehene Erstattungspflicht der Gesamtheit der Vertragspartner obliege und nicht nur denjenigen, die
die fraglichen Vorschüsse erhalten hätten. Die Kommission könne daher jeden Vertragspartner wegen der
gesamten Vorschüsse verklagen.
84
Die Beklagten machen dagegen geltend, dass aus der bloßen Verwendung des Ausdrucks „die
Vertragspartner“ nicht auf eine gesamtschuldnerische Haftung geschlossen werden könne und dass, wenn
eine solche Haftung den Absichten der Parteien entsprochen hätte, dies hätte deutlicher zum Ausdruck
gebracht werden müssen. Zudem sei die Verpflichtung aus Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des Vertrages
nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Bestimmung eine Pflicht zur „Erstattung“, was nach der Definition
dieses Begriffes voraussetze, dass der Betrag, dessen Erstattung beantragt werde, von der Partei, von der
er verlangt werde, zunächst empfangen worden sei.
85
Da Artikel 23 Nummer 23.3 selbst in diesem Punkt nicht hinreichend klar ist, muss er im Zusammenhang mit
den übrigen Vertragsbestimmungen, insbesondere unter Berücksichtigung von Artikel 1 des Vertrages,
ausgelegt werden.
86
Artikel 1 Nummer 1.1 verpflichtet die Parteien auf den ersten Blick „als Gesamtschuldner“ („jointly and
severally“), den Vertrag in Bezug auf die „in Anhang I … genannten Arbeiten“ durchzuführen. Diese
Verpflichtung, die nach dem Wortlaut dieser Bestimmung jedenfalls nur für die Ausführung der Arbeiten,
nicht aber für die Erstattung von Vorschüssen gilt, wird sodann durch Nummer 1.2 desselben Artikels eng
begrenzt.
87
So schließt Artikel 1 Nummer 1.2 Satz 2 des Vertrages jede gesamtschuldnerische Haftung für die
Erstattung von Vorschüssen aus, indem er vorsieht, dass „[k]ein Vertragspartner … für
Zahlungsverpflichtungen eines vertragsbrüchigen Vertragspartners [haftet], es sei denn, er selbst hat zur
Vertragsverletzung beigetragen“.
88
Aus dieser Prüfung ergibt sich, dass Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des Vertrages, ausgelegt unter
Berücksichtigung von Artikel 1 Nummer 1.2 des Vertrages, einen Vertragspartner nur zur Erstattung solcher
Vorschüsse verpflichtet, die er tatsächlich erhalten hat, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass dieser
Vertragspartner zu einer Vertragsverletzung beigetragen hat, die zu einem Anspruch der Kommission auf
Erstattung eines einem anderen Vertragspartner gezahlten Vorschusses geführt hat. Die Beweislast für den
Beitrag eines Vertragspartners zu einer solchen Vertragsverletzung liegt zwangsläufig bei der Kommission als
Klägerin, die sich auf diese Vertragsverletzung beruft.
89
Die Kommission hat nicht bewiesen, dass AMI Semiconductor, Euram, Intracom oder Nordbank auf
irgendeine Weise zu einer spezifischen Vertragsverletzung eines anderen Vertragspartners beigetragen
hätte, die zu einem Anspruch der Kommission auf Erstattung eines von diesem anderen Vertragspartner
empfangenen Vorschusses geführt hätte. Wie die Generalanwältin in Nummer 145 ihrer Schlussanträge
ausgeführt hat, ist das pauschale Vorbringen, dass die Beklagten nicht ausreichend zusammengearbeitet
oder ihren Verpflichtungen zur Unterrichtung der Kommission nicht nachgekommen seien, insoweit
unzureichend, auch wenn es zum Teil auf die Prüfungsberichte gestützt wird.
90
Somit ist festzustellen, dass keiner dieser Beklagten verpflichtet sein kann, nach Anhang II Artikel 23
Nummer 23.3 des Vertrages Beträge zu erstatten, die über das hinausgehen, was er selbst erhalten hat.
2. Zur Berechnung des von der Kommission zu leistenden Finanzbeitrags
91
Anhang II Artikel 23 Nummer 23.3 des Vertrages macht den Erstattungsanspruch davon abhängig, dass der
von der Kommission insgesamt für das Projekt zu leistende Finanzbeitrag niedriger ist als der Betrag der
bereits gezahlten Vorschüsse. In diesem Fall wäre jeder der Beklagten verpflichtet, die Differenz zwischen
dem von ihm empfangenen Vorschuss und dem ihm zustehenden Kostenersatz zu erstatten.
92
In ihrer Klageschrift hat die Kommission in einer in Randnummer 35 des vorliegenden Urteils
wiedergegebenen Tabelle die Beträge aufgeschlüsselt, die jeder der Beklagten individuell ohne
Berücksichtigung einer gesamtschuldnerischen Haftung erstatten müsste. Die betreffenden Beträge sind
berechnet worden, indem von dem Betrag, den jeder Vertragspartner tatsächlich von der Kommission
erhalten hat, die Beträge für von der Kommission angenommene Leistungen abgezogen wurden, soweit der
jeweilige Vertragspartner nach der Arbeitsverteilung in Anhang I des Vertrages zu den Leistungen beitragen
sollte.
93
Da die Kommission anerkennt, dass Nordbank keine Zahlungen erhalten hat und dass Intracom einen
niedrigeren als den ihr geschuldeten Betrag erhalten hat, kann sie von diesen beiden Beklagten keine
Erstattung verlangen.
94
Es ist unstreitig, dass AMI Semiconductor insgesamt 26 743 Euro erhalten hat und dass die Kommission
Arbeiten im Wert von 26 214,55 Euro anerkannt hat. Der Höchstbetrag, den diese Gesellschaft erstatten
müsste, beläuft sich daher auf 528,45 Euro. Weiter ist unstreitig, dass Euram 21 606 Euro erhalten hat und
dass keine der Leistungen, zu denen sie beigetragen hat, anerkannt wurde.
95
Was die gegen diese beiden Beklagten gerichteten Forderungen angeht, so ist die Kommission nicht
berechtigt, die Anerkennung von Leistungen oder Kostennachweisen zu verweigern, ohne die
Mangelhaftigkeit dieser Leistungen eingehend zu begründen. Entgegen dem Vorbringen der Kommission
verleiht der spezifische Charakter des Vertrages, der darin besteht, dass es sich um einen Vertrag handelt,
der die Zahlung von Subventionen zum Gegenstand hat und keine echte Gegenleistung für die Kommission
vorsieht, dieser kein Ermessen bei der Annahme der Leistungen. Wie die Generalanwältin zutreffend in den
Randnummern 167 bis 171 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hätten, um der Kommission derart
weitgehende einseitige Entscheidungsbefugnisse zu übertragen, entsprechende Klauseln in den Vertrag
aufgenommen werden müssen.
96
Zu prüfen ist daher, ob die Weigerung der Kommission, die von AMI Semiconductor und Euram geschuldeten
Leistungen anzuerkennen, gerechtfertigt ist. Wie die Generalanwältin in Nummer 161 ihrer Schlussanträge
festgestellt hat, betrifft der Rechtsstreit im Wesentlichen die Leistungen 1.1 („Complete set of user-defined
system functions and design specifications“), 1.2 („Complete set of design specifications for future software
interfaces to integrate with the commercial software environment of these organisations“) und 1.3 („Full
description of future business partners’ IT environment“), da diese drei Leistungen die einzigen abgelehnten
Leistungen sind, an deren Erbringung AMI Semiconductor oder Euram mitgewirkt hatte.
97
Die Kommission hat die Ablehnung dieser Leistungen allein auf die Berichte gestützt, in denen die
Prüfungsgruppe sich für eine solche Ablehnung ausgesprochen hatte. Was die Beweiskraft dieser Berichte
angeht, so ist von vornherein die Auffassung der Kommission zurückzuweisen, dass die Berichte für die
Beklagten bindend seien. Obwohl die Beklagten der Auswahl der beiden von der Kommission
vorgeschlagenen Kandidaten zugestimmt hatten, weisen weder Anhang II Artikel 8 des Vertrages noch eine
sonstige Vertragsklausel, noch irgendein Punkt in den zwischen den Beklagten und der Kommission
ausgetauschten Mitteilungen darauf hin, dass die Vertragsparteien durch die von der Prüfungsgruppe
erstellten Berichte gebunden gewesen wären. Eine solche Bindungswirkung stünde auch offensichtlich im
Widerspruch zum Standpunkt der Kommission, die in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat,
dass sie selbst von diesen Berichten abweichen könne, wenn sie dies wolle.
98
In ihrem zweiten Prüfungsbericht hat sich die Prüfungsgruppe für die Ablehnung der fraglichen Leistungen
ausgesprochen. Leistung 1.1 wurde als weitgehend unvollständig und wenig fundiert beschrieben. Die
Leistungen 1.2 und 1.3 wurden als nicht erbracht angesehen, weil die der Prüfungsgruppe vorgelegten
Dokumente nach ihren Titeln nur Zusammenfassungen und keine vollständigen Dokumente gewesen seien.
99
Aus diesen Berichten ergeben sich einige ungeklärte Widersprüche. So beanstandet die Prüfungsgruppe im
Zusammenhang mit Leistung 1.1, dass die Unternehmen des Finanz- oder Logistiksektors, obwohl sie in dem
von den Beklagten gebildeten Konsortium vertreten seien, nicht zur Erbringung dieser Leistung beigetragen
hätten. Aus Anhang I des Vertrages geht aber klar hervor, dass die Beteiligung von Nordbank und Euram an
dieser Leistung im Vertrag nicht vorgesehen war. Offensichtlich hat die Prüfungsgruppe insoweit nicht die
vertraglichen Kriterien angewandt, um die Vertragsmäßigkeit der erbrachten Leistungen zu beurteilen,
sondern hat zu Unrecht ihre eigenen Kriterien herangezogen.
100
Zur Leistung 1.3 hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Präsentation dieser
Leistung durch die Beklagten nur eine einzige Seite in Anspruch genommen habe, was nicht dem im Vertrag
für diese Leistung vorgesehenen Aufwand entspreche. Tatsächlich ist eine auf den ersten Blick
überraschende Diskrepanz zwischen den auf Seite 57 des Anhangs I des Vertrages für diese Leistung
vorgesehenen viereinhalb Monaten Arbeit einer Person und der Kürze des vorgelegten Berichtes
festzustellen. Die Kürze eines Berichtes bedeutet jedoch nicht notwendig, dass der Bericht von mangelnder
Qualität ist oder nicht mit den Bestimmungen des Vertrages im Einklang steht, was aber im vorliegenden Fall
die einzig relevanten Kriterien sind. Sollte die Kommission Zweifel an der Höhe der für eine Leistung
berechneten Kosten gehabt haben, hätte sie die Kostennachweise unter Berücksichtigung der in Anhang II
Artikel 18 bis 20 des Vertrages festgelegten Kriterien beanstanden müssen, statt die Leistung abzulehnen.
101
Um die Ablehnung einer Leistung zu rechtfertigen, muss die Kommission speziell die Aspekte der Leistung
bezeichnen, die sie zu beanstanden beabsichtigt, und dabei die Gründe nennen, aus denen ihres Erachtens
diese Leistung von den Vertragsbestimmungen abweicht. Im vorliegenden Fall sind weder die
Prüfungsberichte noch die Klageschrift der Kommission insoweit ausführlich genug.
102
Folglich ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, mit dem sie einen auf Anhang II Artikel 23
Nummer 23.3 des Vertrages gestützten Erstattungsanspruch geltend macht. Dementsprechend ist auch der
auf Artikel 5 Nummer 5.4 dieses Anhangs gestützte Antrag auf Zinsen zurückzuweisen.
B –
103
Wie die Generalanwältin in Nummer 185 ihrer Schlussanträge zutreffend festgestellt hat, scheitert ein
Anspruch aus § 812 BGB auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung aus denselben Gründen wie
der vertragliche Erstattungsanspruch. Da die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die empfangenen
Zahlungen die Ansprüche der Vertragspartner überstiegen, hat sie auch keine ungerechtfertigte
Bereicherung nachgewiesen.
104
Folglich ist die Klage der Kommission in vollem Umfang abzuweisen.
V – Zur Widerklage von Intracom
105
Mit ihrer Widerklage begehrt Intracom von der Kommission die Zahlung von 6 022 Euro. Dieser Betrag
ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Vorschuss von 10 362 Euro, den InterTeam tatsächlich an
Intracom gezahlt habe, und dem von Intracom getragenen Teil der sich auf die anerkannten Leistungen
beziehenden Kosten, der sich nach der Berechnung der Kommission auf 16 384,09 Euro belaufe.
106
Abgesehen davon, dass sie geltend macht, die Kommission habe sich „ungerechtfertigt bereichert“, gibt
Intracom nicht näher an, auf welche Rechtsgrundlage sie diesen Anspruch stützt.
107
Es ist unstreitig, dass die Kommission den Beklagten durch ihre Zahlungen an InterTeam ausreichende
Mittel zugewendet hatte, um die Zahlung von 6 022 Euro zugunsten von Intracom zu decken. Bis zum
Vertragsende war InterTeam nämlich ein Betrag von 300 934 Euro gezahlt worden, ohne dass sie diesen
Betrag an die übrigen Beklagten weitergeleitet hätte. Da InterTeam nach den Angaben im Formblatt auf
Seite 6 des Anhangs I des Vertrages persönlich Anspruch auf Zahlungen von höchstens 153 500 Euro im
Rahmen des Vertrages gehabt hätte, verfügte sie über einen Betrag von mindestens 147 434 Euro für
Rechnung der übrigen Vertragspartner.
108
Unter diesen Umständen ist die Kommission nicht ungerechtfertigt bereichert. Folglich ist die Widerklage von
Intracom abzuweisen.
Kosten
109
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu
verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Widerklage der Intracom SA Hellenic Telecommunications & Electronic Industry wird
abgewiesen.
3.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.
Unterschriften.
Verfahrenssprache: Deutsch.