Urteil des EuGH vom 18.01.2001

EuGH: kommission, luxemburg, genehmigung, verordnung, behörde, amtsblatt, staatsrat, bestätigung, anfang, verfahrensordnung

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
18. Januar 2001
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 97/13/EG“
In der Rechtssache C-448/99
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Großherzogtum Luxemburg
Beklagter,
wegen Feststellung, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der
Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen
gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. L 117,
S. 15) verstoßen hat, dass es nicht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um
den Artikeln 8 Absatz 3 und 9 Absatz 2 dieser Richtlinie nachzukommen,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. La Pergola sowie der Richter M. Wathelet, D. A. O. Edward, P.
Jann und L. Sevón (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Léger
Kanzler: R. Grass
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. September 2000,
folgendes
Urteil
1.
Mit Klageschrift, die am 25. November 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat
die Kommission der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf
Feststellung, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der
Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen
gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste (ABl. L
117, S. 15) verstoßen hat, dass es nicht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
erlassen hat, um den Artikeln 8 Absatz 3 und 9 Absatz 2 dieser Richtlinie nachzukommen.
2.
Die Richtlinie betrifft gemäß Artikel 1 Absatz 1 die Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen für
die Erbringung von Telekommunikationsdiensten.
3.
Nach Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie können diese Dienste entweder genehmigungsfrei oder
aufgrund von Allgemeingenehmigungen bereitgestellt werden, die erforderlichenfalls durch Rechte
und Pflichten, die eine Einzelprüfung der Anträge verlangen sowie eine oder mehrere
Einzelgenehmigungen nach sich ziehen, ergänzt werden können.
4.
Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie bestimmt:
„Unbeschadet des Artikels 20 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Informationen über die Auflagen
jeder Einzelgenehmigung so veröffentlicht werden, dass eine Kenntnisnahme ohne Schwierigkeiten
möglich ist. Im Amtsblatt des betreffenden Mitgliedstaates und im
ist auf die Veröffentlichung hinzuweisen.“
5.
Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie sieht vor:
„Bei der Erteilung von Einzelgenehmigungen müssen die Mitgliedstaaten Folgendes beachten:
- Einzelgenehmigungen müssen durch offene, nichtdiskriminierende und transparente Verfahren
erteilt werden, die für alle Antragsteller gleich sind, sofern kein objektiver Grund für eine
unterschiedliche Behandlung besteht.
- Es sind angemessene Fristen festzulegen; unter anderem ist dem Antragsteller so bald wie
möglich, spätestens aber sechs Wochen nach Eingang des Antrags, die Entscheidung über den
Antrag mitzuteilen. In den Bestimmungen zur Durchführung dieser Richtlinie können die
Mitgliedstaaten die Frist in objektiv begründeten Fällen, die in diesen Bestimmungen einzeln
aufgeführt sind, auf bis zu vier Monate ausdehnen. Insbesondere im Fall von vergleichenden
Auswahlverfahren können die Mitgliedstaaten diese Frist nochmals um höchstens vier Monate
verlängern. Diese Fristen lassen geltende internationale Vereinbarungen über die internationale
Frequenz- und Satellitenkoordinierung unberührt.“
6.
Gemäß Artikel 25 Absatz 1 der Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten die Rechts- und
Verwaltungsvorschriften, die erforderlich waren, um der Richtlinie nachzukommen, bis spätestens 31.
Dezember 1997 zu erlassen und die Kommission hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
7.
Die luxemburgischen Behörden übermittelten der Kommission eine Reihe von Verordnungen und
Verordnungsentwürfen zur Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht. Bei der Prüfung dieser
Texte gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass einzelne darin enthaltene Bestimmungen nicht
mit der Richtlinie vereinbar seien und dass zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie noch zusätzliche
Maßnahmen erforderlich seien. Die Kommission forderte daher mit Schreiben vom 24. Juli 1998 das
Großherzogtum Luxemburg auf, sich innerhalb von zwei Monaten zu äußern.
8.
Die luxemburgischen Behörden gaben mit Schreiben vom 18. September 1998 ihre Stellungnahme
ab. Da die Kommission der Ansicht war, dass diese nicht auf alle in dem Aufforderungsschreiben
enthaltenen Vorwürfe eingehe, richtete sie mit Schreibenvom 8. Februar 1999 eine mit Gründen
versehene Stellungnahme an das Großherzogtum Luxemburg mit der Aufforderung, die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe
nachzukommen.
9.
Die luxemburgischen Behörden antworteten mit Schreiben vom 13. April 1999 auf die mit Gründen
versehene Stellungnahme. Da die Kommission jedoch annahm, dass die Richtlinie nach wie vor nicht in
befriedigender Weise umgesetzt worden sei, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
10.
Die Kommission erhebt zwei Vorwürfe gegen das Großherzogtum Luxemburg.
11.
Erstens sei Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie nicht vollständig umgesetzt worden, denn die in Artikel 7
Absatz 2 Buchstabe e des luxemburgischen Telekommunikationsgesetzes vom 21. März 1997
( A 1997, S. 761) vorgesehene großherzogliche Verordnung zur Festlegung der Bedingungen
des Pflichtenhefts für den Betrieb eines Funkrufdienstes müsse noch erlassen und bekanntgemacht
werden. Die Kommission verweist insoweit auf das Urteil vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache
C-263/96 (Kommission/Belgien, Slg. 1997, I-7453, Randnr. 26), wonach ein nationales Gesetz, das
keine materielle Vorschrift zur Umsetzung einer Richtlinie enthalte, sondern nur eine Behörde
ermächtige, die erforderlichen materiellen Vorschriften zu einem späteren Zeitpunkt zu erlassen,
keine umfassende und präzise Umsetzung der Richtlinie bewirke.
12.
Das Großherzogtum Luxemburg macht in seiner Klagebeantwortung geltend, der Entwurf einer
großherzoglichen Verordnung zur Festlegung der genannten Bedingungen sei am 7. Dezember 1999
dem Staatsrat zur Stellungnahme zugeleitet und Anfang Dezember 1999 der Kommission übermittelt
worden.
13.
Da dieser Text nicht endgültig ist, ist festzustellen, dass Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie mangels
einer Regelung zur Festlegung der Bedingungen des Pflichtenhefts für den Betrieb eines
Funkrufdienstes oder jedenfalls mangels des Erlasses einer solchen Regelung innerhalb der in der mit
Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht vollständig in das innerstaatliche Recht
umgesetzt worden ist.
14.
Die Klage der Kommission ist daher in Bezug auf die genannte Richtlinienbestimmung als begründet
anzusehen.
15.
Die Kommission trägt zweitens vor, das Großherzogtum Luxemburg habe die in Artikel 9 Absatz 2
zweiter Gedankenstrich der Richtlinie vorgesehene Verpflichtung insoweit nicht ordnungsgemäß
umgesetzt, als die in der nationalen Regelung festgesetzte Frist für die endgültige Erteilung von
Genehmigungen die in dieser Bestimmung erwähnte Sechswochenfrist überschreite. Wenn die
Richtlinie vorschreibe, dass dem Antragsteller die Entscheidung über die Erteilung oder Versagung
der Genehmigung mitgeteilt werde, so müsse es sich dabei um eine vollziehbare Entscheidung
handeln, durch die dem Antragsteller ein Recht eingeräumt oder versagtwerde, da jede andere
Auslegung den Bestimmungen über die Genehmigungsfristen ihre praktische Wirksamkeit nähme. Der
Entwurf einer Genehmigungs- oder Versagungsentscheidung, den der Antragsteller nach sechs
Wochen erhalte, könne nicht mit einer Entscheidung im Sinne der Richtlinie gleichgesetzt werden. Das
Verfahren, so wie es im luxemburgischen Recht geregelt sei, laufe auf eine Frist für die Erteilung der
Genehmigung von dreieinhalb Monaten oder mehr hinaus.
16.
Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, Artikel 5 der großherzoglichen Verordnung vom 2.
Juli 1998 stehe mit der Richtlinie vollständig in Einklang. Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie sei dahin
auszulegen, dass dem Antragsteller keine endgültige Genehmigung erteilt werden müsse, sondern
dass ihm nur spätestens sechs Wochen nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Behörde die
Entscheidung über den Antrag mitzuteilen sei. Die luxemburgische Regelung garantiere dem
Antragsteller, dass er innerhalb einer Frist, die die in Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie festgesetzten
sechs Wochen nicht überschreite, eine Information darüber erhalte, wie sein Antrag beschieden
worden sei.
17.
Wenn Artikel 9 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie vorsieht, dass die Mitgliedstaaten
„angemessene Fristen festzulegen“ haben, so liegt darin eine klare Bestätigung der Absicht des
Gemeinschaftsgesetzgebers, die von den Mitgliedstaaten für die Prüfung der Anträge auf
Einzelgenehmigungen aufgewendete Zeit zu begrenzen.
18.
In der siebzehnten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es: „Die nationalen
Regulierungsbehörden sollten sich bemühen, ... die Fristen für die Entscheidung über die Erteilung
von Einzelgenehmigungen ... zu verkürzen, wenn entsprechende kommerzielle Erfordernisse vorliegen.“
19.
Aus Artikel 9 Absatz 2 folgt, dass die Mitgliedstaaten dem Antragsteller ihre Entscheidung innerhalb
einer Frist von höchstens sechs Wochen mitzuteilen haben. Das von der Richtlinie aufgestellte
Erfordernis einer raschen Entscheidungsfindung durch die zuständige Behörde und das Fehlen jeden
Hinweises auf einen möglicherweise nur vorläufigen Charakter der Entscheidung rechtfertigen es,
dass Artikel 9 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich dahin ausgelegt wird, dass die innerhalb der dort
vorgesehenen Frist zu treffenden Entscheidungen endgültigen Charakter haben. Dies ist jedoch im
luxemburgischen Recht nicht der Fall.
20.
Nach alledem ist die Klage der Kommission in Bezug auf die genannte Richtlinienbestimmung als
begründet anzusehen.
21.
Somit ist festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen
aus der Richtlinie verstoßen hat, dass es nicht alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften
erlassen hat, um den Artikeln 8 Absatz 3 und 9 Absatz 2 der Richtlinie nachzukommen.
Kosten
22.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, das Großherzogtum Luxemburg zur
Kostentragung zu verurteilen, und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten
aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der
Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über
einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für
Telekommunikationsdienste verstoßen, dass es nicht alle erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um den Artikeln 8 Absatz 3 und 9 Absatz 2 dieser
Richtlinie nachzukommen.
2. Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten des Verfahrens.
La Pergola
Wathelet
Edward
Jann
Sevón
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Januar 2001.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
A. La Pergola
Verfahrenssprache: Französisch.