Urteil des EuGH vom 26.09.2000
EuGH: kommission, auswärtige angelegenheiten, republik, grundsatz der gleichbehandlung, amtsblatt, veröffentlichung, regierung, unternehmen, departement, offenes verfahren
WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES
26. September 2000
„Vertragsverletzung - Öffentliche Bauaufträge - Richtlinie 71/305/EWG in der Fassung der Richtlinie
89/440/EWG und Richtlinie 93/37/EWG - Bau und Unterhaltung von Schulgebäuden durch die Region Nord-
Pas-de-Calais und das Departement Nord“
In der Rechtssache C-225/98
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner,
Luxemburg-Kirchberg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik
Wirtschaftsrecht und Gemeinschaftsrecht in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige
Angelegenheiten, und A. Viéville-Bréville, Chargé de mission in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,
Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8 B, boulevard Joseph II, Luxemburg,
Beklagte,
wegen Feststellung, dass die Französische Republik bei verschiedenen Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Bauaufträge betreffend den Bau und die Unterhaltung von Schulgebäuden durch die Region Nord-Pas-de-
Calais und das Departement Nord, die in einem Zeitraum von drei Jahren untersucht wurden, gegen ihre
Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) sowie aus der Richtlinie
71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Bauaufträge (ABl. L 185, S. 5) in der Fassung der Richtlinie 89/440/EWG des Rates vom 18. Juli 1989 (ABl. L
210, S. 1), insbesondere aus deren Artikeln 12, 26 und 29, und aus der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom
14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54),
insbesondere aus deren Artikeln 8, 11, 22 und 30, verstoßen hat,
erlässt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida,
D. A. O. Edward, L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richter J.-P. Puissochet, P. Jann, H. Ragnemalm und V.
Skouris (Berichterstatter),
Generalanwalt: S. Alber
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 1. Februar 2000, in der die Kommission durch M. Nolin und
die Französische Republik durch S. Pailler, Chargé de mission in der Direktion für Rechtsfragen des
Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten vertreten war,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. März 2000,
folgendes
Urteil
1.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die bei der Kanzlei des
Gerichtshofes am 22. Juni 1998 eingegangen ist, nach Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG)
eine Klage auf Feststellung erhoben, dass die Französische Republik bei verschiedenen Verfahren zur
Vergabe öffentlicher Bauaufträge betreffend den Bau und die Unterhaltung von Schulgebäuden durch
die Region Nord-Pas-de-Calais und das Departement Nord, die in einem Zeitraum von drei Jahren
untersucht wurden, gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel
49 EG) sowie aus der Richtlinie 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der
Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 185, S. 5) in der Fassung der Richtlinie
89/440/EWG des Rates vom 18. Juli 1989 (ABl. L 210, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 71/305),
insbesondere aus deren Artikeln 12, 26 und 29, und aus der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14.
Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54),
insbesondere aus deren Artikeln 8, 11, 22 und 30, verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
2.
Die Richtlinie 71/305 wurde durch die Richtlinie 93/37 aus Gründen der Klarheit und
Übersichtlichkeit - so der erste Erwägungsgrund - neu kodifiziert.
3.
Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 93/37 lautet:
„Die öffentlichen Auftraggeber fertigen einen Vergabevermerk über jeden vergebenen Auftrag an, der
mindestens Folgendes umfasst:
- Name und Anschrift des öffentlichen Auftraggebers, Gegenstand und Wert des Auftrags;
- die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl;
- die Namen der ausgeschlossenen Bewerber oder Bieter und die Gründe für die Ablehnung;
- den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie - falls
bekannt - den Anteil, den der erfolgreiche Bieter an Dritte weiterzuvergeben beabsichtigt;
- bei den Verhandlungsverfahren die in Artikel 7 genannten Umstände, die die Anwendung dieses
Verfahrens rechtfertigen.
Dieser Vergabevermerk oder dessen Hauptpunkte werden der Kommission auf Anfrage übermittelt.“
4.
Nach Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 93/37 teilen „[d]ie öffentlichen Auftraggeber ... in einer nicht
verbindlichen Bekanntmachung die wesentlichen Merkmale der Bauaufträge mit, deren Vergabe sie
beabsichtigen, wenn deren Auftragswert mindestens so hoch ist wie der in Artikel 6 Absatz 1
festgelegte Schwellenwert.“
5.
Nach Artikel 11 Absatz 5 der Richtlinie 93/37 teilen „[ö]ffentliche Auftraggeber, die einen Auftrag
vergeben haben, ... das Ergebnis in einer Bekanntmachung mit“.
6.
Artikel 11 Absatz 7 der Richtlinie 93/37 lautet:
„Die öffentlichen Auftraggeber übermitteln die in den Absätzen 1 bis 5 vorgesehenen
Bekanntmachungen binnen kürzester Frist und in geeignetster Weise dem Amt für amtliche
Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. Im Fall des in Artikel 14 vorgesehenen
beschleunigten Verfahrens werden die Bekanntmachungen per Fernschreiben, Telegramm oder
Fernkopierer übermittelt.
Die in Absatz 1 vorgesehene Bekanntmachung wird so bald wie möglich nach der Entscheidung, mit
der die den beabsichtigten Bauaufträgen zugrunde liegende Planung genehmigt wird, übermittelt.
Die in Absatz 5 vorgesehene Bekanntmachung wird spätestens 48 Tage nach Vergabe des jeweiligen
Auftrags übermittelt.“
7.
Artikel 11 Absatz 11 der Richtlinie 93/37 lautet:
„Die Bekanntmachung darf in den Amtsblättern oder in der Presse des Landes des öffentlichen
Auftraggebers nicht vor dem Tag der Absendung an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der
Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht werden; bei der Veröffentlichung ist dieser Zeitpunkt
anzugeben. Die Veröffentlichung darf nur die im
veröffentlichten Angaben enthalten.“
8.
Artikel 12 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 93/37 lautet:
„(1) Bei den offenen Verfahren beträgt die von den öffentlichen Auftraggebern festzusetzende Frist
für den Eingang der Angebote mindestens 52 Tage, gerechnet vom Tag der Absendung der
Bekanntmachung an.
(2) Die in Absatz 1 vorgesehene Frist für den Eingang der Angebote kann auf 36 Tage verkürzt
werden, wenn die öffentlichen Auftraggeber eine Bekanntmachung gemäß Artikel 11 Absatz 1, die
entsprechend dem Muster inAnhang IV, Abschnitt A, erstellt wurde, im
veröffentlicht haben.“
9.
Artikel 13 Absätze 3 und 4 der Richtlinie 93/37 lautet:
„(3) Bei den nicht offenen Verfahren beträgt die von den öffentlichen Auftraggebern festzusetzende
Frist für den Eingang der Angebote mindestens vierzig Tage, gerechnet vom Tag der Absendung der
schriftlichen Aufforderung zur Angebotsabgabe an.
(4) Die in Absatz 3 vorgesehene Frist für den Eingang der Angebote kann auf 26 Tage verkürzt
werden, wenn die Auftraggeber eine Bekanntmachung gemäß Artikel 11 Absatz 1, die entsprechend
dem Muster in Anhang IV, Abschnitt A, erstellt wurde, im
veröffentlicht haben.“
10.
Artikel 22 Absatz 2 der Richtlinie 93/37 sieht vor:
„Vergeben die öffentlichen Auftraggeber einen Auftrag im nicht offenen Verfahren, so können sie die
Marge bestimmen, innerhalb deren die Zahl der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen
liegen wird. In einem solchen Fall wird die Marge in der Bekanntmachung angegeben. Die Marge wird
nach der Art des auszuführenden Bauwerks bestimmt. Die niedrigste Zahl der Marge darf nicht unter
fünf liegen. Die höchste Zahl der Marge kann auf 20 festgelegt werden.
Auf jeden Fall muss die Zahl der Bewerber, die zum Bieten zugelassen werden, ausreichen, um einen
echten Wettbewerb zu gewährleisten.“
11.
Artikel 27 der Richtlinie 93/37 bestimmt:
„(1) Der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit des Unternehmers kann wie folgt erbracht
werden:
a) durch Studiennachweise und Bescheinigungen über die berufliche Befähigung des Unternehmers
und/oder der Führungskräfte des Unternehmens, insbesondere der für die Ausführung der Arbeiten
verantwortlichen Person oder Personen;
b) durch eine Liste der in den letzten fünf Jahren erbrachten Bauleistungen, der Bescheinigungen
über die ordnungsgemäße Ausführung für die wichtigsten Bauleistungen beizufügen sind. Aus diesen
Bescheinigungen muss Folgendes hervorgehen: der Wert der Bauleistung sowie Zeit und Ort der
Bauausführung, ob die Arbeiten den anerkannten Regeln der Technik entsprachen und ob sie
ordnungsgemäß ausgeführt wurden. Gegebenenfalls leitet die zuständige Behörde diese
Bescheinigungen direkt dem öffentlichen Auftraggeber zu;
c) durch eine Erklärung, aus der hervorgeht, über welche Ausstattung, welche Baugeräte und
welche technische Ausrüstung der Unternehmer für die Ausführung des Bauvorhabens verfügen wird;
d) durch eine Erklärung, aus der das jährliche Mittel der von dem Unternehmen in den letzten drei
Jahren Beschäftigten und die Anzahl seiner leitenden Angestellten in den letzten drei Jahren ersichtlich
ist;
e) durch eine Erklärung betreffend die Techniker oder die technischen Stellen, über die der
Unternehmer, unabhängig davon, ob sie dem Unternehmen angehören oder nicht, bei der Ausführung
des Bauvorhabens verfügen wird.
(2) Der öffentliche Auftraggeber gibt in der Bekanntmachung oder in der Aufforderung zur
Angebotsabgabe an, welche dieser Nachweise ihm jeweils vorzulegen sind.“
12.
Schließlich sehen Artikel 30 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 93/37 vor:
„(1) Bei der Erteilung des Zuschlags wendet der öffentliche Auftraggeber folgende Kriterien an:
a) entweder ausschließlich das Kriterium des niedrigsten Preises
b) oder - wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt - verschiedene auf
den jeweiligen Auftrag bezogene Kriterien, wie z. B. Preis, Ausführungsfrist, Betriebskosten,
Rentabilität oder technischer Wert.
(2) In dem in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Fall gibt der öffentliche Auftraggeber in den
Verdingungsunterlagen oder in der Bekanntmachung alle Zuschlagskriterien an, deren Verwendung
er vorsieht, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung.“
13.
Abgesehen von einigen redaktionellen Unterschieden haben die Vorschriften der Richtlinie 71/305
über die Anfertigung und Übermittlung der Vergabevermerke (Artikel 5a), die Modalitäten der
Bekanntmachung, die die öffentlichen Auftraggeber einzuhalten haben (Artikel 12), die Fristen für den
Eingang der Angebote und der Anträge auf Teilnahme (Artikel 13 und 14), den Nachweis der
technischen Leistungsfähigkeit des Unternehmers (Artikel 26) und die Zuschlagskriterien (Artikel 29
Absätze 1 und 2) denselben Wortlaut wie die entsprechenden Vorschriften der Richtlinie 93/37, die in
den Randnummern 3 bis 12 dieses Urteils aufgeführt wurden.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und Vorverfahren
14.
Aus den Akten geht hervor, dass die Kommission Anfang 1993 auf ein offenes Verfahren zur
Vergabe öffentlicher Bauaufträge aufmerksam wurde, das den Bau eines Mehrzweckgymnasiums in
Wingles (Department Pas-de-Calais) betraf. Da der Auftragswert über dem gemeinschaftsrechtlichen
Schwellenwert von 5 000 000 ECU lag, wurde eine Bekanntmachung nach den Vorschriften der
Richtlinie 71/305 im (im folgenden: ) vom 21.
Januar 1993 veröffentlicht.
15.
Nach Auffassung der Kommission, bei der eine Beschwerde eingelegt worden war, waren die
Vorschriften der Richtlinie 71/305 nicht beachtet worden. Sie forderte die französischen Behörden
daher mit Schreiben vom 27. September 1993 gemäß Artikel 169 EG-Vertrag zur Stellungnahme
innerhalb von zwei Monaten nach seiner Zustellung auf. Die Vorwürfe der Kommission bezogen sich
auf die Frist für den Eingang der Angebote, die kürzer als 52 Tage war, die diskriminierende
Bezeichnung der Lose, die diskriminierenden Mindestvoraussetzungen, die Zuschlagskriterien, die der
Richtlinie 71/305 nicht entsprachen, die regelwidrige Vergabe des Auftrags und das Fehlen einer
Begründung gegenüber einem ausgeschiedenen Bewerber für die Ablehnung seines Angebots.
16.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 1993 antworteten die französischen Behörden auf die Vorwürfe im
Mahnschreiben der Kommission.
17.
Die Kommission hielt dieses Schreiben für nicht ausreichend und richtete am 8. September 1995
eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Französische Republik. Diese blieb unbeantwortet.
18.
Zwischenzeitlich veröffentlichte die Region Nord-Pas-de-Calais im vom 18. Februar 1995
gemäß der Richtlinie 93/37 vierzehn Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge im Rahmen des
Programms „Plan Lycées“. Die Auftragssumme betrug insgesamt ca. 1,4 Milliarden FRF. Gegenstand
der Bekanntmachungen waren gleichartige Aufträge, die im nicht offenen Verfahren vergeben wurden
und die Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten über einen Zeitraum von zehn Jahren betrafen.
Zugelassen waren auch Bietergemeinschaften. An die Teilnahme wurden Mindestanforderungen,
insbesondere im Hinblick auf die Referenzen und Qualifikationen, gestellt. Außerdem hieß es in diesen
Bekanntmachungen, die Angebote würden anhand verschiedener Zuschlagskriterien, z. B. „des Preis-
Leistungs-Verhältnisses des technischen Angebots und der Leistungen“, der „Zeit für die Ausführung
der Bau- und Renovierungsarbeiten ohne die allgemeine Instandhaltung und Art des Vorgehens“ und
ein „Zusatzkriterium im Hinblick auf die Beschäftigung“, geprüft. Im vom 24. Juni 1995 wurde
die Bekanntmachung eines weiteren Auftrags veröffentlicht, bei dem es um den Entwurf und Bau
eines Gymnasiums mit hohen Anforderungen an die Umweltverträglichkeit ging und der höhere
Qualifikationen sowie die Befugnis des Architekten voraussetzte, in Frankreich tätig zu sein.
19.
Am 10. Februar 1995 unterzeichneten der Vorsitzende des Ausschusses PME-Marchés des
construction scolaires de la fédération régionale du bâtiment, der Vorsitzende der Fédération
régionale des travaux publics und der Vertreter des Syndicat national du béton armé et des
techniques industrialisées, Region Nord-Pas-de-Calais, eine Vereinbarung mit dem Ziel, festzulegen,
wie die von den Unterzeichnern vertretenen regionalen und örtlichen kleinen und mittleren
Unternehmen in Form von Bietergemeinschaften, die durch öffentliche Bekanntmachung in drei
Gruppen eingeteilt wurden, Angebote auf dem ganzen Markt für den Bau und die Unterhaltung von
Gymnasien in der Region Nord-Pas-de-Calais einreichen könnten. Diese Vereinbarung wurde in der
Rubrik „Amtliche Texte“ im vom 17. Februar 1995
veröffentlicht.
20.
Die Kommission forderte die französischen Behörden mit Schreiben vom 21. November 1995
ebenfalls gemäß Artikel 169 EG-Vertrag auf, zu den bei den Verfahren zur Erteilung der Zuschläge im
Rahmen des Plan Lycées aufgedeckten Unregelmäßigkeiten Stellung zu nehmen. Die Kommission
beanstandete die Politik der Region Nord-Pas-de-Calais, hilfsweise des Departements Nord, bei der
Erteilung des Zuschlags für den Bau von Schulgebäuden. Unter Bezugnahme auf die Einzelheiten des
Plan Lycées, aber auch auf den vorangegangenen Fall Lycée Wingles und bestimmte Verfahren des
Conseil général des Departements Nord, griff sie die Vergabepraxis der öffentlichen Auftraggeber im
Großraum Lille an, die darauf abziele, die Zuschläge für Aufträge für Schulgebäude im Rahmen ihrer
Zuständigkeit langfristig Unternehmen der Region Nord-Pas-de-Calais zu erteilen. Sie stellte auch die
Verwendung eines Zusatzkriteriums betreffend eine öffentliche Maßnahme zur
Beschäftigungsförderung auf örtlicher Ebene in Frage, das auf das ministerielle Rundschreiben TEFP
14/93 vom 29. Dezember 1993 (veröffentlicht im vom 14.
Januar 1994, S. 235) zurückgeht.
21.
Die französischen Behörden beantworteten dieses Mahnschreiben nicht. Vielmehr veröffentlichte
die Region Nord-Pas-de-Calais aus Gründen der Haushaltsplanung im Amtsblatt vom 5. Januar 1996
erneut vier Bekanntmachungen, die sich auf vier Gymnasien bezogen, die bereits im Februar 1995
Gegenstand des Plan Lycées waren.
22.
Die Kommission, die von dem vorläufigen Investitionsprogramm für die Gymnasien Nord-Pas-de-
Calais für den Zeitraum 1996-1998 Kenntnis erlangt hatte, überprüfte aufgrund des Umfangs dieses
Programms alle öffentlichen Bekanntmachungen für öffentliche Aufträge für Schulgebäude in der
Region Nord-Pas-de-Calais und dem Departement Nord seit 1993, dem Jahr der Ausschreibung für das
Gymnasium Wingles. Diese Verfahren bezogen sich auf die Aufträge, die die beiden öffentlichen
Auftraggeber Region Nord-Pas-de-Calais und Departement Nord in einem Zeitraum von drei Jahren
vergeben hatten.
23.
In einem zusätzlichen Mahnschreiben vom 8. Mai 1996 legte die Kommission ihre Vorwürfe genauer
dar und forderte die französischen Behörden insbesondere auf, ihr alle einschlägigen Informationen
über die Anwendung des zusätzlichen Beschäftigungskriteriums durch die Region Nord-Pas-de-Calais
und dessen Zusammenhang mit dem sogenannten Plan „Lycées Emploi Formation“ der Region Nord-
Pas-de-Calais, die Auswirkungen der im vom 17. Februar
1995 erschienenen und in Randnummer 19 dieses Urteils erwähnten Vereinbarung, die
Bekanntmachung von Vorinformationen und Zuschlagserteilungen sowie die Vergabevermerke über
alle aufgeführten Vergabeverfahren mitzuteilen. Zudem forderte sie die französischen Behörden auf,
die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, damit die beiden betroffenen Auftraggeber ihren
gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen binnen sechs Wochen nachkommen.
24.
In ihrem Antwortschreiben vom 9. August 1996 wiesen die französischen Behörden auf
verschiedene Maßnahmen hin, die zu einer erheblichen Verbesserung der Vergabeverfahren durch die
Region Nord-Pas-de-Calais für die neuen Verträge geführt hätten. Im Übrigen bestritten sie die
Vorwürfe der Kommission.
25.
Wie beim Gymnasium Wingles hielt die Kommission diese Antwort im Hinblick auf die in ihrem
Mahnschreiben enthaltenen Vorwürfe für nicht ausreichend und richtete am 7. April 1997 eine mit
Gründen versehene Stellungnahme an die französischen Behörden. Diese blieb unbeantwortet.
26.
Die Kommission hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben; diese enthält acht Vorwürfe, die sich
auf das Verfahren der Vorinformation, das zusätzliche Beschäftigungskriterium, die Anzahl der
zugelassenen Bewerber, die Methode der „Vergabe unter Bezugnahme auf das Gesetz über das
öffentliche Beschaffungswesen“, die Bezeichnung der Lose, die Mindestbedingungen für die
Teilnahme, das Verfahren der nachträglichen Information und die unterbliebene Mitteilung der
Vergabevermerke beziehen.
Zur Begründetheit
27.
Die Kommission macht geltend, nach Artikel 11 Absätze 1, 7 und 11 der Richtlinie 93/37 sei die
Vorinformation zwingende Voraussetzung für jede Veröffentlichung der Bekanntmachung eines
öffentlichen Auftrags und müsse zuerst im veröffentlicht werden. Im vorliegenden Fall habe
die Region Nord-Pas-de-Calais am 18. Februar 1995 vierzehn Bekanntmachungen für verschiedene
öffentliche Aufträge einfach erstmalig veröffentlicht, ohne zuvor eine Vorinformation vorgenommen zu
haben.
28.
Außerdem vertritt die Kommission nach Durchsicht der öffentlichen Ausschreibungen im
Supplement S zum von 1993, 1994 und 1995 die Auffassung, die Region Nord-Pas-de-Calais
habe das in den Artikeln 12 der Richtlinie 71/305 und 11 der Richtlinie 93/37 vorgesehene Verfahren
der Vorinformation nur vereinzelt eingehalten.
29.
Ebenso wenig habe sie im fraglichen Zeitraum die Veröffentlichung einer Vorinformation des
Departements Nord gefunden. Aus den ihr vorliegenden Unterlagen ergebe sich ein wiederholter
Verstoß gegen die Verpflichtung zur Vorinformation gemäß den Artikeln 12 der Richtlinie 71/305 und
11 der Richtlinie 93/37.
30.
Die französische Regierung bestreitet nicht, dass Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 93/37, für sich
betrachtet, eindeutig zwingenden Charakter habe. Aus den Artikeln 12 und 13 der Richtlinie 93/37
lasse sich jedoch nicht ebenso eindeutig auf den zwingenden Charakter der Veröffentlichung einer
Vorinformation vor der Veröffentlichung der Bekanntmachung eines öffentlichen Auftrags schließen.
Nach diesen Vorschriften könnten die Fristen für den Eingang der Angebote (52 Tage bei den offenen
Verfahren und 40 Tage bei den nicht offenen Verfahren) auf 36 bzw. 26 Tage verkürzt werden, wenn
die öffentlichen Auftraggeber eine nicht verbindliche Bekanntmachung der Vorinformation
veröffentlicht hätten. Die Bekanntmachung der Vorinformation im Sinne des Artikels 11 Absatz 1 der
Richtlinie 93/37 sei daher nicht zwingend.
31.
Nach Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie 93/37 geben die öffentlichen Auftraggeber mit einer nicht
verbindlichen Bekanntmachung die wesentlichen Merkmale der Auftragsarbeiten bekannt, die sie
vergeben wollen und deren Wert mindestens dem in Artikel 6 Absatz 1 dieser Richtlinie festgelegten
Schwellenwert entspricht.
32.
Außerdem müssen nach den Artikeln 12 Absätze 1 und 2 sowie 13 Absätze 3 und 4 der Richtlinie
93/37 die Fristen für den Eingang der Angebote grundsätzlich mindestens 52 Tage bei den offenen
Verfahren, gerechnet vom Tag der Absendung der Bekanntmachung an, und mindestens 40 Tage bei
den nicht offenen Verfahren, gerechnet vom Tag der Absendung der schriftlichen Aufforderung zur
Angebotsabgabe an, betragen, dürfen aber auf 36 bzw. 26 Tage nur verkürzt werden, wenn die
öffentlichen Auftraggeber die Bekanntmachung einer Vorinformation veröffentlicht haben.
33.
Da aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen nicht ausdrücklich hervorgeht, ob die Bekanntmachung
der Vorinformation zwingend oder fakultativ ist, ist das gesamte Verfahren, das mit der Richtlinie
93/37 eingeführt werden sollte, zu berücksichtigen. Um zu einer in sich schlüssigen Auslegung und
Anwendung dieser Richtlinie zu gelangen, ist daher auf die Bestimmungen der Artikel 11 Absatz 1, 12
Absätze 1 und 2 und 13 Absätze 3 und 4 der Richtlinie 93/37 in ihrem Zusammenhang einzugehen.
34.
Das Verfahren der Vorinformation ist im Rahmen der Bekanntmachungsvorschriften der Richtlinie
93/37 geregelt. Diese Vorschriften sollen, wie vor allem aus der zehnten Begründungserwägung dieser
Richtlinie hervorgeht, die Entstehung eines echten Wettbewerbs auf dem Gebiet des öffentlichen
Auftragswesens auf Gemeinschaftsebene fördern, indem sie sicherstellen, dass die potenziellen Bieter
aus anderen Mitgliedstaaten auf die verschiedenen Angebote unter vergleichbaren Bedingungen wie
die nationalen Bieter antworten können.
35.
Der Zweck der in der Richtlinie 93/37 vorgesehenen Bekanntmachungsvorschriften, zu denen die
Bekanntmachung von Vorinformationen gehört, besteht darin, alle potenziellen Bieter auf
Gemeinschaftsebene in der vorgeschriebenen Zeit über den wesentlichen Inhalt eines Auftrags zu
unterrichten, damit sie ihr Angebot fristgerecht einreichen können. Daher ist über die Frage des
zwingenden oder fakultativen Charakters der Bekanntmachung einer Vorinformation nach den
Bestimmungen dieser Richtlinie über die Fristen für den Eingang der von den Bietern eingereichten
Angebote zu entscheiden.
36.
In den Artikeln 12 Absatz 1 und 13 Absatz 3 der Richtlinie 93/37, nach denen die normalen Fristen
für den Eingang der Gebote grundsätzlich 52 Tage bei den offenen Verfahren und 40 Tage bei den
nicht offenen Verfahren betragen, wird auf die vorherige Veröffentlichung der Bekanntmachung einer
Vorinformation kein Bezug genommen.
37.
Demgegenüber verknüpfen die Artikel 12 Absatz 2 und 13 Absatz 4 der Richtlinie 93/37 die
Möglichkeit, die in den Artikel 12 Absatz 1 und 13 Absatz 3 vorgesehenen Fristen zu verkürzen,
ausdrücklich mit der vorherigen Veröffentlichung der Bekanntmachung einer Vorinformation.
38.
Die Veröffentlichung der Bekanntmachung einer Vorinformation ist daher nur zwingend, wenn die
öffentlichen Auftraggeber von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Fristen für den Eingang der
Gebote zu verkürzen.
39.
Wäre die Veröffentlichung der Bekanntmachung einer Vorinformation für alle Vergabeverfahren
unabhängig von der Frist für den Eingang der Gebote zwingend vorgeschrieben, so wäre es
überflüssig, sie in den Artikeln 12 Absatz 2 und 13 Absatz 4 der Richtlinie 93/37 zu erwähnen.
40.
Der Gemeinschaftsgesetzgeber wollte den potenziellen Bietern dadurch, dass er die Ausübung der
Befugnis des öffentlichen Auftraggebers, die Fristen für den Eingang der Gebote zu verkürzen, von der
Verpflichtung abhängig machte, die Bekanntmachung einer Vorinformation zu veröffentlichen,
dieselben Fristen für die Ausarbeitung ihres Angebots gewährleisten, die ihnen bei Geltung der
normalen Fristen zur Verfügung gestanden hätten.
41.
Diese Auslegung wird zudem durch die Vorarbeiten zu der Richtlinie 89/440 gestützt, durch die das
Verfahren der Vorinformation in die Richtlinie 71/305 eingeführt worden ist. Die Kommission hatte in
ihrem Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 71/305 (KOM [86] 679 endg.)
anfangs eine Verpflichtung vorgeschlagen, mindestens sechs Monate vor dem für der Freigabe der
Aufträge für den Wettbewerb vorgesehenen Zeitpunkt eine Vorinformation zu veröffentlichen, und
gleichzeitig eine Verdoppelung der Frist für den Eingang der Gebote für die öffentlichen Auftraggeber
vorgesehen, die dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Der Rat nahm diesen Vorschlag, der
ausdrücklich eine Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Vorinformation vorsah, nicht an.
42.
Was schließlich das Vorbringen der Kommission anbelangt, der Gerichtshof habe in seinem Urteil
vom 26. April 1994 in der Rechtssache C-272/91 (Slg. 1994, I-1409, Kommission/Italien) den
zwingenden Charakter der Vorinformation eindeutig anerkannt, so betrifft diese Rechtssache die nicht
verbindliche Bekanntmachung gemäß Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/62/EWG des Rates vom 21.
Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl.
1977, L 13 S. 1) in der Fassung der Richtlinie 88/295/EWG des Rates vom 22. März 1988 zur Änderung
der Richtlinie 77/62 und zur Aufhebung einiger Bestimmungen der Richtlinie 80/767/EWG (ABl. L 127, S.
1; im Folgenden Richtlinie 77/62).
43.
Die nicht verbindliche Bekanntmachung im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Richtlinie 77/62 sieht
im Unterschied zu der nicht verbindlichen Bekanntmachung im Sinne des Artikels 11 Absatz 1 der
Richtlinie 93/37 keine Möglichkeit vor, die Fristen für den Eingang der Gebote zu verkürzen. Die
Auslegungsfrage, die im Urteil vom 26. April 1994, Kommission/Italien, aufgeworfen worden ist, stellt
sich daher so im vorliegenden Fall nicht.
44.
Da aus den Akten hervorgeht, dass die betroffenen öffentlichen Auftraggeber die Fristen für den
Eingang der Gebote für die streitigen Aufträge im vorliegenden Fall nicht verkürzt haben, haben sie
nach alldem nicht gegen ihre Verpflichtung zur Durchführung eines Vorverfahrens gemäß den
Richtlinien 71/305 und 93/37 verstoßen.
45.
Der Vorwurf der Kommission hinsichtlich der unterbliebenen Veröffentlichung einer Vorinformation
ist somit als unbegründet zurückzuweisen.
46.
Die Kommission macht geltend, die französischen Behörden hätten dadurch, dass sie in
bestimmten öffentlichen Ausschreibungen eine Bedingung bezüglich der Beschäftigung, die mit einer
lokalen Maßnahme zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zusammenhänge, ausdrücklich zum
Zuschlagskriterium gemacht habe, gegen Artikel 30 der Richtlinie 93/37 verstoßen. Die
Berücksichtigung vonBeschäftigungsmaßnahmen könne als Ausführungskriterium im Sinne des Urteils
Beentjes (Urteil vom 20. September 1988 in der Rechtssache 31/87, Slg. 1988, 4635, Randnrn. 28 und
37) angesehen werden; im vorliegenden Fall sei diese Möglichkeit jedoch in den fraglichen
Bekanntmachungen als Zuschlagskriterium bezeichnet worden. Nach Artikel 30 der Richtlinie 93/37
müssten als Zuschlagskriterien entweder das Kriterium des niedrigsten Preises oder des wirtschaftlich
günstigsten Angebots angewandt werden.
47.
Unter Berufung auf die Randnummern 28 und 37 des Urteils Beentjes macht die französische
Regierung geltend, der Gerichtshof habe ein derartiges zusätzliches Zuschlagskriterum zugelassen.
Das betreffende Kriterium sei zudem, anders als die in Artikel 29 der Richtlinie 71/305 aufgeführten
Kriterien, anhand deren das günstigste Angebot bestimmt werden könne, kein Hauptkriterium,
sondern ein nicht ausschlaggebendes Zusatzkriterium.
48.
Die Kommission wirft der Französischen Republik damit zunächst einen Verstoß gegen Artikel 30
Absatz 1 der Richtlinie 93/37 vor, der darin bestehen soll, dass diese das mit dem Kampf gegen die
Arbeitslosigkeit zusammenhängende Kriterium in einigen der streitigen Bekanntmachungen schlicht
und einfach als Zuschlagskriterium erwähnt habe.
49.
Nach Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie 93/37 dürfen sich die öffentlichen Auftraggeber bei Erteilung
des Zuschlags ausschließlich auf den niedrigsten Preis oder, wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich
günstigste Angebot erfolgt, verschiedene auf den jeweiligen Auftrag bezogene Kriterien, wie z. B.
Preis, Ausführungsfrist, Betriebskosten, Rentabilität oder technischer Wert, stützen.
50.
Gleichwohl ist der öffentliche Auftraggeber nach dieser Vorschrift nicht in jedem Fall daran
gehindert, eine mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zusammenhängende Bedingung als
Kriterium zu verwenden, wenn diese Bedingung die wesentlichen Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts, vor allem das Diskriminierungsverbot, beachtet, das aus den Bestimmungen
des Vertrages zum Niederlassungsrecht und zum Recht des freien Dienstleistungsverkehrs folgt (vgl.
Urteil Beentjes, Randnr. 29).
51.
Auch wenn ein derartiges Kriterium nicht als solches mit der Richtlinie 93/37 unvereinbar ist, muss
es doch nach Maßgabe aller Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie, insbesondere der
Publizitätsvorschriften, angewendet werden (vgl. zur Richtlinie 71/305 Urteil Beentjes, Randnr. 31). Ein
mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zusammenhängendes Zuschlagskriterium muss daher in der
Bekanntmachung des Auftrags ausdrücklich angegeben werden, damit die Unternehmer in der Lage
sind, vom Bestehen einer solchen Bedingung Kenntnis zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil
Beentjes, Randnr. 36).
52.
Soweit die Kommission vorbringt, das Urteil Beentjes betreffe eine Ausführungsbedingung des
Vertrages und kein Zuschlagskriterium für einen Auftrag, so hatte, wie sich aus Randnummer 14 des
Urteils Beentjes eindeutig ergibt, die Bedingung der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, um die
es in dieser Rechtssache ging, als Grund für den Ausschluss eines Bieters gedient und konnte daher
nur ein Zuschlagskriterium sein.
53.
Wie in Randnummer 48 des vorliegenden Urteils festgestellt, beanstandet die Kommission hier nur,
dass ein solches Kriterium in der Bekanntmachung als Zuschlagskriterium erwähnt wird. Sie
behauptet nicht, dass das mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zusammenhängende Kriterium
die wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, vor allem das Diskriminierungsverbot, nicht
berücksichtige oder in der Bekanntmachung nicht veröffentlicht worden sei.
54.
Der Vorwurf der Kommission hinsichtlich des mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit
zusammenhängenden Zusatzkriteriums ist daher zurückzuweisen.
55.
Die Kommission macht geltend, in den im vom 18. Februar 1995 in der Rubrik 13
erschienenen Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge heiße es: „Begrenzte Anzahl von Bietern, die
zur Abgabe eines Gebotes zugelassen werden können: 5.“ Selbst wenn die französischen Behörden in
ihrer Antwort auf das Mahnschreiben offensichtlich davon ausgingen, diese Höchstzahl von fünf
Bietern erfülle die von der Richtlinie 93/37 aufgestellte Verpflichtung, einen echten Wettbewerb zu
gewährleisten, lasse die beanstandete Angabe in Rubrik 13 dieser Bekanntmachungen den Schluss
zu, die Zahl der zugelassenen Bieter könne niedriger als fünf sein. Die französischen Behörden hätten
daher die Verpflichtung nach Artikel 22 der Richtlinie 93/37 nicht erfüllt.
56.
Die französische Regierung ist hingegen der Auffassung, die in den Bekanntmachungen
festgesetzte Höchstzahl von fünf Bietern entspreche dem Wortlaut und Sinn des Artikels 22 der
Richtlinie 93/37 und reiche im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Merkmale des
betreffenden Auftrags aus, um der Verpflichtung, einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, gerecht
zu werden. Nach Artikel 22 Absatz 2 der Richtlinie 93/37 sei es einem öffentlichen Auftraggeber nicht
verboten, die Zahl der zugelassenen Bieter auf fünf zu beschränken, da diese Zahl ausreiche, um
einen echten Wettbewerb unter objektiven und nicht diskriminierenden Bedingungen zu
gewährleisten.
57.
Nach Artikel 22 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 93/37 können die öffentlichen Auftraggeber
bei Vergabe eines Auftrags im nicht offenen Verfahren die Marge bestimmen, innerhalb deren die Zahl
der zur Angebotsabgabe aufgeforderten Unternehmen liegen wird. Dabei darf die niedrigste Zahl der
Marge nicht unter fünf liegen, während die höchste Zahl der Marge auf zwanzig festgesetzt werden
kann.
58.
Außerdem muss nach Artikel 22 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 93/37 die Zahl der Bewerber,
die zum Bieten zugelassen werden, auf jeden Fall ausreichen, um einen echten Wettbewerb zu
gewährleisten.
59.
Allerdings sieht Artikel 22 Absatz 2 der Richtlinie 93/37 nicht vor, dass die öffentlichen Auftraggeber
eine Mindestzahl von Bewerbern zum Bieten zulassen müssen, wenn sie keine Marge im Sinne dieser
Vorschrift festsetzen.
60.
War der Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch der Ansicht, im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens
reiche, wenn die öffentlichen Auftraggeber eine Marge vorsehen, eine Bewerberzahl unter fünf nicht
aus, um einen echten Wettbewerb zu gewährleisten, so muss dies umso mehr für die Fälle gelten, in
denen die öffentlichen Auftraggeber sich für eine Höchstzahl der zum Bieten zugelassenen Bewerber
entscheiden.
61.
Die Zahl der Unternehmen, die ein öffentlicher Auftraggeber zum Bieten zulässt, kann daher
keinesfalls unter fünf liegen.
62.
Wie die französische Regierung selbst einräumt, bedeutet im vorliegenden Fall die Formulierung
„Begrenzte Anzahl von Bietern, die zur Abgabe eines Gebotes zugelassen werden können: 5“ in der
Ausschreibung im vom 18. Februar 1995, dass mit der Zahl fünf die Höchstzahl der für den
betreffenden Auftrag zum Bieten zugelassenen Bewerbern gemeint ist. Auf der Grundlage der
streitigen Bekanntmachungen wurde daher eine Bewerberzahl unter fünf als zulässig angesehen.
63.
Der Vorwurf der Kommission hinsichtlich der Anzahl der zugelassenen Bewerber ist somit begründet.
Daher ist festzustellen, dass die Französische Republik ihre Verpflichtungen aus Artikel 22 Absatz 2
der Richtlinie 93/37 missachtet hat.
64.
Die Kommission macht geltend, die betroffenen öffentlichen Auftraggeber hätten sich zwischen
1993 und 1995 der Methode der „Vergabe unter Bezugnahme auf das Gesetz über das öffentliche
Beschaffungswesen“ bedient, um die Zuschlagskriterien anzugeben, und damit gegen die Artikel 29
Absatz 2 der Richtlinie 71/305 und 30 Absatz 2 der Richtlinie 93/37 verstoßen. Die erwähnten
Bekanntmachungen hätten dadurch, dass abstrakt auf verschiedene Vorschriften des französischen
Gesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen verwiesen worden sei, das Publizitätserfordernis
nicht erfüllt, wie es im Urteil Beentjes aufgestellt worden sei.
65.
Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 11. Juli 1984 in der
Rechtssache 51/83, Kommission/Italien, Slg. 1984, 2793) macht die französische Regierung zunächst
geltend, dieser Vorwurf der Kommission sei alsunzulässig anzusehen, da er zum ersten Mal in der mit
Gründen versehenen Stellungnahme vorgebracht worden sei.
66.
In dem ergänzenden Mahnschreiben vom 8. Mai 1996 habe die Kommission zwar zu den
Zuschlagskriterien für die betreffenden Aufträge Stellung genommen und die französischen Behörden
darauf aufmerksam gemacht, dass die Bekanntmachungen es den Unternehmen erlauben müssten,
zu prüfen, ob die angebotenen Aufträge für sie von Interesse seien. Dieser Hinweis beziehe sich aber
nicht ausdrücklich auf den Vorwurf hinsichtlich der Methode der Vergabe unter Bezugnahme auf das
Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen, sondern sei in dem Vorwurf hinsichtlich des
zusätzlichen Beschäftigungskriteriums enthalten. Er erlaube es der französischen Regierung daher
nicht, den Vorwurf so zu verstehen, dass er sich auf die Zuschlagsmethode unter Bezugnahme auf
das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen beziehe, die die Kommission erst in der mit
Gründen versehenen Stellungnahme ausdrücklich erwähnt habe.
67.
Hilfsweise macht die französische Regierung geltend, Artikel 30 Absatz 2 der Richtlinie 93/37
verlange keine Aufzählung der Zuschlagskriterien in der Bekanntmachung, sondern überlasse es dem
öffentlichen Auftraggeber, sie entweder in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen
aufzuführen. Im vorliegenden Fall seien die Zuschlagskriterien ausdrücklich in den Auftragsunterlagen
aufgeführt.
68.
Hinsichtlich der Zulässigkeit dieses Vorwurfs der Kommission ergibt sich zunächst aus dem Zweck
der vorprozessualen Phase des Vertragsverletzungsverfahrens, dass das Mahnschreiben den
Gegenstand des Rechtsstreit eingrenzen und dem Mitgliedstaat, der zur Äußerung aufgefordert wird,
die notwendigen Informationen zur Vorbereitung seiner Verteidigung geben soll (Urteil vom 28. März
1985 in der Rechtssache 274/83, Kommission/Italien, Slg. 1985, 1077, Randnr. 19).
69.
Sodann ist nach ständiger Rechtsprechung die Gelegenheit zur Äußerung für den betreffenden
Mitgliedstaat - selbst wenn er glaubt, von ihr keinen Gebrauch machen zu sollen - eine vom Vertrag
gewollte wesentliche Garantie, deren Beachtung eine Voraussetzung für die Ordnungsgemäßheit des
Vertragsverletzungsverfahrens ist (vgl. Urteile vom 11. Juli 1984, Kommission/Italien, Randnr. 5, und
vom 28. März 1985, Kommission/Italien, Randnr. 20).
70.
Daraus folgt zwar, dass die mit Gründen versehene Stellungnahme im Sinne von Artikel 169 des
Vertrages eine ausführliche und schlüssige Darstellung der Gründe enthalten muss, aus denen die
Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen eine ihm nach
dem EG-Vertrag obliegende Verpflichtung verstoßen habe. An die Genauigkeit des Mahnschreibens,
das zwangsläufig nur in einer ersten knappen Zusammenfassung der Beanstandungen bestehen
kann, kann der Gerichtshof jedoch keine so strengen Anforderungen stellen. Nichts hindert daher die
Kommission daran, in der mit Gründen versehenenStellungnahme die Vorwürfe auszuführen, die sie im
Mahnschreiben bereits in allgemeiner Form erhoben hat (vgl. Urteil vom 28. März 1985,
Kommission/Italien, Randnr. 21).
71.
Aus den zu den Akten gereichten Unterlagen geht hervor, dass die Kommission in dem
ergänzenden Mahnschreiben vom 8. Mai 1996 die in der streitigen Bekanntmachung enthaltenen
Zuschlagskriterien in allgemeiner Form beanstandet hat. Sie machte die französichen Behörden
darauf aufmerksam, dass die Bekanntmachungen es den Unternehmen erlauben müssten, zu prüfen,
ob die angebotenen Aufträge für sie von Interesse seien. Sie berief sich ebenfalls auf die
Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der eine allgemeine Verweisung auf eine nationale
Rechtsvorschrift den Publizitätserfordernissen der Bekanntmachung nicht genügen kann.
72.
Auch wenn das Mahnschreiben, was die Methode der „Vergabe unter Bezugnahme auf das Gesetz
über das öffentliche Beschaffungswesen“ anbelangt, nicht sehr deutlich gefasst war, erlaubte es der
französischen Regierung daher gleichwohl, den hierzu vorgebrachten Vorwurf zur Kenntnis zu nehmen.
Mit dieser Beanstandung der Zuschlagskriterien, die die Kommission später in ihrer mit Gründen
versehenen Stellungnahme geäußert hat, werden daher in zulässiger Weise die im Mahnschreiben
enthaltenen Vorwürfe genauer dargelegt. Der Vorwurf der Kommission ist somit zulässig.
73.
Was die Begründetheit anbelangt, so sind die öffentlichen Auftraggeber, die bei Erteilung des
Zuschlags nicht allein das Kriterium des niedrigsten Preises anwenden, sondern sich auf
verschiedene Kriterien stützen, um dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen,
gehalten, diese Kriterien entweder in der Bekanntmachung des öffentlichen Auftrags oder in den
Verdingungsunterlagen anzugeben. Eine allgemeine Verweisung auf eine staatliche Rechtsvorschrift
vermag diesem Publizitätserfordernis daher nicht zu genügen (Urteil Beentjes, Randnr. 35).
74.
Die französische Regierung macht zwar geltend, die Zuschlagskriterien seien im vorliegenden Fall
ausdrücklich in den Auftragsunterlagen aufgeführt. Sie hat jedoch für diese Behauptung keinen
Beweis vorgelegt.
75.
Der Vorwurf der Kommission im Hinblick auf die Methode der „Vergabe unter Bezugnahme auf das
Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen“ ist somit begründet, und die Französische Republik
hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 29 Absatz 2 der Richtlinie 71/305 und 30 Absatz 2 der
Richtlinie 93/37 verstoßen.
76.
Die Kommission macht geltend, bei einem Großteil der untersuchten Bekanntmachungen werde in
der Rubrik „Gegenstand des Auftrags. Bezeichnung der Lose und Qualifikationen“ auf die
Klassifizierungen der französischen Berufsverbände, vor allem der QPQCB und der Qualibat - Qualifélec,
Bezug genommen, beispielsweise auf die Qualifikation „Qualibat chauffage 5312“, die einem
Studienbüro der Klimatechnik mit mindestens vierjähriger Praxis und einer Position 6 im
Kollektivvertrag ETAM der Bâtiment et travaux publics entspricht.
77.
Die französischen Behörden hätten zwar in ihrer Antwort auf das Mahnschreiben darauf
hingewiesen, dass es in diesen Bekanntmachungen nicht heiße, nur die von Qualibat oder Qualifélec
ausgestellten Zertifikate könnten berücksichtigt werden. Die technischen Spezifikationen, auf die die
betreffenden öffentlichen Auftraggeber verwiesen, könnten jedoch dazu führen, dass die nationalen
Unternehmen, denen dieses System der Zertifizierung der Qualität bekannt sei und die es gewohnt
seien, Erzeugnisse oder Leistungen entsprechend der in der Bekanntmachung des Auftrags
verlangten Referenzen anzubieten, begünstigt würden.
78.
Die französische Regierung macht geltend, derartige Referenzen seien lediglich Anhaltspunkte und
könnten im vorliegenden Fall nicht diskriminierend wirken. Die Angabe der Klassifizierungsnummer sei
völlig überflüssig, da jedes Los gleichzeitig mit Worten (Elektrizität, Installation usw.) beschrieben
werde.
79.
Im Übrigen sei diese Bezugnahme in Rubrik 3 der Bekanntmachungen auf Klassifizierungen der
Berufsverbände nicht an sich diskriminierend, da sie den inländischen Bewerbern im Verhältnis zu den
Bewerbern aus anderen Mitgliedstaaten keine zusätzlichen Angaben über die zu erbringenden
Leistungen zur Verfügung stelle. In dieser Rubrik würden nicht die Merkmale der Auswahl- oder
Zuschlagskriterien festgelegt, sondern Angaben zur Art der Lose gemacht, die in den
Verdingungsunterlagen genauer dargelegt seien.
80.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes verbietet der Grundsatz der Gleichbehandlung, der in
Artikel 59 EG-Vertrag eine besondere Ausprägung gefunden hat, nicht nur offenkundige
Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der
Diskriminierung, die mit Hilfe der Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu
demselben Ergebnis führen (vgl. Urteil vom 5. Dezember 1989 in der Rechtssache 3/88,
Kommission/Italien, Slg. 1989, 4035, Randnr. 8).
81.
Im vorliegenden Fall bedeutet die Bezugnahme auf Klassifizierungen nationaler Berufsverbände zwar
nicht, dass nur die von diesen Verbänden ausgestellten Zertifikate berücksichtigt werden können,
letztlich sind die verwendeten technischen Spezifikationen aber so eigentümlich und abstrakt, dass
grundsätzlich nur französische Bewerber ihre Bedeutung ohne weiteres verstehen können. Durch die
kodifizierten Bezeichnungen der Lose erhalten die französischen Unternehmen daher mehr
Informationen über die Art der Lose, so dass es für sie leichter ist,Angebote einzureichen, die den in
der Bekanntmachung des Auftrags aufgeführten Anforderungen entsprechen.
82.
Dagegen ist es für die Bieter aus anderen Mitgliedstaaten schwerer, innerhalb der gesetzten
kurzen Frist Gebote abzugeben, da sie sich bei den betreffenden öffentlichen Auftraggebern zunächst
über den Gegenstand und Inhalt dieser Referenzen informieren müssen.
83.
Da ausländische Bieter durch die Bezeichnung der Lose unter Verweis auf Klassifizierungen
nationaler Berufsverbände abgeschreckt werden können, stellt eine solche Bezeichnung eine
versteckte Diskriminierung und somit eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne
des Artikels 59 EG-Vertrag dar.
84.
Der Vorwurf der Kommission hinsichtlich der Bezeichnung der Lose ist somit begründet; die
Französische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag verstoßen.
85.
Die Kommission macht geltend, in den Mindestbedingungen in der Rubrik 10 einer bestimmten
Anzahl von Bekanntmachungen des Departements Nord werde für die Teilnahme den Nachweis der
Eintragung des Planers in das Architektenverzeichnis verlangt. Trotz der Unterscheidung der
französischen Behörden zwischen der Eintragung einerseits und der Genehmigung zur Ausübung des
Architektenberufs in Frankreich andererseits heiße es in den meisten Fällen in der Rubrik 10 der
Bekanntmachungen eindeutig „für den Planer: ein Nachweis der Eintragung in das
Architektenverzeichnis“. Das Departement Nord habe somit gegen die Verpflichtungen aus Artikel 59
EG-Vertrag verstoßen, indem es den freien Dienstleistungsverkehr für Architekten in der Gemeinschaft
beschränkt habe.
86.
Außerdem habe man in der Bekanntmachung für den Bau des Gymnasiums Wingles in den
Mindestbedingungen die Vorlage einer „Bescheinigung der beruflichen Qualifikation OPQCB, Qualifélec,
FNTP“ verlangt. Zum einen sehe die Richtlinie 71/305 in den Artikeln 23 bis 28 die Eignungskriterien
für die Bewerberunternehmen vor und führe vor allem in Artikel 26 auf, wie der Nachweis der
technischen Leistungsfähigkeit erbracht werden könne. Zum anderen ergebe sich aus dem Urteil vom
10. Februar 1982 in der Rechtssache 76/81 (Transporoute, Slg. 1982, 417), dass der Nachweis der
beruflichen Befähigung eines Unternehmens nicht mit anderen als den in Artikel 26 der Richtlinie
71/305 genannten Mitteln erbracht werden könne. Der betreffende öffentliche Auftraggeber habe
daher gegen seine Verpflichtung aus dieser Bestimmung verstoßen.
87.
Die Forderung nach einem Nachweis der Eintragung des Planers in das Architektenverzeichnis
begünstigt zwangsläufig die Dienstleistungen französischerArchitekten. Darin liegt eine
Diskriminierung der Architekten aus der Gemeinschaft und somit eine Beschränkung ihrer
Dienstleistungsfreiheit.
88.
Nach der Rechtsprechung verbietet es die Richtlinie 71/305 einem Mitgliedstaat, von einem Bieter
eines anderen Mitgliedstaats zu verlangen, dass er den Nachweis, dass er die in den Artikeln 23 bis
26 dieser Richtlinie aufgeführten Kriterien hinsichtlich seiner beruflichen Befähigung erfüllt, mit
anderen als den in diesen Bestimmungen genannten Mitteln erbringt (vgl. dazu Urteil Transporoute,
Randnr. 15).
89.
Jedenfalls räumt die französische Regierung selbst ein, dass diese Beanstandungen der
Kommission begründet sind; die Vertragsverletzung gehe jedoch im wesentlichen auf die
Unerfahrenheit der betreffenden öffentlichen Auftraggeber bei der Handhabung der
gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge zurück.
90.
Der Vorwurf der Kommission hinsichtlich der Mindestbedingungen für die Teilnahme ist somit
begründet, und die Französische Republik hat gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 59 EG-
Vertrag und 26 der Richtlinie 71/305 verstoßen.
91.
Nach Auffassung der Kommission hat die Region Nord-Pas-de-Calais in den Jahren 1993-1994 und
1995 die Verpflichtung zur nachträglichen Information gemäß Artikel 12 Absatz 5 der Richtlinie 71/305
und Artikel 11 Absatz 5 der Richtlinie 93/37 nicht beachtet. Offensichtlich habe nur das Departement
Nord die Bekanntmachung des Zuschlags veröffentlicht, was einen weiteren Verstoß der Region Nord-
Pas-de-Calais gegen ihre Verpflichtungen bedeute.
92.
Außerdem hätten die französischen Behörden der Kommission nicht die in ihrem ergänzenden
Mahnschreiben vom 8. Mai 1996 erbetenen Informationen, insbesondere nicht die Vergabevermerke
aller beanstandeten Verfahren, übermittelt. Die französischen Behörden hätten daher gegen ihre
Verpflichtungen aus Artikel 8 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 93/37 verstoßen.
93.
Die französische Regierung räumt ein, dass die Region Nord-Pas-de-Calais nicht die nachträglichen
Informationen gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Richtlinie 93/37 und 12 Absatz 5 der Richtlinie 71/305
veröffentlicht habe und dass der Kommission nicht die Vergabevermerke der betreffenden Verfahren
gemäß Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 93/37 übermittelt worden seien. Dieses Unterlassen sei jedoch
nur durch die Unerfahrenheit dieser öffentlichen Auftraggeber bei der Handhabung der
Gemeinschaftsvorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe zu erklären.
94.
Die Vorwürfe hinsichtlich des Verfahrens der nachträglichen Information und der unterbliebenen
Übermittlung der Vergabevermerke sind somit begründet, und die Französische Republik hat gegen
ihre Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 5 der Richtlinie 71/305 und 8 Absatz 3, und 11 Absatz 5 der
Richtlinie 93/37 verstoßen.
95.
Nach alldem ist festzustellen, dass die Französische Republik bei verschiedenen Verfahren zur
Vergabe öffentlicher Bauaufträge betreffend den Bau und die Unterhaltung von Schulgebäuden durch
die Region Nord-Pas-de-Calais und das Departement Nord, die in einem Zeitraum von drei Jahren
untersucht wurden, gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag sowie aus den Artikeln 12
Absatz 5, 26 und 29 Absatz 2 der Richtlinie 71/305 und aus den Artikeln 8 Absatz 3, 11 Absatz 5, 22
Absatz 2 und 30 Absatz 2 der Richtlinie 93/37 verstoßen hat.
Kosten
96.
Gemäß Artikel 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder
beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils
unterliegt. Da die Kommission und die Französische Republik mit ihrem Vorbringen teils obsiegt haben
und teils unterlegen sind, haben sie jeweils ihre eigenen Kosten zu tragen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Französische Republik hat bei verschiedenen Verfahren zur Vergabe öffentlicher
Bauaufträge betreffend den Bau und die Unterhaltung von Schulgebäuden durch die
Region Nord-Pas-de-Calais und das Departement Nord, die in einem Zeitraum von drei
Jahren untersucht wurden, gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 59 EG-Vertrag sowie
aus den Artikeln 12 Absatz 5, 26 und 29 Absatz 2 der Richtlinie 71/305/EWG des Rates vom
26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge in
der Fassung der Richtlinie 89/440/EWG des Rates vom 18. Juli 1989 und aus den Artikeln 8
Absatz 3, 11 Absatz 5, 22 Absatz 2 und 30 Absatz 2 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom
14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge
verstoßen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Französische Republik und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften
tragen ihre eigenen Kosten.
Rodríguez Iglesias
Moitinho de Almeida
Edward
Sevón
Schintgen
Puissochet
Jann
Ragnemalm
Skouris
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. September 2000.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
G. C. Rodríguez Iglesias
Verfahrenssprache: Französisch.