Urteil des BVerwG vom 19.05.2005

VG Prof: körperliche unversehrtheit, cannabis, öffentliches interesse, multiple sklerose, verkehr mit betäubungsmitteln, recht auf leben, arzneimittel, erwerb, versorgung, bevölkerung

Rechtsquellen:
GG Art. 1, 2 Abs. 2
BtMG § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 13 Abs. 1
Stichworte:
Erwerb von Betäubungsmitteln; Erlaubnis zum Erwerb von Betäubungsmitteln;
Cannabis; Erwerb von Cannabis zu therapeutischen Zwecken; Cannabis und Multiple
Sklerose.
Leitsatz:
Der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zur Behandlung
einer Multiple-Sklerose-Erkrankung beim Antragsteller kann nicht nach § 3 Abs. 2
BtMG mit der Begründung abgelehnt werden, eine solche Behandlung liege nicht im
öffentlichen Interesse.
Urteil des 3. Senats vom 19. Mai 2005 - BVerwG 3 C 17.04
I. VG Köln vom 17.02.2004 - Az.: VG 7 K 1979/01 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 17.04
VG 7 K 1979/01
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. Februar 2004
wird geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des
Bescheides vom 4. August 2000 und des undatierten
Widerspruchsbescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel
und Medizinprodukte verpflichtet, über den Antrag des Klägers
auf Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu medizinischen
Zwecken erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Revision
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt drei Viertel, der Kläger ein Viertel der Kosten
des Rechtsstreits.
G r ü n d e :
I.
- 3 -
Der Kläger, ein 56-jähriger Rechtsanwalt, leidet unter Multipler Sklerose. Nach
eigenen Angaben lebt er inzwischen in einem Heim für schwer Körperbehinderte.
Unter dem 19. Februar 2000 beantragte der Kläger, ihm eine Erlaubnis nach § 3
Betäubungsmittelgesetz - BtMG - zum Besitz und zur Anwendung von Cannabis "zur
versuchsweisen Therapie" seiner Erkrankung zu erteilen. Er wies darauf hin, dass
seine Krankheit sich hauptsächlich in Muskelspasmen äußere, die ihn an den
Rollstuhl fesselten, sowie in Beeinträchtigungen der Seh- und Sprachnerven.
Außerdem betonte er, dass es ihm um die Anwendung von Cannabis gehe und er die
Anwendung des Ersatzstoffs Dronabinol ablehne, weil der Hauptwirkstoff des
Cannabis, Tetrahydrocannabinol (THC), nach vielfältiger Erfahrung nur im
Zusammenhang mit anderen Bestandteilen der Pflanze seine heilende und lindernde
Wirkung bei Multipler Sklerose entfalte.
Mit Bescheid vom 3. August 2000 lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) den Antrag mit der Begründung ab, Cannabis gehöre nach
§ 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage I dieses Gesetzes zu den nicht verkehrsfähigen
Betäubungsmitteln. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis
nach § 3 Abs. 2 BtMB lägen nicht vor. Die erstrebte Behandlung eines einzelnen
Patienten sei kein wissenschaftlicher Zweck im Sinne dieser Vorschrift. Auch ein
anderer im öffentlichen Interesse liegender Zweck sei nicht gegeben. Zwar könne
auch die notwendige medizinische Versorgung eines einzelnen Patienten einen
öffentlichen Zweck darstellen; die Anwendung von Cannabis sei aber nicht
notwendig, da THC in der Form des Dronabinol nach den vorliegenden
medizinischen Erkenntnissen bei der Behandlung von Multipler Sklerose keine
geringeren Wirkungen zeige als Cannabis. Außerdem liege der Versagungsgrund
des § 5 Abs. 1 Nr. 5 BtMG vor, da die Sicherheit oder Kontrolle des
Betäubungsmittelverkehrs in diesem Fall nicht gewährleistet sei. Durch die
Einschaltung eines Arztes könne die erforderliche Sicherheit und Kontrolle nicht
gewährleistet werden, da § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG die Verschreibung der in Anlage I
des Gesetzes aufgeführten Betäubungsmittel verbiete. Eine Abgabe ohne ärztliche
Verschreibung stünde im Widerspruch zu Art. 30 Abs. 2 Buchst. b des Einheits-
Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (BGBl II vom 11. Februar 1977 S. 111),
wonach die Vertragsstaaten für die Lieferung oder Abgabe von Suchtstoffen
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(darunter Cannabis) an Einzelpersonen ärztliche Verordnungen vorzuschreiben
hätten. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger auch mit einer Erlaubnis
nach § 3 Abs. 2 BtMG Cannabis nicht erwerben könne, da dieser Stoff auf dem
deutschen Markt legal nicht zu erwerben sei. Den Widerspruch des Klägers wies das
Bundesinstitut durch undatierten Bescheid, beim Kläger eingegangen am 14. Februar
2001, zurück.
Mit seiner Klage auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis zu
medizinischen Zwecken hat der Kläger vorgetragen, das Selbstbestimmungsrecht
und die personale Würde des Patienten geböten es, seine Entscheidung für eine
bestimmte Therapie und Selbstmedikation zu akzeptieren. Einem Erkrankten müsse
die Möglichkeit verbleiben, auch eine Außenseitermethode anzuwenden, um eine
Linderung seiner Leiden zu erreichen. Dies solle hier in einem ärztlich überwachten
Versuch geschehen. Der Verweis auf den Ersatzstoff Dronabinol trage schon
deshalb nicht, weil keine Vergleichsergebnisse zwischen dem synthetisch
hergestellten Ersatzstoff und dem natürlichen Produkt Cannabis vorlägen. Der Kläger
selbst lehne die Anwendung von Dronabinol ab, nachdem er es eine Zeitlang
ausprobiert habe. Das Mittel sei extrem teuer, mindere aber weder die Spastik in
nötiger Weise noch ergäben sich sonstige positive Effekte. Dagegen ergebe sich aus
den vorgelegten Berichten über die Anwendung von Cannabis, dass die Schmerzen
positiv beeinflusst würden und bei fast allen auch eine Spastizitätslinderung auftrete.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, die Versorgung
eines einzelnen Patienten mit Betäubungsmitteln sei kein im öffentlichen Interesse
liegender Zweck im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG. Der Antrag einer Privatperson sei
daher von vornherein nicht erlaubnisfähig. Im Übrigen sei die erfolgte Ablehnung
auch ermessensgerecht, weil aus medizinischer Sicht nicht davon ausgegangen
werden könne, dass THC (Dronabinol) bei Multipler Sklerose weniger Effekte zeige
als Cannabis.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Februar 2004
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versagung der begehrten
Erlaubnis sei rechtmäßig, weil die Ausnahmevoraussetzungen des § 3 Abs. 2 BtMG
nicht vorlägen. Die erstrebte Verwendung von Cannabis diene weder
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wissenschaftlichen noch anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken. Die
Anwendung von Cannabis bei einem einzelnen Patienten sei wissenschaftlich
unergiebig. Sie diene auch nicht der notwendigen medizinischen Versorgung der
Bevölkerung. Die Therapie einer einzelnen Person diene allein der Gesundheit des
jeweiligen Antragstellers und damit einem individuellen, keinem öffentlichen
Anliegen. Bestätigt werde dies durch § 13 Abs. 1 BtMG, der die ärztliche Behandlung
eines einzelnen Patienten mit Betäubungsmitteln regele. Eine andere Sicht würde die
Konzeption des Betäubungsmittelgesetzes unterlaufen, das in den Anlagen I bis III
eine Abstufung nach der Gefährlichkeit der Suchtstoffe vornehme. Die Auffassung
des Klägers hätte zur Folge, dass er aufgrund einer Erlaubnis des BfArM ohne
ärztliche Kontrolle und Begleitung Zugang zu Cannabis erhalten würde, während für
die Stoffe der Anlage III diese Begleitung vorgeschrieben sei.
Das Grundrecht des Klägers auf Leben und körperliche Unversehrtheit stehe der
Entscheidung nicht entgegen. Der Kläger habe bereits nicht dargelegt und auch nicht
durch ärztliche Gutachten nachgewiesen, dass seine Erkrankung nur durch Cannabis
geheilt oder gelindert werde, eine Versagung dieses Mittels ihn also in seinen
Grundrechten verletze. Die Frage der Wirksamkeit von Cannabis könne indessen
offen bleiben, da dem Kläger zumindest mit dem verschreibungsfähigen Wirkstoff
Dronabinol eine gleich wirksame Therapiealternative für die Behandlung von Ataxie
und Spastik zur Verfügung stehe, wohingegen für die übrigen Symptome der
Multiplen Sklerose auch andere Medikamente der Schulmedizin gegeben seien. Die
Kammer gehe davon aus, dass die vom Kläger erwünschte und der Cannabispflanze
zugeschriebene günstige Wirkung auf seine Krankheit ebenso mit Dronabinol erzielt
werden könne. Die vorliegenden Untersuchungen belegten die Gleichwertigkeit der
Mittel. Der Kläger habe nicht dargelegt und durch ein ärztliches Gutachten
nachgewiesen, dass ein ernsthafter, ärztlich angeleiteter und überwachter
Therapieversuch über einen angemessenen Zeitraum mit Dronabinol bei ihm
unternommen worden sei.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Zustimmung der Beklagten die vom
Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Dazu trägt er vor, ein
Betroffener müsse bei Krankheiten unklarer Genese- und Verlaufsform
"experimentieren" können. Dies gelte vor allem, wenn keine Folgelasten für die
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Allgemeinheit entstünden, dafür aber Kostenersparnisse in großem Umfang möglich
seien. Das Medikament Dronabinol sei keinesfalls ein geeignetes Ersatzmittel. Es sei
extrem teuer, wirke aber weder hinsichtlich der Schmerzzustände noch, was
besonders belastend sei, hinsichtlich der Spastizität.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie wiederholt und vertieft
ihr früheres Vorbringen. Insbesondere hält sie daran fest, dass die Behandlung einer
Einzelperson mit einem Betäubungsmittel kein im öffentlichen Interesse liegender
Zweck im Sinne des § 3 Abs. 2 BtMG sei. Die Gleichwertigkeit von Cannabis und
Dronabinol bei der Behandlung von Multipler Sklerose sei durch das
Verwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt. Im Übrigen werde
diese Gleichwertigkeit durch die inzwischen vorliegenden medizinischen
Untersuchungen bestätigt.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am
Verfahren. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit und
soziale Sicherung hält er die Revision für unbegründet. Er teilt insbesondere die
Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Nutzung von Cannabis zum Zweck
der Selbsttherapie keinen im öffentlichen Interesse liegenden Zweck im Sinne des
§ 3 Abs. 2 BtMG erfülle, sondern ausschließlich dem individuellen Interesse des
Klägers diene; die Möglichkeiten der Behandlung eines einzelnen Patienten mit
Betäubungsmitteln seien abschließend in § 13 Abs. 1 BtMG geregelt. Außerdem legt
er eine Übersicht über die Studien zur Wirksamkeit von Dronabinol und natürlichem
Cannabis bei verschiedenen Erkrankungen sowie die Antwort der Bundesregierung
betreffend den Einsatz von Cannabis-Wirkstoffen in Arzneimitteln (BTDrucks
15/2331) vor.
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts,
die Beklagte habe den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Erwerb von Cannabis
zu medizinischen Zwecken zu Recht abgelehnt, verletzt § 3 Abs. 2 des Gesetzes
über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl I S. 358). Das führt zur
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Änderung des angefochtenen Urteils und zur Verpflichtung der Beklagten, über den
Antrag des Klägers erneut zu entscheiden. Das weitergehende
Verpflichtungsbegehren bleibt dagegen ohne Erfolg.
Nach § 3 Abs. 2 BtMG kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
eine Erlaubnis zum Erwerb der in Anlage I des Gesetzes bezeichneten
Betäubungsmittel nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im
öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Diese Bestimmung ist einschlägig,
weil Cannabis ebenso wie Cannabisharz ausweislich der
15. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung - 15. BtMÄndV - vom 19. Juni
2001 (BGBl I S. 1180) in Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen
worden ist, die die nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittel enthält.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Erlaubnisfähigkeit des Cannabiserwerbs durch den
Kläger verneint, weil der Erwerb weder zu wissenschaftlichen noch zu anderen im
öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erfolgen solle. Das ist im Hinblick auf das
Fehlen wissenschaftlicher Zwecke nicht zu beanstanden. Wissenschaftliche Tätigkeit
ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur
Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Als Forschung ist sie geistige Tätigkeit mit
dem Ziel, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue
Erkenntnisse zu gewinnen (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 und
325/72 - BVerfGE 35, 79, 113). Zwar hat der Kläger die Erlaubnis zur
"versuchsweisen medizinischen Anwendung" von Cannabis beantragt. Der Versuch
soll jedoch lediglich der Feststellung dienen, ob die Anwendung von Cannabis in
seinem Fall positive therapeutische Auswirkungen auf sein Krankheitsbild hat; eine
systematische Versuchsanlage, die zu einer verallgemeinerungsfähigen Aussage
über die Wirksamkeit von Cannabis bei Multipler Sklerose führen könnte, ist nicht
beabsichtigt.
Fehl geht aber die Ansicht, die Erlaubnis werde auch nicht zu anderen im öffentlichen
Interesse liegenden Zwecken begehrt. Das Verwaltungsgericht meint, dies folge
schon daraus, dass die Therapie einer einzelnen Person allein der Gesundheit des
jeweiligen Antragstellers und damit einem individuellen, keinem öffentlichen Anliegen
diene. Mit dieser begrifflichen Argumentation schließt es generell die Erteilung einer
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Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zur Behandlung einzelner Patienten mit Cannabis
aus.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts wird vom Vertreter des Bundesinteresses
beim Bundesverwaltungsgericht geteilt. Sie steht aber im Widerspruch zu einer
Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das durch Beschluss vom
20. Januar 2000 - 2 BvR 2382/99 - NJW 2000, 3126 die Verfassungsbeschwerden
mehrerer Multiple-Sklerose-Kranker und Hepatitis-Patienten gegen das
Betäubungsmittelgesetz nicht zur Entscheidung angenommen hat, weil die
Betroffenen zunächst versuchen müssten, eine Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 BtMG zu
erlangen. Dazu verweist die Kammer auf den in § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG
ausgesprochenen Gesetzeszweck, die notwendige medizinische Versorgung der
Bevölkerung sicherzustellen. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung sei
danach auch ein öffentlicher Zweck, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis
gemäß § 3 Abs. 2 BtMG rechtfertigen könne.
Die Literatur ist dem Bundesverfassungsgericht einhellig gefolgt. Körner (BtMG,
5. Auflage 2001, § 3 Rn. 56) bezeichnet die Ablehnungspraxis des BfArM gegenüber
den 70 Antragstellern, die im Gefolge der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts einen Erlaubnisantrag gestellt hatten, als bedenklich, da
keine ausgewogene Abwägung der Behandlungsinteressen der schwerkranken
Antragsteller mit dem Schutzinteresse der Bevölkerung stattfinde. Weber (BtMG,
2. Auflage 2003, § 3 Rn. 112) meint, ein Erlaubnisantrag dürfte in Fällen wie dem
vorliegenden überwiegend auf Sympathie stoßen, doch werde nach dem derzeitigen
Befund eine Ermessenreduzierung auf null kaum in Betracht kommen. Der Verweis
auf Ermessensgesichtspunkte beinhalte, dass das Gesetz nicht zwingend zur
Ablehnung derartiger Anträge führt. Auch Lander (bei Hügel/Junge, Deutsches
Betäubungsmittelrecht, 8. Auflage 2002, § 3 BtMG Rn. 17) und Joachimski/Haumer
(BtMG, 7. Auflage 2002, § 3 Rn. 45) sehen ein öffentliches Interesse bei einer
therapeutischen Zielrichtung als gegeben an.
Der Senat folgt dieser Auffassung. Er hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2000
- BVerwG 3 C 20.00 - (BVerwGE 112, 314, 315), in dem es um die Erteilung einer
Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zum Zwecke der Religionsausübung ging,
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ausgesprochen, ein öffentliches Interesse sei gegeben, wenn das Vorhaben
zumindest auch einem gegenwärtigen Anliegen der Allgemeinheit entspreche. Daran
ist festzuhalten. Zu Unrecht verbindet das Verwaltungsgericht diesen Satz aber mit
der Behauptung, die Therapie einer einzelnen Person diene allein der Gesundheit
des jeweiligen Antragstellers und damit einem individuellen, keinem öffentlichen
Anliegen. Diese Bewertung entspricht weder dem Betäubungsmittelgesetz noch dem
Grundgesetz.
§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG nennt die notwendige medizinische Versorgung der
Bevölkerung neben der Verhinderung des Betäubungsmittelmissbrauchs als
Gesetzeszweck. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist kein globaler Akt,
der sich auf eine Masse nicht unterscheidbarer Personen bezieht. Sie realisiert sich
vielmehr stets durch die Versorgung einzelner Individuen, die ihrer bedürfen. Die
medizinische Versorgung der Bevölkerung erfasst nie alle Mitglieder der Bevölkerung
zugleich, sondern richtet sich an diejenigen, die jeweils ein bestimmtes
Krankheitsbild aufweisen.
Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat jeder das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit. Dieser Bestimmung kommt im Wertehorizont des Grundgesetzes
eine große Bedeutung zu. Leben und körperliche Unversehrtheit sind in weiten
Bereichen elementare Voraussetzung für die Wahrnehmung der übrigen
Grundrechtsgewährleistungen. In das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann
nicht nur dadurch eingegriffen werden, dass staatliche Organe selbst eine
Körperverletzung vornehmen oder durch ihr Handeln Schmerzen zufügen. Der
Schutzbereich des Grundrechts ist vielmehr auch berührt, wenn der Staat
Maßnahmen ergreift, die verhindern, dass eine Krankheit geheilt oder wenigstens
gemildert werden kann und wenn dadurch körperliche Leiden ohne Not fortgesetzt
und aufrechterhalten werden. Das gilt insbesondere durch die staatliche
Unterbindung des Zugangs zu prinzipiell verfügbaren Therapiemethoden zur nicht
unwesentlichen Minderung von Leiden (vgl. BVerfG <1. Kammer des 1. Senats>,
Beschluss vom 11. August 1999 - 1 BvR 2181/98 - NJW 1999, 3399, 3400 f.;
Schulze-Fielitz bei Dreier, GG, 2. Auflage 2004, Art. 2 II. Rn. 48; Murswieck bei
Sachs, GG, 3. Auflage 2003, Art. 2 Rn. 159 a).
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Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht in enger Beziehung
zur Menschenwürde, die zu achten und zu schützen nach Art. 1 GG Aufgabe aller
staatlichen Gewalt ist. Schwere Krankheit und das Leiden an starken, lange
dauernden Schmerzen können den Betroffenen hindern, ein selbstbestimmtes und
seinen Vorstellungen von einem menschenwürdigen Leben entsprechendes Leben
zu führen. Daraus folgt, dass die Therapierung schwer kranker Menschen nicht nur
jeweils deren individuelle Interessen verfolgt, sondern ein Anliegen der Allgemeinheit
ist. Der vom Verwaltungsgericht insoweit aufgebaute Gegensatz ist nicht haltbar. Die
Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG kann auch für die Therapie eines einzelnen
Patienten erteilt werden.
Die Auffassung, die Behandlung eines einzelnen Patienten mit Cannabis könne von
vornherein nicht im öffentlichen Interesse liegen, ist auch deshalb nicht
nachvollziehbar, weil zwar der konkret zu bescheidende Antrag jeweils von einer
Person gestellt ist, dasselbe Anliegen aber häufig von einer größeren Zahl von
Patienten geteilt wird. Die Frage des Einsatzes von Cannabis zur
Krankheitsbehandlung nimmt seit langem in der öffentlichen Diskussion breiten
Raum ein (vgl. BTDrucks 13/3282; BTDrucks 15/2331; Körner, a.a.O., § 3 Rn. 56).
Dabei geht es stets um die Frage, ob der mögliche Nutzen eines solchen
Therapieeinsatzes die Gefahr eines Betäubungsmittelmissbrauchs ausgleicht oder
gar übersteigt. Diesen Fragen kann nicht dadurch ausgewichen werden, dass die
Therapierung des einzelnen Patienten ausschließlich zur Privatsache erklärt wird.
2. Zu Unrecht beruft sich das Verwaltungsgericht für seine Auffassung, eine
Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG könne nicht zu therapeutischen Zwecken erteilt
werden, auch auf § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG. Die Vorschrift verbietet es Ärzten,
Zahnärzten und Tierärzten, die in Anlagen I und II bezeichneten Betäubungsmittel zu
verschreiben, zu verabreichen oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch zu
überlassen.
Das Verwaltungsgericht sieht ebenso wie der Vertreter des Bundesinteresses § 13
Abs. 1 BtMG insgesamt als abschließende Regelung für den therapeutischen Einsatz
von Betäubungsmitteln an. Daran ist richtig, dass Betäubungsmittel der Anlage I, die
unter § 3 Abs. 2 BtMG fallen, nicht nach § 13 Abs. 1 BtMG verschrieben und
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verabreicht werden dürfen. Das ist in Satz 3 dieser Regelung ausdrücklich
ausgesprochen. Dies ist auch konsequent, denn diese Betäubungsmittel sind weder
verkehrs- noch verschreibungsfähig. Das besagt aber nichts darüber, ob sie auf
anderen Wegen, nämlich mittels einer Erlaubnis nach § 3 BtMG, zur Anwendung
kommen können. Dazu trifft § 13 BtMG schon seinem Wortlaut nach keine Aussage
(ebenso BVerfG <3. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 20. Januar 2000
- 2 BvR 2382/99 - a.a.O.). Er regelt in Abs. 1 Satz 1 die therapeutische Verwendung
von Betäubungsmitteln der Anlage III. Die dort aufgeführten Stoffe sind verkehrs- und
verschreibungsfähig. Satz 3 nimmt von diesem Einsatzweg nicht nur die Mittel der
Anlage I sondern auch die der Anlage II aus, die verkehrs- aber nicht
verschreibungsfähige Betäubungsmittel enthält. Diese unterliegen nur dem
Erlaubnisverfahren nach § 3 Abs. 1 BtMG, für das die Versagungsgründe nach § 5
BtMG maßgeblich sind. Irgendeinen Hinweis, dass insoweit ein Einsatz zu
therapeutischen Zwecken unzulässig sein sollte, gibt das Gesetz nicht. Wenn aber
das Verbot des § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG für Betäubungsmittel der Anlage II den
therapeutischen Einsatz nicht verbietet, ist nicht zu erkennen, wieso dieselbe
Vorschrift für Betäubungsmittel der Anlage I einen weitergehenden Gehalt haben
sollte.
Das bedeutet, dass eine zu therapeutischen Zwecken erteilte Erlaubnis nach § 3
Abs. 2 BtMG über die Hürde der fehlenden Verkehrsfähigkeit hinweghilft, nicht aber
die Verschreibungsfähigkeit herstellt. Ärzte dürfen die in Anlage I aufgeführten
Betäubungsmittel in keinem Fall selbst zur Therapie bei einem Patienten einsetzen.
Dem steht das Verbot des § 13 Abs. 1 Satz 3 BtMG entgegen. Das hindert sie aber
nicht, einen Patienten medizinisch zu betreuen und zu begleiten, der auf der
Grundlage einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG solche Mittel im Rahmen der
Selbsttherapie bei sich anwendet.
Das angefochtene Urteil beruht hiernach auf einer unrichtigen Auslegung des § 3
Abs. 2 BtMG und damit auf einem Bundesrechtsverstoß.
3. Das angefochtene Urteilt stellt sich nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als
richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Insoweit könnte allerdings die Aussage des
Verwaltungsgerichts relevant sein, dass dem Kläger zumindest mit dem
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verschreibungsfähigen Wirkstoff Dronabinol eine gleich wirksame Therapiealternative
für die Behandlung der im Rahmen der Multiplen Sklerose auftretenden Ataxie
(Störung der Koordination von Bewegungsabläufen) und Spastik zur Verfügung
stehe, während für die übrigen Symptome der Krankheit auch andere Medikamente
der Schulmedizin gegeben seien. Das Verwaltungsgericht verwendet diese Aussage
im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 GG, um darzutun, dass die Verweigerung des
Cannabiserwerbs keinen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Klägers
darstelle. Wäre die Aussage richtig, müsste sie aber schon in die Auslegung des § 3
Abs. 2 BtMG einbezogen werden. Wenn dem Betroffenen zur Behandlung seiner
Krankheit ein gleich wirksames zugelassenes Arzneimittel zur Verfügung steht,
besteht kein öffentliches Interesse, stattdessen im Wege der Ausnahmeerlaubnis den
Einsatz eines weder verkehrs- noch verschreibungsfähigen Betäubungsmittels
zuzulassen.
Der Kläger bestreitet mit der Revision wie im gesamten früheren Verfahren, dass
Dronabinol bei der Behandlung von Multipler Sklerose die gleichen Wirkungen zeige
wie Cannabis. Dronabinol ist die Bezeichnung des synthetisch hergestellten
Cannabis-Wirkstoffs Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), neben dem Cannabis
noch eine Reihe weiterer Wirkstoffe enthält (vgl. Körner a.a.O. C 1 Rn. 236). Es wird
in den USA hergestellt und ist in Anhang III zum Betäubungsmittelgesetz
aufgenommen. Es ist in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen, kann aber
nach § 73 Abs. 3 AMG nach Deutschland importiert werden. Die Frage, ob dieses
Mittel bei bestimmten schweren Erkrankungen, zu denen neben Multipler Sklerose
unter anderem auch Aids gehört, die gleichen Wirkungen entfaltet wie Cannabis, ist
sehr umstritten und Gegenstand verschiedener Forschungsarbeiten, wie nicht zuletzt
in der Revisionserwiderung der Beklagten dargelegt ist.
Ob die Aussage des Verwaltungsgerichts, Dronabinol sei gleich wirksam wie
Cannabis, hinreichend belegt ist, erscheint vor diesem Hintergrund nicht
unzweifelhaft. Dennoch kann der Kläger mit seinen dagegen gerichteten Rügen kein
Gehör finden. Mit der Sprungrevision können nach § 134 Abs. 4 VwGO
Verfahrensmängel nicht gerügt werden. Der Kläger kann also nicht geltend machen,
das Verwaltungsgericht habe die Gleichwertigkeit von Dronabinol und Cannabis nicht
ausreichend geklärt.
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Gleichwohl erweist sich das angefochtene Urteil nicht wegen der Möglichkeit der
Verwendung von Dronabinol im Ergebnis als richtig. Dronabinol ist kein
zugelassenes Arzneimittel. Deshalb wird es selbst bei ärztlicher Verschreibung nicht
von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Es ist schwer erhältlich und extrem
teuer (vgl. Körner, a.a.O., § 3 Rn. 56; Amtsgericht Mannheim, Urteil vom 15. Mai
2003 - 1 Ls 310 Js 5518/02 -; BTDrucks 15/2331 S. 4 f.).
Diese Aussagen beinhalten keine Korrektur der erstinstanzlichen
Tatsachenfeststellungen. Sie machen vielmehr deutlich, dass das Verwaltungsgericht
den Begriff der Verfügbarkeit eines gleichwertigen Wirkstoffes falsch ausgelegt hat.
Es hat lediglich auf die Erhältlichkeit eines - aus seiner Sicht - gleich wirksamen
Stoffes abgestellt. Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres
verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine
Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur
Krankheitsbekämpfung entfallen lässt.
4. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil
die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis bei Multipler Sklerose - was das
Verwaltungsgericht offen gelassen hat - bislang nicht nachgewiesen ist. Zwar sieht
sich die Bundesregierung durch den fehlenden Wirksamkeitsnachweis derzeit
gehindert, neben Dronabinol auch natürlichen Cannabisextrakt verschreibungsfähig
zu machen (BTDrucks 15/2331 S. 6). Abgesehen von der Unschlüssigkeit dieser
Argumentation, weil auch für Dronabinol bislang kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt
(BTDrucks 15/2331 S. 4), kann das für eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG
erforderliche öffentliche Interesse nicht schon wegen des fehlenden
Wirksamkeitsnachweises verneint werden; nur der Nachweis der mangelnden
therapeutischen Wirksamkeit steht der Annahme eines öffentlichen Interesses und
damit der Erteilung der Erlaubnis zwingend entgegen. Das ergibt sich aus folgenden
Überlegungen:
Zieht man die Grundsätze der Arzneimittelzulassung heran, so ist nach § 25 Abs. 2
Nr. 4 AMG ein Arzneimittel nicht zulassungsfähig, dem die vom Antragsteller
angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder bei dem die Wirksamkeit nach
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dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom
Antragsteller unzureichend begründet ist. Die therapeutische Wirksamkeit ist
hiernach Zulassungsvoraussetzung für ein Arzneimittel. Dieser Grundsatz kann aber
in das Erlaubnisverfahren nach § 3 Abs. 2 BtMG nicht übertragen werden, weil die
Regelungen unterschiedliche Interessenlagen zum Gegenstand haben.
Die Zulassung eines Arzneimittels ist eine generelle Entscheidung, die das
Arzneimittel ohne weiteres verkehrsfähig macht. Das Erfordernis der therapeutischen
Wirksamkeit hat in diesem Zusammenhang die Schutzfunktion, den Patienten vor der
Einnahme unwirksamer Arzneimittel zu bewahren, die ihn unter Umständen von der
Anwendung wirksamer Therapiemöglichkeiten abhält. Das Erlaubnisverfahren nach
§ 3 Abs. 2 BtMG hat dagegen eine gänzlich andere Funktion. Die Entscheidung,
einem Patienten den Erwerb oder, was insbesondere bei Cannabis in Betracht
kommt, etwa den Anbau zu gestatten, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung. Sie
muss die konkreten Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes, aber auch dessen
möglichen Nutzen in Rechnung stellen. Dieser kann gerade bei schweren
Erkrankungen, wie sie hier in Rede stehen, auch in einer Verbesserung des
subjektiven Befindens liegen. Dabei ist sich der Betroffene bewusst, dass es keinerlei
Gewähr für die therapeutische Wirksamkeit des eingesetzten Betäubungsmittels gibt.
Bei schweren Erkrankungen ohne Aussicht auf Heilung gebietet es in diesem
Rahmen die von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geforderte Achtung vor der körperlichen
Unversehrtheit, die Möglichkeit einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG nur dann
auszuschließen, wenn ein therapeutischer Nutzen keinesfalls eintreten kann.
Speziell im Hinblick auf die Benutzung von Cannabis ist hierzu folgendes zu
ergänzen: Nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts sind die von
Cannabisprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren aus heutiger Sicht zwar
geringer, als der Gesetzgeber bei Erlass des Betäubungsmittelgesetzes
angenommen hat, doch verbleiben auch nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht
unbeträchtliche Gefahren und Risiken. Diese Gefahren und Risiken rechtfertigen es
nach wie vor, den Umgang mit Cannabisprodukten generell unter Strafe zu stellen
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43 u.a./92 - BVerfGE 90, 145,
181 f.) und das Recht des potenziellen Konsumenten auf freie Entfaltung seiner
Persönlichkeit durch Cannabisgenuss zurückzudrängen. Die genannten Gefahren
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und Risiken, die insbesondere beim Umgang von Jugendlichen mit Cannabis drohen,
stellen sich aber ganz anders dar, wenn es um den Einsatz des Betäubungsmittels
zur Bekämpfung einer Krankheit geht. Hier geht es um ein sehr viel höheres
Rechtsgut als die allgemeine Handlungsfreiheit oder das aus ihr von einigen
hergeleitete "Recht auf Rausch". In einer solchen Abwägungssituation erscheint die
Aufrechterhaltung der Strafbarkeit nur vertretbar, wenn schon die Möglichkeit einer
Heilung oder Linderung der schweren Erkrankung die Erlaubnisfähigkeit eröffnet.
Außerdem stellt bei schweren Erkrankungen, wie sie hier in Rede stehen, schon die
Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit eine Linderung dar, deren Eröffnung im
öffentlichen Interesse liegt.
5. Die ablehnende Entscheidung des Bundesinstituts ist auch darauf gestützt, bei
Erteilung der Erlaubnis sei die Sicherheit oder Kontrolle des
Betäubungsmittelverkehrs nicht gewährleistet (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 BtMG). Mit dieser
Begründung kann das angefochtene Urteil schon deshalb nicht aufrechterhalten
werden, weil eine substantiierte Prüfung hierzu selbst durch die Behörde nicht erfolgt
ist. Der generelle Hinweis auf die Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabis reicht
insoweit jedenfalls nicht aus, weil § 3 Abs. 2 BtMG auf eine partielle Legalisierung
dieses Umgangs zielt.
6. Internationales Recht steht einer Entscheidung zugunsten des Klägers nicht
entgegen. Im Ausgangsbescheid war hierzu auf § 5 Abs. 2 BtMG in Verbindung mit
dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der
Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl II S. 111) Bezug genommen worden.
Zum einen bringt das Einheits-Übereinkommen in Art. 2 Abs. 5 b, Art. 19 Abs. 1 a,
Art. 21 Abs. 1 a, Art. 30 Abs. 1 c und Art. 32 zum Ausdruck, dass der therapeutische
Einsatz von Suchtstoffen nicht verhindert werden soll (vgl. Körner, a.a.O., § 3
Bd. 56). Zum anderen stellt § 5 Abs. 2 BtMG die Versagung der Erlaubnis mit der
Begründung, sie stehe der Durchführung der internationalen
Suchtstoffübereinkommen entgegen, ins Ermessen der Behörde.
7. Das Fehlen zwingender Versagungsgründe rechtfertigt es nicht, die Beklagte
entsprechend dem Antrag des Klägers zur Erteilung der Erlaubnis zu verpflichten,
vielmehr steht die Erlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Eine
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Ermessensentscheidung ist bis jetzt nicht getroffen worden, da sich das BfArM aus
Rechtsgründen an einer Stattgabe gehindert gesehen hat. Ebenso fehlt es bislang an
einer Prüfung, der §§ 5 und 6 BtMG, insbesondere von § 5 Abs. 1 Nr. 2 und 3, § 6
Abs. 2 BtMG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette
Liebler Prof. Dr. Rennert
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 000 €
festgesetzt.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette