Urteil des BVerfG vom 08.04.2002
BVerfG: ausschuss, spende, konzentration, rechenschaftsbericht, partg, solidarität, vernehmung von zeugen, fraktion, herkunft, europäische kommission
Entscheidungen
L e i t s ä t z e
zum Urteil des Zweiten Senats vom 8. April 2002
- 2 BvE 2/01 -
1. Die nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG einsetzungsberechtigte Minderheit bestimmt über die Beweiserhebung im
Rahmen des Untersuchungsauftrags und innerhalb des Mehrheitsprinzips mit. Der Umfang des
Mitgestaltungsanspruchs reicht nicht weiter als derjenige der Mehrheit, ist diesem aber grundsätzlich vom
Gewicht her gleich zu erachten.
2. Das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Berücksichtigung ihrer Beweisanträge besteht auch
in einer Mehrheitsenquête.
3. Den Beweisanträgen der potentiell einsetzungsberechtigten Minderheit ist grundsätzlich Folge zu leisten,
soweit das Antragsrecht nicht sachwidrig oder missbräuchlich ausgeübt wird.
4. Die Ablehnung eines Beweisantrags bedarf der Begründung. Das von der Minderheit angerufene Gericht hat
sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Begründung der Mehrheit nachvollziehbar und der
Wertungsrahmen insbesondere bei der Auslegung des Untersuchungsauftrags in vertretbarer Weise ausgefüllt
worden ist.
5. Können nach Auffassung der Mehrheit nicht mehr alle Beweisanträge bearbeitet werden, hat sie durch
geeignete Verfahrensregeln sicherzustellen, dass die Minderheit angemessen berücksichtigt wird und zu Gehör
kommt.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
In dem Organstreitverfahren
über
die Anträge
1. festzustellen, dass der Antragsgegner dadurch gegen Art. 44 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG
verstoßen hat, dass er es unterlassen hat, Beweis zu erheben zum Untersuchungsauftrag
des Antragsgegners, insbesondere zu Ziff. IV,
a) durch Vernehmung des früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen Gerhard
Schröder, des ehemaligen Präsidenten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte
Sonderaufgaben Günther Himstedt, des Parlamentarischen Staatssekretärs im
Bundesministerium der Finanzen Karl Diller und des Bundesministers der Finanzen
Hans Eichel als Zeugen gemäß den vom Antragsgegner auf Antrag der Antragsteller zu
2. gefassten Beweisbeschlüssen 14-254, 14-381, 14-382 und 14-426,
b) durch Vernehmung der ehemaligen SPD-Schatzmeister Friedrich Halstenberg, Hans-
Ulrich Klose, Hans Matthöfer und des ehemaligen Vorsitzenden der Jungsozialisten
Wolfgang Roth als Zeugen gemäß den vom Antragsgegner auf Antrag der Antragsteller
zu 2. gefassten Beweisbeschlüssen 14-149, 14-150, 14-151 und 14-153,
c) zu Verstößen der SPD gegen die Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung in ihren
Rechenschaftsberichten durch Vernehmung des Finanzberaters und Revisors beim
SPD-Parteivorstand Hans Feldmann als Zeugen gemäß dem vom Antragsgegner auf
Antrag der Antragsteller zu 2. gefassten Beweisbeschluss 14-221;
2. festzustellen, dass die folgenden Beschlüsse des Antragsgegners gegen Art. 44 Abs. 1,
Verkündet
am 8. April 2002
Wolf
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Art. 38 Abs. 1 GG verstoßen:
a) Beschluss vom 11. Oktober 2001, zu den Ausschussdrucksachen 644-646, mit denen
die Anträge der Antragsteller zu 2. für unzulässig erklärt werden, Beweis zu erheben
zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziffer IV, so auch zu
der Frage, wer an der Pflichtverletzung, eine angebliche Spende der heutigen
Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin über DM 104.642,16 an ihren SPD-Kreisverband
Tübingen im Jahr 1998 im Rechenschaftsbericht 1998 nicht ausgewiesen zu haben,
mitgewirkt hat bzw. davon Kenntnis hatte, woher diese im Rechenschaftsbericht 1998
nicht ausgewiesenen Einnahmen stammen und wo sie verblieben, durch
aa) Vernehmung der Kassiererin des SPD-Kreisverbandes Tübingen Sieglinde Schmidt
als Zeugin,
bb) Beiziehung aller Buchhaltungsunterlagen des SPD-Kreisverbandes Tübingen, die
Aufschluss über die Herkunft und Verwendung dieser angeblichen Spende geben,
beim SPD-Kreisverband Tübingen,
cc) Beiziehung aller Unterlagen, insbesondere Kontoauszüge und andere
Bankunterlagen der heutigen Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin, die Aufschluss
über die Herkunft und Verwendung dieser angeblichen Spende geben, bei Prof. Dr.
Herta Däubler-Gmelin,
b) Beschluss vom 11. Oktober 2001 zur Ausschussdrucksache 641, mit dem der Antrag
der Antragsteller zu 2. für unzulässig erklärt wird, Beweis zu erheben zum
Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziffer IV, so auch zu der
Frage, ob und inwieweit die SPD in ihren Rechenschaftsberichten den Erlös aus dem
Verkauf der SPD-Gesellschaftsanteile der Auerdruck GmbH an die Druckhaus Deutz
GmbH im Jahr 1986 in Höhe von DM 63 Mio. und dessen Verwendung verschleiert hat
und damit gegen die nach dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz bestehende
Verpflichtung zur öffentlichen Rechenschaftslegung über die Herkunft und Verwendung
ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen verstoßen hat, durch Vernehmung des Dipl.-Kfm.
Gunter Gernhardt, WP/StB, ehemaliger Niederlassungsleiter der ATH Allgemeine
Treuhandgesellschaft mbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Steuerberatungsgesellschaft, Düsseldorf, als Zeugen,
c) Beschluss vom 17. Mai 2001 zu den Ausschussdrucksachen 563 und 564, mit dem die
Anträge der Antragsteller zu 2. für unzulässig erklärt werden, Beweis zu erheben zum
Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziffer IV, so auch zu
unklaren Millionen-Transaktionen an die SPD-eigene Solidarität GmbH in den Jahren
1987 bis 1990, durch Vernehmung der Wirtschaftsprüfer der Allgemeinen
Treuhandgesellschaft mbH (ATH) Gernhardt und Feldhaus als Zeugen,
d) Beschluss vom 27. September 2001 zur Ausschussdrucksache 612, mit dem der
Antrag der Antragsteller zu 2. für unzulässig erklärt wird, Beweis zu erheben zum
Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziffer IV, so auch zu
unklaren Millionen-Transaktionen an die SPD-eigene Solidarität GmbH in den Jahren
1987 bis 1990, durch Beiziehung der den Rechenschaftsberichten 1987 bis 1990 zu
Grunde liegenden Buchhaltungsunterlagen der Schatzmeisterei der Bundes-SPD
betreffend die Zahlungen der SPD an die Solidarität GmbH in diesen Jahren bei der
Schatzmeisterei der Bundes-SPD,
e) Beschluss vom 11. Oktober 2001 zu den Ausschussdrucksachen 642 und 643, mit dem
die Anträge der Antragsteller zu 2. für unzulässig erklärt werden, Beweis zu erheben
zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziffer IV, so auch zu
der Frage, ob Erträge, die die SPD aus ihren Unternehmensbeteiligungen erzielt hat, in
Rechenschaftsberichten entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes und des
Parteiengesetzes nicht veröffentlicht worden sind, durch Vernehmung der
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Secura GmbH Ulrich Schröder und Thomas
Bula als Zeugen,
f) Beschluss vom 15. November 2001 zu den Ausschussdrucksachen 659 und 661, mit
dem die Anträge der Antragsteller zu 2. für unzulässig erklärt werden, Beweis zu
erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziffer IV, so
auch zu der Frage, ob und inwieweit die SPD in ihren Rechenschaftsberichten Spenden
der SPD-eigenen Konzentration GmbH nicht veröffentlicht und damit gegen die nach
dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz bestehende Verpflichtung zur öffentlichen
Rechenschaftslegung verstoßen hat, durch
aa) Vernehmung des Rechtsanwalts Christoph Lehmann aus Göttingen, Geschäftsführer
der Konzentration GmbH, als Zeugen und
bb) Beiziehung sämtlicher Mietverträge zwischen der Konzentration GmbH und der SPD
bei der Konzentration GmbH,
g) Beschluss vom 15. November 2001 zur Ausschussdrucksache 662, soweit dort eine
Beendigung der Zeugeneinvernahme bis Dezember 2001 mit Ausnahme der
Anhörung des Zeugen Sirven sowie derjenigen Zeugen, die einer früheren Ladung für
November/Dezember 2001 nicht folgen konnten, beschlossen wurde;
3. bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Wege der einstweiligen Anordnung
festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, die Beweisaufnahme unverzüglich
fortzusetzen und innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden angemessenen Frist
a) den früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen Gerhard Schröder, den ehemaligen
Präsidenten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben Günter
Himstedt, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen
Karl Diller und den Bundesminister der Finanzen Hans Eichel gemäß den vom
Antragsgegner gefassten Beweisbeschlüssen 14-254, 14-381, 14-382 und 14-426 als
Zeugen zu vernehmen,
b) die ehemaligen SPD-Schatzmeister Friedrich Halstenberg, Hans-Ulrich Klose, Hans
Matthöfer und den ehemaligen Vorsitzenden der Jungsozialisten Wolfgang Roth gemäß
den vom Antragsgegner gefassten Beweisbeschlüssen 14-149, 14-150, 14-151 und 14-
153 als Zeugen zu vernehmen,
c) den Finanzberater und Revisor beim SPD-Vorstand Hans Feldmann gemäß dem vom
Antragsgegner gefassten Beweisbeschluss 14-221 zu Verstößen der SPD gegen die
Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung in ihren Rechenschaftsberichten als
Zeugen zu vernehmen,
d) gemäß den Anträgen der Antragsteller zu 2. zu den Ausschussdrucksachen 644-646
Beweis zu erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu
Ziffer IV, so auch zu der Frage, wer an der Pflichtverletzung, eine angebliche Spende
der heutigen Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin über DM 104.642,16 an ihren SPD-
Kreisverband Tübingen im Jahr 1998 im Rechenschaftsbericht 1998 nicht ausgewiesen
zu haben, mitgewirkt hat bzw. davon Kenntnis hatte, woher diese im
Rechenschaftsbericht 1998 nicht ausgewiesenen Einnahmen stammen und wo sie
verblieben, durch
aa) Vernehmung der Kassiererin des SPD-Kreisverbandes Tübingen Sieglinde Schmidt
als Zeugin,
bb) Beiziehung aller Buchhaltungsunterlagen des SPD-Kreisverbandes Tübingen, die
Aufschluss über die Herkunft und Verwendung dieser angeblichen Spende geben,
beim SPD-Kreisverband Tübingen,
cc) Beiziehung aller Unterlagen, insbesondere Kontoauszüge und andere
Bankunterlagen der heutigen Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin, die Aufschluss
über die Herkunft und Verwendung dieser angeblichen Spende geben können, bei
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin,
e) gemäß dem Antrag der Antragsteller zu 2. zur Ausschussdrucksache 641 Beweis zu
erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere zu Ziffer IV, so
auch zu der Frage, ob und inwieweit die SPD in ihren Rechenschaftsberichten den Erlös
aus dem Verkauf der SPD-Gesellschaftsanteile der Auerdruck GmbH an die Druckhaus
Deutz GmbH im Jahr 1986 in Höhe von DM 63 Mio. und dessen Verwendung
verschleiert hat und damit gegen die nach dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz
bestehende Verpflichtung zur öffentlichen Rechenschaftslegung über die Herkunft und
Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen verstoßen hat, durch Vernehmung des
Dipl.-Kfm. Gunter Gernhardt als Zeugen,
f) gemäß den Anträgen der Antragsteller zu 2. zu den Ausschussdrucksachen 563 und
564 Beweis zu erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere
zu Ziffer IV, so auch zu unklaren Millionen-Transaktionen an die SPD-eigene Solidarität
GmbH in den Jahren 1987 bis 1990, durch Vernehmung der Wirtschaftsprüfer der
Allgemeinen Treuhandgesellschaft mbH (ATH) Gernhardt und Feldhaus als Zeugen,
g) gemäß dem zur Ausschussdrucksache 612 gestellten Antrag der Antragsteller zu 2.
zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners Beweis zu erheben, insbesondere zu
Ziffer IV, so auch zu unklaren Millionen-Transaktionen an die SPD-eigene Solidarität
GmbH in den Jahren 1987 bis 1990, durch Beiziehung der den Rechenschaftsberichten
1987 bis 1990 zu Grunde liegenden Buchhaltungsunterlagen der Schatzmeisterei der
Bundes-SPD betreffend die Zahlungen der SPD an die Solidarität GmbH,
h) gemäß den Anträgen der Antragsteller zu 2. zu den Ausschussdrucksachen 642 und
643 Beweis zu erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners, insbesondere
zu Ziffer IV, so auch zu der Frage, ob Erträge, die die SPD aus ihren
Unternehmensbeteiligungen erzielt hat, in Rechenschaftsberichten entgegen den
Bestimmungen des Grundgesetzes und des Parteiengesetzes nicht veröffentlicht
worden sind, durch Vernehmung der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Secura
GmbH Ulrich Schröder und Thomas Bula als Zeugen,
i) gemäß den zu den Ausschussdrucksachen 659 und 661 gestellten Anträgen der
Antragsteller zu 2. Beweis zu erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners,
insbesondere zu Ziffer IV, so auch zu der Frage, ob und inwieweit die SPD in ihren
Rechenschaftsberichten Spenden der SPD-eigenen Konzentration GmbH nicht
veröffentlicht und damit gegen die nach dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz
bestehende Verpflichtung zur öffentlichen Rechenschaftslegung verstoßen hat, durch
aa) Vernehmung des Rechtsanwalts Christoph Lehmann aus Göttingen, Geschäftsführer
der Konzentration GmbH, als Zeugen und
bb) durch Beiziehung sämtlicher Mietverträge zwischen der Konzentration GmbH und
der SPD bei der Konzentration GmbH,
hilfsweise mit der Maßgabe, dass bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens
diejenigen Teile des Berichtes des Antragsgegners an den Deutschen Bundestag,
die Zitate aus den Protokollen der Zeugenvernehmungen und aus den beigezogenen
Dokumenten, Urkunden und Akten enthalten, in den Geheimhaltungsgrad vertraulich
nach § 2a Abs. 2 der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages
einzustufen sind;
Antragsteller: 1. CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag,
vertreten durch ihren Vorsitzenden Friedrich Merz und ihren 1. Stellvertretenden Vorsitzenden
Michael Glos,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
2. die Mitglieder des Deutschen Bundestages Dr. Hans-Peter Friedrich, Norbert Hauser, Andreas
Schmidt, Dorothea Störr-Ritter, Andrea Voßhoff,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hogan & Hartson Raue L.L.P.,
Potsdamer Platz 1, 10785 Berlin -
Antragsgegner: 1. Untersuchungsausschuss des 14. Deutschen Bundestages,
vertreten durch seinen Vorsitzenden Volker Neumann,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin,
- Bevollmächtigter:
Prof. Dr. Martin Morlok,
Poßbergweg 51, 40629 Düsseldorf -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsidentin Limbach,
Sommer,
Jentsch,
Hassemer,
Broß,
Osterloh,
Di Fabio,
Mellinghoff
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2002 durch
Urteil
für Recht erkannt:
1. Der Antragsgegner verstößt dadurch gegen Artikel 44 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz, dass er es unterlassen
hat, seinen Beweisbeschluss 14-426 zu vollziehen.
2. Die Beschlüsse des Antragsgegners vom 11. Oktober 2001 zur Ausschussdrucksache 641, vom 27.
September 2001 zur Ausschussdrucksache 612, vom 11. Oktober 2001 zu den Ausschussdrucksachen 642
und 643, sowie vom 15. November 2001 zu den Ausschussdrucksachen 659 und 661 verstoßen gegen Artikel
44 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz.
3. Der Antrag zu Ziffer 2.c) wird verworfen.
4. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
5. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Gründe:
A.
1
Der Organstreit betrifft die Beweiserhebung des 1. Untersuchungsausschusses des 14. Deutschen Bundestags, und
zwar den Nichtvollzug bereits beschlossener Beweisanträge sowie die Ablehnung von Beweisanträgen der
Ausschussminderheit.
I.
2
1. a) Auf Antrag der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschloss der 14. Deutsche
Bundestag am 2. Dezember 1999 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (BTDrucks 14/2139; BT-
Plenarprot 14/76). Der Einsetzungsantrag hatte folgenden Wortlaut:
3
Es wird ein Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes eingesetzt.
4
Dem Ausschuss sollen 11 Mitglieder (SPD 5 Mitglieder, CDU/CSU 3 Mitglieder, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN 1 Mitglied, F.D.P. 1 Mitglied, PDS 1 Mitglied) angehören.
5
I.
6
Der Ausschuss soll klären, inwieweit Spenden, Provisionen, andere finanzielle Zuwendungen
oder Vorteile direkt oder indirekt an
7
1. Mitglieder und Amtsträger der ehemaligen von CDU/CSU und F.D.P. getragenen
Bundesregierungen und deren nachgeordneten Behörden,
8
2. die die damaligen Bundesregierungen tragenden Parteien und/oder Fraktionen und deren
Funktionsträger oder deren Beauftragte oder
9
3. sonstige Personen und Institutionen
10
geflossen sind bzw. gewährt wurden, die dazu geeignet waren, politische
Entscheidungsprozesse dieser Bundesregierungen und/oder deren nachgeordnete Behörden
zu beeinflussen bzw. die tatsächlich politische Entscheidungsprozesse beeinflusst haben.
11
II.
12
Die Fragen aus I. sollen insbesondere geklärt werden im Zusammenhang mit
13
1. dem Verkauf von 36 deutschen Panzerfahrzeugen vom Typ Fuchs an Saudi-Arabien und
der Lieferung aus dem Bestand der Bundeswehr im Jahre 1991,
14
2. der Privatisierung bzw. dem Neubau der Erdölraffinerie in Leuna und mit der Veräußerung
des Minol-Tankstellennetzes,
15
3. der Lieferung von Flugzeugen durch die Deutsche Airbus GmbH an kanadische und
thailändische Fluggesellschaften Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre,
16
4. der Lieferung von MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwache in der zweiten
Hälfte der achtziger Jahre.
17
III.
18
Weiterhin soll geklärt werden,
19
1. ob und inwieweit durch die Zuwendungen und Handlungen aus I. und II. gegen die
Bestimmungen des Parteiengesetzes, gegen Amts- und Dienstpflichten, internationales Recht
und internationale Verträge verstoßen worden ist,
20
2. ob und wie durch die steuerliche Behandlung solcher Zuwendungen oder durch
ungerechtfertigte Zahlungen aus öffentlichen Haushalten die öffentliche Hand belastet wurde
und
21
3. welche Personen von solchen Zuwendungen, den mit den Zahlungen verbundenen
Geldflüssen, von den Vorteilsgewährungen und der steuerlichen Behandlung der Zuwendung
Kenntnis hatten.
22
IV.
23
Dem Verfahren des Untersuchungsausschusses werden die Regeln zugrunde gelegt, die von
den Mitgliedern der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft im Entwurf eines Gesetzes
über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen (sog. IPA-Regeln,
Drucksache V/4209) formuliert wurden, soweit sie geltendem Recht nicht widersprechen, und
wenn nach übereinstimmender Auffassung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses
keine sonstigen Bedenken dagegen bestehen.
24
§ 12 IPA-Regeln lautet:
25
(1) Der Untersuchungsausschuß erhebt die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen
Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen.
26
(2) Beweise sind zu erheben, wenn sie von den Antragstellern, einem Viertel der
Ausschußmitglieder oder den Betroffenen beantragt werden, es sei denn, dass sie
offensichtlich nicht im Rahmen des Untersuchungsauftrags liegen.
27
Der Bundestag setzte die Zahl der Ausschussmitglieder auf 15 fest (BT-Plenarprot 14/76). Zugleich lehnte er einen
von der FDP-Fraktion vorgeschlagenen und von dieser sowie der Antragstellerin zu 1. unterstützten Änderungsantrag
zu Abschnitt I. ab, der diesen Untersuchungsgegenstand auf die damaligen im Deutschen Bundestag vertretenen
Oppositionsparteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS erweitern sollte (BTDrucks 14/2247 vom 1.
Dezember 1999; BT-Plenarprot 14/76, S. 6).
28
b) Die Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragten am 15. Februar 2000, den
Untersuchungsauftrag des Ausschusses zu erweitern (BTDrucks 14/2686):
29
Der am 2. Dezember 1999 vom Deutschen Bundestag beschlossene Untersuchungsauftrag
(Drucksache 14/2139) wird nach den Ziffern I bis III wie folgt ergänzt:
30
Neue Ziffer IV:
31
Sofern tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, soll der Ausschuss auch klären, inwieweit
Parteien die nach dem Grundgesetz und dem Parteiengesetz bestehende Verpflichtung zur
öffentlichen Rechenschaftslegung über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel und über ihr
Vermögen verletzt haben, wer diese Pflichtverletzung begangen oder daran mitgewirkt hat
bzw. davon Kenntnis hatte, woher die in den Rechenschaftsberichten nicht oder nur lückenhaft
ausgewiesenen Einnahmen und Vermögenswerte stammen und welchen Zwecken sie dienten
bzw. wo diese verblieben.
32
Die bisherige Ziffer IV wird Ziffer V.
33
Diesen Antrag nahm der Deutsche Bundestag am 18. Februar 2000 gegen die Stimmen der Antragstellerin zu 1. mit
der Änderung an, dass vor den Worten "tatsächliche Anhaltspunkte" das Wort "konkrete" eingefügt wurde (BT-
Plenarprot 14/88, S. 8201).
34
2. Bis zum 18. März 2002 tagte der Parteispendenuntersuchungsausschuss insgesamt 98-mal. Er legte am 16.
Dezember 1999 fest, dass schriftliche Dokumente im Ausschuss nicht verlesen zu werden brauchen, sondern
dadurch Bestandteil der Untersuchungen werden, dass der Ausschuss sie zu den Akten nimmt. Beweisanträge waren
schriftlich zu stellen.
35
In seiner 98. Sitzung am 15. November 2001 beschloss der Antragsgegner auf Antrag der Fraktion der SPD gegen
die Stimmen der Antragsteller zu 2., die Zeugenvernehmung bis Ende Dezember 2001 zu beenden und mit der
Ausarbeitung des Berichts für den Bundestag zu beginnen. Der Antrag lautete wie folgt (Ausschuss-Drucksache
36
1. Ende der Zeugeneinvernahme im Dezember 2001 mit Ausnahme der Anhörung des Zeugen
Sirven sowie derjenigen Zeugen, die einer früheren Ladung für November/Dezember 2001 nicht
folgen konnten.
37
2. Vorlage des ersten Berichtsentwurfs (Verfahrens- und Feststellungsteil) durch das
Sekretariat an die Berichterstatter und Fraktionsmitarbeiter bis 15. März 2002.
38
3. Ggf. Gewährung rechtlichen Gehörs ab 2. April 2002.
39
4. Ggf. 1. Beratung des Berichterstatter-Entwurfs (Verfahrens- und Feststellungsteil) am 25.
April 2002.
40
5. Abgabe der Bewertungsteile, evtl. abweichenden Berichte und Sondervoten seitens der
Berichterstatter bzw. Fraktionen bis zum 3. Mai 2002.
41
6. Verabschiedung der Beschlussempfehlungen und des Berichts sowie ggf. der
abweichenden Berichte im Ausschuss bis spätestens 16. Mai 2002.
42
Der Vorsitzende des Ausschusses stellte in der Sitzung sodann fest, dass sich damit der Antrag der Antragsteller
zu 2. für die weitere Termingestaltung hinsichtlich der Termine 24. Januar bis 21. Februar 2002 erledigt habe. Für den
Sitzungstermin vom 13. Dezember 2001 beschloss der Ausschuss die Vernehmung der Zeugen nach Ziff. 1.
Dementsprechend stellte der Vorsitzende fest, dass sich der Antrag der Antragsteller zu 2. für den 13. Dezember
2001 erledigt habe (Ausschussprot 98, S. 10).
43
Auf Antrag der Vertreter der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschloss der Antragsgegner
am 13. März 2002, auf Grund der "besonderen Ereignisse in Köln", den Beschluss vom 15. November 2001
dahingehend zu ergänzen, dass der Ausschuss "die Zeugenvernehmungen für diesen Komplex wieder aufnimmt"
(ADrucks 707 vom 12. März 2002). Das Sekretariat des Ausschusses legte am 15. März 2002 einen ersten Entwurf
für einen Ausschussbericht in einem Umfang von 880 Seiten vor.
44
Bis zum Beschluss vom 15. November 2001 hatte der Antragsgegner 434 Beweisbeschlüsse gefasst, darunter die
Vernehmung von 252 Zeugen, 13 Anhörungspersonen und 4 Sachverständigen, und er hatte 104 Zeugen gehört.
Soweit hier relevant, betrafen die Beweisanträge der Antragsteller zu 2. den Komplex Leuna/Minol, die
Spendensammelpraxis der SPD in der Zeit ihres Bundesschatzmeisters Nau, eine Spende von Bundesjustizministerin
Däubler-Gmelin an ihren Landesverband sowie das Finanzgebaren der SPD im Rahmen ihrer Vermögensbeteiligungen
und deren Ausweis in den Rechenschaftsberichten dieser Partei.
45
3. Der Antragsgegner hat auf Antrag der Antragsteller zu 2. Beweisbeschlüsse über die Zeugenvernehmung zu den
Komplexen Leuna/Minol (a), die Spendensammelpraxis der SPD (b) und den Wertansatz der Vermögensbeteiligungen
dieser Partei (c) gefasst, die Beweisaufnahme jedoch nicht terminiert.
46
a) aa) Auf Antrag der Antragsteller zu 2. (ADrucks 338 vom 28. Juni 2000) beschloss der Ausschuss in seiner 32.
Sitzung am 6. Juli 2000, Bundeskanzler Schröder als früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen "insbesondere
zu Nr. IV des Untersuchungsauftrags" zu vernehmen (Beweisbeschluss 14-254). Die Antragsbegründung hatte auf
den Einsatz des damaligen Leiters der niedersächsischen Staatskanzlei, Steinmeier, für den Verkauf der Eisenbahn-
Wohnungsgesellschaft des Bundes an regionale Anbieter abgestellt.
47
Der Abgeordnete Schmidt (CDU/CSU) beantragte in der 83. Sitzung des Ausschusses am 28. Juni 2001, den
Zeugen Bundeskanzler Gerhard Schröder in der nächsten Woche zu vernehmen. Die Vernehmung solle den Komplex
Leuna/Minol betreffen und sei durch die Aussage des Zeugen Dr. Hans Friderichs in der letzten Sitzung zu direkten
Kontakten zwischen dem französischen Konzern Elf-Aquitaine und dem damaligen niedersächsischen
Ministerpräsidenten Schröder im Hinblick auf die geplante Pipeline von Wilhelmshaven nach Leuna erforderlich
geworden. Der Ausschuss lehnte den Antrag in dieser Sitzung ab (Ausschussprot 83, S. 10, Tagesordnungspunkt
Verschiedenes).
48
Die Antragsteller zu 2. stellten sodann ohne Begründung einen weiteren, vom Ausschuss in seiner 90. Sitzung am
27. September 2001 abgelehnten Antrag auf Terminierung der Vernehmung von Bundeskanzler Schröder (ADrucks
632 vom 18. September 2001; Ausschussprot 90, S. 17). Zwei folgende Terminierungsanträge (ADrucks 648 vom 10.
Oktober 2001 und ADrucks 658 vom 7. November 2001) unterfielen dem Beschluss des Antragsgegners vom 15.
November 2001.
49
bb) Auf Antrag der Antragsteller zu 2. (ADrucks 634 vom 18. September 2001) beschloss der Antragsgegner in
seiner 90. Sitzung am 27. September 2001 die Vernehmung von Bundesfinanzminister Hans Eichel "zum
Untersuchungsauftrag... insbesondere zu Ziffern I., II. 2", so auch zu der Frage, ob Entscheidungen im Rahmen der
Privatisierung von Leuna/Minol durch illegale finanzielle Zuwendungen beeinflusst worden seien (Beweisbeschluss 14-
426). Zur Begründung verwies der Antrag auf die vom Bundesministerium der Finanzen eingesetzte Sonder-Task-
Force Leuna/Minol. Bundesfinanzminister Eichel könne ferner zu den Berichten an die Europäische Kommission über
die Privatisierung Auskunft geben.
50
Die Antragsteller zu 2. beantragten die Vernehmung von Bundesfinanzminister Eichel für den 17. Januar 2002
(ADrucks 648 vom 10. Oktober 2001) und für den 24. Januar 2002 (ADrucks 658 vom 7. November 2001). Diesen
Anträgen trat der Ausschuss durch seinen Beschluss vom 15. November 2001 entgegen.
51
cc) Auf Antrag der Antragsteller zu 2. (ADrucks 558 vom 6. April 2001) beschloss der Antragsgegner in seiner 73.
Sitzung am 9. Mai 2001, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Diller als Zeugen
zu vernehmen (Beweisbeschluss 14-482). Der Antrag hatte dargelegt, der Zeuge habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt,
die die Privatisierung von Leuna/Minol auf etwaige Unregelmäßigkeiten untersucht habe; er könne zum Gang der
Untersuchungen berichten.
52
Der Antragsgegner hörte Staatssekretär Diller in seiner 76. Sitzung am 10. Mai 2001 als Auskunftsperson
(Ausschussprot 76, S. 1 ff.). Dem Antrag der Antragsteller zu 2., ihn als Zeugen am 11. Oktober 2001 zu vernehmen
(ADrucks 632 vom 18. September 2001), entsprach der Ausschuss in seiner 90. Sitzung am 27. September 2001
nicht (Ausschussprot 90, S. 17). Hinsichtlich eines weiteren Antrags auf Zeugenvernehmung am 31. Januar 2002
(ADrucks 658 vom 7. November 2001) stellte der Vorsitzende des Parteispendenuntersuchungsausschusses am 15.
November 2001 fest, der Antrag sei erledigt.
53
dd) Den Beschluss, den ehemaligen Präsidenten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS)
Himstedt als Zeugen zu vernehmen, fasste der Antragsgegner in seiner 73. Sitzung am 9. Mai 2001
(Beweisbeschluss 14-381). Nach dem Antrag der Antragsteller zu 2. (ADrucks 557 vom 6. April 2001) war er in
verschiedenen Funktionen zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Pipeline-Bau tätig.
54
Der Ausschuss hörte ihn in seiner 76. Sitzung am 10. Mai 2001 als Auskunftsperson (Ausschussprot 76, S. 33 ff.).
Die Antragsteller zu 2. beantragten am 7. November 2001 die Terminierung seiner Vernehmung als Zeuge für den 31.
Januar 2002 (ADrucks 658). Auch insoweit stellte der Ausschussvorsitzende Erledigung fest.
55
b) Auf die Anträge vom 23. Februar 2000 (ADrucks 192, 193, 194, 196) beschloss der Antragsgegner in seiner 9.
Sitzung vom 16. März 2000, die früheren Bundesschatzmeister der SPD Friedrich Halstenberg (Beweisbeschluss 14-
149), Hans-Ulrich Klose (Beweisbeschluss 14-150) und Hans Matthöfer (Beweisbeschluss 14-151) sowie den früheren
Vorsitzenden der Jungsozialisten, Wolfgang Roth (Beweisbeschluss 14-153), "insbesondere zu Ziff. IV" des
Einsetzungsbeschlusses als Zeugen zu vernehmen. Nach dem Antrag sollte Halstenberg über die
Spendensammelpraxis des vormaligen Schatzmeisters Nau, insbesondere zu anonymen Großspenden unter Verstoß
gegen das Parteiengesetz, Auskunft geben. Aus einer in der Presse berichteten Äußerung des früheren Vorsitzenden
der Jungsozialisten, Wolfgang Roth, ergebe sich, dass diese Praxis auch unter den nachfolgenden
Bundesschatzmeistern fortgesetzt worden sei.
56
Die Antragsteller zu 2. begehrten am 3. Juli 2001 die Terminierung dieser Zeugenvernehmungen für den 13. und 27.
September 2001 (ADrucks 610). Der Ausschuss lehnte dies in seiner 86. Sitzung ab (Ausschussprot 86 vom 5. Juli
2001, S. 8 f.). Der Abgeordnete Hofmann (SPD) hatte seinen Ablehnungsantrag damit begründet, der
Untersuchungsausschuss befinde sich augenblicklich mitten im Komplex Leuna/Minol. Die weiteren Anträge auf
Vernehmung der Zeugen am 13. Dezember 2001 und 21. Februar 2002 (ADrucks 658 vom 7. November 2001) erklärte
der Antragsgegner am 15. November 2001 für erledigt.
57
Der benannte Zeuge Roth richtete am 30. Januar 2002 ein Schreiben an den Vorsitzenden des Antragsgegners, in
dem er erklärte, dass er in der Presse falsch zitiert worden sei.
58
c) In seiner 18. Sitzung am 27. April 2000 beschloss der Ausschuss entsprechend den Anträgen der Antragsteller zu
2. Beweis zu erheben "insbesondere zu Ziff. IV des Untersuchungsauftrags", zu Verstößen der SPD gegen die Pflicht
zur öffentlichen Rechenschaftslegung in ihren Rechenschaftsberichten durch Vernehmung des Finanzberaters und
Revisors beim SPD-Parteivorstand Hans Feldmann (Beweisbeschluss 14-221). Nach der Antragsbegründung gab die
SPD in ihren Rechenschaftsberichten den Buch- oder Nominalwert ihrer Vermögensgegenstände an, die regelmäßig
nur einen Bruchteil der Verkehrswerte ausmachen würden (ADrucks 275 vom 12. April 2000 der Antragsteller zu 2.).
59
Am 29. September 2000 beantragten die Antragsteller zu 2., die SPD-Bundesschatzmeisterin Wettig-Danielmeier
sowie Feldmann am 8. November 2000 zu vernehmen (ADrucks 381). Der Ausschuss vernahm Frau Wettig-
Danielmeier in seiner 51. Sitzung am 30. November 2001 u.a. zu der Frage des Wertansatzes (vgl. Ausschussprot 51,
S. 15 f.). Den weiteren Antrag, die Vernehmung von Feldmann für den 21. Februar 2002 vorzusehen (ADrucks 658
vom 7. November 2001), erklärte der Ausschussvorsitzende am 15. November 2001 für erledigt.
60
4. Die vom Antragsgegner abgelehnten Beweisanträge der Antragsteller zu 2. betreffen die Spende von
Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin (a) sowie Vermögensbeteiligungen der SPD im Druckerei- und
Immobilienbereich und die Treuhandgesellschaften dieser Partei (b) bis (f).
61
a) Die Antragsteller zu 2. begehrten auf Grund der Tatsache, dass im Rechenschaftsbericht der SPD für das Jahr
1999 nachträglich DM 104.642,16 als Spende von Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin ausgewiesen waren, die Vernehmung
von Frau Sieglinde Schmidt, Kassiererin des SPD-Kreisverbands Tübingen als Zeugin, ferner die Beiziehung aller
Buchhaltungsunterlagen des SPD-Kreisverbands Tübingen sowie der Kontoauszüge und anderer Unterlagen (ADrucks
644, 645 und 646 vom 24. September 2001). Der nachgemeldete Betrag übersteige die jährliche
Abgeordnetenentschädigung erheblich.
62
Der Ausschuss lehnte die Beweiserhebung in der 92. Sitzung am 11. Oktober 2001 als unzulässig ab. Die
Bundestagsverwaltung habe den Sachverhalt eingehend geprüft und keine Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der
Rechenschaftslegung festgestellt. Es seien keine weiteren Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das
Parteiengesetz offenbar geworden.
63
b) Am 24. September 2001 wurde beantragt, "zum Untersuchungsauftrag, insbesondere zu IV", den
Wirtschaftsprüfer Gernhardt zu vernehmen (ADrucks 641). Die Antragsteller zu 2. führten aus, nach Presseberichten
habe die SPD Erlöse im Jahre 1986 in Höhe von DM 63 Mio. aus der Veräußerung ihres 90%igen Geschäftsanteils an
der Auerdruck GmbH an die Deutz GmbH erzielt, die im Rechenschaftsbericht 1986 nicht ausgewiesen seien. Die
schriftliche Stellungnahme des Zeugen gegenüber der Bundestagsverwaltung habe den Verdacht, die SPD könne den
Erlös aus der Veräußerung nicht ordnungsgemäß verbucht haben, nicht ausgeräumt.
64
In der 92. Sitzung am 11. Oktober 2001 lehnte der Ausschuss diesen Antrag ab, da es keine Anhaltspunkte für
einen Verstoß gegen das Parteiengesetz im Sinne des Untersuchungsauftrags gebe (Ausschussprot 92, S. 5).
65
c) Am 9. Mai 2001 beantragten die Antragsteller zu 2., Beweis zu erheben zu Millionen-Transaktionen an die SPD-
eigene Solidarität GmbH in den Jahren 1987 bis 1990 durch Vernehmung der damaligen Wirtschaftsprüfer der SPD
(ADrucks 563 und 564). Nach Presseberichten habe die SPD zwischen 1987 und 1990 rund DM 8,3 Mio. unklarer
Herkunft in die Bilanzen ihrer 100%igen Tochter Solidarität GmbH einfließen lassen.
66
In seiner 77. Sitzung am 17. Mai 2001 lehnte der Ausschuss diese Beweisanträge ab (Ausschussprot 77, S. 6). Sie
seien unzulässig, weil es an konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz
fehle. Die in Rede stehenden Gelder entstammten dem Parteihaushalt und seien im Rechenschaftsbericht
ausgewiesen. Die Schatzmeisterin der SPD habe dies auch in einem Schreiben an die Presse dargelegt.
67
d) Zum selben Komplex sollte der Ausschuss die den Rechenschaftsberichten 1987 bis 1990 zu Grunde liegenden
Buchhaltungsunterlagen der Bundesschatzmeisterin der SPD betreffend die Zahlungen der SPD an die Solidarität
GmbH in diesen Jahren beiziehen (ADrucks 612 vom 3. Juli 2001). Nach Auffassung der Antragsteller zu 2. gab auch
der Finanzbericht 1988 bis 1990 des SPD-Schatzmeisters keinen nachvollziehbaren Aufschluss über diese
Zahlungen. Das angebliche Schreiben der Schatzmeisterin der SPD liege dem Ausschuss nicht vor.
68
In seiner 90. Sitzung am 27. September 2001 lehnte der Ausschuss den Beweisantrag als unzulässig ab
(Ausschussprot 90, S. 7). Der Sachverhalt sei von der Bundestagsverwaltung geprüft und das Prüfungsverfahren im
Mai 2001 eingestellt worden.
69
e) Am 24. September 2001 stellten die Antragsteller zu 2. den Antrag, Beweis zu erheben "zum
Untersuchungsauftrag, insbesondere zu IV", ob die SPD nicht Rechnung gelegt habe über Erträge, die sie aus ihren
Unternehmensbeteiligungen erzielt habe, durch Vernehmung von Wirtschaftsprüfern der SPD (ADrucks 642). Der
Rechenschaftsbericht 1998 der SPD weise in der Rubrik Einnahmen aus Vermögen einen Betrag von DM 2,5 Mio.
auf, obwohl die SPD-eigene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG) eine Dividende in Höhe von DM
18,4 Mio. ausgeschüttet habe. Hiermit hätten nur die substanzerhaltenden Aufwendungen für das Willy-Brandt-Haus
gemäß § 27 Abs. 2 PartG saldiert werden können.
70
Diesen Antrag lehnte der Ausschuss in seiner 92. Sitzung am 11. Oktober 2001 ab (Ausschussprot 92, S. 5). Es
fehle an konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz im Sinne des Untersuchungsauftrags.
71
f) Die Antragsteller zu 2. beantragten am 7. November 2001, Beweis zu erheben "zum Untersuchungsauftrag,
insbesondere zu IV", ob und inwieweit die SPD in ihren Rechenschaftsberichten Spenden der parteieigenen
Konzentration GmbH nicht veröffentlicht habe, durch Vernehmung des Geschäftsführers der Konzentration GmbH,
Rechtsanwalt Lehmann (ADrucks 659), sowie durch Beiziehung sämtlicher Mietverträge der SPD bei der
Konzentration GmbH (ADrucks 661). Zur Begründung bezog sich der Antrag auf Presseberichte über die Überlassung
von Immobilien an Gliederungen der SPD zu geringen Mietzinsen.
72
Der Ausschuss lehnte die Anträge in seiner 98. Sitzung am 15. November 2001 mangels Anhaltspunkten für einen
Verstoß gegen das Parteiengesetz als unzulässig ab (Ausschussprot 98, S. 7).
73
5. Der Bundestagspräsident als die nach dem Parteiengesetz "mittelverwaltende Stelle" hat die den Beweisanträgen
zu Grunde liegenden Sachverhalte untersucht. Die diesbezügliche Korrespondenz des Bundestagspräsidenten mit den
im Bundestag vertretenen politischen Parteien zog der Antragsgegner bei (Beweisbeschluss 14-338 vom 21. Juni
2001, ADrucks 641, S. 2). Der Bundestagspräsident nahm zu den Sachverhalten auch in seinen Berichten nach § 23
Abs. 5 PartG für die Jahre 1996, 1997 und 1998 (BTDrucks 14/4747 vom 21. November 2000, Ziff. 4.2.5.5.) und für
das Jahr 1999 (BTDrucks 14/7979 vom 10. Januar 2002, Ziff. 2.2.5.5.) Stellung. Einleitend führte er jeweils aus:
74
Da weder die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und der Gesetzeszweck noch das
Verhältnis der Grundsätze zum Gesetzeszweck in § 24 Abs. 1 Satz 2 PartG klar kodifiziert
sind, kann im Einzelfall häufig nicht klar beurteilt werden, ob die gewählte Rechnungslegung
den - insoweit nicht eindeutigen - Anforderungen des Parteiengesetzes genügt. Entsprechend
ergaben sich bei den hier dargestellten Fällen keine Rechtsfolgen nach dem Parteiengesetz,
da die von den Parteien jeweils gewählte Methode der Rechnungslegung als rechtlich
vertretbar angesehen werden musste.
75
a) Zur Spende Nau stellte der Bundestagspräsident fest, dass zwar ein Verstoß gegen das Parteiengesetz in
Betracht komme, jedoch eine Rückforderung staatlicher Mittel aus Rechtsgründen ausscheide (BTDrucks 14/4747, S.
26 ff.).
76
b) Es sei "erneut die Frage gestellt" worden, "ob die Angabe des Buchwerts dem Transparenzgebot entspreche"
(BTDrucks 14/7979, S. 42). Der Bundestagspräsident hatte Gutachten von Prof. Badura und Prof. Schruff eingeholt,
die im Oktober bzw. Dezember 2000 zu dem Ergebnis kamen, dass eine Pflicht zur Wahl des Verkehrswertansatzes
nicht bestehe.
77
c) Zur Spende von Frau Däubler-Gmelin stellte der Bundestagspräsident fest, dass die Nachmeldung der Spende
wegen eines Missverständnisses der Vorschriften für Spenden von Mandatsträgern erforderlich geworden sei
(BTDrucks 14/7979, S. 35).
78
d) Die Transaktionen Auerdruck GmbH/Deutz GmbH hätten sich ausschließlich innerhalb des
Unternehmensbereichs der Partei abgespielt und sich daher nicht auf die Rechnungslegung der SPD nach dem
Parteiengesetz ausgewirkt (BTDrucks 14/7979, S. 43). Bereits mit Schreiben vom 4. April 2001 hatte die
Bundestagsverwaltung der SPD-Schatzmeisterin mitgeteilt, dass sich zu diesem Komplex Hinweise auf einen
Verstoß gegen das Parteiengesetz - "auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des früher für den Komplex
zuständigen Wirtschaftsprüfers" - nicht bestätigt hätten. Die Bundesschatzmeisterin der SPD hatte am 12. November
2000 unter Vorlage einer Erklärung des seinerzeitigen Wirtschaftsprüfers Gernhardt gegenüber dem
Bundestagspräsidenten Stellung genommen. Der Wirtschaftsprüfer Gernhardt hatte ausgeführt, dass es sich bei der
Übertragung der Auerdruck GmbH auf die Deutz GmbH um einen konzerninternen Vorgang im Unternehmensbereich
gehandelt habe, bei dem aus steuerlichen Gründen ein Kaufpreis "wie unter fremden Dritten" vereinbart worden sei.
Durch diese Vorgänge ausschließlich innerhalb des Unternehmensbereichs sei bei der SPD insgesamt keine reale
Vermögensänderung eingetreten.
79
e) Die Zahlungen der SPD an rechtlich selbstständige Gesellschaften ihres Unternehmensbereichs - Solidarität
GmbH - in den Jahren 1988 bis 1992 zur Abwendung von Defiziten waren nach Auffassung des
Bundestagspräsidenten mit dem Parteiengesetz vereinbar. Die Selbstfinanzierung der Parteien habe Vorrang vor der
Staatsfinanzierung (BTDrucks 14/7979, S. 43).
80
f) Bedenken gegen die Saldierungspraxis der SPD bestünden nicht (BTDrucks 14/7979, S. 42). Es sei geltend
gemacht worden, Gewinne aus den Unternehmensbeteiligungen der SPD nicht als "Einnahmen aus Vermögen" (§ 24
Abs. 2 Nr. 4 PartG), sondern als solche aus "sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit" (§ 24 Abs. 2 Nr. 5
PartG) zu verbuchen; eine Saldierung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 PartG mit Einnahmen aus Vermögen sei
ausgeschlossen gewesen. Die nochmalige Prüfung der angesprochenen Fragen bestätigte nach Auffassung des
Bundestagspräsidenten die bereits über die Vorjahre dargestellte Bewertung, dass kein Verstoß gegen das
Parteiengesetz vorliege. Die Wirtschaftsprüferkammer teile diese Rechtsauffassung. Der Bundestagspräsident stützte
sich insoweit auf eine Stellungnahme der Wirtschaftsprüferkammer vom 9. Oktober 2001, nach der "der
Rechenschaftsbericht jedenfalls nicht als eindeutig rechtswidrig einzustufen" sei und die Unsicherheit nicht zu Lasten
der rechenschaftspflichtigen Partei gehen könne.
81
Die vom Bundestagspräsidenten eingeholten Gutachten von Prof. Badura und Prof. Schruff kamen zu dem
Ergebnis, die Vorgabe des § 27 Abs. 2 Satz 1 PartG, wonach u.a. bei Einnahmen aus Vermögen der Reinertrag
einzusetzen sei, erlaube eine Saldierung nur horizontal, d.h. je nach Vermögensart. Eine sogenannte Quersaldierung
zwischen Einnahmearten sei durch § 27 Abs. 2 PartG nicht gedeckt; die Praxis der SPD sei daher mit den Vorgaben
des Parteiengesetzes und mit dem Vermerk über die Besprechung der Arbeitsgruppe der Wirtschaftsprüfer der
Bundestagsparteien mit deren Schatzmeistern am 6. Dezember 1983 (vgl. Ausschussprot 42 vom 9. Oktober 1984
des 1. Untersuchungsausschusses des 10. Deutschen Bundestags - "Flick" -, S. 209 ff.) nicht vereinbar.
82
g) Der Bundestagspräsident prüft die Überlassung von Büroflächen der zum Betriebsvermögen der parteieigenen
"Konzentration GmbH" gehörenden Immobilien zu einem relativ niedrigen Mietzins (BTDrucks 14/7979, S. 18).
II.
83
1. Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2001 im Organstreitverfahren die aus dem Rubrum
ersichtlichen Anträge gestellt und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Hierfür sehen sie sich
als antragsbefugt. Die Antragstellerin zu 1. habe ein eigenes Beweiserzwingungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG,
könne aber jedenfalls das Recht des Bundestags gemäß Art. 44 Abs. 1 GG in Prozessstandschaft gegenüber dem
Antragsgegner geltend machen. Die Antragsteller zu 2. seien zudem gemäß Art. 38 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 12
Abs. 2 IPA-Regeln antragsbefugt.
84
2. Es sei der in Nr. IV des Einsetzungsbeschlusses des Bundestags in der Fassung vom 18. Februar 2000 zum
Ausdruck kommende Wille des Bundestags, dass der Antragsgegner Verstöße aller Parteien gegen ihre nicht nur
nach dem Parteiengesetz, sondern auch nach dem Transparenzgebot des Grundgesetzes gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz
3 GG bestehenden Verpflichtungen zur öffentlichen Rechenschaftslegung untersuche. Die Mitglieder der
Antragstellerin zu 1. hätten die Erweiterung des Untersuchungsauftrags wegen der damit verbundenen
Gleichbehandlung gewollt und nur wegen der Befürchtung, dass die Ausschussmehrheit den Untersuchungsauftrag
einseitig zu Lasten der Minderheit durchführen werde, dagegen gestimmt.
85
Das Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sei nicht das Forum, in dem Beweise zum
Untersuchungsauftrag erhoben und die festgestellten Tatsachen gewürdigt werden könnten. Maßgeblich sei, ob
tatsächliche Anhaltspunkte für mögliche Verstöße auf Grund des Vortrags der Antragsteller festzustellen seien.
Darauf sei die Entscheidung zu gründen, ob es der Antragsgegner in verfassungswidriger Weise unterlassen habe, zu
diesen Anhaltspunkten Beweis zu erheben. Eine Entscheidung des Bundestagspräsidenten könne nicht von einem
Verstoß gegen das Parteiengesetz exkulpieren. Ein vom Antragsgegner geltend gemachter "innerer Themenschutz"
für die Einsetzungsgruppierung bei der Entscheidung über Beweisanträge sei nicht anzuerkennen. Das Thema der
Untersuchung bestimme der Einsetzungsbeschluss des Parlaments, das insoweit auch keine Befugnisse auf den
Untersuchungsausschuss delegieren könne.
86
Der Antragsgegner sei verpflichtet, einmal beschlossene Beweisanträge zu vollziehen. Er könne hiervon nicht mit
der Begründung Abstand nehmen, der Beweisbeschluss sei bereits rechtswidrig gefasst worden. Vielmehr müsse der
Beweisbeschluss ggf. unter Beachtung der Rechte der Minderheit gemäß § 12 Abs. 2 IPA-Regeln aufgehoben werden.
87
3. Der Antragsgegner habe nicht unter Termindruck gestanden, sondern systematisch die Anträge der Antragsteller
zu dem gesamten Komplex "SPD-Finanzen" vereitelt und so den ihm vom Bundestag erteilten Untersuchungsauftrag
verletzt. Der Antragsgegner nehme in Kauf, dem Bundestag einen einseitigen Bericht zu erstatten, der den
Untersuchungsauftrag nicht hinreichend abdecke. Der Untersuchungsausschuss habe die Möglichkeit, nicht nur
sämtliche von den Antragstellern beantragten 15 Zeugen in drei bis fünf Sitzungstagen, sondern darüber hinaus
weitere Zeugen zu vernehmen, sofern der Antragsgegner an diesen noch Interesse habe. Zu einer nennenswerten
Verzögerung der Berichterstattung an das Plenum komme es dadurch nicht. Nach dem anvisierten Termin für die
Verabschiedung des Ausschussberichts bis zum 16. Mai 2002 verblieben bis zum Ende der Legislaturperiode
voraussichtlich im Oktober 2002 immer noch etwa fünf Monate. Der 2. Untersuchungsausschuss der 12. Wahlperiode
"Treuhand" habe innerhalb von weniger als sechs Monaten 54 Sitzungen durchgeführt. Der 3.
Untersuchungsausschuss der 10. Wahlperiode "Neue Heimat" habe in weniger als acht Monaten 76 Sitzungen
abgehalten. Schließlich komme auch in Betracht, Sondersitzungen gemäß § 60 Abs. 3 GOBTag anzusetzen. Auf
Grund dieser praktischen Erfahrungen habe für den Antragsgegner kein Anlass bestanden, bereits zehn Monate vor
dem Ende der Legislaturperiode seine Arbeit einzustellen.
III.
88
1. Der Antragsgegner hält den Organstreit für unzulässig. Die Antragstellerin zu 1. sei keine konkrete
Antragsminderheit im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative GG, sondern eine "schlichte Minderheit" und
daher nicht durch diese Vorschrift berechtigt. Sie habe nicht den Antrag auf Einsetzung des
Parteispendenuntersuchungsausschusses gestellt und zudem gegen die Erweiterung des Einsetzungsantrags
gestimmt, auf die sämtliche im Streit befindliche Beweisanträge der Antragsteller zu 2. gestützt seien. Art. 44 Abs. 1
Satz 1 2. Alternative GG stelle eine Durchbrechung des Mehrheits- und mithin des Demokratieprinzips dar. Diese
einer schlichten Minderheit zuzugestehen, gefährde die Effektivität des Instruments Untersuchungsausschuss. Eine
Prozessstandschaft der Antragstellerin zu 1. sei abzulehnen, da es sich um einen Insichprozess des Bundestags
handeln würde. Der Untersuchungsausschuss sei andererseits nicht Antragsgegner, da er über keine eigene
Rechtsposition verfüge, seine Handlungen vielmehr dem Bundestag zuzurechnen seien. Der Antrag 2.c) sei verfristet.
89
2. Ein Untersuchungsausschuss sei bei der zeitlichen und thematischen Gestaltung seiner Untersuchung nur im
Falle einer Minderheitsenquête beschränkt. Im Übrigen genieße die Mehrheit weitgehendes Verfahrensermessen. Die
Verfassung schütze die effektive Untersuchung der Einsetzungsgruppierung; das könne die Minderheit, aber auch -
wie hier - die Mehrheit sein. Die Fortsetzung der Zeugenvernehmung zum jetzigen Zeitpunkt gefährde den Abschluss
der Untersuchungen sowie die Erstellung eines Abschlussberichts bis zu einem Zeitpunkt, zu dem der Deutsche
Bundestag ihn noch annehmen und debattieren könne. Durch die im Zusammenhang mit der Kölner Spendenaffäre
notwendig gewordenen Vernehmungen werde das Zeitfenster des Antragsgegners nochmals verkleinert. Die schlichte
Minderheit könne dem Ausschuss auch nicht Themen aufzwingen; dieser genieße vielmehr einen "inneren
Themenschutz" innerhalb des Untersuchungsauftrags. Der Antragsgegner habe auf Grund der Breite des
Untersuchungsthemas nicht den gesamten Untersuchungsauftrag erfüllen können.
90
3. Die Antragsteller weiteten den unbestimmten Rechtsbegriff "konkreter tatsächlicher Anhaltspunkt" bis zur
Unkenntlichkeit aus. Dem Untersuchungsausschuss stehe in dieser Frage zwar kein Ermessen, wohl aber ein
gewisser Beurteilungsspielraum zu, wie dies auch beim Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO der Fall
sei. Darüber hinaus werde man es als zulässig betrachten müssen, dass der Antragsgegner die Feststellungen des
Bundestagspräsidenten als eine gewisse Kontraindikation betrachte, auch wenn dessen Entscheidung den Ausschuss
nicht an einer Untersuchung hindern könne. Im Übrigen beträfen die Beweisanträge der Antragsteller zu 2. bloße
Rechtsfragen oder der Sachverhalt sei vom Antragsgegner "ausermittelt" (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit
§ 244 Abs. 3 StPO).
91
Hinsichtlich der bereits beschlossenen Beweiserhebungen gelte, dass das Bundesverfassungsgericht in vollem
Umfang prüfen müsse, ob ein vom Untersuchungsausschuss gefasster Beweisbeschluss verfassungsmäßig sei. Die
Beweisbeschlüsse, die Gegenstand der Anträge zu 1. seien, erfüllten diese Voraussetzung nicht.
IV.
92
Der Landtag Rheinland-Pfalz hat Stellung genommen. Der Schutz der Minderheit im Verfahren richte sich in
Rheinland-Pfalz nach § 13 Abs. 2 UAG RhPf, wonach Beweisanträge nur unter im Einzelnen festgelegten
Voraussetzungen abgelehnt werden dürften. § 13 UAG RhPf begründe damit ein "begrenztes
Beweiserzwingungsrecht" der parlamentarischen Minderheit im Untersuchungsverfahren. Art. 91 LV RhPf enthalte
zwar keine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf ein begrenztes Beweiserzwingungsrecht der parlamentarischen
Minderheit. Dieses Recht auf Schutz der Minderheit im Verfahren lasse sich jedoch aus dem Einsetzungsrecht der
Minderheit ableiten, da der Minderheitsschutz andernfalls de facto leer liefe. Insoweit sei sowohl der
parlamentarischen Minderheit als auch dem Parlament ein Anspruch auf "wirksame Durchführung des
Untersuchungsauftrags" oder "auf kompetenzgerechte Aufgabenwahrnehmung durch den Untersuchungsausschuss"
einzuräumen. Zwar stehe dieser Anspruch nach dem Wortlaut nur der Einsetzungsminderheit zu. Die Funktion des
Minderheitsschutzes für die Untersuchung als Sache des gesamten Parlaments spreche aber dafür, dass das in Art.
91 Abs. 1 Satz 1 LV RhPf verankerte Minderheitsrecht unabhängig davon bestehe, ob eine Minderheitsenquête oder
eine Mehrheitsenquête vorliege. Die gerichtliche Überprüfung habe sich auf die Feststellung eindeutiger Verletzungen
des Minderheitsrechts zu beschränken. Dabei sei die Einschätzungsprärogative der Mehrheit umso weiter, je
unbestimmter der Untersuchungsauftrag gefasst sei. Aus Art. 91 Abs. 1 Satz 1 LV RhPf könne sich ein Recht auf
Vollzug von Beweisbeschlüssen - ein Beweisdurchsetzungsrecht - ergeben. Das verfassungsrechtlich verbürgte
Recht auf die Erhebung bestimmter Beweise würde leer laufen, wenn der Anspruch der Minderheit mit der
Beschlussfassung
über
einen
zulässigen
Antrag
erschöpft
wäre.
Der
Beschluss
des
Parteispendenuntersuchungsausschusses, Beweisbeschlüsse nicht abzuarbeiten, erscheine als actus contrarius zur
Beschlussfassung und sei daher nach den gleichen Regeln zu beurteilen.
V.
93
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am 18. März 2001 zur Hauptsache verhandelt. In der
mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihren schriftsätzlichen Vortrag vertieft.
B.
94
Die Anträge sind mit Ausnahme des Antrags zu 2.c) zulässig.
I.
95
Die Beteiligten sind im Organstreitverfahren parteifähig. Nach § 63 BVerfGG können Teile der dort benannten
Verfassungsorgane Antragsteller und Antragsgegner im Organstreit sein, wenn sie im Grundgesetz oder in den
Geschäftsordnungen mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Die Antragstellerin zu 1. ist als ständig vorhandene
Gliederung des Bundestags parteifähig (vgl. BVerfGE 20, 56, <104>; 45, 1 <28>; stRspr). Die Antragsteller zu 2. sind
als sogenannte Fraktion im Ausschuss parteifähig, weil ihnen die Geschäftsordnung des Bundestags eigene Rechte
einräumt (vgl. BVerfGE 67, 100 <124>). Der Antragsgegner ist ein gemäß Art. 44 GG mit eigenen Rechten
ausgestattetes Hilfsorgan des Bundestags. Der Bundestag kann von Verfassungs wegen als Plenum diese
besonderen Befugnisse nicht selbst wahrnehmen (vgl. BVerfGE 67, 100 <124>). Die Antragsteller können aus diesem
Grund Rechte im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nur gegenüber dem Ausschuss geltend machen, der die
beanstandeten Maßnahmen selbst verantwortet.
II.
96
Die Antragsteller sind antragsbefugt, § 64 Abs. 1 BVerfGG.
97
1. Die Antragstellerin zu 1. hat hinreichend dargelegt, dass sie in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Das
Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass eine konkret als Einsetzungsminderheit in Erscheinung
getretene Fraktion des Deutschen Bundestags im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG befugt ist, die Behinderung
oder Vereitelung einer Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses geltend zu machen (vgl. BVerfGE 67, 100
<126>). Es ist möglich, dass ein solches Beweisdurchsetzungsrecht auch der potentiellen einsetzungsberechtigten
Antragsminderheit zusteht. Darum wird vorliegend in der Sache gestritten. Die Antragstellerin zu 1. ist zudem
berechtigt, im Organstreit die Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten des gesamten Parlaments
geltend zu machen (vgl. BVerfGE 45, 1 <28>). Das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG bleibt auch nach der
Einsetzung des Untersuchungsausschusses Sache des Parlaments als Ganzes, das sich des Ausschusses zur
sachgerechten Erfüllung dieser Aufgabe bedient (vgl. BVerfGE 49, 70 <85>; 67, 100 <125>; 83, 175 <180>).
98
2. Die Antragsteller zu 2. dürfen als so genannte Fraktion im Ausschuss die Verletzung der Minderheitsrechte aus
Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG auch neben der Antragstellerin zu 1. geltend machen. Die in den Untersuchungsausschuss
entsandten Abgeordneten einer Fraktion, die mindestens ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestags
umfasst, repräsentieren den einsetzungsberechtigten Teil des Bundestags im Ausschuss. Dies gilt jedenfalls, solange
kein Dissens zwischen der Fraktion und ihren Vertretern im Ausschuss erkennbar wird.
99
Demgegenüber ist es den Abgeordneten im Ausschuss verwehrt, in Prozessstandschaft um Rechte des Bundestags
gegen den Ausschuss zu streiten. Dafür fehlt es der Fraktion im Ausschuss an der Eigenschaft einer organisatorisch
verfestigten selbstständigen Teilgliederung des Bundestags (vgl. BVerfGE 2, 143 <164 f.>).
III.
100
1. Hinsichtlich der im Antrag zu 1. näher bezeichneten Beweisbeschlüsse war den Antragstellern erst am 15.
November 2001 erkennbar, dass sie nicht vollzogen werden würden. Die gegen diese Unterlassungen gerichteten
Anträge zu 1. sind daher fristgemäß.
101
2. Der Antrag zu 2.c) ist verfristet. Nach § 64 Abs. 3 BVerfGG muss der Antrag binnen sechs Monaten, "nachdem
die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist", gestellt werden. Den Antrag
auf die Vernehmung der Zeugen Gernhardt und Feldhaus hat der Antragsgegner in der 77. Sitzung am 17. Mai 2001
abgelehnt; die Frist endete mithin am Montag, den 19. November 2001.
102
Im Übrigen sind die Anträge zu 1.a) und b) sowie 2.d) bis g) innerhalb der Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG gestellt
worden.
C.
103
Die Anträge sind zu dem im Tenor ausgewiesenen Teil begründet. Der Antragsgegner hat insoweit Rechte der
Antragsteller aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt, als er ohne ausreichende Rechtfertigung Beweisanträge der
Antragsteller zu 2. abgelehnt und bereits beschlossene Beweisanträge nicht vollzogen hat.
I.
104
Der nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG als einsetzungsberechtigt qualifizierten Ausschussminderheit stehen Rechte auf
Beweiserhebung im Ausschuss zu. Die Einsetzungsminderheit hat einen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer
Beweisanträge durch die Ausschussmehrheit; dies gilt auch für die potentielle Einsetzungsminderheit (1). Den
Beweisanträgen der Minderheit ist grundsätzlich Folge zu leisten, es sei denn, das Antragsrecht wird nicht
sachgerecht oder missbräuchlich ausgeübt. Der Ausschuss, also die Ausschussmehrheit, hat die Ablehnung eines
von der Ausschussminderheit gestellten Beweisantrags entsprechend nachvollziehbar zu begründen. Dem
Bundesverfassungsgericht steht insoweit eine nur beschränkte Kontrolle auf Vertretbarkeit zu (2). Auf Antrag der
Minderheit gefasste Beweisbeschlüsse hat der Ausschuss grundsätzlich auch zu vollziehen. Jedoch liegt die
Verfahrensherrschaft in den Händen der jeweiligen Ausschussmehrheit. Sie entscheidet über die Reihenfolge der
Beweiserhebungen unter Berücksichtigung der Rechte der qualifizierten Minderheit und hat durch geeignete
Verfahrensregeln sicherzustellen, dass die Auswahl auch bei drohender Diskontinuität ausgewogen bleibt (3).
105
1. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG gibt dem Bundestag das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Damit erhält
das Parlament die Möglichkeit, sich ohne Mitwirkung von Regierung und Verwaltung über Angelegenheiten zu
informieren, deren Kenntnis es zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Das Schwergewicht der
Untersuchungen liegt regelmäßig in der parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung (vgl. BVerfGE 49,
70 <85>).
106
War das Untersuchungsrecht im System der konstitutionellen Monarchie noch in erster Linie ein Instrument des
gewählten Parlaments gegen die monarchische Exekutive, so hat es sich unter den Bedingungen des
parlamentarischen Regierungssystems maßgeblich zu einem Recht der Opposition auf eine Sachverhaltsaufklärung
unabhängig von der Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit entwickelt. Das Grundgesetz hat deshalb
dem Bundestag nicht nur das Recht eingeräumt, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, sondern dies der
Mehrheit auch zur Pflicht gemacht, wenn ein Viertel der Abgeordneten es beantragt. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG ist als
minderheitsschützende Vorschrift angelegt und damit auch auf einen Ausgleich zwischen fortwirkender
parlamentarischer Mehrheitsregel, Art. 42 Abs. 2 GG, und qualifiziertem Minderheitsrecht, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG.
107
a) Der Regelungsgehalt von Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG erschöpft sich nicht in der Pflicht des Bundestags, auf Antrag
eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die bei der Einsetzung des
Ausschusses von Verfassungs wegen vorhandene Spannung zwischen Mehrheit und qualifizierter Minderheit setzt
sich daher im Untersuchungsverfahren fort (vgl. bereits Partsch, Gutachten zum 45. Deutschen Juristentag 1964, Bd.
I, Teil 3, S. 199). Ungeachtet der Frage, welche Beteiligungsrechte schon aus dem Abgeordnetenstatus (Art. 38 Abs.
1 GG) folgen, können sich die Abgeordneten einer einsetzungsberechtigten Fraktion jedenfalls auf das
Minderheitsrecht des Art. 44 GG stützen. Die Einsetzungsminderheit muss im Rahmen des Untersuchungsauftrags
und innerhalb des Mehrheitsprinzips über die Beweiserhebung mitbestimmen können. Der Umfang dieses
Mitgestaltungsanspruchs kann zwar nicht weiter reichen als derjenige der Mehrheit, ist diesem aber grundsätzlich vom
Gewicht her gleich zu erachten. Mehrheit und qualifizierte Minderheit müssen beide ihre Vorstellungen von einer
sachgemäßen Aufklärung angemessen durchsetzen können.
108
Dieser dem Sinn und Zweck des Art. 44 GG folgenden Auslegung steht nicht der Wille des historischen
Verfassungsgebers entgegen. Zwar werden Zweifel an der Mitgestaltungsmacht der Minderheit darauf gestützt, dass
sich dem Wortlaut des Art. 44 Abs. 1 GG das in Art. 34 Abs. 1 WRV noch ausdrücklich vorgesehene
Beweisantragsrecht der Ausschussminderheit nicht mehr entnehmen lässt (vgl. Masing, Parlamentarische
Untersuchungen privater Sachverhalte, 1998, S. 63 m.Fn. 119). Es fehlt jedoch an einem erkennbaren Willen, insofern
von der Rechtslage der Weimarer Reichsverfassung inhaltlich abzuweichen. Bereits Art. 57 des Herrenchiemseer
Konventsentwurfs enthielt das ausdrücklich gewährleistete Beweisantragsrecht der Minderheit nicht mehr. Die Gründe
hierfür sind aus den Protokollen nicht zu ersehen. Auch der Parlamentarische Rat äußerte sich zu dieser Frage nicht
ausdrücklich. Allerdings begründete der Organisationsausschuss die Heraufsetzung des Quorums für das Erreichen
der qualifizierten Einsetzungsminderheit auf ein Viertel der Abgeordneten gegenüber der Fünftelregelung der Weimarer
Reichsverfassung damit, dass das Untersuchungsausschusswesen in der Weimarer Zeit von den radikalen Parteien
missbraucht worden sei (JöR n.F. Bd. 1 (1951), S. 367; Organisationsausschuss 6. Sitzung vom 24. September 1948,
StenProt, S. 58 f.; vgl. auch Schmidt-Hartmann, Schutz der Minderheit im parlamentarischen
Untersuchungsverfahren, 1994, S. 38 f.). Im Organisationsausschuss hielt man es allerdings für erforderlich, die
Minderheit zu schützen. So erwiderte gegenüber Bedenken des Abgeordneten Dr. Dehler, dass diese
Quorumsänderung gegen die parlamentarischen Minderheiten gerichtet sei, der Abgeordnete Dr. Katz, die Änderung
betreffe "nur die Frage, ob nicht eine größere Minderheit gefordert werden sollte" (OrgAussch 2. Sitzung vom 16.
September 1948, StenProt, S. 84). Im Übrigen stand neben der Bestimmung sinngemäßer Anwendung der
Strafprozessordnung als rechtstaatliche Einfassung der Beweiserhebungsbefugnis lediglich das Verhältnis des
Ausschusses zur Gerichtsbarkeit im Zentrum der Beratungen des Rates (vgl. Rechenberg, in: Bonner Kommentar,
Art. 44, I <2>).
109
b) Das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Berücksichtigung ihrer Beweisanträge besteht auch im
Rahmen einer Mehrheitsenquête. Um in den Genuss der Verfahrensrechte aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG zu gelangen,
muss die einsetzungsberechtigte Minderheit sich nicht mit einem eigenen Untersuchungsantrag konstituieren. Wäre
dies von Verfassungs wegen gefordert, so müsste die einsetzungsberechtigte Minderheit praktisch jeder
Mehrheitsenquête eine eigene Minderheitsenquête entgegensetzen, entweder parallel zur Einsetzung der
Mehrheitsenquête oder später im Fall eines Konflikts über Beweiserhebungen. Dadurch entstünde eine lediglich zu
Zwecken der Rechtswahrung notwendige, politisch aber nicht gewollte Konkurrenz von Untersuchungsausschüssen
zu einander überschneidenden oder identischen Sachverhalten. In Folge dessen würden Beweise doppelt erhoben,
Zeugen müssten vor zwei Untersuchungsausschüssen aussagen, Akten und andere Schriftstücke würden von beiden
Ausschüssen konkurrierend beansprucht. Eine solche Zweigleisigkeit einer von Mehrheit und oppositioneller
Minderheit in gleichem Maße für erforderlich gehaltenen Untersuchung einer öffentlichen Angelegenheit führte im
Ergebnis zu einer Fragmentierung der parlamentarischen Arbeit und zur Gefahr einer wechselseitigen Behinderung bei
der Erfüllung der Untersuchungsaufträge.
110
Die potentiell einsetzungsberechtigte Minderheit behält deshalb selbst dann ihre Verfahrensrechte aus Art. 44 Abs. 1
Satz 1 GG, wenn sie zunächst ausdrücklich gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gestimmt hat. Es
kann vielerlei Gründe geben, sich gegen eine politisch unerwünschte Enquête zu wenden und später doch an ihr
mitwirken zu wollen. Es lässt sich auch nicht die Gefahr leugnen, dass das Untersuchungsrecht in der Hand der
Mehrheit und in Abstimmung mit der von ihr getragenen Regierung gegen die parlamentarische Opposition gewendet
wird. In diesem Fall muss es der qualifizierten Minderheit unbenommen bleiben, sich dem Grunde nach gegen die
Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu wenden und - nach dem Scheitern dieser Bemühung - dennoch in ihm
mitgestaltend tätig zu sein, um eine aus ihrer Sicht ausgewogene Aufklärung sicherzustellen.
111
2. Den Beweisanträgen der potentiell einsetzungsberechtigten Minderheit ist grundsätzlich Folge zu leisten, soweit
das Antragsrecht nicht sachwidrig oder missbräuchlich ausgeübt wird. Mit einem Beweisbeschluss wird Klarheit
geschaffen, was zum Aufklärungsprogramm des Ausschusses gehört; dies gilt auch für die förmliche Ablehnung
eines Beweisantrags. Die Ablehnung eines Beweisantrags der qualifizierten Minderheit durch die Mehrheit darf nicht
allein auf das Mehrheitsprinzip des Art. 42 Abs. 2 GG gestützt sein; sie bedarf der Begründung. Die
Ausschussmehrheit darf Beweisanträge der qualifizierten Minderheit zurückweisen, wenn sie nachvollziehbar darlegt,
dass die Minderheit die ihr zustehenden Rechte sachwidrig ausübt. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn die
beantragte Beweiserhebung außerhalb des Untersuchungsauftrags liegt oder rechtswidrig ist, ferner wenn sie lediglich
der Verzögerung dient oder offensichtlich missbräuchlich ist.
112
Mit Rücksicht auf die parlamentarische Autonomie und die besondere Natur des Untersuchungsverfahrens als
Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse hat sich das von der Minderheit angerufene Gericht auf
die Prüfung zu beschränken, ob diese Begründung der Mehrheit nachvollziehbar und der durch die
Verfahrensautonomie der Mehrheit eröffnete Wertungsrahmen insbesondere bei der Auslegung des
Untersuchungsauftrags in vertretbarer Weise ausgefüllt worden ist. Daran kann es fehlen, wenn die Begründung der
Ablehnung den Beleg der Sachwidrigkeit der abgelehnten Beweisanträge nicht erkennen lässt oder wenn eine
Auslegung des Untersuchungsauftrags mit juristischen Auslegungsmethoden nicht mehr nachvollziehbar ist.
113
3. Einmal gefasste Beweisbeschlüsse, auch wenn sie von einer qualifizierten Minderheit beantragt worden sind, hat
der Ausschuss grundsätzlich zu vollziehen. Jedoch liegt die Verfahrensherrschaft über die Reihenfolge der
Beweiserhebungen und über die Zweckmäßigkeit einer Terminierung grundsätzlich in den Händen der jeweiligen
Ausschussmehrheit. Diese hat über den Vollzug der Beweisbeschlüsse zu entscheiden und sicherzustellen, dass der
Untersuchungsauftrag erfüllt werden kann. Ihre Verfahrensherrschaft ist jedoch durch das Recht der qualifizierten
Minderheit auf angemessene Beteiligung begrenzt. Können nach Auffassung der Mehrheit nicht mehr alle
Beweisanträge bearbeitet werden, hat sie durch geeignete Verfahrensregeln, wie sie z.B. § 17 Abs. 3 PUAG enthält,
sicherzustellen, dass die Minderheit angemessen berücksichtigt wird und zu Gehör kommt.
II.
114
Hieran gemessen, durfte der Antragsgegner mit Ausnahme der Vernehmung von Bundesfinanzminister Eichel den
mit den Anträgen zu 1.a) bis 1.c) begehrten Vollzug der bereits gefassten Beweisanträge beenden.
115
1. Der Antrag 1.a) ist nur in Bezug auf die Vernehmung von Bundesfinanzminister Eichel begründet.
116
a) Der Antragsgegner durfte von der Vernehmung von Bundeskanzler Schröder absehen.
117
Zwar war der Antragsgegner grundsätzlich verpflichtet, seinen Beweisbeschluss 14-254 zu vollziehen. Die
Antragsteller zu 2. haben es jedoch versäumt, ordnungsgemäß dessen Terminierung oder aber einen erneuten
Beweisbeschluss zu beantragen.
118
Der Beschluss des Antragsgegners vom 6. Juli 2000, Bundeskanzler Schröder als früheren Ministerpräsidenten von
Niedersachsen insbesondere zu Nr. IV des Einsetzungsbeschlusses als Zeugen zu vernehmen, ist auf die
Beweisantragsbegründung bezogen, die auf den Verkauf der Eisenbahn-Wohnungsgesellschaft des Bundes abgestellt
hatte. Die Antragsteller machen im vorliegenden Organstreitverfahren jedoch nicht geltend, dass Bundeskanzler
Schröder zu dieser Thematik nicht gehört worden ist. Vielmehr stützen sie ihr Begehren auf einen in der 83.
Ausschusssitzung gestellten Terminierungsantrag, der darauf gerichtet war, Bundeskanzler Schröder zum
Untersuchungskomplex Leuna/Minol zu hören. Die Antragsteller haben bisher nicht dargelegt, dass der Antragsgegner
über diesen (Ergänzungs-)Beweisantrag gesondert entschieden hat. Selbst wenn in der Ablehnung der Terminierung
zugleich eine Ablehnung des neuen Beweisantrags zu sehen wäre, konnte der Ausschuss diesen Antrag jedenfalls als
nicht formgerecht ablehnen, da die Schriftform insoweit nicht gewahrt worden war. Die von den Antragstellern zu 2.
ohne nähere Begründung gestellten weiteren Anträge auf Terminierung der Vernehmung von Bundeskanzler Schröder
weisen denselben Mangel auf.
119
b) Der Antragsgegner war nicht verpflichtet, den Parlamentarischen Staatssekretär Diller und den ehemaligen Leiter
der BvS Himstedt als Zeugen zu vernehmen.
120
Es unterliegt der Verfahrensautonomie eines Untersuchungsausschusses zu entscheiden, wie eine Person angehört
wird. Ein Anspruch der qualifizierten Minderheit, eine Person nicht nur als Auskunftsperson zu hören, sondern als
Zeugen zu vernehmen, besteht von Verfassungs wegen in der Regel nicht. Die vom Antragsgegner zuletzt in der
mündlichen Verhandlung angeführte Begründung, Beamte oder ehemalige Beamte seien bei der Darstellung
dienstlicher Abläufe grundsätzlich als vertrauenswürdig anzusehen, ist nachvollziehbar und überschreitet nicht den
Wertungsrahmen, der dem Antragsgegner zusteht.
121
c) Demgegenüber genügt die Begründung, die der Antragsgegner dafür gegeben hat, von der Vernehmung von
Bundesfinanzminister Eichel trotz des gefassten Beweisbeschlusses abzusehen, nicht den verfassungsrechtlichen
Anforderungen. Der Antragsgegner hat weder geltend gemacht, dass die Grundlage für den Beweisbeschluss entfallen
ist, noch hat er bei der Entscheidung, die Beweisaufnahme ohne Vollzug dieses Beweisbeschlusses zu beenden, die
Rechte der qualifizierten Minderheit hinreichend berücksichtigt.
122
Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass die Vollziehung des Beweisbeschlusses eine nicht sachgerechte oder
offensichtlich missbräuchliche Ausnutzung des Minderheitsrechts der Antragsteller darstellt. Es ist auch nicht
erkennbar, dass der Beweisbeschluss sich nicht mehr im Rahmen des Untersuchungsauftrags bewegt oder dass das
öffentliche Interesse an einer Vernehmung aus anderen Gründen entfallen ist. Das öffentliche Interesse des
Ausschusses an den Erkenntnissen der sogenannten Sonder-Task-Force Leuna/Minol ist auch später nicht entfallen.
Bei den Teilen des Einsetzungsbeschlusses, die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Privatisierung von
Leuna/Minol und sonstige Regierungskriminalität betreffen, sind im Übrigen auch keine "konkreten tatsächlichen
Anhaltspunkte" gefordert, wie dies die Ziffer IV des Untersuchungsauftrags vorsieht.
123
2. Der Antrag 1.b) ist unbegründet. Der Verzicht auf den Vollzug der Beweisbeschlüsse betreffend die früheren
Bundesschatzmeister der SPD ist nicht zu beanstanden.
124
Der Antragsgegner war zwar grundsätzlich verpflichtet, den beschlossenen Zeugenbeweis Halstenberg auch zu
erheben. Im Falle der Sammelspende Nau ist auch nicht ausgeschlossen, dass konkrete tatsächliche Anhaltspunkte
für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz vorliegen. Dieser Beweisbeschluss steht aber ersichtlich im
Zusammenhang mit der angeblichen Äußerung des früheren Vorsitzenden der Jungsozialisten, Roth, dass die
Spendensammelpraxis der Ära Nau unter den nachfolgenden Schatzmeistern fortgedauert habe, und mit den hierauf
gestützten Beweisbeschlüssen 14-150, 14-151 und 14-153. Nachdem Roth gegenüber dem Ausschuss die
Pressedarstellung seiner Äußerungen richtig gestellt hatte, war der Anlass für die Vernehmung der auf Halstenberg
folgenden Schatzmeister entfallen. Es ist nachvollziehbar, dass der Antragsgegner insoweit keine konkreten
Anhaltspunkte für Verstöße gegen das Parteiengesetz mehr gesehen hat.
125
Den ehemaligen Schatzmeister Halstenberg allein zu der Spendensammelpraxis der Ära Nau zu vernehmen, durfte
dem Antragsgegner nach insgesamt 18 Jahren und der bereits im sogenannten Flick-Untersuchungsausschuss
gezeigten Erinnerungslücken des Zeugen als nicht erforderlich erscheinen. Es ist jedenfalls vertretbar, wenn der
Antragsgegner insoweit von einem ungeeigneten Beweismittel ausgeht.
126
3. Der Antrag 1.c) ist unbegründet. Die unterlassene Vernehmung des Finanzberaters und Revisors beim SPD-
Parteivorstand, Feldmann, kann von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden. Die spätere Ablehnung, einen
bereits gefassten Beweisbeschluss zu vollziehen, ist ohne Verletzung der Minderheitsrechte möglich, wenn
nachträgliche Tatsachen oder Erkenntnisse dies rechtfertigen.
127
Es ist nach Ergehen des Beweisbeschlusses am 27. April 2000 deutlich geworden, dass zumindest die weit
überwiegend vertretene Ansicht, einschließlich des von Prof. Badura für den Bundestag erstellten Gutachtens, davon
ausgeht, § 24 Abs. 1 Satz 2 PartG verlange allein den Buchwertansatz im Rechenschaftsbericht. Die
Ausschussmehrheit kann eine Verletzung von Rechenschaftspflichten nach dem Parteiengesetz aus Rechtsgründen
verneinen.
128
Ohne einen möglichen Gesetzesverstoß würde die Ermittlung des Vermögens der SPD nach dem Verkehrswert eine
Ausforschung interner Vorgänge bedeuten, der Art. 21 Abs. 1 GG mit seiner Gewährleistung der Parteienfreiheit
entgegen steht. Es genügt nicht, dass die Frage Gegenstand intensiver rechtspolitischer Diskussion ist (vgl. Bericht
der Sachverständigenkommission, die eine doppelte Buchführung einführen und das Parteivermögen nach
handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften bewerten will, BTDrucks 14/6710, S. 48 ff.) oder das
verfassungsrechtliche Transparenzgebot durch Rechnungslegung betrifft.
129
Zudem ergab sich aus der Vernehmung der SPD-Bundesschatzmeisterin Wettig-Danielmeier am 30. November 2001
u.a. zu der Frage des Wertansatzes für die Antragsteller zu 2. die Gelegenheit, den Verkehrswert der
Vermögensbeteiligungen der SPD der Größenordnung nach zu ermitteln. Die Antragsteller zu 2. können dies ihrem
Bericht an das Plenum gemäß § 23 IPA-Regeln zu Grunde legen und entsprechende Wertungen und rechtspolitische
Folgerungen mit Blick auf das verfassungsrechtliche Transparenzgebot ziehen.
III.
130
Die Begründung, mit der der Antragsgegner Beweisanträge der Antragsteller zu 2. als unzulässig abgelehnt hat,
genügt nur teilweise den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der Antrag zu 2.a) ist unbegründet, weil der
Antragsgegner hinreichend dargelegt hat, dass sich die Beweiserhebung nicht mehr im Rahmen des
Untersuchungsauftrags bewegt. Demgegenüber genügt die Begründung, mit der der Antragsgegner weitere Anträge
der Antragsteller zu 2. abgelehnt hat, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Die Anträge zu 2.b) und 2.d)
bis f) sind begründet, weil der Begründung des Antragsgegners nicht entnommen werden kann, das Antragsrecht der
Minderheit sei nicht sachgerecht oder missbräuchlich ausgeübt worden.
131
1. Der Antrag 2.a) betreffend die Beweiserhebung zu einer Großspende von Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin
ist unbegründet. Die Begründung des Antragsgegners, dass sich die Beweisanträge außerhalb des
Untersuchungsauftrags bewegen, ist nachvollziehbar.
132
Die Antragsteller zu 2. haben in ihren Beweisanträgen bereits konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das
Parteiengesetz nicht darzulegen vermocht. Die nicht weiter substantiierte Annahme, dass die Mittel für die Spende
aus dritter Quelle stammten, ist ein Ausforschungsbeweisantrag von zudem hoher Eingriffsintensität in das
Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Die Ausschussmehrheit durfte daher insoweit für die Antragsablehnung als
unzulässig auf den Bericht des Bundestagspräsidenten verweisen, der die Nachmeldung der Spende auf ein
nachvollziehbares Versehen zurückführt.
133
2. Der Antrag 2.b) ist begründet. Die Begründung des Antragsgegners, dass keine Anhaltspunkte für einen Verstoß
gegen das Parteiengesetz im Sinne des Untersuchungsauftrags vorlägen, trägt die Ablehnung des Beweisantrags
zum Komplex Auerdruck GmbH/Deutz GmbH nicht.
134
Der fehlende Ausweis einer aus den Vermögensbeteiligungen einer politischen Partei stammenden erheblichen
Summe in ihrem Rechenschaftsbericht kann ein Verstoß gegen die Rechenschaftspflichten nach dem Parteiengesetz
sein. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für einen solchen Verstoß entfallen nicht schon deshalb, weil der
Bundestagspräsident unter Berücksichtigung der Stellungnahme des seinerzeit zuständigen Wirtschaftsprüfers der
SPD Hinweise für einen Verstoß nicht bestätigt sieht. Ob es sich um Transaktionen allein innerhalb des
Vermögensbereichs der SPD handelte, die den politischen Bereich nicht berührten, wie aus dem Gedächtnisprotokoll
des Wirtschaftsprüfers hervorgeht, ist gerade der aufklärungsbedürftige Sachverhalt. Insofern ist die Ablehnung des
Beweisantrags auch unter Berücksichtigung des dem Antragsgegner zustehenden Wertungsrahmens bei der
Auslegung des Untersuchungsauftrags nicht mehr nachvollziehbar.
135
Bei dem Komplex Auerdruck/Deutz aus dem Jahre 1986 stellt sich allerdings die Frage, ob noch ein hinreichender
zeitlicher Konnex zum Untersuchungsauftrag vorliegt. Dieser ist aber nicht schon dann aufgelöst, wenn Ursachen für
andauernde Entwicklungen weiter in die Vergangenheit hineinreichen. Anderes könnte gelten, wenn die Ursache für
Fehlentwicklungen und ihre Behebung in der Vergangenheit liegen, also abgeschlossene Vorgänge in Rede stehen,
die nicht mehr vom Untersuchungsinteresse gedeckt sind. Der Komplex reicht insofern zwar zeitlich weit zurück, ist
aber noch nicht sachlich abgeschlossen, solange Herkunft und Verbleib der Kaufsumme ungeklärt sind. Insofern kann
nicht davon ausgegangen werden, dass die zeitliche Konnexität zum Untersuchungsauftrag fehlt.
136
3. Der Antrag 2.d) ist begründet.
137
Die Antragsteller meinen, es bleibe fraglich, ob und wo die angeblich in die Kapitalrücklage der Solidarität GmbH
geleisteten Einlagen als Ausgaben im Rechenschaftsbericht der SPD verzeichnet seien. Es handele sich um sonstige
Ausgaben im Sinne von § 24 Abs. 3 Ziff. 5 PartG, die im Rechenschaftsbericht verzeichnet sein müssten. Dem hat
der Antragsgegner weder im Ausschuss noch im Organstreitverfahren zu begegnen vermocht. Im Organstreitverfahren
trägt der Antragsgegner umfassend unter Vorlage von Protokollen und Bilanzen von Gesellschafterversammlungen
der Solidarität GmbH vor. Der Sachverhalt sei bekannt, streitig sei allerdings, ob er die Rechnungslegungspflicht nach
dem Parteiengesetz verletze. Damit sucht der Antragsgegner den beantragten Beweis durch andere Beweismittel zu
substituieren, führt aber keine Gründe für die Unzulässigkeit der begehrten Beweiserhebung an.
138
Dass die Bundestagsverwaltung den Sachverhalt geprüft hat, ist ebenfalls kein Sachgrund, der belegen könnte,
dass die beantragte Beweiserhebung sachwidrig oder missbräuchlich wäre. Die Beweisfrage ist offen und die
Rekonstruktion der konkreten Vorgänge bei der Solidarität GmbH für ihre Klärung erheblich.
139
4. Der Antrag 2.e) ist begründet, denn die Begründung der Antragsgegner, dass keine konkreten Anhaltspunkte für
einen Verstoß gegen das Parteiengesetz vorlägen, trägt nicht die Ablehnung der Beweisanträge zur Behandlung der
Erträge, die die SPD aus ihren Unternehmensbeteiligungen erzielt hat.
140
Die Antragsteller zu 2. haben die Rechtsfrage gestellt, ob für die Zwecke des Rechenschaftsberichts die
Dividendeneinnahme DDVG mbH mit Ausgaben für das Willy-Brandt-Haus in Berlin saldiert werden durfte. Umstritten
in rechtlicher Hinsicht ist, ob und inwieweit die SPD Veräußerungserlöse bzw. Dividenden aus ihrem
Unternehmensbereich in den Rechenschaftsbericht nach § 24 Abs. 2 PartG einstellen musste oder mit von ihr
behaupteten Ausgaben für das Willy-Brandt-Haus gemäß §§ 26 Abs. 2 Satz 2, 27 Abs. 2 Satz 1 PartG verrechnen
durfte. Das von Prof. Badura im Auftrag des Bundestagspräsidenten erstellte Gutachten legt dar, dass hier keine -
allein zulässige - horizontale Saldierung im Rahmen einer Vermögensart vorliege. Die Antragsteller tragen vor, es sei
im Tatsächlichen weiterhin unklar, ob die Aufwendungen für das Willy-Brandt-Haus substanzerhaltend oder
werterhöhend gewesen seien.
141
Der Bericht des Bundestagspräsidenten gemäß § 23 Abs. 5 PartG für das Jahr 1999 trägt für sich genommen noch
nicht die Ablehnung des Beweisantrags. Der Bundestagspräsident selbst hat sich dahingehend geäußert, dass er das
Handeln der Partei als rechtlich vertretbar ansehe. Er stützt sich auf eine Stellungnahme der
Wirtschaftsprüferkammer, die eine offensichtliche Rechtswidrigkeit verneint und die Unsicherheit nicht zu Lasten der
rechenschaftspflichtigen Partei gehen lassen will. Diese Interpretation beruht auf einer spezifischen materiellen
Wertung des Bundestagspräsidenten, die den Untersuchungsausschuss nicht bindet und deshalb ein
Aufklärungsinteresse nicht entfallen lässt.
142
Ob der erst nach Anhängigwerden des vorliegenden Organstreitverfahrens vorgelegte Bericht des
Bundestagspräsidenten vom 10. Januar 2002 ernsthafte Möglichkeiten eines Verstoßes gegen das Parteiengesetz als
Voraussetzung für eine Sachaufklärung durch den Ausschuss im Einzelfall entfallen lässt, ist allerdings eine Frage,
die vom Ausschuss neu zu entscheiden sein wird.
143
5. Der Antrag 2.f) ist ebenfalls begründet, denn der Antragsgegner hat nicht darzulegen vermocht, dass der
Beweisantrag der Antragsteller zu 2. zur Vermietung durch die Konzentration GmbH sachwidrig oder offensichtlich
missbräuchlich ist.
144
Nach Ansicht der Antragsteller hätte die SPD die Differenz zwischen den von der Konzentration GmbH verlangten
und den marktüblichen Mietzinsen für parteieigene Immobilien in ihren Rechenschaftsberichten als Spende deklarieren
müssen. Umstritten ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, ob niedrige Mietzinsen bei den parteieigenen
Immobilien als Spenden anzusehen sind. Soweit der Antragsgegner insoweit die Presseberichterstattung über die
fraglichen Immobilien im Einzelnen als unzutreffend darzulegen sucht und dafür etwa Überlegungen zum Zeitpunkt der
Fotografie eines Gebäudes nach oder vor Renovierung anstellt, ist dies als Beleg für die Sachwidrigkeit des Antrags
der Antragsteller zu 2. nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für den Vortrag, die Vermietung an die SPD sei tatsächlich
zu ortsüblichem Zins erfolgt; denn dies ist eine Beweisfrage, die gerade Gegenstand der parlamentarischen
Untersuchung ist.
145
6. Ein Missbrauch des Beweisantragsrechts der Antragsteller hinsichtlich der Vermögensbeteiligungen der SPD ist
nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht. Die Antragsteller haben die Beweisanträge frühzeitig gestellt und
ihre Terminierung beantragt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sie diese nur deshalb aufrecht erhalten würden, um
den Abschluss der Untersuchungen des Antragsgegners zu verzögern.
IV.
146
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Beschluss vom 15. November 2001, mit dem der Antragsgegner die
Vernehmung von Zeugen beendet und der Gegenstand des Antrags zu 2.g) ist, für sich genommen verfassungswidrig
ist, auch soweit er nicht die bereits als zu Unrecht abgelehnt festgestellten Beweiserhebungen betrifft. Allerdings wird
in künftigen Fällen der Ausschuss bei die Beweisaufnahme beendenden Beschlüssen dafür Sorge zu tragen haben,
dass dies unter Beachtung von Regeln geschieht, die es sowohl der Mehrheit als auch jedenfalls der qualifizierten
Minderheit erlauben, noch in ausreichendem Umfang die von ihnen jeweils für unabdingbar gehaltenen Beweise zu
erheben.
147
Im Falle zeitlicher Enge, insbesondere bei drohender Diskontinuität muss künftig der Ausschuss Vorkehrungen dafür
treffen, dass Mehrheit und qualifizierte Minderheit mit ihren Beweisbegehren jeweils in angemessenem Umfang und
nach ihren jeweiligen Vorstellungen am noch zur Verfügung stehenden Zeitbudget beteiligt werden. Die Minderheit darf
nicht in die Lage versetzt werden, dass die von ihr für wesentlich gehaltenen Beweise solange dilatorisch behandelt
werden, bis unter Zeitdruck die Beweisaufnahme beendet wird. Vielmehr obliegt es dem Ausschuss, geeignete und
faire Verfahrensregeln - wie z.B. in § 17 Abs. 3 PUAG - für die Bearbeitung der noch anstehenden Anträge von
Mehrheit und Minderheit anzuwenden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, hat gegebenenfalls die Minderheit auf den
Vollzug eines Teils noch ausstehender Anträge zu verzichten, wie dies umgekehrt auch der Mehrheit zuzumuten ist,
wenn absehbar ist, dass nur so die Untersuchungsergebnisse rechtzeitig an das Plenum berichtet werden können.
V.
148
Mit der Feststellung, dass ein Teil der von den Antragstellern zu 2. begehrten Beweiserhebungen zu Unrecht vom
Antragsgegner abgelehnt oder unterlassen wurde, ist keine Entscheidung darüber verbunden, ob und wann diese
Beweise nachzuholen sind. Der Ausschuss wird nach der erfolgten Klärung des verfassungsrechtlichen
Streitverhältnisses unter Berücksichtigung der festgestellten Rechte der Antragsteller neu zu entscheiden haben.
Dabei wird auch von Bedeutung sein, ob neue Umstände im Themenbereich des Untersuchungsauftrags es erfordern,
andere Prioritäten zu setzen. Es gilt jedoch auch hier das Gebot, dabei ein Verfahren zu wählen, das die Interessen
der Mehrheit und der Minderheit zu einem angemessenen Ausgleich bringt.
D.
149
Mit der Entscheidung in der Hauptsache erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (BVerfGE
7, 99 <109>).
Limbach
Sommer
Jentsch
Hassemer
Broß
Osterloh
Di Fabio
Mellinghoff