Urteil des BVerfG vom 24.05.2001
BVerfG: verfassungsbeschwerde, kriminalität, wohnung, bewährung, vernachlässigung, haftentlassung, wahrscheinlichkeit, strafvollzug, straftat, vollstreckung
Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 751/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn R...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Elke Zipperer,
Bahnhofstraße 31, 91126 Schwabach -
gegen
a)
den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 19. März 2001 - 3 Ws 209/01
-,
b)
den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 21. Februar 2001 - StVK 46/2001 -
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Präsidentin Limbach
und die Richter Hassemer,
Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 24. Mai 2001 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
1. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung der Strafrestaussetzung zur Bewährung bei der Vollstreckung
kurzzeitiger Freiheitsstrafen.
2
Der Beschwerdeführer wurde wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei
Monaten verurteilt. Das Landgericht lehnte die Strafrestaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln
dieser Strafe ab. Zwar sei der Beschwerdeführer Erstverbüßer. Jedoch sei er seit dem Jahre 1995 mehrfach bestraft
worden und habe die abgeurteilte Tat in der Bewährungszeit nach einer früheren Verurteilung wegen Betruges
begangen. Daraus ergebe sich eine negative Sozialprognose.
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Das Oberlandesgericht verwarf die sofortige Beschwerde "aus den zutreffenden Gründen" der landgerichtlichen
Entscheidung. Die negative Sozialprognose folge aus den Vorstrafen, die sich auf den Straßenverkehr bezogen
hätten.
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2. Mit der Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 104
Abs. 2 GG geltend. Er sei zwar sechs Mal verurteilt, aber bisher nur mit geringfügigen Sanktionen belegt worden. Er
sei Erstverbüßer, habe sich selbst zum Strafantritt gestellt, in der Haft beanstandungsfrei geführt und verfüge nach
der Haftentlassung über eine Wohnung und einen Arbeitsplatz. Dies sei von den Fachgerichten nicht berücksichtigt
worden. Wenn das Oberlandesgericht für die Negativprognose nur auf die Delikte im Zusammenhang mit dem
Straßenverkehr abstelle, so falle die Vernachlässigung der genannten positiven Aspekte noch mehr ins Gewicht. Im
Fall der Verurteilung wegen einer Straftat der leichten Kriminalität seien die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit
der künftigen Begehung weiterer Straftaten andere als bei schwerer Kriminalität.
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3. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs.
2 BVerfGG nicht vorliegt.
6
Ein Begründungsmangel der angegriffenen Entscheidungen, der auf eine Verkennung der Bedeutung und Tragweite
des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers hindeuten könnte, ist nicht festzustellen. Das Landgericht hat
ausdrücklich berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer Erstverbüßer ist; das Oberlandesgericht hat diesen Punkt
durch Bezugnahme auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung aufgegriffen. Dem Verhalten des
Beschwerdeführers im kurzzeitigen Strafvollzug kam keine Bedeutung zu, die eine gesonderte Erwähnung in der
Entscheidung erfordert hätte. Das Vorhandensein von Wohnung und Arbeitsplatz und die Selbstgestellung auf die
Ladung zum Strafantritt bedurften keiner ausdrücklichen Erwähnung, weil es sich um den Normalfall bei Tätern der
leichten Kriminalität handelt. Entscheidungstragend war die Annahme, dass eine Reihe von Straftaten in einem kurzen
Zeitraum begangen wurde, die zum Teil einschlägiger Natur waren. Dagegen ist von Verfassungs wegen nichts zu
erinnern. Auf die Frage, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für eine Rückfallprognose bei leichter Kriminalität erforderlich
ist, kam es nicht an; denn die Prognose der Fachgerichte ergab wegen der hohen Rückfallgeschwindigkeit und des
Bewährungsbruchs einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Limbach
Hassemer
Mellinghoff